Geschichte der Stadt Schwerin von 1813 bis 1815

1813. Die Schrecken des russischen Krieges, welche Napoleons Armee vernichteten, hatten auch das mecklenburgische Corps derselben ergriffen. Am 29. Dezember 1812 bestand dasselbe bei seiner Ankunft in Königsberg nur noch aus 14 Offizieren, 4 Unteroffizieren und 16 Gemeinen; am 10. Februar 1813 waren sie in Rostock. Kaum 100 Mann mögen von jenen 1.700 im Ganzen heimgekehrt sein. Mit ihnen kamen manche der übrigen Flüchtlinge, halbnackt und halbverhungert, denen die Kosaken auf dem Fuße folgten. Schon am 14. März sagte sich Friedrich Franz, der erste deutsche Fürst, vom Rheinbunde los und begann sofort seine Rüstungen gegen Napoleon. Russische und schwedische Truppen zogen darauf in Mecklenburg ein und besetzten dasselbe. Am 25. März erließ der Herzog einen Aufruf, in dem er die streitbaren Männer seines Landes im Alter von 17 bis 20 Jahren zu den Waffen rief und zu freiwilligen Beiträgen aufforderte. Die Bevölkerung des Landes kam diesem Aufrufe freudig nach. Von allen Seiten eilten die rüstigen Männer herbei und die Summe des Geldes, welches in der Münze zu Schwerin aus freiwillig eingeliefertem Silberzeuge in N 2/3 mit der Umschrift „dem Vaterlande“ geprägt wurde, betrug 5.877 Gld. Schon am 1. Mai konnten 2 Regimenter freiwilliger Jäger, eins zu Fuß und eins zu Pferde, jedes etwa 600 Mann stark, gebildet werden. Zugleich wurde die Rüstung des Landsturms unternommen.

Am 4. Juni schlossen die kriegführenden Mächte einen Waffenstillstand, welcher bis zum 16. August dauerte. Während dieser Zeit wurden die Truppen in Garnison gelegt und eingeübt. Das Infanterie-Regiment kam am 12. Juni nach Schwerin, wo es bis 23. Juli blieb. In der Umgebung von Schwerin, zwischen hier, Gadebusch und Wismar, lag die erste Division der schwedischen Armee unter dem Generallieutenant von Sandels; in Schwerin lag bis zum 24. Juni das Kolbergsche Bataillon. Mit Ablauf des Waffenstillstandes am 16. August begannen die Feindseligkeiten. Mecklenburg wurde durch Davoust bedroht, welcher in Hamburg stand, das er am 29. Mai erobert hatte. Am 23. August rückte. Davout, nachdem er zahlreiche Gefechte bestanden, in denen sich die mecklenburgischen Jäger stets auszeichneten, mit 10.000 Mann in Schwerin ein; 20.000 Mann folgten ihm am 24. August, an welchem Tage auch der General Loison Wismar besetzte. Die Vorstädte der Stadt wurden geplündert, übrigens aber gute Manneszucht gehalten. Den Franzosen auf den Fersen folgten die Verbündeten. Der russische General Tettenborn besetzte die Straße von Schwerin nach Ludwigslust und hatte sein Hauptquartier im Ortkruge; der hannöversche General Wallmoden stand hinter ihm in einer langen Linie von Hagenow bis zur Lewitz. Die herzogliche Familie war mit den Regierungs-Personal am 22. August nach Rostock geflüchtet, von wo sie später nach Stralsund ging.


Am 26. August, dem Tage, wo Theodor Körner bei Rosenberg au der Straße nach Gadebusch fiel, setzte sich Wallmoden in Bewegung, rückte gegen Schwerin vor und nahm sein Hauptquartier in Dorfe Pinnow. Zum Kampfe kam es nicht, da die Verbündeten den in Schwerin geschützten Feind nicht angreifen konnten, ihr Zweck war, die Straße nach Berlin, gegen welches Marschall Oudinot vorrückte, zu verlegen, damit Davoust ohne Nachricht von Napoleon bliebe, und in Untätigkeit erhalten würde. Davoust hatte seine Truppen in zwei Lager bei Neumühle und Wittenförden (an letzterem Orte standen die Franzosen mit den verbündeten Dänen) gelegt, wo sie unablässig von den verbündeten Truppen, namentlich von Tettenborns Kosaken, angegriffen und beunruhigt wurden. Starke französische Patrouillen requirierten in den um Schwerin liegenden Dörfern Lebensmitteln und nahmen besonders viel Vieh mit. Unaufhörlich von den Kosaken geneckt, mussten oft ganze Bataillons mit Geschütz zu jenem Zwecke ausziehen. So gab es mancherlei Alarmierungen und kleine Gefechte.

Das herzogliche Palais wurde vom Prinzen Friedrich von Hessen bewohnt. In den Vorstädten waren Feldbäckereien und Lazarette angelegt; am 31. August kamen sieben Wagen voll Verwunderter an, welche das Gefecht bei Retschow (nahe bei Kröpelin) mitgemacht hatten. Die Domkirche nebst dem Kreuzgange hatte man zu Magazinen eingerichtet und bewahrte dort eine Menge aus Hamburg angelangter Lebensmittel.

Die Isolierung Davousts gelang den Verbündeten vollkommen. Erst am 2. September erhielt er die Nachricht von dem Siege des Kronprinzen von Schweden über Oudinot bei Großbeeren, und nun räumte er in der Nacht vom 23. September eiligst die Stadt Schwerin, während Loison zugleich aus Wismar abzog. Beide nahmen ihren Weg nach Lübeck und Ratzeburg. Walmoden war eben, am 2. September aufgebrochen, um sich mit Vegesack zu vereinigen und mit ihm gemeinschaftlich Loison in Wismar anzugreifen.

Am 3. September zogen Tettenborn, Wallmoden, Dörenberg und Arenschild unter lautem Jubel des Volks in Schwerin ein. Davousts Drohung, dass er bald wiederkommen werde, schreckte nicht ab, einen Einwohner Schwerins, der den Franzosen zu eifrig gedient hatte, fast zum Tode zu misshandeln.

Die Generale der Verbündeten hielten sich in der Stadt nicht lange auf; sie verfolgten die Franzosen auf ihrem Rückzuge im Vereine mit den mecklenburgischen Truppen und schritten später mit über den Rhein, als der Krieg ins Innere Frankreichs getragen wurde.

Zu bemerken ist von diesem Jahre noch, dass der Dr. Hennemann seit Neujahr alle unbemittelten Einwohner Schwerins, welche an Augen- und sonstigen chirurgischen Krankheiten litten, auf höheren Befehl unentgeldlich behandeln und operieren sollte, die auch mit freier Arznei versehen wurden. Hierdurch wurden die mancherlei Krankheiten, welche sich seit der Rückkehr der französischen Armee aus Russland verbreitet hatten, vorzugsweise das Lazarettfieber, welches besonders die schlechter genährten Menschen ergriff, mit Erfolg unterdrückt.

Ferner wurde i. d. J. das Gebäude für die Justiz-Kanzlei auf der Neustadt begonnen.

1814. Die mecklenburgischen Jäger standen unter dem Corps, welches die Festung Jülich belagerte, als die Nachricht von der Eroberung von Paris und Napoleons Abdankung anlangte. Am 22. April wurden sie abgelöst, um in die Heimat zurückzukehren. Am 11. Juli fand ihr feierlicher, durch eine großartige Illumination verherrlichter Einzug in Schwerin statt, wo sie 2 Tage blieben und dann nach Rostock weiter zogen. Am 21. Juli wurde die Brigade aufgelöst und in Garnison gelegt, die zweite und dritte Compagnie der Grenadiergarde erhielten ihre Station in Schwerin.

Friedrich Franz stiftete für diejenigen, welche sich während des verflossenen Feldzuges durch rühmliche Taten ausgezeichnet hatten, eine Verdienst Medaille, in Gold für Offiziere und in Silber für Nicht-Offiziere. Sie sollte am blauen Bande mit gelber und roter Einfassung im Knopfloch getragen werden. Auf ihrer Vorderseite befindet sich ein aufgerichtetes antikes Schwert, von einem Lorbeerkranz umgeben, mit der Jahreszahl 1813, auf der Rückseite stehen die Worte „Mecklenburgs Streitern“ und ein FF.

1815. Napoleon war am 1. März von der Insel Elba, auf welche er verbannt worden, zurückgekehrt und die Rüstungen der Verbündeten gegen ihn begannen wieder. Am 3. April war der Engere Ausschuss der Ritter- und Landschaft nach Schwerin berufen und es erfolgte darauf vom Herzoge Friedrich Franz ein neuer Aufruf zum freiwilligen Dienste. Auch der Landsturm wurde wieder auf den Feldetat gesetzt und am 18. d. M. die junge Mannschaft aus den Jahren 1793–96 ausgehoben, aus welcher eine Landwehr von 1.900 Mann gebildet werden sollte. Der Herzog Adolph (geb. 18. Dezember 1785, † 8. Mai 1821) trat als Freiwilliger in die Landwehr; der Erbgroßherzog Friedrich Ludwig (beide Mecklenburg waren am 17. Juni d. J. zu Großherzogtümern erhoben) übernahm wieder das Kommando der Truppen. Am 1. Juli hielt er eine Heerschau in Schwerin über 115 Offiziere, 3.152 Gemeine und 194 Pferde. Die Brigade trat am 8. Juli ihren Marsch an, zog über den Rhein und machte einen Teil der Kämpfe mit, welche Napoleon zum zweiten Male den Thron kosteten. Im Dezember kehrten die Truppen zurück, am 12. waren sie in Ludwigslust, am 14. wurden sie in ihre Garnisonen gelegt.

Am 18. Oktober d. J. wurde der erste Jahrestag der Leipziger Schlacht durch ein großes, auf dem Ostorfer Berge angezündetes Freudenfeuer gefeiert. Diese Feier erhielt sich bis zum Jahre 1828, wo sie aufhörte und bis heute leider nicht wieder hergestellt worden ist.

Friedrich Franz hatte schon im Jahre 1813 beschlossen, die Domkirche, welche während der Okkupation Schwerins zu Lagerplätzen benutzt worden, restaurieren zu lassen. Die Verhältnisse verhinderten die Ausführung dieses Entschlusses bis zum Jahre 1815, in welchem die Restauration durch den Landbaumeister Barca zu Ludwigslust begann. Es geschah diese leider in dem geschmacklosen Zopfstile der damaligen Zeit und unter Beseitigung der Überreste aus der papistischen Zeit, mit welchen wahrscheinlich manches alte Kunstwerk entfernt wurde und verloren ging. Die Chorstühle der Domherren wurden fortgeschafft und an ihre Stelle ein auch jetzt wieder entferntes geschmackloses Gestühle aufgestellt. Der Fußboden der Kirche wurde in gleiche Fläche gelegt, das Schiff getüncht und die heiligen Blutskapelle erhielt jene hässliche rötlich-braune, schwarz und weiß gesprenkelte Tünche, an welche sich die Leser noch erinnern werden (bis 1840)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin
Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin.

Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin.

Friedrich Ludwig Erbprinz von Mecklenburg-Schwerin.

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Carl Ludwig Friedrich Herzog von Mecklenburg-Strelitz 1741-1816.

Carl Ludwig Friedrich Herzog von Mecklenburg-Strelitz 1741-1816.

Fürst Kutusow, Oberbefehlshaber der russischen Armee 1745-1813.

Fürst Kutusow, Oberbefehlshaber der russischen Armee 1745-1813.

Französiche Soldaten.

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Generalmajor von Fallois, Führer des mecklenburgischen Regiments im russischen Feldzuge 1812.

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Kosaken überfallen einen Verwundetentransport.

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Mecklenburger Truppen. Eine Originalseite aus dem Werk.

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Napoleon 1769-1821 & Alexander I. 1777-1825.

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Die Große Armee auf dem Rückzug.

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Schlacht an der Moskwa bei Borodino am 7. September 1812.

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