Geschichte der Stadt Schwerin von 1671 bis 1690
1671. Am 23. März wurde dem Rat wieder gestattet, ein Brückengeld an den Toren zu erheben (s. d. J. 1661) Er benutzte diese Erlaubnis, wie früher, und blieb bis zum Jahre 1673 ungestört. In diesem Jahre wurde aber, da einige Gutsbesitzer zur Entrichtung des Torgeldes waren angehalten worden, desfalls eine Beschwerde an den Landtag gebracht. Da diese zunächst ohne Erledigung blieb, wurde sie in den folgenden Jahren wiederholt und verglich man sich 1676 mit der Stadt dahin, dass sie von allen beladenen Wagen, mit Ausnahme der fürstlichen, der Deputat- und der Wagen des Adels und der Gutsbesitzer, an ihren Toren ein Brückengeld erheben dürfe. Hiermit war die bisherige Erlaubnis als ein obwohl beschränktes Recht an die Stadt übergegangen, und hat diese es ohne Unterbrechung bis auf die neuere Zeit benutzt. Sie hatte hiervon jedoch, bei mancherlei Streitigkeiten und Unannehmlichkeiten (s. d. J. 1688) nur eine sehr geringe Einnahme.
In diesem Jahre war die Frau des Scharfrichters Flor gestorben, und da um jene Zeit u. A. auch die Scharfrichter zu den s.g. anrüchigen oder unehrlichen Personen gehörten, so wollte Niemand sie zu Grabe tragen. Flor selbst bat wiederholt den Magistrat, er möge ihm doch Träger besorgen. Dieser scheint auch entsprechende Schritte getan zu haben, musste dem Scharfrichter aber endlich erklären, dass er Niemanden finden und doch die Leute auch nicht zwingen könne; er möge selbst zusehen, dass er Träger finde, in früheren Zeiten hätten die Zippendorfer Bauern solche Leichen für Geld getragen. Mit den Bauern aber war Flor nicht zufrieden und wandte sich beschwerend an den Herzog, zugleich mit der Bitte, dieser möge die Schützenzunft mit dem Dienste beauftragen. Der Herzog erließ zwar einen entsprechenden Befehl, aber sowohl die Mitglieder der Schützenzunft, wie auch die Amtsgenossen der Handwerkszünfte weigerten sich entschieden, weil sie keine andere Leichen, namentlich auch ihre eigenen Zunftleichen in Zukunft nicht würden tragen dürfen, wenn sie jetzt dem Scharfrichter diesen Dienst erwiesen. Nach mehrfachen Verhandlungen erst gelang es dem Magistrat, acht Tagelöhner (welche damals Bürger der Stadt waren) zu bereden, dass sie die Leiche für Geld zu Grabe geleiteten, und auch diese ließen sich erst dann bereit finden, als ihnen erklärt wurde, dass der Magistrat sich dem Gefolge anschließen wolle, da doch „der Scharfrichter eigentlich ein Diener der Stadt sei“. Hiermit war denn auch Flor zufrieden und erlangte sogar ein recht glänzendes Begräbnis seiner Frau, bei dem er die Träger mit Wein und Weißbrot traktierte, während der Rat sich gleich nach der Beerdigung entfernt hatte. Letzterer zeigt sich bei diesen Verhandlungen ziemlich vorurteilsfrei, in weit höherem Grade, als bei ähnlichen Affären in späterer Zeit (s. d. J. 1772 und 1776) Durch eine herzogliche Ordnung wurde den Bürgern Schwerins verboten, mit Büchsen und Pistolen in der Stadt umherzugehen und damit innerhalb der Stadt zu schießen, was bisher sehr häufig sowohl bei Tage wie bei Nacht geschehen sei. Dies Schießen war besonders bei Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten, auch in der Neujahrsnacht Sitte, wo man aus den Fenstern, vor den Häusern und auf den Höfen Freudenschüsse zu lösen pflegte. Es dauerte, trotz dieses Verbotes, auch noch lange fort und hatte gegen den Schluss des 18. Jahrh. noch nicht aufgehört.
1672 ließ Christian Louis von Frankreich aus für Ludwig XIV. zu einem Kriege gegen Holland Truppen in Mecklenburg werben, die ihm sein Obrist Balthasar Gebhart von Halberstadt zuführte. Da sich aber der herzogliche Kanzler Dr. Widemann ferneren Werbungen kräftig widersetzte, drohte Christian Louis, als er nach Schwerin kann, ihn mit Absetzung. Widemann, ein tüchtiger Gelehrter, entgegnete dem Herzoge, den Kanzler könne er ihm nehmen, aber der Doktor würde ihm schon ein Brot verschaffen. Sobald er diese Worte gesprochen, eilte er vom Schloss in sein Haus, ließ eiligst Relais-Pferde besorgen und flüchtete gerade aus der Hintertür eines Hauses, als herzogliche Soldaten durch die Vordertür eindrangen, um ihn auf die Bleikammer abzuholen. Er ging nach Lübeck und ließ sich durch keine Versprechungen nach Schwerin zu rücklocken; da der Herzog ihn aber nicht entbehren konnte, behielt er sein Gehalt und seine Stelle, die er von Lübeck aus verwaltete, so dass eigentlich gar kein höheres Regimen in Schwerin stattfand.
1673 wurde eine neue Brücke beim Mühlentor über den Fließgraben gelegt, von Holz und mit Zugbrücke. Herzog Christian Louis forderte den Magistrat auf, er solle bei den Bürgern beantragen, dass sie den Cantor an der Domschule einen wechselnden Freitisch bei sich bewilligten, damit er „um so besser den Studien obliegen“ könne. Auch äußerte der Herzog sein Missfallen darüber, dass die Bürger mit Freitischen überhaupt so karg wären. Sie möchten doch gegen fremde Knaben liberaler sein; es wäre ihm häufig geklagt, dass solche nicht in Schwerin unterkommen und die Schule besuchen könnten, weil ihnen selbst von Wohlhabenden die erbetenen Freitische verweigert würden.
1674 teilten die Städte Schwerin, Parchim und Gadebusch beschwerend mit, dass sie nach alten Verordnungen und lange gepflegter Gewohnheit in der Stadt Lübeck frei von Ungeld, Zöllen und Lasten ihren Handel treiben dürften, wie auch die Lübecker überall bei ihnen in gleicher Weise behandelt würden. Seit einiger Zeit aber würden sie in ihrem Handel in Lübeck durch Abgaben belästigt und hätten nicht nur den Laßbürgern auf den dortigen Zulagsbuden, sondern auch den Torschreibern von jedem beladenen Wagen 2 Schillinge entrichten müssen. Von den Lübeckern wurde auf diese Beschwerde entgegnet, dass auf den Namen der Schweriner Bürger ein großer Schmuggel betrieben würde, dem sie durch die Veranlagung jener Abgaben hätten steuern wollen. Es kam darüber zu mehrjährigen Verhandlungen, welche i. J. 1698 damit endigten, dass die alten Verhältnisse des beiderseitig freien Handels wiederhergestellt wurden, doch sollten in Lübeck nur diejenigen frei von Abgaben sein, welche sich durch Magistratspässe als Bürger der Mecklenburgischen Städte ausweisen könnten.
Am 2. September erteilte Herzog Christian Louis seinem Rittmeister Hoffmann für sich und alle seine Nachfolger im Besitze Exemtion von der städtischen Gerichtsbarkeit und Freiheit von allen städtischen Abgaben und Lasten, auch das Recht, in demjenigen Hause, welches er von Kolbows Witwe gekauft habe, und welches zwischen den Häusern des Justizrats Dr. Kirchberg und des Archivars Dr. Emme gelegen sei, nach einem Belieben Gastwirtschaft, Schänkwirtschaft oder Handel treiben zu dürfen. Diese Gerechtigkeiten bezogen sich auf das Haus nebst einem Hofe, Garten und sonstigen Pertinentien. Hoffmanns Haus war dasjenige zwischen der Ritter- und Theaterstraße gelegene Haus, welches später dem Hofmaurermeister Barca gehörte und unter dem Namen „Barcas Hof“ noch allgemein bekannt ist. Die betreffende Verordnung Christian Louis, wurde am 12. September 1692 vom Herzoge Friedrich Wilhelm und am 5. Juli 1743 vom Herzoge Carl Leopold bestätigt.
1676 herrschte in Schwerin eine heftige Krankheit, welcher viele Menschen erlagen. Der Rat verordnete deshalb, dass die Jahrmärkte eingestellt und die Verstorbenen vor der Stadt auf dem St. Jürgens-Kirchhof, welcher in ähnlichen Fällen noch lange benutzt wurde, beerdigt werden sollten.
1678 wurden auf herzoglichen Befehl die Wälle um Schwerin, welche sich in einem sehr schlechten Zustande befanden, repariert. Vor dem Mühlentore befand sich im Walle ein Ausfall mit Gewölbe, eine große eichene Pforte, neben welcher ein gemauerter Raum war, der später (seit dem Jahre 1750) zur Aufbewahrung der Pulvervorräte gebraucht wurde. Um diese Zeit war der Ausfall durch zwei eiserne, gegitterte Tore geschloffen. Rechts von diesen Toren, gerade der Wache gegenüber, zwischen dem Walle und dem Graben, befand sich ein kleiner dreieckiger Platz. Auf diesem Platze stand bis zum Jahre 1790 der hölzerne Esel, auf welchem die Strafen an die Soldaten vollzogen wurden. Vielleicht hat dieser Esel früher auf der anderen Seite neben der Wache gestanden und der Eselswiese den Namen gegeben, einer Wiese, welche sich vom Fließgraben bis zum jetzigen Marienplatze, wo nun die s. g. Barca’schen Häuser stehen, erstreckte. Im Jahre 1790 war der Esel umgefallen und sollte nicht wieder aufgerichtet werden. – Von dem Schmiedetore führte ein einfacher, verschließbarer Durchgang durch den Wall. Hier waren in letzterer Zeit mehrere Häuser erbaut worden, weshalb verordnet wurde, dass die Besitzer dieser Häuser Wasserrinnen am Walle entlang anlegen und den Fuß desselben mit einer Mauer umziehen sollten.
Die Stadt verkaufte i. d. J., mit Bewilligung des Bürgerausschusses, ihre große Wiese, beim fürstlichen Garten gelegen (die Jägerwiese) für 400 Mk. an den Herzog.
1681 erging an den Bauherrn der Domkirche der Befehl, „den Chor, auf welchem die Schüler stehen, auszubauen und zur Perfektion zu bringen.“ Dieser Chor ist der obere Chor, eine hölzerne Galerie, welche i. J. 1585 (s. d. J.) für den Sängerchor der Schüler hergerichtet worden. Wahrscheinlich wurde diese Galerie jetzt erweitert, um nicht nur die Sänger, sondern auch die übrigen Schüler aufnehmen zu können, welche bisher unten in der Kirche der damaligen Kanzel gegenüber gesessen hatten. An der Stelle der Schülerbänke sollten jetzt vielleicht Kirchstühle angelegt werden, welche nötig geworden sein mochten, weil sich die Zahl der Gemeindeglieder vermehrt hatte. (S. d. J. 1689)
Seit dem Sommer des vorigen Jahres hatte wieder eine starke Epidemie (Pest?) in Schwerin geherrscht.
1682 verordneten beide Herzoge, dass Niemand „Elendhirsche, welche von den brandenburgischen Wildnissen und Haiden aus nicht selten über die Grenze treten und in den Waldungen bei Parchim, Crivitz und Schwerin zuweilen angetroffen werden, verfolgen oder gar schießen“ dürfe, weil sie die Absicht hätten, dies „in Mecklenburg bisher ungewöhnliche Wildpret“ zu schonen. Diese Verordnung wurde im Jahre 1685 erneuert.
1688 hatte sich der Magistrat erlaubt, in die Wohnung am Mühlentore eigenmächtig einen Torschreiber einzusetzen. Unter dem 23. Mai erließ der Herzog deshalb ein scharfes Reskript, in welchem solche Eigenmächtigkeit durchaus untersagt wurde, da die Torschreiberwohnung nicht der Stadt, sondern dem Herzoge gehöre, welcher dieselbe für seine eigenen Diener bestimmt habe.
In diesem Jahre wird ein Stadtgefängnis in den Akten unter den Namen „der Klievat“ erwähnt, über welches sich keine weitere Nachrichten finden. Es fragt sich, wo dies Gefängnis gelegen und welche Bewandtnis es mit ihm gehabt habe?
1689 klagt der Rektor der Domschule, dass die Schüler auf ihrem Chor die Predigt nicht hören könnten, deshalb in der Kirche herumgingen und allerlei Störungen veranlassten. Er bittet, dass Bänke für sie in der Kirche angeschafft werden möchten. Ob dies geschah und wo die Bänke gestanden haben, wird nicht erwähnt. Im J. 1650 war an der Domschule ein Rechenmeister bestellt worden, und sollte das Kollegium seit dieser Zeit aus 6 Lehrern bestehen, Rektor, Konrektor, Kantor, Succeutor, Präzeptor und Rechenmeister. Es scheint aber, als haben die Fonds zur Besoldung dieser 6 Lehrer nicht ausgereicht, weshalb denn ihre Zahl meistens unvollständig geblieben war. Von 1665–1674 fehlte der vierte, von 1675–1690 der fünfte Lehrer. Man dachte deshalb jetzt daran, das Lehrerkollegium zu vervollständigen und namentlich einen tüchtigen Rechenmeister anzustellen, der zugleich im Buchhalten Unterricht erteilen sollte. Einen hierzu tüchtigen Mann hatte man gefunden; er hieß Christian Petersen. Weil man nun aber bei der Anstellung desselben vorzugsweise die Bedürfnisse der Schweriner Bürgersöhne berücksichtigt zu haben meinte, so hielt man es für billig, dass die Bürgerschaft zu einer Besoldung einen Beitrag hergebe. Ein herzogliches Reskript befahl dem Magistrate, dass er zur Emolumentierung des Rechenmeisters einen solchen aufbringe. Der Magistrat entgegnete hierauf am 5. August, dass er den Bürgerausschuss, die 24 Männer, aufs Rathaus beschieden, dieser aber jeden Beitrag verweigert habe, „weil es notorium, dass die meisten Bürger wegen Mangel der Nahrung und dabei dennoch vorfallender vielfältigen schweren Ausgaben kaum selber das Leben hinzubergen haben, dass sie auch teils schon davon ziehen müssen, andere ihre verschuldeten Güter proklamieren zu lassen gezwungen worden“ und „weil solcher Beitrag zur Besoldung des Lehrers eine Neuerung mit sich führe, zu welcher die Bürgerschaft nicht verpflichtet sei.“ Der Magistrat hatte zugleich die Gelegenheit benutzt, sich in diesem Schreiben darüber zu beschweren, dass manche fürstliche Bedienten und Eximierte sich in die bürgerliche Nahrung eingedrängt hätten und den Verdienst der Bürger schmälerten. Hierauf erging nun
1690 am 31. März ein scharfer Verweis an den Magistrat wegen seines „Quästionierens, Raisonnierens und Indizierens, was bei Euch fast eine Gewohnheit werden will.“ Zugleich wurde der Bürgerschaft zum Unterhalte des Rechenmeisters ein (jährlicher?) Beitrag von 10 Taler anbefohlen. Dem strengen Befehle gegenüber wagte der Magistrat keine weitere Widersetzlichkeit und brachte die 10 Taler „mit höchstem Verdruss und Widerwärtigkeit der Bürger“ auf, jedoch nur „für diesmal und citra consequentiam.“ Wegen dieser Klausel wollte nun aber der Rechenmeister längere Zeit die Quittung nicht unterschreiben und tat solches erst auf Zureden der Behörden. Dagegen wandte sich ihm nun der Hass der Bürgerschaft zu, welche „mit schimpflichen, verdrießlichen Reden gegen den neuen Lehrer herging“, von denen sie erst nach mehrfacher scharfer Verwarnung abließ. Petersen, welcher übrigens ein tüchtiger Mann war, fühlte sich durch die Verfolgung der Bürger so gekränkt, dass er es in seiner Stellung nicht lange aushielt, sondern i. J. 1696 als Rechenmeister nach Wismar ging. Er erhielt indessen bei einem Abgange sofort einen Nachfolger und ist eine Stelle auch bis auf die Gegenwart ununterbrochen besetzt geblieben.
Am 29. Dezember d. J. Abends um 8 Uhr entstand wieder eine große Feuersbrunst, durch welche 73 Häuser und Buden in Asche gelegt wurden. Der Rektor der Domschule Heinrich Masius erließ 1691 eine Einladung zu einem Dankfest in der Schule wegen Rettung bei der Feuersbrunst am 29. Dez. 1690, an deren Schluss zwei deutsche Gedichte von ihm stehen, die sich auf den Brand beziehen. Die 11. Strophe des einen lautet:
„O rechte Trauer-Bühne!
So mustu denn, Schwerin, nun abermal
In kläglichen Ruine:
Den vorigen noch zutun eine neue Zahl;
Da du betrübtestes in nicht gar langen Jahren
Nun diese Ruth so hart zum fünften mahl erfahren.“
(Nämlich in den Jahren 1531, 1558, 1626, 1651 und 1690)
In diesem Jahre war die Frau des Scharfrichters Flor gestorben, und da um jene Zeit u. A. auch die Scharfrichter zu den s.g. anrüchigen oder unehrlichen Personen gehörten, so wollte Niemand sie zu Grabe tragen. Flor selbst bat wiederholt den Magistrat, er möge ihm doch Träger besorgen. Dieser scheint auch entsprechende Schritte getan zu haben, musste dem Scharfrichter aber endlich erklären, dass er Niemanden finden und doch die Leute auch nicht zwingen könne; er möge selbst zusehen, dass er Träger finde, in früheren Zeiten hätten die Zippendorfer Bauern solche Leichen für Geld getragen. Mit den Bauern aber war Flor nicht zufrieden und wandte sich beschwerend an den Herzog, zugleich mit der Bitte, dieser möge die Schützenzunft mit dem Dienste beauftragen. Der Herzog erließ zwar einen entsprechenden Befehl, aber sowohl die Mitglieder der Schützenzunft, wie auch die Amtsgenossen der Handwerkszünfte weigerten sich entschieden, weil sie keine andere Leichen, namentlich auch ihre eigenen Zunftleichen in Zukunft nicht würden tragen dürfen, wenn sie jetzt dem Scharfrichter diesen Dienst erwiesen. Nach mehrfachen Verhandlungen erst gelang es dem Magistrat, acht Tagelöhner (welche damals Bürger der Stadt waren) zu bereden, dass sie die Leiche für Geld zu Grabe geleiteten, und auch diese ließen sich erst dann bereit finden, als ihnen erklärt wurde, dass der Magistrat sich dem Gefolge anschließen wolle, da doch „der Scharfrichter eigentlich ein Diener der Stadt sei“. Hiermit war denn auch Flor zufrieden und erlangte sogar ein recht glänzendes Begräbnis seiner Frau, bei dem er die Träger mit Wein und Weißbrot traktierte, während der Rat sich gleich nach der Beerdigung entfernt hatte. Letzterer zeigt sich bei diesen Verhandlungen ziemlich vorurteilsfrei, in weit höherem Grade, als bei ähnlichen Affären in späterer Zeit (s. d. J. 1772 und 1776) Durch eine herzogliche Ordnung wurde den Bürgern Schwerins verboten, mit Büchsen und Pistolen in der Stadt umherzugehen und damit innerhalb der Stadt zu schießen, was bisher sehr häufig sowohl bei Tage wie bei Nacht geschehen sei. Dies Schießen war besonders bei Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten, auch in der Neujahrsnacht Sitte, wo man aus den Fenstern, vor den Häusern und auf den Höfen Freudenschüsse zu lösen pflegte. Es dauerte, trotz dieses Verbotes, auch noch lange fort und hatte gegen den Schluss des 18. Jahrh. noch nicht aufgehört.
1672 ließ Christian Louis von Frankreich aus für Ludwig XIV. zu einem Kriege gegen Holland Truppen in Mecklenburg werben, die ihm sein Obrist Balthasar Gebhart von Halberstadt zuführte. Da sich aber der herzogliche Kanzler Dr. Widemann ferneren Werbungen kräftig widersetzte, drohte Christian Louis, als er nach Schwerin kann, ihn mit Absetzung. Widemann, ein tüchtiger Gelehrter, entgegnete dem Herzoge, den Kanzler könne er ihm nehmen, aber der Doktor würde ihm schon ein Brot verschaffen. Sobald er diese Worte gesprochen, eilte er vom Schloss in sein Haus, ließ eiligst Relais-Pferde besorgen und flüchtete gerade aus der Hintertür eines Hauses, als herzogliche Soldaten durch die Vordertür eindrangen, um ihn auf die Bleikammer abzuholen. Er ging nach Lübeck und ließ sich durch keine Versprechungen nach Schwerin zu rücklocken; da der Herzog ihn aber nicht entbehren konnte, behielt er sein Gehalt und seine Stelle, die er von Lübeck aus verwaltete, so dass eigentlich gar kein höheres Regimen in Schwerin stattfand.
1673 wurde eine neue Brücke beim Mühlentor über den Fließgraben gelegt, von Holz und mit Zugbrücke. Herzog Christian Louis forderte den Magistrat auf, er solle bei den Bürgern beantragen, dass sie den Cantor an der Domschule einen wechselnden Freitisch bei sich bewilligten, damit er „um so besser den Studien obliegen“ könne. Auch äußerte der Herzog sein Missfallen darüber, dass die Bürger mit Freitischen überhaupt so karg wären. Sie möchten doch gegen fremde Knaben liberaler sein; es wäre ihm häufig geklagt, dass solche nicht in Schwerin unterkommen und die Schule besuchen könnten, weil ihnen selbst von Wohlhabenden die erbetenen Freitische verweigert würden.
1674 teilten die Städte Schwerin, Parchim und Gadebusch beschwerend mit, dass sie nach alten Verordnungen und lange gepflegter Gewohnheit in der Stadt Lübeck frei von Ungeld, Zöllen und Lasten ihren Handel treiben dürften, wie auch die Lübecker überall bei ihnen in gleicher Weise behandelt würden. Seit einiger Zeit aber würden sie in ihrem Handel in Lübeck durch Abgaben belästigt und hätten nicht nur den Laßbürgern auf den dortigen Zulagsbuden, sondern auch den Torschreibern von jedem beladenen Wagen 2 Schillinge entrichten müssen. Von den Lübeckern wurde auf diese Beschwerde entgegnet, dass auf den Namen der Schweriner Bürger ein großer Schmuggel betrieben würde, dem sie durch die Veranlagung jener Abgaben hätten steuern wollen. Es kam darüber zu mehrjährigen Verhandlungen, welche i. J. 1698 damit endigten, dass die alten Verhältnisse des beiderseitig freien Handels wiederhergestellt wurden, doch sollten in Lübeck nur diejenigen frei von Abgaben sein, welche sich durch Magistratspässe als Bürger der Mecklenburgischen Städte ausweisen könnten.
Am 2. September erteilte Herzog Christian Louis seinem Rittmeister Hoffmann für sich und alle seine Nachfolger im Besitze Exemtion von der städtischen Gerichtsbarkeit und Freiheit von allen städtischen Abgaben und Lasten, auch das Recht, in demjenigen Hause, welches er von Kolbows Witwe gekauft habe, und welches zwischen den Häusern des Justizrats Dr. Kirchberg und des Archivars Dr. Emme gelegen sei, nach einem Belieben Gastwirtschaft, Schänkwirtschaft oder Handel treiben zu dürfen. Diese Gerechtigkeiten bezogen sich auf das Haus nebst einem Hofe, Garten und sonstigen Pertinentien. Hoffmanns Haus war dasjenige zwischen der Ritter- und Theaterstraße gelegene Haus, welches später dem Hofmaurermeister Barca gehörte und unter dem Namen „Barcas Hof“ noch allgemein bekannt ist. Die betreffende Verordnung Christian Louis, wurde am 12. September 1692 vom Herzoge Friedrich Wilhelm und am 5. Juli 1743 vom Herzoge Carl Leopold bestätigt.
1676 herrschte in Schwerin eine heftige Krankheit, welcher viele Menschen erlagen. Der Rat verordnete deshalb, dass die Jahrmärkte eingestellt und die Verstorbenen vor der Stadt auf dem St. Jürgens-Kirchhof, welcher in ähnlichen Fällen noch lange benutzt wurde, beerdigt werden sollten.
1678 wurden auf herzoglichen Befehl die Wälle um Schwerin, welche sich in einem sehr schlechten Zustande befanden, repariert. Vor dem Mühlentore befand sich im Walle ein Ausfall mit Gewölbe, eine große eichene Pforte, neben welcher ein gemauerter Raum war, der später (seit dem Jahre 1750) zur Aufbewahrung der Pulvervorräte gebraucht wurde. Um diese Zeit war der Ausfall durch zwei eiserne, gegitterte Tore geschloffen. Rechts von diesen Toren, gerade der Wache gegenüber, zwischen dem Walle und dem Graben, befand sich ein kleiner dreieckiger Platz. Auf diesem Platze stand bis zum Jahre 1790 der hölzerne Esel, auf welchem die Strafen an die Soldaten vollzogen wurden. Vielleicht hat dieser Esel früher auf der anderen Seite neben der Wache gestanden und der Eselswiese den Namen gegeben, einer Wiese, welche sich vom Fließgraben bis zum jetzigen Marienplatze, wo nun die s. g. Barca’schen Häuser stehen, erstreckte. Im Jahre 1790 war der Esel umgefallen und sollte nicht wieder aufgerichtet werden. – Von dem Schmiedetore führte ein einfacher, verschließbarer Durchgang durch den Wall. Hier waren in letzterer Zeit mehrere Häuser erbaut worden, weshalb verordnet wurde, dass die Besitzer dieser Häuser Wasserrinnen am Walle entlang anlegen und den Fuß desselben mit einer Mauer umziehen sollten.
Die Stadt verkaufte i. d. J., mit Bewilligung des Bürgerausschusses, ihre große Wiese, beim fürstlichen Garten gelegen (die Jägerwiese) für 400 Mk. an den Herzog.
1681 erging an den Bauherrn der Domkirche der Befehl, „den Chor, auf welchem die Schüler stehen, auszubauen und zur Perfektion zu bringen.“ Dieser Chor ist der obere Chor, eine hölzerne Galerie, welche i. J. 1585 (s. d. J.) für den Sängerchor der Schüler hergerichtet worden. Wahrscheinlich wurde diese Galerie jetzt erweitert, um nicht nur die Sänger, sondern auch die übrigen Schüler aufnehmen zu können, welche bisher unten in der Kirche der damaligen Kanzel gegenüber gesessen hatten. An der Stelle der Schülerbänke sollten jetzt vielleicht Kirchstühle angelegt werden, welche nötig geworden sein mochten, weil sich die Zahl der Gemeindeglieder vermehrt hatte. (S. d. J. 1689)
Seit dem Sommer des vorigen Jahres hatte wieder eine starke Epidemie (Pest?) in Schwerin geherrscht.
1682 verordneten beide Herzoge, dass Niemand „Elendhirsche, welche von den brandenburgischen Wildnissen und Haiden aus nicht selten über die Grenze treten und in den Waldungen bei Parchim, Crivitz und Schwerin zuweilen angetroffen werden, verfolgen oder gar schießen“ dürfe, weil sie die Absicht hätten, dies „in Mecklenburg bisher ungewöhnliche Wildpret“ zu schonen. Diese Verordnung wurde im Jahre 1685 erneuert.
1688 hatte sich der Magistrat erlaubt, in die Wohnung am Mühlentore eigenmächtig einen Torschreiber einzusetzen. Unter dem 23. Mai erließ der Herzog deshalb ein scharfes Reskript, in welchem solche Eigenmächtigkeit durchaus untersagt wurde, da die Torschreiberwohnung nicht der Stadt, sondern dem Herzoge gehöre, welcher dieselbe für seine eigenen Diener bestimmt habe.
In diesem Jahre wird ein Stadtgefängnis in den Akten unter den Namen „der Klievat“ erwähnt, über welches sich keine weitere Nachrichten finden. Es fragt sich, wo dies Gefängnis gelegen und welche Bewandtnis es mit ihm gehabt habe?
1689 klagt der Rektor der Domschule, dass die Schüler auf ihrem Chor die Predigt nicht hören könnten, deshalb in der Kirche herumgingen und allerlei Störungen veranlassten. Er bittet, dass Bänke für sie in der Kirche angeschafft werden möchten. Ob dies geschah und wo die Bänke gestanden haben, wird nicht erwähnt. Im J. 1650 war an der Domschule ein Rechenmeister bestellt worden, und sollte das Kollegium seit dieser Zeit aus 6 Lehrern bestehen, Rektor, Konrektor, Kantor, Succeutor, Präzeptor und Rechenmeister. Es scheint aber, als haben die Fonds zur Besoldung dieser 6 Lehrer nicht ausgereicht, weshalb denn ihre Zahl meistens unvollständig geblieben war. Von 1665–1674 fehlte der vierte, von 1675–1690 der fünfte Lehrer. Man dachte deshalb jetzt daran, das Lehrerkollegium zu vervollständigen und namentlich einen tüchtigen Rechenmeister anzustellen, der zugleich im Buchhalten Unterricht erteilen sollte. Einen hierzu tüchtigen Mann hatte man gefunden; er hieß Christian Petersen. Weil man nun aber bei der Anstellung desselben vorzugsweise die Bedürfnisse der Schweriner Bürgersöhne berücksichtigt zu haben meinte, so hielt man es für billig, dass die Bürgerschaft zu einer Besoldung einen Beitrag hergebe. Ein herzogliches Reskript befahl dem Magistrate, dass er zur Emolumentierung des Rechenmeisters einen solchen aufbringe. Der Magistrat entgegnete hierauf am 5. August, dass er den Bürgerausschuss, die 24 Männer, aufs Rathaus beschieden, dieser aber jeden Beitrag verweigert habe, „weil es notorium, dass die meisten Bürger wegen Mangel der Nahrung und dabei dennoch vorfallender vielfältigen schweren Ausgaben kaum selber das Leben hinzubergen haben, dass sie auch teils schon davon ziehen müssen, andere ihre verschuldeten Güter proklamieren zu lassen gezwungen worden“ und „weil solcher Beitrag zur Besoldung des Lehrers eine Neuerung mit sich führe, zu welcher die Bürgerschaft nicht verpflichtet sei.“ Der Magistrat hatte zugleich die Gelegenheit benutzt, sich in diesem Schreiben darüber zu beschweren, dass manche fürstliche Bedienten und Eximierte sich in die bürgerliche Nahrung eingedrängt hätten und den Verdienst der Bürger schmälerten. Hierauf erging nun
1690 am 31. März ein scharfer Verweis an den Magistrat wegen seines „Quästionierens, Raisonnierens und Indizierens, was bei Euch fast eine Gewohnheit werden will.“ Zugleich wurde der Bürgerschaft zum Unterhalte des Rechenmeisters ein (jährlicher?) Beitrag von 10 Taler anbefohlen. Dem strengen Befehle gegenüber wagte der Magistrat keine weitere Widersetzlichkeit und brachte die 10 Taler „mit höchstem Verdruss und Widerwärtigkeit der Bürger“ auf, jedoch nur „für diesmal und citra consequentiam.“ Wegen dieser Klausel wollte nun aber der Rechenmeister längere Zeit die Quittung nicht unterschreiben und tat solches erst auf Zureden der Behörden. Dagegen wandte sich ihm nun der Hass der Bürgerschaft zu, welche „mit schimpflichen, verdrießlichen Reden gegen den neuen Lehrer herging“, von denen sie erst nach mehrfacher scharfer Verwarnung abließ. Petersen, welcher übrigens ein tüchtiger Mann war, fühlte sich durch die Verfolgung der Bürger so gekränkt, dass er es in seiner Stellung nicht lange aushielt, sondern i. J. 1696 als Rechenmeister nach Wismar ging. Er erhielt indessen bei einem Abgange sofort einen Nachfolger und ist eine Stelle auch bis auf die Gegenwart ununterbrochen besetzt geblieben.
Am 29. Dezember d. J. Abends um 8 Uhr entstand wieder eine große Feuersbrunst, durch welche 73 Häuser und Buden in Asche gelegt wurden. Der Rektor der Domschule Heinrich Masius erließ 1691 eine Einladung zu einem Dankfest in der Schule wegen Rettung bei der Feuersbrunst am 29. Dez. 1690, an deren Schluss zwei deutsche Gedichte von ihm stehen, die sich auf den Brand beziehen. Die 11. Strophe des einen lautet:
„O rechte Trauer-Bühne!
So mustu denn, Schwerin, nun abermal
In kläglichen Ruine:
Den vorigen noch zutun eine neue Zahl;
Da du betrübtestes in nicht gar langen Jahren
Nun diese Ruth so hart zum fünften mahl erfahren.“
(Nämlich in den Jahren 1531, 1558, 1626, 1651 und 1690)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin