Geschichte der Stadt Schwerin von 1836 bis 1838

1836. Am 17. Januar wurde das unter der Leitung und nach Zeichnungen des Landbaumeisters Demmler vollendete neue Schauspielhaus mit einem von Clara Hirschmann gesprochenen Prolog und mit der „Schule des Lebens“ von Raupach eingeweiht. Nach dem Schlusse des ersten Aktes wurde der Baumeister hervor, gerufen. Dies mit einem schönen Konzertsaale versehene Gebäude bot - seitdem den Schwerinern jährlich neuen Genuss. Der Vorhang, ein Teil der Setzstücke, die hauptsächlichsten Gardinen und Kulissen waren in der Werkstatt von Gropius in Berlin von Greimel und Müller gemalt, die übrigen Dekorationen hatte der hiesige Maler Fr. Schnelle verfertigt. Die Brüstungen der Logen und die Decke sind vom Hofmaler Schuhmacher, Fischer malte die Decke des Konzertsaales, die Säulenkapitäler sind von Bildhauer Runge aus Hamburg, vom Bildhauer Petters die Medaillons, Rosetten usw. der getäfelte Fußboden aus gebrannten Thon ist vom Töpfer Prippenow. Die Bühne ist zwischen den vorderen Kulissen 33 Fuß breit, das Theater fasst 600 Personen. Das Gebäude hat eine Länge von 195 und eine Breite von 86 Fuß; der Konzertsaal ist 78 Fuß lang, 48 Fuß breit und 32 Fuß hoch. Die gesamten Baukosten dieses Gebäudes beliefen sich auf 100.200 Thaler N 2/3.

Im März wurde die Hinterbrücke des Schlosses, nach dem Schlossgarten hin, zur Erleichterung und Sicherung der Schifffahrt mit Zugbrücke versehen. Im Juni wurde das alte Mühlentor abgebrochen, bei welcher Gelegenheit man unter demselben vergraben die Summe von 3.225 Thaler 16 ßl. fand. Zwischen dem Gelde fanden sich N 2/3stücke aus den Jahren 1808 und 1810, welche es wahrscheinlich machen, dass die Vergrabung während der Besetzung Schwerins durch die Franzosen geschehen ist. In dieser Zeit wurden auch im Schlossgarten die neuen Anlagen mit dem Schweizerhause vollendet und der Bau einer Chaussee begonnen, welche vom Schlosstor durch die Gartenanlagen um den Faulen See herum zur Ludwigsluster Chaussee führte. Im Oktober fand eine Planierung und Verschönerung des altstädtischen, sehr verwahrlosten Kirchhofes statt; im November wurde das den Augen nachteilige Abweißen der Gebäude für Schwerin untersagt.


Am 4. Juni hatte sich ein Verein hierselbst gebildet, welcher sich die Aufgabe stellte, den Betrieb von Handwerken unter den israelitischen Glaubensgenossen Mecklenburgs zu befördern. Am 29. November warf ein starker Sturm den Pavillon, den s. g. Tempel, im Schlossgarten um, an dessen Stelle im März des folgenden Jahres ein neuer errichtet wurde.

1837. Im Januar wurde das großherzogliche Jagdzeughaus an der Bergstraße (jetzt Gartenstr.) der Vorstadt zu Privatbesitz verkauft; ferner wurde am 9. d. M. gestattet, dass Posten, Extraposten und sonstige leichte Wagen die Passage über die Schlossbrücken durch den Schlossgarten benutzen dürften.

Am 1. Februar entschlief zu Ludwigslust im 81. Jahre seines Alters und nach einer fast 52jährigen segensreichen Regierung der von seinen Untertanen hochverehrte Großherzog Friedrich Franz I. Am 17. Februar wurde seine Leiche, welche in Doberan beigesetzt werden sollte, durch Schwerin gebracht, wo sie die gesamte Bürgerschaft in feierlicher Trauer empfing und bis an die Grenze geleitete. An 19. März fand in allen Kirchen der Stadt ein Trauergottesdienst für Friedrich Franz statt. Ihm folgte sein Enkel Paul Friedrich, geb. am 15. September 1800, auf dem Throne, welcher sofort seine Residenz nach Schwerin verlegte und mit allen Kräften die Hebung dieser Stadt erstrebte.

Wie wir im Vorigen gesehen haben, war die Sorge des Herzogs Friedrich und des Großherzogs Friedrich Franz I. vorzugsweise auf die innere Entwicklung der Verhältnisse Schwerins gerichtet gewesen. Durch sie war das Gemeinwesen zu einer der Zeit angemessenen Ordnung gelangt. Daneben hatten diese beiden Fürsten sich die Restauration sowohl wie den Neubau öffentlicher Gebäude angelegen sein lassen, Bauten, welche mit der Entwicklung öffentlichen Wesens Hand in Hand zu gehen pflegen. Paul Friedrich nun fand beim Antritt seiner Regierung das Gemeinwesen Schwerins geordnet, einen Teil der für eine Hauptstadt nötigen öffentlichen Gebäude errichtet, die Stadt im Allgemeinen aber äußerlich dem hauptstädtischen Standpunkt wenig entsprechend, dazu auch für die Zahl ihrer Bewohner zu klein. Dies erkennend, erfasste er seine Aufgabe, soweit die Schwerin betraf, dahin, diese Stadt auch äußerlich auf einen hauptstädtischen Standpunkt zu erheben. Teils die öffentlichen Bauten, welche noch erforderlich waren, teils die notwendig gewordene Erweiterung der Stadt selbst gaben ihm hinreichende Veranlassung, in den Bewohnern die Baulust zu wecken, so wie ihm erstere das Mittel wurden, um den Geschmack der Bauenden zu läutern und zu heben. Diese Aufgabe ergriff der Großherzog mit der ihm eigenen Energie und vermochte demnach während seiner kurzen Regierungszeit die äußere Beschaffenheit der Stadt voll kommen umzuschaffen. In dieser Weise muss Paul Friedrichs Bautätigkeit in Schwerin betrachtet und erklärt werden, um ihre völlige innere Berechtigung und Begründung zu finden. Es braucht dann nur noch darauf hingewiesen zu werden, dass allerdings die innere städtische Entwicklung mit der äußeren in sehr genauem Zusammenhange steht, damit wir erklärlich finden, wie das ältere Schwerin auf diesem Wege naturgemäßen Fortschritts in das neuere hinüber geführt werden konnte, und wie wichtig demnach Paul Friedrichs Tätigkeit in das städtische Leben eingriff.

Aus den dargelegten Gründen glauben wir, diesen Zeitpunkt des Stadtlebens so ausführlich behandeln zu müssen, dass er in Klarheit vor den Leser tritt, ohne dass zu genaues Eingehen in die einzelnen Bauten ermüdend wird.

Wie schon erwähnt ist, war die Erweiterung Schwerins eine Notwendigkeit geworden, bezeugt durch die unaufhörlichen Klagen über Wohnungsmangel aus jener Zeit. Der Großherzog fasste deshalb von Anfange seiner Regierung an den Plan, den durch eine natürlich schöne Umgebung sich auszeichnenden, aber damals wegen der an seiner Westseite liegenden Äcker und Gärten sehr unscheinbaren Pfaffenteich mit in das Gebiet der Stadt zu ziehen, also nach der westlichen Seite desselben hin diese zu erweitern und so einen neuen Stadtteil zu gründen. Er ernannte eine eigene Kommission, welche zur Erweiterung Schwerins Vorschläge machen und Rat erteilen sollte, bestehend aus dem Minister von Lützow, den Geh-Finanzrat Störzel, dem Hofrat Knaudt, OBR. Wünsch und dem LBM. Demmler. Die Vorstadt, welche sich schon damals nach gleicher Richtung hin ziemlich weit erstreckte, sollte mit in das Gebiet der Stadt gezogen werden, welche nach den übrigen Seiten hin zu einer größeren Erweiterung auch keinen ihrem Mittelpunkte so nahe gelegenen Raum bot. Sollte nun aber dies Projekt zu Stande kommen, so war es auch sehr wünschenswert, dass wenigstens die Hauptstraßen der Altstadt sich durch ihre äußere Gestalt der neuen Anlage anschlossen. Dies konnte nur durch Erbauung neuer Häuser erreicht werden, durch welche die Altstadt zugleich als Mittelpunkt der ganzen Stadt, wie sie es so lange gewesen war, erhalten werden konnte. Deshalb beförderte Paul Friedrich, sobald er an seine neue Schöpfung Hand legte, aufs Kräftigte die Entfaltung der älteren Stadt durch Belebung des Baueifers, sah es gern, wenn hier neue, geräumige Häuser entstanden und unterstützte auch wohl die Bauenden. Sicher ist nur hierdurch die Altstadt so völlig der Mittelpunkt des städtischen Verkehrs geblieben, wie es noch jetzt der Fall ist und wie es offenbar in dem Wunsche des Großherzogs lag.

So entfaltete sich denn gleich nach dem Regierungsantritte Paul Friedrichs eine bewundernswerte Bautätigkeit in Schwerin. Während der Großherzog selbst, im Hinblick auf das zu Schaffende, die Felder ebnen und terrassieren ließ, begannen in den älteren Stadtteilen Neubauten und Reparaturen mancher Art. Hunderte von Händen und Köpfen fanden hierdurch eine willkommene Beschäftigung, welche eine merkliche Hebung des allgemeinen Wohlstandes veranlasste. Indessen war diese Zeit nur zu vorbereitender Tätigkeit bestimmt, deren Entwicklung damals nur Wenige erst ahnten. Schon im April d. J. ließ der Großherzog nach den Plänen und unter der Leitung des Hofbaumeisters Demmler umfängliche Bauten an der hiesigen Justiz-Kanzlei vornehmen und eine neue Fassade ausführen. Das Gebäude ward zu diesem Zweck geräumt, vorher aber in dem dahinter gelegenen Garten des Pedellen Barten ein Gebäude für die Registratur und Zimmer für die Expedition und Subalternen errichtet. Die täglichen Sitzungen des Collegi wurden im Hause des Kanzlei-Direktors Wachenhusen abgehalten. Das so umgestaltete und erweiterte, auch mit einem neuen Mobiliar ausgestattete Gebäude wurde im Herbst 1838 wieder bezogen.

Ferner ließ Paul Friedrich noch in d. J. durch Demmler ausführen den Anbau eines Saales am altstädtischen Palais und die Einrichtung mehrerer Gesellschaftszimmer in den angekauften Privatgebäuden in der Ritterstraße, Alles dieses zu kleineren Hoffesten bestimmt. Für größere Hoffeste wurde der s. g. Gardereutersaal über der jetzigen Waffenhalle des Schlosses zu einem Bankettsaal ausgebaut, mehrere Prunkzimmer wurden neu dekoriert, einzelne Gebäude für Lakaien um das Schloss aufgeführt und das s. g. Orangeriehaus zu Kammerdienerwohnungen eingerichtet. Das Schloss selbst wurde innerhalb und außerhalb gründlich repariert und in dem stadtwärts gelegenen Flügel wurden die früher vom Kammer-Kollegium benutzten Lokale zu einer Wohnung für den Herzog Gustav ausgebaut. Im Schlossgarten ließ der Großherzog 4 neue Brücken bauen, die Statuen reparieren u. A. m.

Gleichfalls i. d. J. wurde für den Sommeraufenthalt der allerhöchsten Herrschaften das vom Oberbaurat Wünsch erbaute Grünhaus im Schlossgarten durch Demmler umgeändert und erweitert, ihm gegenüber ein s. g. Kavalierhaus mit Küchenlokalen u. dgl. Von Letzterem erbaut und dasselbe durch eine in der Andersen’schen Eisengießerei zu Güstrow gegossene, über die Chaussee gespannte Brücke mit dem Dache des Grünhauses verbunden.

1838 ließ der Großherzog die neuen Anlagen in Schlossgarten nach generellen Angaben des Gartendirektors Lenné in Potsdam durch den Hofgärtner Klett auf der Ostorfer Feldmark bis zur Chaussee hin beginnen, welche im folgenden Jahre vollendet wurden. Im Beginn d. J. war der großherzogliche Holzplatz von der Wadewiese nach dem Hintenhofe verlegt worden. Die Wiese selbst hatte man erhöht und darauf mit dem Bau des neuen Marstalls begonnen, dessen Rost im November schon fertig war. Im Juni wurde der Platz um die Domkirche herum, auf welchem sich noch ein Teil der Umwallung des früheren Kirchhofes befand, geebnet. Am Pfaffenteich hatte man die Höhe, welche sich vom jetzigen Arsenal an erhob, planiert, um auf ihr einen neuen Weg anzulegen, die jetzige Wismarsche Straße, eine Verlängerung der Chaussee, welche sich früher von der Bischofsmühle aus nur nach dem Spieltor hin erstreckte. Die jetzige Wismarsche Straße war demnach schon abgesteckt, ebenso die Alexandrinenstraße und die neben ihr um den Teich laufende Esplanade, welche das bei der Terrassierung des Hügels erhöhte Ufer des Teiches schmücken sollte. Außer dem hatte man eine Menge neuer Privatgebäude beendigt oder begonnen. Zur Beratung und zur Vorlage von Entwürfen über die Gründung eines neuen Stadtteils hatte Paul Friedrich bald nach seinem Regierungsantritte, wie schon erwähnt worden, eine Kommission ernannt. Es ist von Interesse, das Wirken derselben näher kennen zu lernen. Diese Kommission arbeitete nämlich 2 Projekte aus und legte sie um diese Zeit dem Großherzoge vor. Nachdem einen sollte der Pfaffenteich umbaut werden, die jetzige Paulsstadt; nach dem anderen sollte der Burgsee umbaut und ein neuer Stadtteil auf der s. g. Bleicherwiese angelegt werden, zu welchem Zwecke durch den Abbruch der damaligen Franke’schen Apotheke in der Schlossstraße Nr. 12) die Königsstraße über den Klosterhof und weiter in die Rostocker Straße verlängert, diese aber um den Burgsee her mit neuen Gebäuden versehen werden sollte. Nach diesem Plane würde der Bahnhof in der Nähe der Artillerie-Kaserne im ehemaligen Krüger’schen, jetzt Malchin’schen Garten einen Platz gefunden haben. Die geringeren Kosten bestimmten Paul Friedrich zur Wahl des ersten schon zur Ausführung begonnenen Planes, doch soll er den zweiten nur auf günstigere Zeiten hin aufgeschoben haben.

In der Mitte des Juni fand am Haselholze ein großes Übungslager der kombinierten mecklenburgischen Truppen, etwa 1.400 Mann, statt. 100 Strohhütten, die in einer Vertiefung des hügeligen Terrains aufgestellt waren, beherbergten die Soldaten, ein aus Brettern aufgeschlagenes Gebäude bildete den Speisesaal der Offiziere, Buden mannigfacher Art umzogen den Saum des Gehölzes und ein Karussell bot den Truppen Erholung und Belustigung.

Gegen Ende d. J. erschien eine Verordnung, durch welche vom 1. Januar 1839 an die gewöhnliche Hundesteuer für Tigerhunde und Bulldoggen auf 10 Thaler jährlich erhöht werden sollte. Die Liebhaberei für diese Tiere war damals so groß, dass sich mehr als 200 derselben in Schwerin befunden haben sollen, welche eine nicht geringe Gefahr für die Bewohner waren. Es wurde zugleich bestimmt, dass diese Hunde entweder an einer Kette festgelegt oder mit Maulkörben versehen an der Leine geführt werden sollten.

Am 14. Dezember wurde die für Schwerin noch gültige Trottoir-Ordnung erlassen, durch welche das Reinhalten, die Reparierung, die Benutzung derselben etc. reguliert wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin