Die Erzählung vom Geist "Pück"

Wahrhafter Bericht von einem Knecht, genannt der Pück, welcher in dem schwerinschen Franziskaner-Kloster, da, wo jetzt (um d. J. 1658) die Kanzlei und der Kornboden ist, gedient und zum Gedächtnis und augenscheinlichen Zeichen dieser Geschichte eine große kupferne Kanne den Minoriten-Brüdern hinterlassen hat, welche von den Einwohnern der Stadt bis auf den heutigen Tag noch genannt wird „der Pück“. (Geschrieben ums Jahr 1658 nach brieflichen Urkunden und den eigenhändigen Nachrichten des Dr. Simon Pauli, welcher 1559 zu Schwerin Prediger war.)

Aus den Jahrbüchern und Registern, auch von den alten Brüdern dieses Klosters hat man Nachricht, dass ehemals sich ein Guardian des Klosters zu Schwerin nach Lübeck begeben habe, um dort gewisse Geschäfte zu verrichten. Auf seiner Heimreise sei er gegen Abend von Wege ab und nach Kl. Brütz hin gekommen, wo damals ein dem Orden wohl gewogener Edelmann, Namens N. Halberstadt, gewohnt habe. Dieser hatte in einer Kammer seines Wohnhauses seit längerer Zeit „ein Teufelsgespenst“ vermerkt, welches die Bewohner des Hauses so beunruhigt, dass sie weder bei Tage noch bei Nacht ungestört haben schlafen können. Deshalb gedachte nun der Herr des Hofes bei sich: „Siehe, der Guardian und seine Begleiter wollen bei mir übernachten; sie sollen deshalb in der Kammer schlafen, wo der schändliche Geist die Leute bei Tag und Nacht beunruhigt. Ich will doch sehen, ob er auch ihnen Beschwerung zu machen sich unterfangen wird“. Nachdem er sie nun freundlich aufgenommen und gut traktieret hat, sind sie zu rechter Zeit durch einen Diener an den Ort geführt, wo sie schlafen sollen. Dort haben sie sich im Vertrauen auf Gott und nach verrichtetem Gebet zur Ruhe gelegt.


Bald aber, etwa um Mitternacht, ist der unsaubere Geist gekommen und hat die Leute zu molestieren und zu beunruhigen angefangen, indem er ihnen nämlich das Lager umgeworfen, so dass sie statt auf dem Bette sich beim Erwachen unter demselben liegend fanden. Sprach der Guardian zu dem Geiste: „Lass uns zufrieden, denn wir sind nicht unter deiner Gewalt und du hast keine Macht über uns. Versuche sonst deinen Handel, wo du willst; uns aber lass ruhen.“ Aber diese Worte vertrieben den Geist nicht; er beunruhigte sie viel mehr, ohne ihnen jedoch Böses zu tun, noch weiter. Da sprach der Guardian abermals: „Mein guter Bruder, gib doch Frieden und höre auf, beschwerlich zu sein; denn was ist dir damit gedient, wenn wir die ganze Nacht ungeschlafen zubringen und dadurch morgen untüchtig gemacht werden, unserem Schöpfer die Dienste zu tun, welche wir ihm schuldig sind?“ Darauf antwortete der böse Geist: „Dein Bruder bin ich nicht, willst du mich aber für deinen Diener mieten und bestellen, so will ich dir und deinen Brüdern ein unverdrossener und williger Knecht und du sollst mein Herr sein.“ Der Guardian entgegnete: „So lass uns in Ruhe, doch willst du mir dienen, so will ich dich mieten; was aber soll dein Lohn sein?“ Dies sagte er nämlich, um den Geist zufrieden zu stellen; letzterer aber freute sich des Versprechens und sprach zu jenem: „Du sollst mir zum Lohn für meine getreuen Dienste einen Rock von allerhand Farben geben und voller Glocken; den sollst du mir bis zu gelegener Zeit bewahren.“ Nachdem der Guardian dies versprochen, bereitete ihnen der Geist selbst das Lager, worauf sie nun ruhigen und friedlichen Schlaf genossen.

Als es Morgen geworden, sprach der Geist zum Guardian: „Ich will dein Knecht sein, denn du hast mich gemietet. Willst du nun fort oder noch verharren?“ Der Guardian antwortete: „Es ist nun Zeit zur Reise, damit ich bei meinen Brüdern zu Schwerin um Mittag anlange.“ Darauf sprach der Geist, welcher oben auf dem Hause saß: „Urlaub, ich will mit dir.“ Der Guardian entgegnete: „Wandere nur immerhin vorauf ich begehre deine Gesellschaft nicht.“

Als die Gäste nun zum Wirte kamen, erzählten sie ihm ihr Abenteuer. Letzterer entgegnete ihnen: „Ich wäre diesen boshaften Geist gern los und wollte, dass er an einen anderen Ort geschafft werden möchte; denn er beschwert und beunruhigt alle Leute, welche bei mir zum Besuche kommen.“ Als der Guardian ihm nun sagte, dass er den Geist zum Diener gemietet und ihm Lohn versprochen habe, freute sich der Hausherr sehr und dankte ihm aufs Herzlichste. Bald darauf reisten die Gäste ab und der Guardian befahl dem Geiste, welcher in Gestalt eines Affen auf einem Torflügel saß, er solle nur nach dem Kloster vorauseilen und ihm ein Mahl bereiten lassen. Der Geist erhob sich eilends, lief ins Kloster und ermahnte den Koch, das Essen schnell anzurichten, da gleich Besuch anlangen würde, worüber der Koch sehr erschrak, da er wohl eine Stimme hörte, jedoch Niemanden zu erblicken vermochte. Indessen war der Geist sehr dienstfertig; als der Guardian eben zur Stadt einfuhr, kam ihm jener schon mit zwei vollen Kannen beim Schmiedetor entgegen, welches vor Schwerin diesseits der Schweineburg liegt“, und sprach zu ihm: „Herr, geliebt euch nicht, mit mir zu trinken?“ Der Guardian ward hierüber betrübt und bereute, was er getan hatte, weil ihm des Teufels Grimm und Zorn bekannt war und er fürchtete, der Geist wolle ihm und den Brüdern des Klosters einen Schabernack spielen, den er nachher hätte verantworten müssen. Doch behielt er seine Gedanken für sich, gab ihm nur die Antwort: „Ich bin noch nüchtern, mir beliebet noch nicht zu trinken“, und setzte seinen Weg fort. Als er ins Kloster kam, lief ihm auch hier der Geist zuerst entgegen und begrüßte ihn: „Seid willkommen, mein Herr; seid allezeit willkommen!“

Nachdem nun der Guardian das Mittagsmahl eingenommen, trat der Geist zu ihm und sprach: „Sehet, Ihr habt mir einen Rock versprochen, bitte deswegen, dass Ihr denselben ohne Verzug anfertigen lasset und bis zu gelegener Zeit verwahret. Sonst werdet Ihr keinen Frieden mit mir haben. Tut aber also, und ich will Eure Arbeit verrichten; was wollt Ihr demnach, dass ich für Euch tun soll?“ Der Guardian antwortete: „So es dir gefällt, will ich, dass du die Klosterbrüder jede Nacht zur Mette weckest, jedoch darfst du ihnen nichts Böses tun.“ Der Geist sprach: „Ihr habt mir ein gutes Amt anbefohlen, welches ich mit Fleiß verrichten und keinen Schlaf nehmen will, denn ich schlafe nimmer. Was soll ich denn noch mehr tun?“ Der Guardian antwortete: „Du sollst ferner das Amt einer Wäscherin in der Küche verrichten, das Küchengerät und die Schüsseln waschen, die Töpfe säubern und Alles leisten, was sonst noch zu reinigen ist.“ „Auch dies will ich wohl ausrichten“, sprach der Geist; „wollt Ihr mir noch mehr Dienste auferlegen?“ „So will ich“, entgegnete der Guardian, „dass du allen Brüdern gut und ohne Schaden dienest.“ Auch dies gelobte der Geist und hielt sein Versprechen ebenso getreulich, wie der Guardian, welcher den ausbedungenen Rock hatte anfertigen lassen und in seiner Zelle aufbewahrte.

Nun begab es sich, dass wahrscheinlich i. J. 1531, als der große Brand zu Schwerin stattfand (s. dies Jahr), auch die Gebäude des Klosters Schaden gelitten hatten und zum Teil neu aufgebaut werden mussten. Der Guardian musste deshalb zu einem benachbarten Edelmann reisen, welcher einen sehr großen Wald besaß, um ihn zu bitten, dass er den Klosterbrüdern mit einigen Balken und anderem Bauholze behilflich sein wolle. Als dieser darein gewilligt hatte, sagte der Guardian: „Ich habe einen Knecht, der soll morgen kommen und das Holz fällen.“ Der Edelmann entgegnete: „Was soll ein einziger Kerl verrichten; beordert mehrere dazu.“ „Wir bedürfen nicht mehrerer“, antwortete der Guardian; „dieser kann allein verrichten, was nötig ist.“ Darauf hat der Geist denn in derselben Nacht so viel Holz zur Erde gefällt, dass sich der Edelmann am folgenden Morgen darüber entsetzte und zürnend zu dem Guardian sagte: „Vater, was ist das; warum habt Ihr aus eigener Gewalt mir so viel Holz niederfällen lassen?“ Der Guardian antwortete: „Herr, Ihr habt ja auf meine Bitte erlaubt, dass ich so viel Holz fällen lassen könne, wie mein Knecht in einer Nacht vermöge; dies ist nun geschehen.“ „Nicht also, Vater Guardian“, sprach der Edelmann; „ich will Euch aber einen Teil des Holzes unter der Bedingung geben, dass mir das übrige verbleibe“. Der Guardian schien hierauf einzugehen und bat nur, dass er so viel da von wegnehmen dürfe, wie sein Knecht auf einmal forttragen könne. Als nun der Edelmann dies erlaubte, siehe, da erhob der Pück alles gefällte Holz flugs in die Luft und führte es zum Entsetzen des Überlisteten davon. So treu diente er dem Kloster mehr als 30 Jahre lang.

Er wartete nämlich auf den Tod eines Domherrn zu Schwerin, welcher, wie das allgemeine Gerücht sagt, nach dieser Zeit durch einen plötzlichen Tod aus diesem Leben abfuhr. Als dies geschehen, kam der Pück eilends zum Guardian und verlangte sofort den Rock, welchen jener ihm aufbewahrt hatte. Der Guardian hätte ihn zwar gern in seinen Diensten behalten, doch tat er, wie er versprochen hatte, und gab ihm den Rock von allerlei Farben und mit Glocken behängt. Schnell zog der Pück den Rock an und hob sich mit ihm in die Luft empor, dass großes Getön und Klingen der Glocken weit und breit über dem Kloster gehört worden ist.

Zwei gleiche kupferne Kannen hatte das Kloster besessen, von denen der Geist die eine mitgenommen hat; die andere ist im Konvent geblieben, wurde noch ums Jahr 1560 den Leuten gezeigt und hieß allgemein „der Pück“.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin