Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin
Mit Benutzung der neuesten Forschungen zusammengestellt von
Autor: Fromm, L. (?-?), Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Mittelalter Reisen Mecklenburg-Vorpommern Reformationszeit Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Russland Juden und Judentum
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin, Residenzstadt, Landeshauptstadt, Mecklenburg-Schwerin, Herzogtum, Großherzogtum, Stadtgeschichte, Kultur-, Sitten- und Sozialgeschichte, Wenden, Obotriten, Niclot,
Inhaltsverzeichnis
- Die Rechte der Stadt Schwerin 01 bis 27
- Die Rechte der Stadt Schwerin 28 bis 43
- Die praktische Gestaltung des Schwerin'schen Rechts
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1166 bis 1199
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1200 bis 1228
- Die Entwicklung der städtischen Verhältnisse
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1229 bis 1314
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1315 bis 1382
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1383 bis 1431
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1432 bis 1491
- 1492 - Ein Schicksalsjahr für die Juden Mecklenburgs
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1493 bis 1531
- Die Erzählung vom Geist "Pück"
- 1532 Ein bedeutungsvolles Jahr für Schwerin
- Reformationszeit - Entwicklung der Kultur-Verhältnisse in Schwerin
- Die Bauperioden des Residenzschlosses Schwerin
- Hofordnung und Hofleben in Schwerin
- Einrichtungs-/Inventarverzeichnis Heinrichs V. i. J. 1520
- Einrichtungs-/Inventarverzeichnis Joh. Albrechts I. i. J. 1576
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1533 bis 1540
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1541 bis 1550
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1551 bis 1554
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1555 bis 1558
- David Chyträus "eine Lobrede von der Stadt Schwerin..."
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1559 bis 1564
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1565 bis 1569
- Der Lübecker Martensmann (Lübecker Volkssage)
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1570 bis 1575
- Herzog Johann Albrecht † 12. Februar 1576
- Die Sage vom "Petermännchen"
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1578 bis 1589
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1590 bis 1596
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1597 bis 1603
- 1604 Inquisition und Hexenverfolgung in Schwerin
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1604 bis 1609
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1610 bis 1615
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1116 bis 1619
- Die Verhältnisse in Schwerin in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1620 bis 1625
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1626 bis 1630
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1631 bis 1634
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1635 bis 1639
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1640 bis 1645
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1646 bis 1650
- 1651 d. 16. Juli, ein Schreckenstag für die Stadt
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1651 bis 1655
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1656 bis 1660
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1661 bis 1670
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1671 bis 1690
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1691 bis 1700
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1701 bis 1705
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1706 bis 1712
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1713 bis 1716
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1717 bis 1722
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1723 bis 1730
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1731 bis 1734
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1735 bis 1740
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1741 bis 1749
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1750 bis 1755
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1756 bis 1763
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1764 bis 1770
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1771 bis 1776
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1777 bis 1780
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1781 bis 1787
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1788 bis 1795
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1796 bis 1805
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1806 bis 1808
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1809 bis 1812
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1813 bis 1815
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1816 bis 1819
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1820 bis 1823
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1824 bis 1827
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1828 bis 1830
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1831 bis 1832
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1833 bis 1835
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1836 bis 1838
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1839 bis 1841
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1842 bis 1843
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1844 bis 1845
- Geschichte der Stadt Schwerin von 1846 bis 1847
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1848
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1849
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1850
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1851
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1852
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1853
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1854
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1855
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1856
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1857
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1858
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1859
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1860
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1861
- Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1862
Indem ich hiermit eine Chronik der Stadt Schwerin der Öffentlichkeit übergebe, glaube ich, mit einigen Worten den Zweck und die Einrichtung derselben darlegen zu müssen.
Der Zweck kann kein anderer sein, als der, dem Publikum eine Einsicht in die Geschichte dieser Stadt zu bieten, welche seit Jahrhunderten schon einen hohen Rang unter den Städten Mecklenburgs eingenommen hat. Es soll also in dieser Chronik vor allen Dingen auf die Entwicklung der städtischen Verhältnisse aller Art Rücksicht genommen, und dieselbe von der Gründung der Stadt an bis auf die Gegenwart fortlaufend und übersichtlich dargestellt werden. Leider lässt sich dies nicht ganz im vollen Maße ausführen, da über Schwerin aus der ältesten Zeit eines Bestehens verhältnismäßig nur wenige Nachrichten auf uns gekommen sind. Ich konnte deshalb nur diese sammeln und den Versuch machen, sie möglichst zu einem Gesamtbilde zusammenzustellen.
Eine Schwierigkeit bietet dabei der Umstand, dass die Geschichte der Stadt Schwerin, weil sie die Hauptstadt des Landes ist und der Mittelpunkt des früheren Bistums war, mit der allgemeinen Landesgeschichte so innig verbunden ist. Die Chronik einer Stadt kann sich nicht zu einer allgemeinen Geschichtsschreibung erweitern, und doch ist es sehr schwierig, jene von dieser hier zu trennen. Es liegt die Gefahr nahe, dass entweder die Chronik zu sehr verallgemeinert oder gar zu dürftig und zu wenig anregend wird. Ich habe dahin gestrebt, nur solche Ereignisse aufzunehmen, welche besonderen Bezug auf die Stadt selbst haben oder sonst von einiger Wichtigkeit sind; ob ich das Richtige getroffen habe, wird das Urteil der Leser entscheiden müssen.
Bei der Einrichtung dieser Chronik bin ich dem Vorgang der älteren Chronik Schwerins von Hederich gefolgt, habe also die Ereignisse nach chronologischer Reihenfolge zusammengefügt, ohne sie immer fortlaufend mit einander zu verbinden. Ohne Zwang wäre Letzteres nicht möglich gewesen, da sich, wie schon erwähnt, die Geschichte der Stadt in den zugänglichen Nachrichten nicht ununterbrochen vor uns abspinnt. Wer aber Hederichs Chronik kennt, wird eingestehen müssen, dass manche Berichtigungen, namentlich der Jahreszahlen, notwendig waren. Ich hoffe, dass ich aus den Quellen, welche ältere und neuere Geschichtsforscher darbieten, überall das Richtige geschöpft habe. Die vielen Mitteilungen, welche in Hederichs Werke fehlen, haben wir eben erst der neueren Geschichtsforschung zu danken; die gegebenen Schilderungen des städtischen Lebens werden dem Leser hoffentlich das historische Bild desselben in willkommener Weise ergänzen.
Da ich, um die Darstellung nicht mit Anmerkungen zu überladen, die Bezugnahme auf die Quellen überall unterlassen habe, so muss ich dieselben hier dem Leser nennen. Außer den älteren mecklenburgischen Geschichtsschreibern habe ich hauptsächlich und eingehend genutzt:
Die Jahrbücher für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde und aus ihnen vorzugsweise die reichhaltigen, überall urkundlich beglaubigten Mitteilungen des Herrn Archivrats Dr. Lisch;
von Lützow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg;
E. Boll, Geschichte Mecklenburgs;
Lisch, Mecklenburg in Bildern u. A.
Ich ersuche schließlich die geehrten Leser, nicht nur diese Chronik, deren Abfassung überaus mühevoll ist, freundlich willkommen zu heißen und nachsichtsvoll zu beurteilen, sondern auch auf das Dringendste darum, dass sie mich durch Rat und Tat überall unterstützen wollen, wo ich dessen nach ihrer Ansicht bedürftig bin. Alle etwaigen Berichtigungen und Zusätze werde ich mit großem Danke empfangen und verwenden, alle Ratschläge gern beherzigen.
Schwerin, den 25. April 1862
L. Fromm.
********************************
Schwerin,
die älteste Stadt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, wird in der Geschichte unseres Landes zuerst i. J. 1018 als wendische Burg genannt. Der gleichzeitige Bischof Thietmar von Merseburg, welcher mit den wendischen Volksstämmen des heutigen Mecklenburgs in vielfache persönliche Berührung gekommen war, sagt in seiner Chronik, dass der Stamm der Leutizier*) 1018 das Land des Obotritenfürsten Mitzlav verwüstet, seine Frau und Schwiegertochter vertrieben und ihn selbst in seiner Feste Zuarin eingeschlossen habe. Näheres erfahren wir aber aus jener Zeit über die letztere nicht und erst 142 Jahre später tritt die Burg Zuerin in die zusammenhängende Geschichte des Landes ein. Der ursprüngliche Name der Stadt ist also Zuerin oder Zuarin, und dieser Name, der wendischen Sprache entnommen, bedeutet „Thiergarten“ oder „Lustwald“. Die Umgebung der Burg, welche, wie noch heute die vielen Hölzungen beweisen, in ältester Zeit eine durchaus waldige gewesen sein muss, reich mit jagdbaren Tieren bevölkert, wird demnach dem Orte seinen Namen verliehen haben. **) Weniger wahrscheinlich ist es uns, dass die naturschöne Umgebung der Burg zu dem Namen Zuerin Veranlassung gegeben haben sollte.
*) Die Leutizier bewohnten das östliche, die Obotriten das nordwestliche Mecklenburg.
*) Noch i. J. 1555 sagt Dav. Chytraeus in einer „Lobrede von der Stadt Swerin“, dass die Hölzungen neben derselben sehr wildreich seien. – Auf einer alten Karte von Mecklenburg, welche um 1560 der Mathematiker und Astronom Tilemann Stella zeichnete, ist die Gegend zwischen Lübeck und Schlutup am rechten Ufer der Trave um das jetzige Dorf Israelsdorf ein großer Wald und wird der „Swerin“ genannt.
Im Jahre 1160 unternahm der Sachsenherzog Heinrich der Löwe einen Kriegszug in das noch von heidnischen Wenden bewohnte Land, dasselbe seiner Oberherrschaft zu unterwerfen und zugleich die heidnischen Bewohner zum Christentum zu führen. Er fand aber bei diesen unter den tapferen Obotritenfürsten Niclot, dem Stammvater des mecklenburgischen Fürstenhauses, einen kräftigen Widerstand. Sich vor den überlegenen Streitkräften des Feindes ostwärts zurück ziehend, steckte Niclot seine Burgen Schwerin, Ilow, Mecklenburg und Dobin (am Döpe-See bei Viecheln) in Brand. Er erlag jedoch bei der Burg Werle (Wiek bei Schwaan), wo er seine Streitkräfte vereinigt hatte, seinem Gegner und fand hier den Heldentod. Sein Land fiel darauf in die Hände Heinrichs des Löwen, welcher die Burg Schwerin wieder aufbaute und als Befehlshaber einen tapferen Ritter Guncelin von der Hagen in dieselbe einsetzte. 1161 stiftete der Herzog einen Bischofssitz zu Mecklenburg (dem heutigen Dorfe gleiches Namens südlich von Wismar).
Die alte wendische Burg Schwerin lag ohne Zweifel an der Stelle des jetzigen großherzoglichen Residenzschlosses. Die Wenden wählten zu ihren Burgstellen entweder tiefe Moräste, in denen sie die Burgwälle künstlich aufschütteten, oder nahe am Ufer liegende Inseln in größeren Seen, deren Boden sie, wenn nötig, gleichfalls durch Aufschüttungen erhöhten. So geschah es bei der Burgstelle von Schwerin. Die zwischen dem Burg- und dem großen See liegende Insel, auf welcher die Burg erbaut wurde, war ursprünglich ganz flach und erhob sich wenig über den Seespiegel. Ihr Untergrund besteht aus Sand, über welchem eine Schicht Wiesenkalk liegt, der wieder von einer Torfschicht bedeckt wird. Die ganze Erhöhung darüber ist in alter Zeit künstlich aufgetragen und kann also als ein Überbleibsel der wendischen Befestigung betrachtet werden. Nach der Stadtseite hin lag an Stelle des heutigen „Alten Gartens“ ein großer Morast; ebenso war auch der vordere, niedrige Teil des Schlossgartens früher ein tiefer Morast. Von Wasser und Sumpf umgeben, war demnach die Inselfeste Schwerin sehr schwer zugänglich und darauf eben beruhte die Stärke aller wendischen Burgen.
Die ganze wendische Burg Schwerin bestand nur aus einem von hohen Wällen umringten Platze, der einige tausend Schritte im Umfange hatte und mit Gebäuden aus Lehm und Holz bebaut war. Ziegelbau war den Wenden gänzlich unbekannt, also waren auch ihre Burgen nicht von Mauern umringt. Es ergibt sich schon hieraus, dass neben der Burg eine eigentliche wendische Stadt nicht bestanden haben kann, wenn auch anzunehmen ist, dass sich in den seltenen Friedenszeiten überhaupt um die wendischen Burgen herum eine zahlreichere Bevölkerung zu sammeln pflegte, welche bei herannahender Kriegsgefahr sich in die Burgen selbst zurückzog oder in die dichten Waldungen flüchtete.
1166 ordnete Heinrich der Löwe die Verhältnisse des von ihm eroberten wendischen Landes. Den größten Teil desselben gab er dem Fürsten Pribislav, dem Sohne Niclots, zurück; die Länder Schwerin, Wittenburg, Boizenburg, Silesen (ein schmaler Streif längs dem Ostufer des Schweriner Sees), Crivitz und Brenz (Vogtei Neustadt) aber erhob er zu einer Grafschaft Schwerin und verlieh dieselbe den bisherigen Vogt Guncelin von der Hagen als erstem Grafen. Die Burg Schwerin wurde der Hauptort der Grafschaft, zugleich aber gründete Heinrich der Löwe die christliche Stadt Schwerin vor der Burg, der er eine Stadtverfassung, ein eigenes Recht, das „Schwerinsche“, und sein Siegelbild, nämlich ein eigenes Reiterbild, als Wappen verlieh. Dies Wappen der Stadt zeigt einen gewaffneten Reiter, der in seiner rechten Hand eine Fahne, an seinem linken Arme einen Schild trägt. In dem Schilde steht ein Löwe. Die Umschrift lautet: Dux Henricus et Sigillum Civitatis Swerin. Das der Stadt Schwerin verliehene Recht, das „Schwerinische Recht“, wurde später auf die Städte Güstrow (1222), Röbel (1218–26), Penzlin (1218–26), Malchow (1235), Malchin (1236), Neustadt (vor 1253), Teterow (1260–70), Krakow (vor 1298) u. a. übertragen. Unter dem Ausdrucke „Recht“ in dieser Bedeutung verstand man den Inbegriff derjenigen Bestimmungen, nach welchen bei Vergehungen und Erbschaftsangelegenheiten verschiedener Art die Strafen festgestellt und die Rechtsentscheidungen abgegeben werden sollten. Durch die Übertragung des Rechts auf die gedachten Städte wurde Schwerin also bei Streitigkeiten, welche in diesen Städten über die Auslegung des Rechtes entstanden, das Forum für die richtige Deutung desselben. Aus der Gründungsakte der Stadt Malchow besitzen wir ein Fragment des Schwerinschen Rechtes in der damals bei der Abfassung von Urkunden gebräuchlichen lateinischen Sprache. Wir lassen dasselbe hier in Übersetzung folgen zugleich mit einem anderen uns aufbewahrten Fragmente des Schwerinschen Rechtes, welches vor 1588 vom Stadtschreiber, späteren Ratsherrn (seit 1560) Joachim Wedemann zu Schwerin niedergeschrieben worden ist. Das letztgedachte Fragment ist das ausführlichere und umfangreichere. Wir haben beide Fragmente zusammengezogen und diejenigen Bestimmungen des Schwerinschen Rechtes, welche sich nur in dem Wedemannischen Fragmente finden, durch ( ) bezeichnet. Die übrigen Bestimmungen enthalten beide Fragmente gemeinschaftlich.
Der Zweck kann kein anderer sein, als der, dem Publikum eine Einsicht in die Geschichte dieser Stadt zu bieten, welche seit Jahrhunderten schon einen hohen Rang unter den Städten Mecklenburgs eingenommen hat. Es soll also in dieser Chronik vor allen Dingen auf die Entwicklung der städtischen Verhältnisse aller Art Rücksicht genommen, und dieselbe von der Gründung der Stadt an bis auf die Gegenwart fortlaufend und übersichtlich dargestellt werden. Leider lässt sich dies nicht ganz im vollen Maße ausführen, da über Schwerin aus der ältesten Zeit eines Bestehens verhältnismäßig nur wenige Nachrichten auf uns gekommen sind. Ich konnte deshalb nur diese sammeln und den Versuch machen, sie möglichst zu einem Gesamtbilde zusammenzustellen.
Eine Schwierigkeit bietet dabei der Umstand, dass die Geschichte der Stadt Schwerin, weil sie die Hauptstadt des Landes ist und der Mittelpunkt des früheren Bistums war, mit der allgemeinen Landesgeschichte so innig verbunden ist. Die Chronik einer Stadt kann sich nicht zu einer allgemeinen Geschichtsschreibung erweitern, und doch ist es sehr schwierig, jene von dieser hier zu trennen. Es liegt die Gefahr nahe, dass entweder die Chronik zu sehr verallgemeinert oder gar zu dürftig und zu wenig anregend wird. Ich habe dahin gestrebt, nur solche Ereignisse aufzunehmen, welche besonderen Bezug auf die Stadt selbst haben oder sonst von einiger Wichtigkeit sind; ob ich das Richtige getroffen habe, wird das Urteil der Leser entscheiden müssen.
Bei der Einrichtung dieser Chronik bin ich dem Vorgang der älteren Chronik Schwerins von Hederich gefolgt, habe also die Ereignisse nach chronologischer Reihenfolge zusammengefügt, ohne sie immer fortlaufend mit einander zu verbinden. Ohne Zwang wäre Letzteres nicht möglich gewesen, da sich, wie schon erwähnt, die Geschichte der Stadt in den zugänglichen Nachrichten nicht ununterbrochen vor uns abspinnt. Wer aber Hederichs Chronik kennt, wird eingestehen müssen, dass manche Berichtigungen, namentlich der Jahreszahlen, notwendig waren. Ich hoffe, dass ich aus den Quellen, welche ältere und neuere Geschichtsforscher darbieten, überall das Richtige geschöpft habe. Die vielen Mitteilungen, welche in Hederichs Werke fehlen, haben wir eben erst der neueren Geschichtsforschung zu danken; die gegebenen Schilderungen des städtischen Lebens werden dem Leser hoffentlich das historische Bild desselben in willkommener Weise ergänzen.
Da ich, um die Darstellung nicht mit Anmerkungen zu überladen, die Bezugnahme auf die Quellen überall unterlassen habe, so muss ich dieselben hier dem Leser nennen. Außer den älteren mecklenburgischen Geschichtsschreibern habe ich hauptsächlich und eingehend genutzt:
Die Jahrbücher für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde und aus ihnen vorzugsweise die reichhaltigen, überall urkundlich beglaubigten Mitteilungen des Herrn Archivrats Dr. Lisch;
von Lützow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg;
E. Boll, Geschichte Mecklenburgs;
Lisch, Mecklenburg in Bildern u. A.
Ich ersuche schließlich die geehrten Leser, nicht nur diese Chronik, deren Abfassung überaus mühevoll ist, freundlich willkommen zu heißen und nachsichtsvoll zu beurteilen, sondern auch auf das Dringendste darum, dass sie mich durch Rat und Tat überall unterstützen wollen, wo ich dessen nach ihrer Ansicht bedürftig bin. Alle etwaigen Berichtigungen und Zusätze werde ich mit großem Danke empfangen und verwenden, alle Ratschläge gern beherzigen.
Schwerin, den 25. April 1862
L. Fromm.
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Schwerin,
die älteste Stadt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, wird in der Geschichte unseres Landes zuerst i. J. 1018 als wendische Burg genannt. Der gleichzeitige Bischof Thietmar von Merseburg, welcher mit den wendischen Volksstämmen des heutigen Mecklenburgs in vielfache persönliche Berührung gekommen war, sagt in seiner Chronik, dass der Stamm der Leutizier*) 1018 das Land des Obotritenfürsten Mitzlav verwüstet, seine Frau und Schwiegertochter vertrieben und ihn selbst in seiner Feste Zuarin eingeschlossen habe. Näheres erfahren wir aber aus jener Zeit über die letztere nicht und erst 142 Jahre später tritt die Burg Zuerin in die zusammenhängende Geschichte des Landes ein. Der ursprüngliche Name der Stadt ist also Zuerin oder Zuarin, und dieser Name, der wendischen Sprache entnommen, bedeutet „Thiergarten“ oder „Lustwald“. Die Umgebung der Burg, welche, wie noch heute die vielen Hölzungen beweisen, in ältester Zeit eine durchaus waldige gewesen sein muss, reich mit jagdbaren Tieren bevölkert, wird demnach dem Orte seinen Namen verliehen haben. **) Weniger wahrscheinlich ist es uns, dass die naturschöne Umgebung der Burg zu dem Namen Zuerin Veranlassung gegeben haben sollte.
*) Die Leutizier bewohnten das östliche, die Obotriten das nordwestliche Mecklenburg.
*) Noch i. J. 1555 sagt Dav. Chytraeus in einer „Lobrede von der Stadt Swerin“, dass die Hölzungen neben derselben sehr wildreich seien. – Auf einer alten Karte von Mecklenburg, welche um 1560 der Mathematiker und Astronom Tilemann Stella zeichnete, ist die Gegend zwischen Lübeck und Schlutup am rechten Ufer der Trave um das jetzige Dorf Israelsdorf ein großer Wald und wird der „Swerin“ genannt.
Im Jahre 1160 unternahm der Sachsenherzog Heinrich der Löwe einen Kriegszug in das noch von heidnischen Wenden bewohnte Land, dasselbe seiner Oberherrschaft zu unterwerfen und zugleich die heidnischen Bewohner zum Christentum zu führen. Er fand aber bei diesen unter den tapferen Obotritenfürsten Niclot, dem Stammvater des mecklenburgischen Fürstenhauses, einen kräftigen Widerstand. Sich vor den überlegenen Streitkräften des Feindes ostwärts zurück ziehend, steckte Niclot seine Burgen Schwerin, Ilow, Mecklenburg und Dobin (am Döpe-See bei Viecheln) in Brand. Er erlag jedoch bei der Burg Werle (Wiek bei Schwaan), wo er seine Streitkräfte vereinigt hatte, seinem Gegner und fand hier den Heldentod. Sein Land fiel darauf in die Hände Heinrichs des Löwen, welcher die Burg Schwerin wieder aufbaute und als Befehlshaber einen tapferen Ritter Guncelin von der Hagen in dieselbe einsetzte. 1161 stiftete der Herzog einen Bischofssitz zu Mecklenburg (dem heutigen Dorfe gleiches Namens südlich von Wismar).
Die alte wendische Burg Schwerin lag ohne Zweifel an der Stelle des jetzigen großherzoglichen Residenzschlosses. Die Wenden wählten zu ihren Burgstellen entweder tiefe Moräste, in denen sie die Burgwälle künstlich aufschütteten, oder nahe am Ufer liegende Inseln in größeren Seen, deren Boden sie, wenn nötig, gleichfalls durch Aufschüttungen erhöhten. So geschah es bei der Burgstelle von Schwerin. Die zwischen dem Burg- und dem großen See liegende Insel, auf welcher die Burg erbaut wurde, war ursprünglich ganz flach und erhob sich wenig über den Seespiegel. Ihr Untergrund besteht aus Sand, über welchem eine Schicht Wiesenkalk liegt, der wieder von einer Torfschicht bedeckt wird. Die ganze Erhöhung darüber ist in alter Zeit künstlich aufgetragen und kann also als ein Überbleibsel der wendischen Befestigung betrachtet werden. Nach der Stadtseite hin lag an Stelle des heutigen „Alten Gartens“ ein großer Morast; ebenso war auch der vordere, niedrige Teil des Schlossgartens früher ein tiefer Morast. Von Wasser und Sumpf umgeben, war demnach die Inselfeste Schwerin sehr schwer zugänglich und darauf eben beruhte die Stärke aller wendischen Burgen.
Die ganze wendische Burg Schwerin bestand nur aus einem von hohen Wällen umringten Platze, der einige tausend Schritte im Umfange hatte und mit Gebäuden aus Lehm und Holz bebaut war. Ziegelbau war den Wenden gänzlich unbekannt, also waren auch ihre Burgen nicht von Mauern umringt. Es ergibt sich schon hieraus, dass neben der Burg eine eigentliche wendische Stadt nicht bestanden haben kann, wenn auch anzunehmen ist, dass sich in den seltenen Friedenszeiten überhaupt um die wendischen Burgen herum eine zahlreichere Bevölkerung zu sammeln pflegte, welche bei herannahender Kriegsgefahr sich in die Burgen selbst zurückzog oder in die dichten Waldungen flüchtete.
1166 ordnete Heinrich der Löwe die Verhältnisse des von ihm eroberten wendischen Landes. Den größten Teil desselben gab er dem Fürsten Pribislav, dem Sohne Niclots, zurück; die Länder Schwerin, Wittenburg, Boizenburg, Silesen (ein schmaler Streif längs dem Ostufer des Schweriner Sees), Crivitz und Brenz (Vogtei Neustadt) aber erhob er zu einer Grafschaft Schwerin und verlieh dieselbe den bisherigen Vogt Guncelin von der Hagen als erstem Grafen. Die Burg Schwerin wurde der Hauptort der Grafschaft, zugleich aber gründete Heinrich der Löwe die christliche Stadt Schwerin vor der Burg, der er eine Stadtverfassung, ein eigenes Recht, das „Schwerinsche“, und sein Siegelbild, nämlich ein eigenes Reiterbild, als Wappen verlieh. Dies Wappen der Stadt zeigt einen gewaffneten Reiter, der in seiner rechten Hand eine Fahne, an seinem linken Arme einen Schild trägt. In dem Schilde steht ein Löwe. Die Umschrift lautet: Dux Henricus et Sigillum Civitatis Swerin. Das der Stadt Schwerin verliehene Recht, das „Schwerinische Recht“, wurde später auf die Städte Güstrow (1222), Röbel (1218–26), Penzlin (1218–26), Malchow (1235), Malchin (1236), Neustadt (vor 1253), Teterow (1260–70), Krakow (vor 1298) u. a. übertragen. Unter dem Ausdrucke „Recht“ in dieser Bedeutung verstand man den Inbegriff derjenigen Bestimmungen, nach welchen bei Vergehungen und Erbschaftsangelegenheiten verschiedener Art die Strafen festgestellt und die Rechtsentscheidungen abgegeben werden sollten. Durch die Übertragung des Rechts auf die gedachten Städte wurde Schwerin also bei Streitigkeiten, welche in diesen Städten über die Auslegung des Rechtes entstanden, das Forum für die richtige Deutung desselben. Aus der Gründungsakte der Stadt Malchow besitzen wir ein Fragment des Schwerinschen Rechtes in der damals bei der Abfassung von Urkunden gebräuchlichen lateinischen Sprache. Wir lassen dasselbe hier in Übersetzung folgen zugleich mit einem anderen uns aufbewahrten Fragmente des Schwerinschen Rechtes, welches vor 1588 vom Stadtschreiber, späteren Ratsherrn (seit 1560) Joachim Wedemann zu Schwerin niedergeschrieben worden ist. Das letztgedachte Fragment ist das ausführlichere und umfangreichere. Wir haben beide Fragmente zusammengezogen und diejenigen Bestimmungen des Schwerinschen Rechtes, welche sich nur in dem Wedemannischen Fragmente finden, durch ( ) bezeichnet. Die übrigen Bestimmungen enthalten beide Fragmente gemeinschaftlich.
Schwerin - Totalansicht
Schwerin - Stadtansicht - Schloss - Hoftheater
Schwerin - Am Pfaffenteich
Schweriner Schloss
Schweriner See im Winter, Sonnenuntergang
Heinrich der Löwe - aus Simrock: "Die deutschen Volksbücher" 1845
Schweriner Schloss um 1880
Das alte Schloss
Schwerin - die Stadtansicht
Der Schweriner Dom vor 1845
Herzog Johann Albrecht 1. mit Gemahlin Anna Sophia
Die Neustadt
Die Paulsstadt
Das Schloss um 1842
Das Schweriner Schloß
Schwerin
Schwerin, Dom 1
Schwerin, Dom 2
Schwerin, Schloss 1
Schwerin, Schloss 2
Schwerin, Schloss 5
Schwerin, Schloss 3
Schwerin, Schloss 4
Schwerin, Schloss 6