Geschichte der Stadt Schwerin von 1559 bis 1564

1559 erfahren wir von einigen Todesfällen aus Hederichs Chronik. Er sagt: Am 7. Januar starb der Ratsverwandte Adolf Kreitz am 5. September der Dr. der Rechte, Hofrat Carl Drachstädt, am 15. Oktober der Apotheker Johann Schloter, welche sämtlich an beiden Seiten des Chores im Dome begraben worden, wo sich ihre Gedächtnistafeln mit lateinischen Inschriften befinden.

Johann Albrecht I. hatte bei der Reorganisation des Domstifts i. J. 1553 und später einen Teil der Domhöfe zu Wohnungen für die Prediger und Lehrer herrichten lassen. Herzog Ulrich hatte dies längst übel empfunden, weil ihm allein das Recht über die Besitzungen des Stiftes zustand und weil Johann Albrecht im Streben, eine tüchtige Schule zu gründen, etwas eigenmächtig verfahren war. So lange letzterer sich in Schwerin aufhielt, ließ Ulrich die Kirchen- und Schuldiener ruhig in den Domhöfen wohnen, als aber jener in diesem Jahre auf den Reichstag zog, vertrieb er sie gewaltsam aus ihren Wohnungen und gab dieselben an seine Amtsleute und Schreiber, selbst an Weinschänker und andere weltliche Personen aus. Johann Albrecht musste nach seiner Rückkehr den Predigern und Lehrern andere Wohnungen in der Stadt suchen, doch blieb Ullrichs Verfahren noch lange ein Streitpunkt zwischen beiden Herzogen.


1560 am 1. März starb Andreas Bessel, seit 1554 fürstlicher Rentmeister, welcher eine Zeitlang (1554) die Oberaufsicht beim Schlossbaue zu Wismar und später die Berechnungen über den Schweriner Schlossbau geführt hatte. Johann Albrecht nennt ihn in seinem Tagebuche „einen lieben, treuen Diener“. Acht Tage nach seinem Tode starb auch sein Sohn Alexander Bessel. Dagegen gewann der Herzog die Dienste des Johann Caselius, welchen er zu seiner Ausbildung auf 3 Jahre nach Italien und Frankreich sandte. Johann Caselius oder Chasselius war zu Göttingen geboren; ein Vater Mathias wurde später Rektor, er selbst Lehrer in Neubrandenburg. Er war ein so gelehrter Mann von umfassendem Rufe, dass ihn seine Zeitgenossen den „Vater aller gelehrten Bildung“ nannten.

Jeder Bürgermeister und jeder Ratsherr der Stadt erhielt jährlich zwei trockene Bäume nebst einer beliebigen Menge schlechten windbrüchigen Holzes aus dem Stadtholze geliefert, der Stadtkämmerer einen Baum. Das große, gute, windbrüchige Holz sollte für die Heizung des Rathauses angewandt oder auf die städtische Ziegelei (Ziegelhof) gebracht werden. Jede Ratsperson, welche gegen diese Verordnung fehlte, sollte 10 Gulden Strafe erlegen und im Wiederholungsfalle ihres Amtes entsetzt werden.

Im gleichen Jahre wurde die große Orgel im Dome zu Schwerin vollendet. Johann Albrecht hatte sie in Antwerpen von dem berühmten Orgelbauer Antonius Morß bauen und dann nach Schwerin bringen lassen. Schon im Jahre 1557 war sie auf der Elbe in Boizenburg angelangt; Antonius Morß stellte sie selbst im Dome auf und das Holzwerk daran arbeitete der Schnitzkermeister (Tischler) Christian aus Parchim. Den Anton Morß behielt der Herzog von dieser Zeit an als einen Orgelbauer im Dienste; er war ein sehr geschickter Mann, der auch eine Orgel für eine Kirche in Berlin gearbeitet hatte. Sein Bruder Hieronymus Morß war schon seit 1552 im Dienste des Herzogs als Domorganist angestellt und starb als solcher i. J. 1597. Ein anderer Bruder Jacob Morß diente ihm gleichfalls schon früher und wurde später wahrscheinlich Organist an der Schlosskirche. Mit der Familie dieser Künstler war Johann Albrecht I. durch den Reichsfreiherrn Joachim Maltzan bekannt geworden.

Zugleich ließ Johann Albrecht I. nun den Bau einer ganz neuen Schlosskirche beginnen. Die ältere Schlosskapelle stand an der südöstlichen Seite der Burginsel; zu dem neuen Bau wurde die Nordseite derselben bestimmt, wo noch jetzt die Schlosskirche steht, und das Fundament aus Feldsteinen gelegt, welche aus dem See geholt wurden. Der Baumeister dieser Kirche war Johann Baptista Parr zu Schwerin, ein Rheinländer von Geburt, der Maurermeister hieß Christoph Haubitz. Dem Baumeister ratend und mithelfend zur Seite standen sein Bruder Franz Parr (Baumeister Herzog Ulrichs, dem er zu gleicher Zeit das Schloss zu Güstrow baute), und die italienischen Baumeister Franz von Bornau und der Ritter Francesco Chiaramela de Gandino, aus Venedig gebürtig, damals Baumeister des Kurfürsten von Brandenburg, welchem er die Festung Spandau gebaut hatte. Unter dem Einfluss dieser Baumeister entstand die Schlosskirche in italienischem Geschmack, zu welchem namentlich die aus Sandstein gehauenen Schmuckarbeiten gehörten. Alle diese Sandsteinarbeiten wurden von sächsischen Bildhauern und Steinmetzen aus Pirnaer Sandstein gearbeitet: die vielen großen Werksteine und die Pflastersteine vom Steinmetz Mathias Heinze zu Pirna, die steinerne Türverkleidung vom Bildhauer Hans Walcher zu Dresden, die Sandstein-Kanzel vom Steinmetz Simon Schröder zu Torgau. Alle diese Arbeiten kamen auf der Elbe herunter nach Dömitz; ebenso der zu Torgau gearbeitete alabasterne Altar, auf dem die Jahreszahl 1562 und auf der äußersten Säule rechts die Buchstaben V. D. M. J. AE. (verbum dominimanet in aeternum) stehen. Aus Alabasterblöcken, welche Johann Albrecht i. J. 1562 selbst in den neuentdeckten Steinbrüchen bei Uslar gekauft hatte, fertigte der Steinmetz Philipp Brandin aus Utrecht in Schwerin die nicht mehr vorhandene Taufe; alabasterne Inschriften lieferte der Steinhauer Conrad Floris, Historien aus gleichem Material kamen aus den Niederlanden. Das Holzwerk, nämlich die Kirchenstühle und die nicht mehr vorhandenen Schranken um die Taufe machten seit 1562 der Bildschnitzer Christian von Velthofen aus Hamburg und der Tischlermeister Christian aus Parchim. Die Orgel baute wahrscheinlich Antonius Morß und die Decke über dem Altare malte i. J. 1572 der Maler Peter Orbach. Ein alabasternes Kruzifix und mehrere Bilder kaufte der Herzog zu Rostock.

Die Oberaufsicht über den Bau, welcher äußerlich i. J. 1563 vollendet war, führte der Schlosshauptmann Stellan Wakenitz, ein vertrauter Freund Johann Albrechts, der in Pommern geboren und später (um 1566) pommerscher Hauptmann zu Wolgast war. Die innere Ausschmückung der Kirche wurde erst nach 1572 fertig. Zum Gedächtnis ihrer Vollendung wurde die Kirche mit 2 Inschriften, einer lateinischen und einer griechischen, versehen, welche an der östlichen Wand angebracht waren. Sie lauten in deutscher Übersetzung: „Dem besten und höchsten Gotte hat Johann Albrecht, Herzog von Mecklenburg, zur Ausübung des wahren Gottesdienstes dies Haus erbaut und geweiht. 1563.“

Der Herzog selbst machte in diesem Jahre eine Reise nach Wien zum Kaiser. Begleitet von seinen gebildetsten Freunden machte er auf derselben vielfache wissenschaftliche Exkurse, namentlich zu strategischen Studien, und lernte die Festungsbaukunst kennen, um seine Schlösser nach allen Regeln der Kunst befestigen lassen zu können. Von Wien aus machte er mit 8 Kutschen eine Reise nach Ungarn bis an die türkische Grenze, wo er ungarische Stuten kaufen ließ. Der Kaiser schenkte ihm 2 edle türkische Hengste. Diese Pferde brachte er mit nach Schwerin und legte durch sie den ersten Grund zur Verbesserung und zur Berühmtheit der einheimischen Pferderasse, indem er in seinem Gestüte zu Schwerin (im Reithause an der Südseite des jetzigen „Alten Gartens“) die edelsten Pferde kreuzen ließ.

Während Johann Albrechts Abwesenheit war Paul Vergerius in Schwerin, früher päpstlicher Gesandter und Bischof von Dalmatien, bekannt durch einen Übertritt zur evangelischen Kirche, zu welchem ihn die Verhandlungen mit Luther und dessen Schriften bewogen hatten. Er verkehrte viel mit Daberensius und den schweriner Geistlichen, und wünschte den Herzog in seinen Angelegenheiten zu sprechen, reiste aber noch vor dessen Rückkehr wieder fort.

Das Haus des Kanzlers Johann von Lucka in der Burgstraße (später das Kommandantenhaus) kaufte in diesem Jahre des Herzogs Rat Andreas Mylius. Nach einer mit dem (beschädigten) herzoglichen Siegel versehenen Urkunde im Stadtarchiv erteilte der Herzog ihm und seiner Frau für dies Haus, „neben unserem – dem fürstlichen – Kornhause gelegen“, Freiheit von allen und jeden Abgaben.

1561 wurde Mag. Joh. Wenzel (Wencelius), von Geburt ein Schlesier, an die Stelle des Simon Pauli als Domprediger berufen.

1562. Einen neuen Prediger erhielt der Dom in der Person des Mag. Gelmius Waldberg (Nemorimontius). Von beiden Herzogen wurde eine neue Polizei- und Land-Ordnung publiziert, gedruckt zu Rostock bei Stephan Myliander. Am 1. Mai starb der Kanzler Johann von Lucka. Johann Albrecht sagt von ihm in Briefen an den Herzog Johann Friedrich den Mittleren von Sachsen: „E. L. mag ich nicht verhalten, das ich in meinem abweßen inn Preußen, meinen lieben alten und getrewen Diener, Rat und Cantzler Johann von Luckaw verloren, welches mir warlich dieser Zeit ein groß Creutz und betrübnis ist“ etc. Johann Albrecht hatte während dieses Jahres eine Reise nach Königsberg gemacht, von wo er am 25. Juni wieder in Schwerin eintraf, aber schon am 18. Oktober zu des Kaisers Maximilian Krönung (Kaiserwahl) nach Frankfurt a. M. reiste.

1563 starb der Hofprediger Johann Halbbrod, und wurde in dem nördlichen Umgange des Domes unweit der Wackerbarth’schen Kapelle begraben, wo sein mit einer Inschrift versehener Leichenstein liegt. Sein Nachfolger an der neugebauten Schlosskapelle war Dr. Simon Musäus oder eigentlich Mäusel, gebürtig aus Vetzscha, einem Dorfe bei Cottbus in der Mark, den Schröder (Kirchen-Historie II. S. 414) wegen seiner vielfach wechselnden Schicksale einen „recht merkwürdigen Pilgrim“ nennt.

Aus Altenburg berief Herzog Johann Albrecht den Kapellmeister David Colerus, einen ausgezeichneten Musiker und Arithmetiker, mit 12 Knaben zur Leitung des Gesanges an die Domkirche. Zum Andenken an ihn standen an einem Stuhle in der Domkirche die Worte: „Psallebant Musae, Davide camente Colero“ (Es spielten die Musen, wenn David Colerus sang.)

Johann Albrechts I. Bruder Christof war in diesem Jahre Erzbischof von Riga geworden, geriet aber in Streit mit den Polen und wurde von diesen gefangen genommen. Seiner Befreiung wegen machte der Herzog eine Reise nach Polen, auf welcher ihn außer Andreas Mylius die Landräte Werner Hahn und Joachim Krause, die Hofräte Dr. Johann Hoffmann und Christof Wirspirg und des Herzogs von Preußen Rat Dr. Christof Jonas begleiteten. Alle diese Räte verließen ihn aber in Polen bald, teils aus Kränklichkeit, teils weil ihnen das unwirtliche Land nicht behagte. Johann Albrecht, ganz allein stehend, konnte nichts für seinen Bruder ausrichten, welcher erst i. J. 1569 der Gefangenschaft entlassen wurde.

Zu Anfang d. J. war ein Welscher, Namens Marcel Dietrich von Schwanewitz, welcher in den italienischen Kriegshändeln gefochten, mit Empfehlungen des Grafen von Oettingen an den herzoglichen Hof gekommen. Er rühmte sich im Besitze „eines Kriegs- und Wunderwerks“ zu sein, dem keine Mauern, keine Festung, kein Heer widerstehen könne, da es ein Werk sei, das viele große eiserne Kugeln enthielte und einen ungeheuren feurigen Regen ergösse. Dies Werk bot er, um ihn zum mächtigsten Herrn der Christenheit zu machen, den Herzoge Johann Albrecht gegen 10.000 Gulden und eine „billige Mitgenießung an des Werkes Nutzbarkeit“ zum Kauf an, erklärte sich auch bereit, eine Probe damit zu machen und einen Hügel oder eine Felsklippe damit zu sprengen. Der Herzog war aber nicht geneigt, sich auf das Anerbieten einzulassen, zumal ihm der Herzog von Preußen, welchen er zu Rate gezogen, dringend abriet. So wurde denn der Erfinder „mit einer fürstlichen Verehrung abgefertigt“ und begab sich von hier an den Hof des Königs von Polen.

1564. Der Domprediger Nemorimontius konnte sich mit seinen Kollegen nicht vertragen, da er streitsüchtigen Charakters war, wusste sich auch bei seiner Gemeinde nicht beliebt zu machen, welche es ihm sehr übel ausgelegt hatte, dass er einmal bei der Austeilung des Abendmahls geweihte Hostien hatte fallen lassen, dieselben von der Erde aufgenommen, abgewischt und dem nächsten Kommunikanten gereicht hatte. Da ihm hieraus manche Widerwärtigkeiten entstanden, folgte er einem Rufe an die St. Petri-Kirche in Rostock. Sein Nachfolger war Wolfgang Peristerus, welcher der erste schwerinische Superintendent wurde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin