Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1848

1848. Gegen den Schluss des Februars (23) d. J. ereignete sich in Frankreich die bekannte Entthronung des Königs Louis Philipp und die Einführung der Republik, Ereignisse, welche auch auf die deutschen Staaten zurückwirkten. Seit dem 9. März war von einigen Männern. Schwerins ein Zirkular zu einer Adresse an den Großherzog in Umlauf gesetzt worden, durch welche demselben Wünsche auf Reform der Verfassung und Einberufung eines Konvokationstages dargelegt werden sollten. Am 11. d. M. überreichte eine Deputation des Magistrats diese Adresse, welche mit 1.200 Unterschriften von Bürgern und Einwohnern Schwerins soll versehen gewesen sein. Der Großherzog entgegnete auf dieselbe, dass er die in Rede stehenden Punkte schon mit seinen Räten besprochen habe und Entschließungen bald folgen würden. Indessen war die Aufregung der Gemüter auch hier, wie in anderen größeren Städten, zu einem Grade gestiegen, dass sie sich am Abend des 13. März in einem tumultuarischen Auflaufe Luft zu machen suchte. Der Magistrat war gerade mit dem Bürgerausschuss zusammengetreten, um mit ihm wegen der Bildung einer Bürgerwehr zum Schutze der Personen und des Eigentums zu beraten, als sich lärmende Massen auf dem Markte sammelten, die nach dem Eintreten der Dunkelheit durch Einwerfen von Fenstern in einzelnen Privathäusern Exzesse zu begehen anfingen. Glücklicherweise gewannen diese keine weitere Ausdehnung, da sich schnell eine bewaffnete Bürgerwache bildete, welche diese Ruhestörungen beseitigte, ohne dass es nötig wurde, die in mittelst auch unter die Waffen getretene Garnison zur Hilfe zu rufen. Unter Mitbeteiligung und Aufsicht des Magistrats bildete sich nun in wenigen Tagen eine völlig organisierte Bürgerwehr, geteilt in sechs Kompanien, welche unter selbstgewählten Führern standen. Diese Bürgerwehr musste zunächst von Abends 6 Uhr bis Morgens 6 Uhr in den Straßen patrouillieren, wobei das Militär sie unterstützte, welches durch 100 aus Ludwigslust einberufene Dragoner vermehrt worden war. Außerdem ergriff der Magistrat energische Maßregeln gegen alle Zusammenrottungen, untersagte das Ausschänken geistiger Getränke nach 9 Uhr Abends usw. Da landesherrlicher Seits zur Vermeidung von Demonstrationen zugleich schon am 14. März veröffentlicht war, dass keine Petitionen, welche durch Deputationen überbracht würden, mehr angenommen, vielmehr solche stets auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Wege eingegeben werden sollten, so beruhigten sich auch die erregten Elemente schnell und es fanden keine weiteren Exzesse statt.

Schon am 18. März wurde eine vom 16. datierte Regierungs-Verordnung publiziert, durch welche die Zensur aufgehoben und Pressefreiheit eingeführt wurde; am 19. wurde die Einberufung eines außerordentlichen Landtags zur Beratung über eine Reform der landständischen Vertretung für den Monat Mai (er kam schon im April zu Stande) veröffentlicht.


Am 26. März begab sich die Bevölkerung Schwerins in langem feierlichen Zuge vom Alten Garten, wo sie sich versammelt hatte, vor das vom Großherzoge bewohnte neustädtische Palais, um demselben ihren Dank abzustatten für die bisher getroffenen Verfügungen und die in einer am 25. veröffentlichten Proklamation ausgesprochenen Worte der fürstlichen Gnade und Treue, wogegen auch der Großherzog zu den Bürgern seinen Dank über ihre bisher bewahrte ruhige Haltung aussprach. Am Abend dieses Tages war die von fröhlichen Scharen durchzogene Stadt festlich erleuchtet.

Durch Verordnung vom 27/29. März wurde der verheißene außerordentliche Landtag zum 26. April nach Schwerin einberufen. Am 10. April wurde das Wahlgesetz veröffentlicht zu der von der Bundesversammlung am 30. März beschlossenen Einberufung von Vertretern aus allen deutschen Staaten (National-Versammlung) Mecklenburg zerfiel nach demselben in 7 Wahlkreise, Schwerin gehörte zum dritten unter der Leitung des Kammerrats (jetzt Geh. Rats) von Brock stehenden Wahlkreise. Die Wahl fand am 22. April im Kasinosaale statt und fiel auf den Amtsverwalter (jetzt Kammerrat) Böcler als Abgeordneten und den Advokaten Dr. Marcus als Ersatzmann.

Inzwischen war seit dem 2. April das mecklenburgische Militär zum Kampfe für Schleswig-Holstein mobil gemacht worden. Die erste Abteilung, 4 Kanonen und 150 Mann von leichten Infanterie-Bataillon, verließ am Morgen des 14. Schwerin, begleitet von mehreren Kompanien der Bürgerwehr. Am 15. zog die Garde mit dem 2. (Rostocker) Musketier-Bataillon, zusammen gegen 1.200 Mann stark, zu gleichem Ziele aus. Die sämtlichen Kompanien der Bürgerwehr hatten vor dem Lübecker Tor Spalier gebildet.

Am 26. April, Morgens 11 Uhr, eröffnete der Großherzog den außerordentlichen Landtag in der Domkirche mit einer Thronrede, in welcher die Gegenstände seiner Beratung kurz dargelegt wurden. Um 12 Uhr versammelten sich die Stände in Konzertsaale des Schauspielhauses, dessen Galerien dem Publikum eingeräumt waren. Die Bürgerwehr, welche in Gemeinschaft mit den Militär während der Eröffnungsfeierlichkeit vom Markte bis zur Domkirche Spalier gebildet hatte, übernahm für die Dauer des Landtages die Wache am Schauspielhause. Der Landtag währte bis zum 17. Mai.

Der 1. Mai d. J. bildete den Zeitpunkt, an welchen die bisherige alte Neue Zweidrittel - (N 2/3) Landesmünze aufgehoben und die Münze nach dem 14 Thalerfuße (Courant) eingeführt wurde. Die neue Münze war übrigens schon seit einiger Zeit in den landesherrlichen Kassen angenommen worden, sowie auch die alte Münze nicht gleich außer Cours gesetzt wurde (mit Ausnahme der Achtschillingstücke, welche eingeschmolzen werden sollten). Die Konvertierung der N 2/3 gegen Courant geschah zum Course von 16 2/3 p. Ct. Die Schillinge wurden in Mecklenburg nach einem Landtagsbeschluss vom 9. November 1847 zu Sternberg beibehalten, der Thaler sollte also in 48 Stücke geteilt sein, obwohl die Teilung in 30 Stücke vielfach war befürwortet worden.

Am 15. Juni feierte Schwerin das 600jährige Jubelfest seines am 15. Juni des Jahres 1248 vom Bischof Wilhelm eingeweihten und dem Gottesdienste übergebenen Domes. Schon am Vorabende des Tages wurde die Feier durch sämtliche Glocken eingeläutet; am Jubeltage selbst waren die Eingänge und die hohen Hallen der Kirche mit Laubgewinden behangen. Kurz zuvor hatte man projektiert, den Dom mit einer neuen Kanzel und einem neuen Gestühle in rein gotischem Stile zu versehen. Dies Projekt unterblieb zwar, doch wurde der alte Eingang durch den Turm wiederhergestellt und der bisher zur Aufbewahrung von Baumaterialien benutzte Raum desselben zur Taufkapelle eingerichtet. Nun wurde das also restaurierte Hauptportal der Kirche mit einen neuen Fenster geschmückt. Dies große gotische Fenster war von Gillmeister mit einem Glasgemälde, die Geburt des Heilands darstellend, zu welchem der Carton von Gaston Lenthe geliefert war, versehen; der Künstler hatte es i. J. 1847 begonnen. Es war der Kirche durch Beiträge der großherzoglichen Familie, der Einwohner Schwerins und des Domärars zu ihrem Jubelfeste geschenkt worden.

Um die Mittagszeit des 24. Juni zogen die großherzoglich strelitzschen Truppen durch Schwerin, um sich nach dem Kriegsschauplatze in Holstein zu begeben.

Am 6. Juli fand auf der Eisenbahnstrecke von hier nach Wismar eine Inspektionsfahrt statt. Seit dem 9. Juni hatte die Lokomotive die Bahn schon in ihrer ganzen Länge befahren können; am 12. Juli wurde sie dem Verkehr übergeben. In der Bürgerwehr hatten sich schon seit längerer Zeit Spaltungen eingeschlichen, welche hauptsächlich daraus entstanden waren, dass ein Teil derselben eine Uniformierung wünschte, während ein anderer Teil solche für überflüssig oder lästig hielt. Zum Zwecke der Vereinbarung fand am 4. Juli eine Generalversammlung im Schützenhause statt, in welcher die Uniformierung mit großer Majorität beschlossen wurde (grüne Waffenröcke mit rohen Litzen am Kragen und einer doppelten Reihe von Messingknöpfen.) Auf dieser Versammlung wurde zugleich an Stelle des Kränklichkeitshalber austretenden bisherigen Kommandierenden, Hofrats Bartning, der Stallkommissär Kundt gewählt. Auch setzte man für Disziplinarangelegenheiten innerhalb der Bürgerwehr ein Schwurgericht ein, an dessen Spitze drei Richter, darunter ein Rechtsgelehrter, stehen sollten. Die Geschworenen selbst wurden aus den Mitgliedern gewählt und sollten aus der Gesamtzahl in jedem einzelnen Falle vom Kläger und vom Angeklagten bestimmt werden. Am 4. September hielt die Bürgerwehr eine Versammlung, in welcher die Bildung eines Bürgerwehrclubs beschlossen wurde. Am 8. kam derselbe zu Stande, es beteiligten sich etwa 200 Wehrmänner, welche wöchentlich am Freitag, Abends 8 Uhr, in der Passow’schen Badeanstalt zusammen zu kommen beschlossen.

Um diese Zeit hatte auch der Gewerbeverein eine Revision seiner Statuten vorgenommen, wodurch auch den Handwerksgesellen der Zutritt zu den Versammlungen eröffnet wurde. Ferner hatte man einen Fragekästen eingerichtet, durch welchen jedes Mitglied ohne Nennung seines Namens beliebige Fragen zur Diskussion bringen konnte.

Der außerordentliche Landtag hatte u. A. den Beschluss gefasst, dass in Zukunft die Vertretung des Landes durch eine gewählte Abgeordnetenkammer geschehen solle. Am 13/15. Juli wurde in Folge dieses Beschlusses ein provisorisches Wahlgesetz erlassen, durch welches das Land in 85 Wahlbezirke geheilt wurde. Am 26. August wurde verordnet, dass zur Wahl der Wahlmänner der 26, zur Wahl der Abgeordneten der 30. September d. J. bestimmt sein solle. Zugleich wurde das Verzeichnis der 85 Wahlbezirke und der zu jedem derselben gehörigen Ortschaften veröffentlicht. Schwerin bildete danach den 17., 18. und 19. Wahlbezirk und hatte 94 Wahlmänner und 3 Abgeordnete zu wählen. Der 17. Wahlbezirk nahm die Wahl im Saale des Gerichtshauses der Neustadt, der 18. in Saale des Stadthauses, der 19. im Saale des Sternchen Gasthauses vor.

Die Nationalversammlung zu Frankfurt hatte inmittelst die Bildung einer Zentralgewalt beschlossen und den Erzherzog Johann von Oestreich zum deutschen Reichsverweser erwählt, welches Amt dieser am 12. Juli angetreten. Am 6. August wurde nun die Herstellung dieser einheitlichen Reichsgewalt in Schwerin gefeiert. Auf der Parade des Alten Gartens brachten die Truppen der hiesigen Garnison dem Erzherzog-Reichsverweser ein dreimaliges, von Kanonensalven begleitetes Hoch. Die Bürgerwehr nahm an diesem Tage die Weihe einer ihr von den Damen Schwerins geschenkten Fahne vor. Vormittags war ihr auf dem mit Flaggen geschmückten Stadthause die Fahne überreicht und der Akt des Nägeleinschlagens vollzogen worden. Nachmittags um 4 Uhr zog sie unter Musikbegleitung und mit noch verhüllter Fahne auf ihren Exerzierplatz am Haselholze. Hier wurde die Weiherede gesprochen, die Fahne entfaltet und dann der Abend durch einen Ball im Saale des Kasinos geschlossen.

Am 12. August stiftete der Großherzog ein Militär-Verdienst-Kreuz für Auszeichnung im Kriege, aus Kanonen-Metall, welches an einem hellblauen seidenen Bande mit schmaler gelber und roter Einfassung auf der linken Brust getragen wird. Auf der Vorderseite stehen die Worte: „Für Auszeichnung im Kriege“, auf der Rückseite steht der Namenszug des Großherzogs nebst der Jahreszahl 1848.

Am 31. August hatten sich mehrere Männer Schwerins zur Bildung eines konstitutionellen Vereins geeinigt. Am 5. September wurde im Stern’schen Gasthause eine Versammlung gehalten, auf welcher man die Statuten dieses Vereins beriet und feststellte; am 9. konstituierte sich derselbe mit etwa 250 Mitgliedern und hielt demnächst regelmäßig seine Zusammenkünfte.

Mit dem 2. September begannen die Sammlungen zur Bildung einer deutschen Flotte, zu welchem ein Komitee die Aufrufe erließ (s. d. J. 1858.)

Am 12. September reichten der Minister von Levetzow und der Regierungspräsident von Oertzen ihre Entlassung ein. Da nun überhaupt die Auflösung der nach dem System der Kollegialverwaltung organisierten Behörden nahe bevorstand, so wurde die Verfassungsangelegenheit von diesen geschieden und mit letzterer der Minister von Lützow, der Gutsbesitzer Stever auf Wustrow, der Doktor Kippe und der Landsyndikus Groth, letztere beiden aus Rostock, beauftragt.

In Folge des am 26. August abgeschlossenen Waffenstillstandes zwischen Deutschland und Dänemark zogen die dort stehenden norddeutschen Truppen in ihre Heimat zurück. Am 19. September wurde ein Regiment preußischer (Pasewalker) Kürassiere in Schwerin einquartiert, einige Stunden später traf das Strelitzsche Kontingent ein. Am 20. kam die Garde zurück, welcher die Artillerie folgte. Alle Truppen wurden von zahlreichen Freunden festlich empfangen und hielten, mit Blumen geschmückt, ihren Einzug in Schwerin.

Um diese Zeit war das für Paul Friedrich bestimmte Standbild beinahe fertig geworden (s. d. J. 1842) und es handelte sich nun um definitive Bestimmung des Platzes, an welchem es aufgestellt werden sollte. In Vorschlag waren gekommen, der altstädtische Markt, der Alte Garten und der Luisenplatz. Nachdem sich auf den Wunsch des Großherzogs zunächst die Bürgerschaft Schwerins darüber ausgesprochen hatte, welchen der gedachten Orte sie für den zweckmäßigsten halte, bestimmte derselbe am 23. September, im Einverständnis mit ihr, die Nordseite des Alten Gartens hierzu (s. d. J. 1849)

In der Stadt wurde i. d. J. das an Stelle des früheren Bischofshauses neu erbaute großherzogliche Postgebäude nach den Entwürfen und unter Leitung des Oberbaurats Bartning vollendet. Dies Gebäude umfasst mit seinem geräumigen Hofe den ganzen Raum des ehemaligen Bischofshofes mit dessen Stallungen. Der Hof ist nach Osten und Westen mit eisernen Gittern, im Süden durch Stallungen und Remisen, im Norden durch Güterschuppen usw. abgeschlossen. Das Gebäude selbst enthält ein geräumiges Portal, im unteren Stockwerke die Postbüreaus, im oberen Wohnzimmer, im Giebel eine Uhr und umfasst jetzt zugleich im unteren Stockwerke das Steuer- und Zoll-Departement und oben die Witwen-Instituts-Kasse – Am Schloss hatte man seit dem 18. März gebaut. Im April war hier aus einer Lohnzulage, welche der Großherzog den Arbeitern bewilligt hatte, für diese eine Sparkasse errichtet worden. Die Spargelder mussten wegen der missratenen Kartoffelernte jedoch schon im Herbste d. J. wieder ausbezahlt werden. Diese Sparkasse ist aber nicht mit der Unterstützungskasse zu verwechseln, welche von dem Beginne des Baues bis zu dessen Beendigung bestand und zur Unterstützung solcher Arbeiter bestimmt war, welche bei dem Bau etwa zu Schaden kommen möchten. Die Arbeiten dauerten den ganzen Winter hindurch fort, seit dem 19. Dezember freilich mit verringerten Kräften und wöchentlich abwechselnd. Es wurde i. d. J. am 22. Mai mit dem Abputze des Hauptturmes begonnen, wozu der Kalk aus Brodhagen bei Doberan bezogen wurde. Am 1. August war das Einrammen sämtlicher Pfähle, deren 5.552 waren, vollendet und am 9. September setzte man den mit Schriften und Münzen gefüllten Knopf auf den Hauptturm*). Jene Gegenstände hatte man in eine Glasbüchse gelegt, in welche ein kleines mit Chlorcalcium gefülltes Gefäß gestellt war, die Büchse mit Siegellack dicht verschlossen und den leeren Raum zwischen ihr und den Wänden des Knopfes mit Kohlenstaub gefüllt. Vom Neubau war der Flügel gegen die Hinterbrücke bis zur Balkenlage der Festetage, der Flügel gegen den Burgsee bis zum Fußboden der Beletage und neben der Kirche beinahe die Parterre-Etage aufgemauert worden. Auf dem Alten Garten war eine Tischlerwerkstätte erbaut worden, in welcher die zum Schlossbau erforderlichen Tischlerarbeiten verfertigt wurden.

*) Die Einlage bildeten: Münzen des Herz. Christian Ludwig, der Großh. Friedrich Franz I., Paul Friedrich und Friedrich Franz II.; eine Gedächtnisschrift über den Schlossbau; Staatskalender von 1792 und 1848; ein Schweriner Wohnungsanzeiger von 1848; die revidierten Statuten und der 6. Jahresbericht des Gewerbevereins, eine Übersicht der Ausgabe und Einnahme des Schweriner Armeninstituts von Ostern 1814–46, und einige offizielle Zeitungsblätter.

Am 31. Oktober fand die Eröffnung der aus Wahlen hervorgegangenen Abgeordneten-Kammer, in dem durch Demmler dekorierten Dome zu Schwerin statt. Ihre Aufgabe sollte sein, eine neue Landesverfassung mit den Räten der Krone zu vereinbaren und ein neues Wahlgesetz für die demnächst zusammen zu berufenden Landtage zu beraten. Zum Sitzungslokale war der obere Saal des Sozietätsgebäudes eingerichtet worden, und hatte man, um ihn zu stützen, im unteren Saale zwei gusseiserne Träger aufgestellt. In diesem Saale tagte die Abgeordnetenkammer, so lange sie bei Bestande blieb, doch war schon im Februar d. J. 1850 der Hofbaurat Demmler beauftragt worden, Pläne zum Bau eines neuen Ständehauses zu entwerfen und vorzulegen, auch war zu den Kosten dieses Baues bereits in dem gedruckten offiziellen Staatshaushalts-Etat von Johannis 1850 bis dahin 1851 (Leipzig bei Teubner) eine zu solchem Zwecke in diesen Jahre zu verwendende Summe von 25.000 Thaler Crt. abgesetzt worden. Natürlich gelangte dieser Plan nicht zur Ausführung, vielmehr schon im Juni 1850 wurden aus dem Sozietätsgebäude die für die Abgeordneten-Versammlungen getroffenen Einrichtungen entfernt.

Im Laufe d. M. wurde, Ecke der Schlossstraße und Faulen-Grube, eine Arbeitsnachweisungs-Anstalt eröffnet.

Durch landesherrliches Reskript vom 14. Dezember wurde eine evangelische Kirchen-Kommission eingesetzt, gebildet aus dem Justizrat Kaysel als Dirigenten, dem Superintendenten Kliefoth und dem Pastor Karsten aus Vilz, an dessen Stelle später der Pastor zur Nedden aus Grevismühlen trat. Diese Kirchen-Kommission wurde, nachdem im Laufe des Jahres 1849 eine allgemeine Kirchenkonferenz in Schwerin abgehalten worden, am 19. Dezember d. J. als evangelischer Oberkirchenrat konstituiert (s. d. J.) Im Dezember d. J. wurde auch eine Vorschuss-Anstalt für Gewerbetreibende in Schwerin gestiftet mit einem Kapital von 5.035 Thaler Crt., von denen die Sparkasse unverzinslich 2.000 Thaler, 65 hiesige Einwohner gleichfalls unverzinslich 1.635 Thaler und 70 hiesige Einwohner verzinslich 1.400 Thaler hergegeben hatten. Von den Geldern waren bei der Stadtkasse 3.000 Thaler und bei der Sparkasse 170 Thaler zinsbar belegt; der bare Vorrat war gleichfalls bei der Stadtkasse deponiert. An der Spitze dieser Anstalt stand ein Verwaltungsrat von 7 Personen. Es trat auch eine Vorschuss-Anstalt für verheiratete Gesellen und Arbeiter ins Leben. In Bezug auf die Stadtverfassung (s. d. Urkunde vom 28. Januar 1832) war i. d. J. verfügt worden:

1) dass jeder der 5 städtischen Wahldistrikte 9 Repräsentanten wählen solle;
2) dass nicht allein die rezipierten Juden, sondern auch alle anderen rezipierten Einwohner zum Wählen berechtigt und wählbar sein,
3) dass die Mitglieder des Magistrats und die Stadtoffizianten vom Stimmrecht nicht mehr ausgeschlossen sein,
4) dass vom Stimmrecht und der passiven Wählbarkeit ferner nur ausgeschlossen sein sollen: a. die Armenunterstützung Empfangenden,
b. die zur Zeit der Wahl Armut halber von der Entrichtung öffentlicher Abgaben Entbundenen,
c. die persönlich unter gerichtlich angeordneter Kuratel Stehenden,
d. die wegen eines entehrenden Verbrechens in Untersuchung Gezogenen und nicht Freigesprochenen;
5) dass die passive Wählbarkeit nicht weiter vom Besitze eines Wohnhauses abhängig sein solle.

Auch wurden, die Sitzungen des Bürgerausschusses öffentliche und mussten die zur Beratung kommenden Gegenstände 3 Tage vorher bekannt gemacht werden. Zu den Sitzungen haben Ratsdeputierte Zutritt, um Mitteilungen zu machen, Aufklärungen zu geben, usw.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin