Geschichte der Stadt Schwerin von 1723 bis 1730

1723 – 1727. Die Ordnung der Landesverhältnisse zog sich sehr in die Länge, da die Ritterschaft mit den Städten in immer größere Konflikte geriet, und sowohl die Kommission von Rostock, wie der Herzog von Danzig aus regierten. Was der Eine befahl, verbot der Andere. Das Volk, die Städte und die niederen Landbewohner, standen durchaus auf Seite des Fürsten und wurden dafür von der Kommission desto ärger mitgenommen. So löste sich allgemach die Ordnung im Lande, welche man befestigen wollte, erst recht auf und dass Carl Leopold von Danzig aus zuweilen nach Dömitz kam, wo er noch immer eine Besatzung hatte, verwirrte die allgemeinen Verhältnisse noch mehr. 1723 sandte ihm die Stadt Schwerin durch den Magistrat ein don gratuit von 1.800 Mk. nach Dömitz und 1726 ebenso 1.200 Mk. Klüver schildert den Zustand Mecklenburgs während dieser Zeit als aller Ordnung bar. Da man aber einsah, dass man nicht zum Ziele kommen und der Herzog sich niemals der kaiserlichen Kommission unterwerfen werde, so ging man einen Schritt weiter. Es wurde

1728. Mai 11. Carl Leopold gänzlich von der Regierung suspendiert, die bisherige Kommission aufgehoben und seinem jüngeren Bruder Christian Ludwig, welcher seit dem 28. März 1708 zu Grabow residiert hatte, als kaiserlichen Commissarius die Administration des Landes übertragen. Den Schutz dieser Maßregel übertrug der Kaiser dem Könige von Preußen, als Herzoge von Magdeburg. Noch kurz vor diesem Akte hatte Carl Leopold die Verfügung an die Bürger der Altstadt und der Schelfe erlassen, dass sie ihre Kinder nicht mehr in die Neben- und Winkelschulen enden sollten, deren in der letzten Zeit viele ohne Konzession entstanden seien; die Kinder sollten in jüngeren Alter nur die konzessionierten Nebenschulen, später aber die Domschule besuchen. Zugleich forderte er den Magistrat auf, ein Verzeichnis aller Nebenschulen einzureichen, welchem Befehle dieser auch nachkam. Es bestanden damals folgende konzessionierte Nebenschulen in Schwerin:
1) des Johann Diederich von Harthoff, 2) des Nicolaus Sabel, 3) des Schneiders Benjamin Erkmeyer, 4) des Schneiders Adam Würffel, 5) des Johann Nicolaus Hane, 6) des Hans Jacob Schlottmann, 7) des Friedrich Magnus Bolte, 8) des Gürtlers Johann Hermann Ringeling, 9) des Johannes Franciscus Zenterestri vor dem Tore, 10) des Tobias Ihde, eines Gebrechlichen auf Krücken, 11) des Paul Nagel, eines alten Kümmerlichen, 12) des Pierstorf, ehemals Cornet bei den mecklenburgischen Truppen, welcher auch Privatunterricht im Rechnen und Schreiben erteilte. Die meisten dieser Lehrer hatten ihre Erlaubnis allein von Superintendenten Schumann erhalten, der für seine Eigenmächtigkeit einen Verweis bekam.


1730. Mit der Absetzung Carl Leopolds war Niemand zu frieden, weder das Land, noch die bisherigen Kommissarien, und es machte sich zu seinen Gunsten auch unter den deutschen Fürsten eine Reaktion geltend, die er freilich nicht rechtzeitig zu benutzen verstand. Das Jahr 1729 ließ er untätig verstreichen; erst am 5. Juni 1730 brach er von Danzig auf, nahm seinen Weg über das Fischland und begab sich mit geringem Gefolge nach Schwerin. Gleich nach seiner Ankunft ließ er die Tore der Stadt sperren, die Wachen verdoppeln, die Zugbrücken zum Schloss aufziehen und bemächtigte sich der Regierung. Am folgenden Sonntage wurde in den Kirchen ein Dankgebet für eine glückliche Rückkehr abgelesen. Von den Domanialpächtern ließ er sodann Pferde nach Schwerin senden und machte schnell eine Schwadron Dragoner beritten, durch welche er die hannöverschen Vorposten in den benachbarten Dörfern aufheben ließ. Durch seine eigenen Truppen ließ er alsdann eine Vorpostenkette um die Stadt legen, welche besonders nach Crivitz hin weit vorgeschoben wurde, um hier für alle Fälle eine Straße offen zu halten. Hier fand auch das erste Gefecht unweit Banzkow am 21. Juni zwischen den herzoglichen Truppen unter dem Kapitän de Lisle und den Hannoveranern unter dem Major von Sommerlade statt, an dem sich 3 – 400 Bauern der Umgegend, mit Sensen und Mistgabeln bewaffnet, und die ganze Crivitzer Bürgerschaft beteiligten. Letztere flohen aber beim ersten Bajonettangriff; die Mecklenburger wurden mit ihrem Anführer gefangen und alle Vorposten, zuweilen unter dem Widerstande der Bauern, die sich bewaffnet hatten, nach Schwerin zurückgedrängt, welche Stadt man darauf mit 15 Compagnien eng umschloss, jedoch ohne dass der Herzog weiter beleidigt wurde. Er ließ am 25. Juni ein zweitägiges Jubelfest der Übergabe des augsburgischen Glaubensbekenntnisses abhalten, und regierte in Schwerin einstweilen ungestört weiter. Am 15. Juli sandte die Ritterschaft und der Engere Ausschuss von Rostock aus dem Herzoge ein Gratulationsschreiben wegen seiner Rückkehr, welches dieser aber durch seine Räte ungnädig beantworten ließ.

Inzwischen wurde in Schwerin eifrig gerüstet. Es wurden Soldaten armiert, die Wälle befestigt und mit grobem Geschütze bepflanzt, während die Exekutionstruppen die Stadt enger umschlossen und herzogliche Diener gar nicht passieren ließen. Die Umgegend wurde von ihnen ausgesogen und viele Bauern misshandelt, andere nebst städtischen Bürgern, welche den Exekutionstruppen in die Hände fielen, wurden nach Rostock ins Gefängnis gebracht, wo auch die Bürgermeister aus Gadebusch, Crivitz, Sternberg, Grabow und Bützow eingesperrt waren, weil sie ihre Bürger zu des Herzogs Gunsten beredet hatten. Erst als der Winter heranrückte, wurde der um Schwerin gezogene Cordon erweitert, indem man die nächsten Städte besetzte und nur ein Kommando Dragoner auf den nahen Dörfern liegen ließ.

Der katholische Gottesdienst, welchen der Herzog Christian Louis I. in der Schlosskirche eingeführt hatte, war 6 Wochen nach dessen Tode wieder aufgehoben, doch hatte Friedrich Wilhelm einzelnen vornehmen Personen, dem Grafen von Horn und der Frau von Bibow, erlaubt, bis zu ihrem Tode katholischen Privatgottesdienst halten zu dürfen. Als die Frau von Bibow starb, gestattete Carl Leopold stillschweigend, dass der Jesuiten-Missionar Gerhard Dümont jenen Gottesdienst fortsetzte. Es war nun (1730) der Jesuitenpater Carl Burchardins nach Schwerin gekommen und kaufte für einen Orden den bibow’schen Hof in der Schlossstraße vom Herzoge, wo er eine Kapelle mit Kanzel, Orgel und Glocke einrichten ließ und öffentlichen Gottesdienst zu halten begann. Carl Leopold erlaubte dies nicht geradezu, tat aber auch nichts dagegen, ja er duldete, dass man in der neuen Kapelle Prozessionen hielt und nicht nur neue Wohnungen für die Priester, sondern auch ein Seminar für Missionszöglinge einrichtete. Erst auf Beschwerden der protestantischen Geistlichkeit wurde i. J. 1738 das Einläuten des katholischen Gottesdienstes untersagt und eine Vergrößerung der Bauanlagen verboten. Im Übrigen blieb es bei der bisherigen Duldung und fanden von dieser Zeit an, besonders unter der niederen Volksklasse, zahlreiche Übertritte zum Katholizismus statt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin