Geschichte der Stadt Schwerin von 1731 bis 1734

1731 blieben die Zustände ähnliche, wie im voraufgehenden Jahre. Schwerin wurde immer noch eng umschlossen gehalten und es begann ihm die Zufuhr zu mangeln, da die Exekutionstruppen keine Wagen hineinließen. Die Waldungen umher waren sehr verwüstet und in der Lewitz jagte man nach Herzenslust, die Bewohner der Dörfer wurden fortwährend turbiert.

Indessen bildete sich in diesem Jahre die jüngste oder neueste Schützenzunft, deren aus 21 Artikeln bestehende Statuten der Herzog konfirmierte. Sie hielt sofort ihr erstes Scheibenschießen ab, der König musste sich aber mit einem Blumenkranze als Schmuck begnügen, da zu einem besseren Schmucke keine Mittel vorhanden waren. Bis z. J. 1743 hatte diese Zunft kein anderes Ehrenzeichen. 1732 hatte sich nichts geändert; es scheint, als sollten die Exekutionstruppen den Herzog und die Stadt Schwerin mürbe machen, damit jener die kommissarischen Vergleichspunkte akzeptiere. Obgleich aber beim Mangel aller Zufuhr der Notstand in der Stadt groß zu werden begann, hielt man doch standhaft aus und Carl Leopold weigerte sich beständig, die von der Kommission angeordneten Punkte anzuerkennen. Es wurde deshalb am 30. Oktober ein kaiserliches Manifest erlassen, welches dem Herzog Christian Ludwig das Kommissorium für Mecklenburg Schwerin übertrug, zu dessen Ausübung ein Teil der Exekutionstruppen im Lande bleiben, die übrigen in ihre Heimat zurückkehren sollten. Letzteres ließ sich aber nicht gleich ausführen, da Carl Leopold unter heftigen Drohungen gegen das kaiserliche Manifest protestiert hatte.


1733. Christian Ludwig suchte zwar als kaiserlicher Kommissar die Verhältnisse des Landes nach seinen Kräften zu ordnen, Carl Leopold aber legte dem alle möglichen Hindernisse in den Weg. Er ging seit einiger Zeit mit dem Gedanken um, das Landvolk wieder für sich aufzurufen und zu bewaffnen, weshalb er mit den Schulzen der benachbarten Dörfer geheime Verbindungen anzuknüpfen suchte. Auch die Bürger der Stadt suchte er durch Gnadenerweisungen an sich zu fesseln.

So schenkte er dem Dome die große Glocke, welche er von Laurentius Strahlenborn hatte gießen lassen. (Sie sprang am 24. September 1803 beim Läuten für des Erbprinzen Friedrich Ludwig erste Gemahlin, die Großfürstin Helene Paulowna von Russland.) Auch die kleinste Glocke des Domes stammt aus diesem Jahre und ist vielleicht ebenfalls vom Herzoge geschenkt. Sie hat im Kranze die Inschrift: Fudit Laurentius Strahlborn. Anno 1733.

Während übrigens in und um Schwerin die von den Exekutionstruppen verübten Gewalttaten sich mehrten, wurde des Herzogs Lage immer bedrängter. Um ihr ein Ende zu machen, erließ er am 7. September ein Manifest zu einem allgemeinen Landes-Aufgebot aller Mannschaften im Alter von 18–60 Jahren, welches die ihm immer noch zahlreich anhängenden Getreuen, vorzugsweise die Geistlichkeit und die Bauern, schnell überall im Lande verbreiteten, und zugleich wurde ein General Pardon für alle Widersacher des Herzogs erlassen, falls dieselben binnen 3 Wochen zu ihrer Pflicht zurückkehren würden. Christian Ludwig veröffentlichte zwar sofort ein Gegenpatent, doch wurde die Aufregung in dem Lande jetzt sehr groß. Am 13. September wurde in allen Kirchen Schwerins ein „öffentliches Gebet in gemeiner Not“ verlesen, darauf sang die Gemeinde: „Herr, unser Gott, lass nicht zu Schanden werden. Die, so in ihren Nöten und Beschwerden. Bei Tag und Nacht auf deine Güte hoffen“ usw. Nach dem Gottesdienste erscholl Trommelschlag, worauf sich die 150 Dragoner und die reguläre Miliz der Stadt nebst den Bürgern der Altstadt und Schelfe, die sich bewaffnet hatten, auf dem Marktplatze versammelten. Hier redete der Herzog sie an und forderte sie auf sich anderen Tags zur Vertreibung der Feinde bereit zu halten. Auf Andringen der Bürgerschaft mussten auch die „Gelehrten in der Stadt“ sich bewaffnen; sie sollten den Dienst auf dem Schloss und den Wällen übernehmen.

Am anderen Tage nun kamen auf dem alten Garten 400 bewaffnete Bürger zusammen; zu ihnen trat die Garnison der Stadt, welcher der General Tilly eben noch 300 Mann Kavallerie zugeführt hatte. Als nun die Nachricht einlief, dass die Exekutionstruppen sich zurückgezogen und alle Straßen frei gegeben hätten, beorderte Carl Leopold schnell noch eine Compagnie Infanterie aus Dömitz herbei, welche am 16. September in Schwerin anlangte. Am 17. zogen etwa 400 mit geschärften Sensen bewaffnete Bauern, unter Anführung ihrer Schulzen, Schreiber und Vögte herbei und stellten sich dem Herzoge zur Verfügung, welcher zuvörderst durch die Bürgerschaft alles Holz, das die Gegner um die Stadt herum aufgehäuft hatten, herbeifahren ließ.

Inzwischen hatten sich im ganzen Lande die Bauernschaften für den Herzog erhoben und bewaffnet und zogen von allen Seiten in großen Mengen nach Schwerin herbei, wo im Ganzen mehr als 2.000 Mann sich gesammelt hatten. Mehr als 4.000 Mann an regulärer Miliz, Bürgern und Bauern hatte der Hauptmann Reling außerdem im Lande gesammelt, und gegen Güstrow geführt. Ein großer Trupp Landleute, welcher über Neustadt herbeiziehen wollte, mehr als 500 Mann, war dort von den Hannoveranern am 17. September angegriffen und zurückgetrieben. Diesen sandte nun am 19. Carl Leopold die Seinigen unter General Tilly zu Hilfe, während von der anderen Seite wieder 800 Mann Bewaffneter in Schwerin einrückten. Tilly war jedoch genötigt, sich nach Güstrow zu wenden, wo Reling, unterstützt durch die Bürgerschaft, die hannoversche Garnison unter Monroy, welche das Schloss besetzt hielt, belagerte. Am 21. Sept. stand Tilly vor Güstrow, an demselben Tage aber kam auch ein Corps Hannoveraner dort an. Es entstand ein Gefecht, welches bis zum Morgen des 22. Sept. dauerte, worauf sich die Mecklenburger nach Schwan zogen, um Rostock einzunehmen. Da ihnen dies nicht gelang, so wandte sich Tilly, um Schwerin wieder zu gewinnen, kam jedoch nur bis in die Lewitz, wo ihn, nachdem der größte Teil der Bauern und Bürger, des Krieges schon überdrüssig, sich zerstreut hatte, der hannöversche Oberstlieutenant Harlingen umzingelte und die herzoglichen Truppen am 2. Oktober samt und sonders gefangen nahm. Diese zählten nämlich außer Tilly, dessen General-Adjudanten Reiser, 4 Ober- und 6 Unteroffizieren nur noch 59 Kavalleristen, und die Artillerie 1 Lieutenant, 1 Sergeant, 6 Gemeine und 2 Kanonen; die übrige Mannschaft war desertiert. Sie wurden gefangen nach Ratzeburg gebracht.

Auch von der Schweriner Besatzung war der größte Teil davongelaufen; 30 Hannoveraner, die dort gefangen eingebracht waren, musste Carl Leopold am 22. Oktober ausliefern. Da aber die Hannoveraner und Braunschweiger jetzt Anstalt machten, auch die Stadt Schwerin anzugreifen, so ließ der König von Preußen 2 Regimenter Kavallerie und 1 Regiment Infanterie einrücken, welche nötigenfalls die herzogliche Residenz schützen sollten, die dadurch mit dem Schrecke vorerst davon kann.

1734. Dies Jahr verging unter vergeblichen Unterhandlungen, welche keinen Schritt zum Ziele führten, so dass der Kaiser endlich bestimmt wurde, seine Kommissarien dahin zu beordern, sie sollten Carl Leopold Stadt und Schloss Schwerin abnehmen und dem Herzoge Christian Ludwig einräumen. Damit nun daraus keine Weiterungen mit dem Könige von Preußen entstehen möchten, nahm jener ein Regiment holsteinischer und ein Regiment schwarzburgischer Truppen in seinen eigenen Sold, mit denen er Schwerin einnehmen und besetzen wollte. Ein kaiserliches Patent befahl dem Kommandanten und der Garnison sowohl, wie dem Magistrate und der Bürgerschaft zu Schwerin, dass sie sich diesen Truppen des Kommissars Herzogs nicht wiedersetzen sollten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin