Geschichte der Stadt Schwerin von 1533 bis 1540

1533. Die erste wichtige Folge, welche Heinrichs V. öffentliche Anerkennung der evangelischen Lehre hatte, war die Befestigung der bisher immer noch schwankenden Stellung, welche die lutherischen Prediger einnahmen. Diese zeigte sich auch sofort in einem kühneren Auftreten derselben, namentlich des eifrigen Egidius Faber, welcher den Kampf gegen die Verehrung der s. g. Heiligtümer (Reliquien usw.) durch eine schon erwähnte Schrift: „Von dem falschen Blute und Abgott im Turm zu Schwerin“ eröffnete. Die Veranlassung zu diesem Buche gab ein gedruckter Brief, welchen ein Geistlicher des Doms in der Absicht unter das Volk verteilt hatte, um die Verehrung des heiligen Blutes wieder zu beleben. In dem Brief wurde Allen welche zu ihm wallfahren und Opfer bringen würden, wiederholt Ablass versprochen. Nach dem Vorgange Luthers, welcher Fabers Schrift mit einer Vorrede versah, mussten die hiesigen lutherischen Prediger gerade in solchen Versprechungen, welche das leichtgläubige Volk anzulocken vermögen, das größte Hindernis für ihre Wirksamkeit finden und seine Beseitigung zuerst erstreben. Faber tut dies mit überzeugendem Ernste und lutherischer Kraft in einer Schrift, welche „dem ehrenfesten, erbahren Lütcke von Quitzowen, Hauptmanne zur Neuenstadt“, dediziert ist. In Sternberg führte zu gleicher Zeit einen nicht minder kräftigen Kampf gegen das heilige Blut der dortige Reformator Faustinus Labes. Wer Fabers Schrift liest, wird sich nicht wundern, dass er durch eine klaren und kräftigen Predigten das Volk an sich zog, nicht nur die Gemeinde zu Schwerin, sondern dass auch aus Zippendorf, Görries, Krebsförden, Lankow und Ostorf die Leute herbeiströmten, um ihn zu hören. Darüber erschrak das Domkapitel in nicht geringem Maße und beschwerte sich am 20. November bei Herzog Heinrich V., dass einer der Prädikanten ein Schandbuch gegen das heilige Blut erlassen habe, in welchem er auch die Mitglieder des Kapitels „myt schme unde schandtworden“ angegriffen habe. Der Herzog antwortete aber, wenn das Domkapitel beweisen könne und wolle, dass Faber in seinem Buche etwas gesagt habe, was gegen Gottes Gebot und der heiligen Schrift Wort sei, so solle ihm das gestattet werden, und wenn es den Verfasser mit der Wahrheit und der heiligen Schrift überwinde, so würde der Herzog „Ern Egidium gepurlicher weise darumb wissen zu weysen.“

Der Prädikant Martin, der Oberländer, starb in diesem Jahre, und da die lutherische Gemeinde schon zahlreich war, so wurde dem Faber der ehemalige Franziskaner-Mönch Johannes Wagener beigeordnet, und als dieser bald darauf nach Plau versetzt wurde, 1534 Joachim Kükenbieter (oder nach damaliger Sitte mit lateinischer Übersetzung des Namens: Nossiophagus genannt) zu Fabers Hilfe aus Hamburg berufen. Letzterer wurde, da ihn mehrere Güstrower Bürger in Schwerin hatten predigen hören, auf einige Zeit nach Güstrow gesandt, wo er in der Pfarrkirche predigte und die erste dortige lutherische Gemeinde ordnete.


Wie Hederich beiläufig mitteilt, war Johannes Pauli in diesem Jahre Bürgermeister in Schwerin, – seine Ehefrau hieß Anna Lose.

1534 ließ Herzog Heinrich die erste Post, eine Reit-Post, in Mecklenburg einrichten, um eine schnelle Verbindung zwischen Magdeburg und Lübeck herzustellen. Die Post ging über Schwerin und Grabow, und scheint bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrh. die einzige landesherrliche Post geblieben zu sein.

1535. Nachdem Albrecht VII. mit seiner Familie nach Kopenhagen gegangen war, wo er sich um den durch die Vertreibung des grausamen Christians II. erledigten dänisch-norwegischen Königsthron bewarb, ließ Herzog Heinrich V. durch die lutherischen Prediger Egidius Faber zu Schwerin und Nicolaus Kutzke zu Neubrandenburg die Gemeinden des Landes visitieren. Er wollte den Zustand des Gottesdienstes kennen lernen, um durch geeignete Mittel auf die Ausbreitung der Reformation im Lande hinwirken zu können. In Schwerin versuchten sie vergebens, „mit dem Kirchherrn Kasper und seinem Mithelfer (Decan)“ eine Unterredung zu erhalten, was Faber deshalb sehr wünschte, weil diese beiden sich dem Protestantismus bisher am feindlichsten bewiesen hatten. Der Stadtschreiber zeigte Faber an, dass das Domkapitel ihn nicht als Visitator anerkennen wolle und protestierte hiergegen. Mit den „tumpfaffen, welche offemvare hurer sind“, war also nicht zu verhandeln, das Volk aber zeigte sich ihnen (den Domherren) überall feindlich.

1536 hatte Herzog Heinrich V. den Entschluss gefasst, dem Schmalkaldischen Bündnis (geschloffen am 31. Dezember 1530) beizutreten, wozu ihn hauptsächlich die Rücksicht auf den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen bewogen hatte, welcher der Sohn seiner Schwester war. Schon saß der Herzog zu Pferde, um seinen Entschluss auszuführen, wurde aber durch die inständigen Bitten seines Kanzlers Caspar von Schöneich zurückgehalten und vermied dadurch einen Schritt, welcher Mecklenburg später, als Kaiser Carl V. die schmalkaldischen Verbündeten besiegt hatte, zum größten Nachteile hätte gereichen können.

Egidius Faber, der verdienstvolle Reformator Schwerins, starb in diesen Jahre. Außer dem schon 1533 berufenen Joachim Kükenbieter finden wir nach Fabers Tode den lutherischen Prädikanten Heinrich Stampe, einen gebürtigen Schweriner, genannt, doch ist nicht sicher, in welcher Zeit derselbe berufen ist.

1538 ließ das Domkapitel zu Schwerin ein Inventar-Verzeichnis der Opfergaben in der heiligen Blutskapelle aufnehmen. In derselben fand sich, nach dem Inhalte des Verzeichnisses:

I. Auf ein seidenes Tuch geheftet:

1 große silberne Platte, worin des heiligen Blutes gewöhnliches Bild,
3 kleinere viereckige silberne Stücke,
1 weißes Herz mit 5 kleineren daran,
1 großes und ein kleines silbernes Bein,
1 kleiner silberner Arm,
3 silberne Augen,
2 kleine silberne Herzen,
2 kleine weiße Knöpfe,
1 kleines silbernes heiligen Bluts-Bild,
1 Herz mit innen vergoldeter Platte,
31 vergoldete Spangen, kleine und große.

II. Auf ein (anderes) blaues Tuch geheftet:

9 silberne Herzen,
21 silberne Stücke,
1 großes vergoldetes Herz,
4 Paar Augen,
44 vergoldete Spangen, große und kleine,
1 silberner Ring und Knopf
1 vergoldete Platte, worauf ein Kreuz.

III. Auf Marias rotem Samtmantel:

13 Jungfern-Binden,
3 Korallenschnüre, von denen eine mit einem kleinen silbernen Ringe, die andere mit silbernem Ringe und einem Jacob in Silber gefasst ist,
1 silberner, vergoldeter Span (Spange?), worauf 6 Knöpfe,
1 silberne vergoldete Krone mit 6 Lilien auf 2 Stengeln, teilweise „böslich schampfirt“,
2 Perlen-Binden.

Diese Opfergaben waren Weihgeschenke erkrankter Glieder, für welche die Gläubigen durch die Kraft des heiligen Blutes Heilung erhofften. Wahrscheinlich wurde das Inventar der Sicherheit wegen aufgenommen; denn die feindliche Stimmung des Volkes gegen die Domgeistlichkeit nahm zu und nur noch wenige Opfergaben wurden der Kapelle gebracht. Aus diesem Jahre hat Schroeder (Evang. Mekl. I. S. 369) das Testament des Probstes Heinrich Banzkow zu Schwerin, welcher zugleich Domherr zu Hamburg war, mitgeteilt als ein redendes Zeugnis für das Leben und Treiben der damaligen Geistlichkeit. Zu Haupterben seines nicht unbedeutenden Nachlasses setzt Heinrich Bantzkow mit größter Unbefangenheit eine „Kökesche Wobbeke van der Heide, gebhoren vth dem Lande tho Lüneborgh von Soltow, vor sick vnd ere Kindern, der vor itz im Lenende sin, by Nahmen Henricus Bantzkow“ (aus welchem Namen genügend zu ersehen ist, wer der Vater dieser Kinder gewesen) „Gerdrut, Anna, Helena ein.“ Nach dem er ferner einige Summen zu Vigilien, Seelenmessen und zu Memorien ausgesetzt hat, bestimmt er, dass der Turm des Domes zu Schwerin von einem Gelde gewölbt werden solle, vermacht dem Herzoge Magnus, als Administrator der Kirche zu Schwerin, 3 Engelotten, jede von 4 Mark 4 Schillingen, den „armen Mönneken esfte Religiosen (den Franziskanern)“ so dat Closter tho Schwerin blifft in erer Observantie 100 Mark zu ihrer Kost, den „Seken“ (Siechen, Kranken) 10 Mark u. A. m.

1539 wurde der Mag. Simon Leupold, geboren zu Prettin in Sachsen, herzoglicher Sekretär. Er ging später nach Rostock und blieb hier bis 1572 in seinem Dienstverhältnisse. Um die Kirche in Mecklenburg erwarb er sich die größten Verdienste.

1540. Herzog Albrecht VII. strebte noch immer zur Wiederbefestigung der katholischen Kirche beizutragen und versuchte deshalb bei eintretenden Vakanzen aus eigener Macht die Geistlichen anzustellen, worüber er mit Heinrich V. nicht selten in heftigen Streit geriet. Jene eigenmächtigen Schritte hatten aber um so geringeren Erfolg und förderten den Katholizismus um so weniger, als Magnus schon längst im Stillen der lutherischen Lehre zugeneigt war, und dies jetzt auch öffentlich bezeugte, indem er die katholische Religionsübung in Bützow aufhob. Dies geschah auf dem Wege freundlicher und friedlicher Unterhandlung mit den Domherrn und Vikaren der Kirche, welche sämtlich bis zu ihrem Tode im Besitze ihrer Einkünfte blieben, dem Gottesdienste aber entsagten. Zu gleicher Zeit ließ Herzog Heinrich V. durch einen Küchenmeister Paschen Gustävel den im fürstlichen Solde stehenden Horisten-Priester der heiligen Blutskapelle kündigen und zugleich den Befehl ergehen, dass das Singen und Lesen in der Kapelle von nun an (um Johannis d. J.) gänzlich aufhören solle. Wenn auch später noch einige wenige Wallfahrten stattgefunden haben mögen, so wird von dieser Zeit an doch die besondere Verehrung des heil. Blutes aufgehört haben; 1542 wurden die letzten Inventarien der Kapelle aufgenommen.

Doch bestanden die mit stehenden Hebungen begründeten Hauptstellen an der Kapelle noch fort. Noch am 12. Oktober 1540 präsentierte Herzog Albrecht VII. dem Kapitel zu Schwerin zur Kommende in der Kapelle des heiligen Blutes seinen Hof-Kaplan Johann Jordan, ohne hiervon dem Herzoge Magnus vorher Mitteilung zu machen.

Herzog Heinrich V. ließ dagegen durch den Mag. Simon Leupold eine plattdeutsche Übersetzung des Neuen Testamentes und eine Kirchenordnung anfertigen, welche der Buchdrucker Ludwig Dietz in Rostock druckte (1540) Die Exemplare wurden zunächst an die Kirchen verkauft (1542 besaßen 97 Kirchen solche), später an ärmere Geistliche verschenkt. Als lutherischer Prädikant wurde in diesem Jahre Tilemann Bole oder Bolert nach Schwerin berufen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin