Geschichte der Stadt Schwerin von 1828 bis 1830

1828 wurde in einem Garten der Vorstadt am Pfaffenteich ein (das ältere) Militär-Hospital gebaut, zur Hälfte auf Kosten der Stadt, zur anderen Hälfte auf Kosten der Militärkasse. Das Hospital, 103 Fuß in der Fronte, 44 Fuß in der Tiefe lang, enthielt an der Straße 2, nach der Rückseite, dem Pfaffenteich, hin wegen des abschüssigen Bodens 3 Etagen und kostete 7.600 Thaler. Es wurde gleichfalls unter der Leitung des damaligen Oberlandbaumeisters Wünsch im einfachen Stil mit gelben Steinen erbaut.

Auch das Münzgebäude in der Münzstraße begann man sowohl innen wie außen zu restaurieren. Dies geschah unter der Leitung des Baumeisters Bartning; die vergoldete eiserne Inschrift „Großherzogliche Münze“ über der Fassade war in Berlin gegossen. Es wurde in der Münze damals fleißig geprägt, namentlich Scheidemünze, welche beim Verbot der auswärtigen kleinen Münzen zu mangeln begann. Als i. J. 1829 die Restauration vollendet war, wurde zu ihrem Gedächtnisse eine Medaille geschlagen, welche auf dem Avers das Brustbild des Großherzogs mit der Umschrift: „Friedrich Franz, Großherzog von Mecklenburg-Schwerin“, auf dem Revers eine Abbildung des Münzgebäudes mit der Umschrift: „die Münze“, unter jenem die Worte: „in Schwerin“ und die Jahreszahl 1829 zeigt.


Im Schlossgarten wurde durch den Landdrosten, Kammerherrn von Plessen eine durchgreifende Verschönerung ins Leben geführt. Das Terrain nämlich zwischen dem Faulen und Großen See, vom Halse und Tannenhof bis zur Zippendorfer Scheide, damals meistens kahl und wenig benutzt, wurde mit mehreren neu angelegten, mit Bäumen bepflanzten Wegen durchzogen und in 23 Parzellen von 500 bis 1.700 Quadrat-Ruthen Größe geteilt. Diese Parzellen sollten an die Meistbietenden gegen einen jährlichen Kanon überlassen werden, unter der Bedingung, dass diese auf jeder ein geschmackvolles Wohnhaus erbauen und die ganze Anlage zum Schmucke der Gegend einrichten lassen. Die Bauten begannen i. J. 1829 und wurden längere Zeit fortgesetzt.

In Folge dieses Planes wurde nun auch der Weg nach Zippendorf hin längs des großen Sees planiert, die Weiden an seinen Seiten entfernt und die Anlegung neuer Anpflanzungen beschlossen. Der hohe Berg an der Seite des Weges wurde an seinen Abhange mit Tannen bepflanzt und auf einer Höhe ein Weg für Fußgänger angelegt.

1829. Der Magistrat ließ i. d. J. den Straßendamm vom Spieltore bis zum neustädtischen Markte legen und die Querstraßen der Apothekerstraße verbessern. Von der dritten Wasserstraße bis zur Mühlenstraße befand sich damals ein Wasserlauf oder Graben, der gewöhnlich in sehr schlechtem Zustande war. Dieser wurde nun überwölbt und mit einem Abfluss nach dem Pfaffenteich hin versehen, an dem Schulhofe vorbei, welcher damals an der Ecke der Mühlenstraße lag (eine Freischule für arme Kinder, durch milde Beiträge gestiftet.)

Überhaupt wurde jetzt viel gebaut, auch von Seiten der Bürger, deren Bautrieb durch die öffentlichen Bauten angeregt wurde. In den letzten 10 Jahren sollten mehr als 100 neue Privathäuser in Schwerin entstanden sein.

1830. Die Schulanstalten Schwerins waren, mit Ausnahme des Gymnasiums, bisher sehr vernachlässigt; es gab eigentlich noch gar keine gut eingerichtete Schulen für Kinder des Bürgerstandes und namentlich für diejenigen der ärmeren Klassen. Erstere besuchten meistens Privatschulen, deren freilich mehrere bestanden, von letzteren aber wuchsen sehr viele ohne allen Unterricht auf. Indessen war man während der letzten Jahre auf diesen Übelstand aufmerksam geworden und es geschah von jetzt an Manches zu seiner Abhilfe. Den ersten Anstoß hierzu gab die Freimaurerloge, welche eine Sonntagsschule zum Unterricht für Gewerbelehrlinge stiftete und am 21. März mit 50 Schülern eröffnete. Die Einweihungsrede hielt der Meister vom Stuhl selbst, Dr. Wehber-Schuldt auf Goldensee bei Ratzeburg. Schulaufseher und Lehrer der deutschen Sprache war der Kollaborator Lisch, unentgeldlichen Unterricht gaben im Rissezeichnen und in der Geometrie der Baukondukteur Demmler, im freien Handzeichnen der Baukondukteur Hermes und Portraitmaler Fischer; außerdem wirkten mehrere andere Männer unentgeldlich, so dass diese Schule, die jährlich eine öffentliche Prüfung und Preisverteilung abhielt, ein großer Segen für die Stadt wurde.

Die Irrenheilanstalt Sachsenberg wurde i. d. J. eröffnet; sie bestand unter der Leitung des Obermedizinalrats Flemming. Die Offizianten etc., hatten schon seit dem vorigen Sommer dort gewohnt, die Kranken, welche zum Teil aus der Heilanstalt zu Dömitz kamen, wurden aber jetzt erst aufgenommen. Das Pflegehaus für unheilbare Irre wurde nach Erbauung zweier, vom Hauptgebäude getrennten Flügel erst i. J. 1844 eingerichtet. Die Anstalt hat mit der Feldmark einen Flächeninhalt von 12.000 Qu.-Ruthen. Das Hauptgebäude ist 604 Fuß lang, besteht aus einem dreistöckigen Mitte- und 2 zweistöckigen Seitengebäuden, deren Enden durch dreistöckige Pavillons geschlossen werden, und enthält in der Fronte 128 Fenster. Das ganze Gebäude wird mit erwärmter Luft geheizt. Früher hatte die Anstalt einen eigenen Prediger, später gehörte sie zur Schweriner Domgemeinde.

Mitte Juni begann der Bau der ersten Chaussee von Schwerin aus, welche diese Stadt mit Wismar verbinden sollte.

Am 25. d. M. fand die dritte Jubelfeier der Übergabe des Augsburger Glaubensbekenntnisses in den festlich geschmückten Kirchen statt.

Vom 1. September d. J. an sollte das leichte pommersche Geld nicht mehr im Lande angenommen werden. Der Pöbel, welcher schon durch die in Frankreich und einigen deutschen Staaten stattgefundenen Unruhen erregt war, nahm nun jenes Verbot zum Vorwand, um, aufgeregt durch fremde Gesellen, auch in Schwerin die Ruhe zu stören. Am 19. September, einem Sonntage, Abends, begannen Ruhestörungen, zu welchen der Brand eines im Garten der großherzoglichen Münze gelegenen Torfschauers, in dem das Feuer allem Vermuten nach absichtlich angelegt war, das Signal gab. Da jenes Schauer von anderen Gebäuden entfernt lag, ließ man es ruhig brennen, die Feuerglocken, Trommeln und Hörner hatten jedoch eine große Menschenmasse um die Münze versammelt, welche nicht hineingelassen werden durfte, da sich dort bedeutende Geldsummen befanden. Aus diesem Grunde hatte man schon seit längerer Zeit eine militärische Nachtwache in die Münze gelegt, welche das andrängende Volk kaum abzuhalten vermochte. Ja, der Andrang desselben verstärkte sich, nachdem sich die ruhigen Bürger entfernt hatten; alle Fenster des Münzgebäudes wurden zertrümmert und schon machte die Menge sich bereit, das Gebäude gegen den Widerstand der zu einem Schutze herzugeeilten hiesigen Zimmergegesellen, welche sich sehr brav benahmen, zu stürmen, als das inmittelst requirierte Militär anrückte und es besetzte. Da die Menge sich auch noch jetzt nicht entfernen wollte, vielmehr das Militär mit Steinwürfen empfing, so gab dies zwei scharfe Salven, welche zwar hochgehalten wurden, aber doch einen fremden Seilergesellen töteten und 5 Personen leicht verwundeten. Eine schnelle Flucht der Masse beendete den Tumult; zwar suchte sich jene noch an mehreren Orten wieder zu sammeln und richtete auch noch einige Verwüstungen, besonders an den Straßenlaternen an; aber inzwischen hatten sich die Bürger bewaffnet, schnell starke Patrouillen gebildet und zerstreuten die Ruhestörer überall nachdrücklich. So endete dieser durch die Feuersbrunst und das wüste Geschrei der Tumultuanten schauerlich gezeichnete Abend.

Früh am nächsten Tage traf der Erbgroßherzog Paul Friedrich von Ludwigslust her ein, am Mittage langte eine Abteilung der damals in Grabow garnisonierenden Dragoner an. Nachmittags versammelten sich die Bürger, die Eximierten und die Fridericianer der ersten Klassen auf dem Alten Garten, wurden zu einer Kommunalgarde geordnet, in Kompanien geheilt und bewaffnet. Sie besetzten nun die beiden Rathäuser der Stadt, später auch einige Posten in den Vorstädten und am Schlosstor, und hielten die Ruhe aufrecht. Der Magistrat erließ eine Bekanntmachung, dass nach 6 Uhr Abends nicht mehr als 5 Menschen auf den Straßen zusammenstehen dürften, die Gasthäuser um 9 Uhr geschlossen sein, nach 7 Uhr Abends sich keine Müßiggänger mehr auf den Straßen auf halten, die Meister ihre Gesellen und Lehrlinge im Hause halten und kein Unbefugter Waffen tragen solle.

Die Bürgergarde zählte mehr als 1.000 mit Infantriegewehren Bewaffnete und entwickelte große Energie, auch als am Abend des 22. Septembers abermals in der Vorstadt, an der s. g. Kuhtrift, ein Feuer entstand, welches, ebenfalls angelegt, mehrere mit Stroh gedeckte Häuser zerstörte, blieb durch ihr sofortiges Zusammentreten die Ruhe ungestört. Gleichfalls ohne Folgen blieben die anonymen Aufrufe, welche man mehrmals an den Straßenecken angeschlagen fand und die dadurch schon ihre Verfasser kennzeichnen, dass die Vorschläge zu allgemeinen Verbesserungen, welche sie enthielten, sich mehrfach geradezu widersprachen.

Zur Untersuchung dieser Vorgänge wurde sofort eine Kommission eingesetzt und die Landesregierung sicherte demjenigen eine Belohnung von 800 Thaler, der die Urheber des Brandes nachweisen könne. Die Ruhe blieb erhalten; schon am 30. d. M. konnten die polizeilichen, oben erwähnten Verordnungen zurückgenommen werden, jedoch dauerten die Nachtwachen der Bürgergarde noch in den ersten Tagen des Oktobers fort. Diese Unruhen in der sonst so friedlichen Stadt hatten manche sehr wohltätige Folgen, die sich freilich nicht direkt aus ihnen ergaben. Man war z. B. aufmerksamer geworden auf die Schwierigkeiten, welche die Trennung beider Stadtteile dem gemeinsamen Wirken entgegensetzte; das Militär wurde damals bei entstehenden Feuersbrünsten noch nicht zur Hilfeleistung requiriert und eine organisierte Brandwache fehlte gänzlich; das Armeninstitut war wieder auf ein sehr geringes Maß von Mitteln zurückgesunken u. A. m. Der schnellere Gang, welchen wir jetzt die städtische Entwickelung nehmen sehen, ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass jenes Ereignis den Blick für die Mängel schärfte.

So kam es denn, dass schon am 26. Oktober von 46 Bürgern eine Schrift an die Bürgerrepräsentanten eingereicht wurde, welche die Mängel der Stadtverwaltung beleuchtete und um ihre Abstellung bat. Die einzelnen Punkte, welche besonders hervorgehoben wurden, waren folgende:

1) die Aufhebung des Selbstergänzungsrechts der Bürgerrepräsentanten, freie Wahl derselben durch die Bürgerschaft, Aufhebung der lebenslänglichen und Einführung einer beschränkten Dauer ihrer Amtsverwaltung mit jährlichen Austreten eines Teils von ihnen.

2) Die Ausdehnung der Natural-Einquartierung auf alle Häuser der Stadt und Aufhebung der desfallsigen Exemtion*).

*) Von 538 vollen Häusern der Stadt waren 225 im Besitze von Eximierten und von der Natural-Einquartierung befreit.

3) Förderung und Beschützung des einheimischen Gewerbefleißes durch angemessene Impostierung fremder Erzeugnisse, Anlegung von Magazinen u. s. w.

4) Förderung des einheimischen Handelsfleißes durch Verauflagung der Steuern auf sämtliche Einfuhrwaren.

5) Begünstigung des Verkehrs der Branntweinbrenner in den Städten und Gleichstellung derselben mit den Rostocker Brennern.

6) Aufhebung des Missbrauches, dass von jedem in die Stadt eingehenden Fuder Holz je ein Kloben beim Siechenbaumwärter und beim Torschreiber abgegeben werden muss.

Diese Schrift wurde am 30. Oktober von den Bürgerrepräsentanten an den Magistrat übergeben. Die Antwort des letzteren, vom 16. Dezember datiert, lautet dahin:

ad 1.) Der Magistrat erkennt die Berechtigung dieser Beschwerde und hofft, dass sie bei der nahe bevorstehenden Vereinigung der Alt- und Neustadt Erledigung finden werde.

ad 2.) Auch diese Beschwerde hält derselbe für gerechtfertigt und hat zu ihrer Abhilfe schon wiederholt, aber erfolglos. Schritte getan.

ad 3.) Hinsichtlich des Schutzes der einheimischen Industrie verweist der Magistrat auf den Beschluss der Stände des letzten Landtages, betreffend die Einführung eines allgemeinen Grenzzolles, wonach die Ausarbeitung eines Grenzzoll-Tarifs bevorstehe. Zur Anlegung von Magazinen wird der Magistrat gern förderlich sein. Die Errichtung einer Gewerbeschule an Stelle des bisherigen Werkhauses auf der Neustadt wird von der Regierung beabsichtigt.

ad 4.) Dieser Punkt wird durch die Einrichtung des Grenzzolles Erledigung finden.

ad 5.) Die Hebung der städtischen Brennereien ist gleichfalls auf dem Landtage zur Sprache gekommen und wird noch ferner deliberiert werden.

ad 6.) Wegen dieses Punktes hat der Magistrat schon am 2. Oktober eine Bitte an die Landesregierung eingereicht.

Im Winter d. J. wurde das Schlosstor an der Hinterbrücke zum Schlossgarten um 11 Uhr Abends, um Zoll- und Steuer-Kontraventionen zu verhindern, geschlossen; früher war es stets offen geblieben. Man wird sich dieses die Schlossgartenbrücke abschließenden Gittertors mit dem kleinen Seitendurchgang für Fußgänger noch erinnern.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin