Geschichte der Stadt Schwerin von 1656 bis 1660

1656. Am 15. Februar ließ Adolf Friedrich, nachdem die Domherren des Stiftes Schwerin sämtlich gestorben waren, das Stift faktisch in Besitz nehmen und sich zu Bützow von den Eingesessenen desselben huldigen. Um dieselbe Zeit sammelte Herzog Carl, Adolf Friedrichs zweiter Sohn, zu Schwerin ein Regiment Kavallerie, mit welchem er dem Könige von Schweden in seinem Kriege gegen die Polen zur Hilfe zog. Eine Compagnie dieser Truppen befehligte der Herzog Gustav Rudolf, ein jüngerer Bruder von jenem, und beide Herzoge wohnten der Einnahme Warschaus am 18–20. Juli d. J. bei. Da aber die Pest unter den schwedischen Truppen ausbrach, so kehrten sie schon am 28. Oktober nach Schwerin zurück und entließen hier ihre Truppen. Der Herzog befahl in diesem Jahre, dass der Magistrat die Brücke vor dem Mühlentore, welche 1651 mit abgebrannt und neu erbaut war, mit einem Geländer versehen solle, da kürzlich ein Soldat von derselben hinab in den Fließgraben gefallen und „elendiglich ersoffen“ sei. Der Magistrat erwiderte aber, die Brücke sei breit und in gutem Zustande; wenn der Soldat von ihr ins Wasser gefallen sei, so käme das daher, weil er betrunken gewesen, und deshalb sei es, zur Verhütung späteren Unglücks, wünschenswert, dass der Brückenwärter im Wachthause - nicht mehr Bier und Branntwein schänken dürfe, was ihm doch der Herzog erlaubt habe. – Es ist hier die Brücke gemeint, welche neben der Binnenmühle über den Fließgraben führte, die erste Brücke von der Stadt aus. In dieser Gegend lagen 3 Brücken hinter einander: die erste große Brücke mit Zugbrücke über dem Fließgraben, die mittlere Brücke, weiche früher ebenfalls aufgezogen werden konnte, führte über die Seeke, welch zwischen dem jetzigen Postgebäude und dem Schmiedetore, wo nun die Martinstraße ist, in den Fließgraben fiel, und die dritte nur kleine Brücke, neben welcher die Wache lag, führte am Ende der jetzigen Helenenstraße über einen schmalen, kurzen Arm der Seeke, der durch den Kommandantengarten (an der Ecke der Helenenstraße, die jetzigen Kortüm’schen und Schall- und Schwenk’schen Grundstücke umfassend, aber nach der Seite der Martinstraße hin, bis zum Fließgraben reichend) und durch die nordöstliche Ecke der Eselswiese floss.

Am Schloss ließ der Herzog von Zeit zu Zeit bauen, er war aber jetzt zu alt, um noch an den großen Plänen und deren Ausführung, die ihn einst beschäftigt hatten, Geschmack zu finden. In diesem Jahre wurde der steinerne Gang vor der Hofküche aufgeführt.


1657. Am 13. August erging ein herzoglicher Befehl an den Rat und die Bürgerschaft in Schwerin, dass sie den Kirchhof in einen passenden Zustand versetzen und ordentlich erhalten möchten. Er sei in seiner jetzigen Verfassung eine Schande für die Stadt; denn Kühe und anderes Vieh liefe auf ihm herum, Schweine durchwühlten die Gräber und nicht selten ereigne es sich, dass diese Tiere während des Gottesdienstes in die Kirche gelangten und ärgerliche Störungen veranlassten. Dies käme nur daher, dass die am Kirchhofe wohnenden Bürger ihre Höfe nicht ordentlich einfriedigten und ihr Vieh nicht beaufsichtigten. Sie sollten die Planke, welche den Kirchhof einfasste, ausbessern, alle auf denselben abfließenden Kloaken durchaus abschaffen und die Kirchengasse rein halten. Natürlich ist hier von dem neben der Domkirche gelegenen Kirchhofe die Rede. Dieser war, mit einem bretternen Geländer eingefasst, vom Markte, durch die Schmiedestraße und durch die Bischofsstraße, wie noch heute, zugänglich. Nordöstlich auf ihm neben der Kirche stand eine Kapelle, auf der Westseite nach dem alten Bischofshofe zu ging eine auf Felssteinen ruhende Mauer. Viele Leichen wurden in damaliger Zeit und bis zum Ende des 18. Jahrh. in der Kirche selbst beigesetzt; auf der südlichen Seite der Kirche in der Richtung der Schmiedestraße und bis zur Königsstraße hinauf, wo sich ein großes schwarzes Gitteror von Eisen befand, auf der Westseite bis an den Bischofshof war der eigentliche Begräbnisplatz. Von der Königsstraße aus durch das große Tor wurden die Leichen auf den Kirchhof getragen. Neben der Mauer und dem Bischofshofe befand sich der Platz für ländliche Verstorbene, und die Armen und Soldaten wurden neben dem Turm begraben. Es wird schon früh geklagt, dass der letztere Raum gefüllt sei und die Leichen über einander gestellt werden müssen; deshalb wurde gegen Ende des 17. Jahrh. ein neuer Armenkirchhof vor dem Tore angelegt. Dieser erhielt einen Platz dort, wo jetzt das Hoff’sche Gasthaus (zum Großherzog von Mecklenburg) und die angrenzenden Gebäude bis zu der kleinen Twiete liegen, und bildete ungefähr ein Quadrat an der Ecke des Weges nach der Bischofsmühle (Spieltor, jetzt Wismarsche Straße) und des Weges nach Neumühle (Wittenburger Straße.) Er lag dem fürstlichen Armenhause, dem jetzigen langen einstöckigen Hause Nr. 4 am Marienplatze, neben dem Gasthause „Stadt Lübeck“, gegenüber und diente zum Begräbnis der Armen und der Soldaten, später auch der Katholischen und der Dorfbewohner. Die Bewohner der Schelfe wurden wohl neben der Nikolaikirche beerdigt; im 18. Jahrhundert war hier sicher ein Kirchhof, welcher mit einer kleinen Mauer umgeben war. Sollten aber auf der Schelfe Verstorbene in der Kirche beigesetzt werden, so geschah dies wahrscheinlich immer, jedenfalls sehr häufig im Dom. (s. d. J. 1773)

Dies Jahr brachte eine sehr gesegnete Ernte, leider aber auch große Störungen des Wohlstandes durch häufige Durchmärsche der Schweden, welche mit den Polen und Dänen in Krieg verwickelt waren. Durch aus Polen herbeigeführtes Vieh wurde überdies die Seuche eingeschleppt, an welcher einige tausend Rinder in Mecklenburg starben.

1658. Am 27. Februar, Nachmittags um 3 Uhr, starb der Herzog Adolf Friedrich unter großer Teilnahme der Schweriner Bürgerschaft. Von 18 Kindern überlebten ihn sechs Töchter und fünf Söhne Christian, Carl, Johann Georg, Gustav Rudolf und Friedrich; ein sechster Sohn Adolf Friedrich, welcher i. J. 1701 der Stifter der Strelitz’schen Linie des Hauses Mecklenburg wurde, kam erst nach des Vaters Tode zur Welt. Herzog Christian folgte einem Vater in der Regierung, Carl wurde 1666 Domherr zu Straßburg, Johann Georg residierte zu Mirow im Strelitz’schen, Gustav Rudolf wurde 1666 ebenfalls Domherr zu Straßburg, wie auch der andere Bruder Friedrich 1667. Die 4 älteren Brüder starben kinderlos; Herzog Friedrichs Nachkommen setzten die Regierung fort.

Herzog Christian ließ sich noch am Todestage seines Vaters durch den Handschlag von der Stadt Schwerin huldigen, und darauf am 5. März. Abends bei Fackellicht die herzogliche Leiche im Dome hinter dem Altare im Sande beisetzen. (1692 ließ Herzog Friedrich Wilhelm Adolf Friedrichs Leiche, wie es dessen Wunsch gewesen war, in die Fürstengruft nach Doberan bringen)

1659 wurde Mecklenburg von vielfachen Durchzügen der kriegführenden Truppen heimgesucht und namentlich von den rohen polnischen Völkern aufs Ärgste verwüstet.

1660. Am 7. Januar um 10 Uhr Morgens erblickte man 3 Sonnen und 2 halbe Regenbogen gleichzeitig am Himmel. Die ganze Bürgerschaft Schwerins war im Schreck über dies Phänomen auf dem Schlossplatz zusammengelaufen und aus manchem Munde hörte man den Stoßseufzer: „Gott sei uns gnädig und barmherzig.“ Aber die Schweden und Polen wirtschafteten auch im Laude noch immer in einer solchen Weise, dass sich Himmel und Erde darüber entsetzen mochten, wie der ältere Aufzeichner dieser Nachricht hinzufügt.

In diesem Jahre kaufte Herzog Christian von der Stadt den größten Teil des Bürgerackers, welchen die Stadt seit der Übergabe des Feldes an den Herzog Johann auf dem Ostorfer Felde bis an den faulen See noch besaß, jedoch so dass die städtische Weide, welche auf der dem See zunächst gelegenen Wiesenniederung gehalten wurde, der Stadt verblieb. Der Acker selbst wurde von den fürstlichen Beamten für die herzogliche Scheune bestellt; wegen der städtischen Weide am See entwickelten sich aber bald längere Streitigkeiten (s. d. J. 1662)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin