Geschichte der Stadt Schwerin von 1806 bis 1808

1806 geriet nun auch das bis dahin neutrale Mecklenburg mit in den französischen Krieg. Zuerst hatten die russischen Truppen im März auf dem Rückzuge aus Hannover wieder ihren Weg durch das Land genommen. Später nach der unglücklichen Schlacht bei Jena (14. Oktober) drangen zerstreute preußische Truppencorps über Dömitz und Boizenburg seit dem 26. Oktober in Mecklenburg ein, um das Brandenburgische zu gewinnen. Am 30. Oktober warf sich auch Blücher mit seinem Armeecorps bei Wredenhagen, Röbel und Waren ins Mecklenburgische; andere kamen unter dem General von Winnig und dem Herzoge von Braunschweig-Öls über Plau. Sachsen-Weimarsche Husaren waren über Havelberg eingedrungen und am 2. November in Schwerin angelangt. Das Blüchersche Corps, welches am 1. November ein nachteiliges Gefecht bei Nossentin bestanden, wurde vom ersten französischen Armeecorps unter Marschall Bernadotte, Prinzen von Poute-Corvo, nahe verfolgt, und diesem auf dem Fuße rückten der Großherzog von Berg (Mürat) mit seiner Kavallerie und Marschall Soult mit dem vierten Armeecorps nach. Blücher nahm seinen Weg auf Schwerin, wo er sich zwischen der Stoer und der Sude am 3. November festsetzte, sein Hauptquartier in Ostorf nehmend. Am selben Tage bestand er abermals ein nachteiliges Gefecht gegen Bernadotte an der Fähre und musste sich am 4. November auf Lübeck zurückziehen. Bernadotte weilte an diesem Tage in Schwerin, wo auch Mürat am folgenden Tage einzog. Sie verfolgten darauf das Blüchersche Corps, welches am 6. November in Lübeck kapitulieren musste. Am 11. November war Mürat schon wieder in Schwerin, am 12. langte auch Soult an.

Mürat erließ zwar gleich einen Armeebefehl zum Schutze der Schweriner und des Landes überhaupt, doch schon am 27. November wurde eine Note Napoleons veröffentlicht, worin er erklärte, dass Mecklenburg wegen der Hilfe, welche es den Feinden Frankreichs geleistet habe, als ein feindliches Land betrachtet werden solle. Am 28. nahm denn sofort der Divisions-General im Auftrage des Reichsmarschalls Mortier das Land für Napoleon in Besitz und löste das mecklenburgische Militär auf, und schon am 29. begab sich der Herzog Friedrich Franz von Schwerin nach Berlin. Vom 4. bis 7. Dezember weilte Mortier selbst in Schwerin und installierte den Intendanten Bremont über Mecklenburg, welcher sogleich allen Verkehr mit England und die Beschlagnahme aller daher kommenden Waren verordnete. Er nahm seinen Sitz auf dem herzoglichen Schloss. Am 13. Dezember langte der zum Gouverneur von Mecklenburg bestimmte Brigade-General Laval in Schwerin an; am 16. wurden von Laval und Bremont alle herzoglichen Behörden und der Magistrat, am 19. die Forstbeamten für den Dienst des französischen Kaisers beeidigt; am 19. wurden alle mecklenburgischen Wappen und herzoglichen Namen von den öffentlichen Gebäuden abgenommen und die französischen Adler angeschlagen.


Es fanden im Laufe dieses Monats zahlreiche Truppendurchzüge durch Schwerin statt, deren besondere Aufzählung unwichtig ist.

1807. Am 1. Januar wurde in Schwerin ein Werbe-Depot für holländisch-französische Dienste angelegt. Am 8. Januar begab sich die herzogliche Familie nach Altona, mit Ausnahme jedoch der hochbejahrten Herzogin-Mutter Charlotte Sophie von Sachsen-Coburg Saalfeld, welche auf dem Schloss blieb. In Schwerin wurde ein französisches Waffen-Depot und ein Magazin angelegt. In ersteres sollten nach einem Befehle vom 19. Februar alle vorhandenen französischen und preußischen Waffen, in letzteres nach einem Befehle vom 28. Febr. alle deklarierten englischen Waren oder das aus ihnen gelöste Geld eingeliefert werden.

Übrigens benahmen sich die Franzosen ziemlich gut und ruhig in Schwerin. Mit Ausnahme der großen Einquartierungslast, da oft 12–20 Mann in einem Hause lagen, und der zahlreichen Truppendurchzüge, welche, obwohl meistens in kleinen Corps, jene Last noch vermehrten, hatte die Stadt von ihnen nicht zu leiden. Unter die Armen wurden sogar, um jeder Ruhestörung vorzubeugen, auf französischen Betrieb, jedoch auf städtische Kosten, häufige Brot- und Fleischverteilungen vorgenommen.

Mitte Mai bezog der Intendant Bremont ein Privathaus, um auf dem Schloss dem Reichsmarschall Brune Platz zu machen, welcher sich als Commandant en chef des Observations-Corps in den Hansestädten, Hannover, Magdeburg und Mecklenburg zu mehreren Malen in Schwerin aufhielt. Seine Ankunft wurde jedesmal mit Kanonendonner gefeiert.

Im Juni wurde die Zahl der französischen Truppen bedeutend verringert, so dass ein Teil der Wachen von der Bürgerschaft bezogen werden musste. Am 11. Juni wurden wegen der Kapitulation von Danzig zweimal die Kanonen gelöst, zuerst um 7 Uhr Morgens vor der Schlosswache und sodann um 6 Uhr Abends auf dem Schelfmarkte. Am 18. Juni wurde ein kaiserliches Dekret vom 11. Mai veröffentlicht, durch welches allen Aufsehern der Zölle und Steuern, welche der Konfiskation unterliegende Waren entdecken und in das kaiserliche Magazin zu Schwerin abliefern würden, der fünfte Teil ihres Wertes als Belohnung verheißen wurde.

Am 5. Juli publizierte der General-Gouverneur Laval ein kaiserliches Dekret vom 27. Juni, dahin lautend, dass der Herzog Friedrich Franz, wie im Friedensschluss zu Tilsit bestimmt worden war, wieder in den Besitz seines Landes gesetzt werden solle. Es war ein Freudentag für die Stadt; dreimal wurden die Kanonen gelöst und auf den Markte wurde ein feierliches te Deum geblasen. Am 7. legte der Intendant Bremont seine Funktionen nieder. Am 8. traf der Erbprinz Friedrich Ludwig bei der Herzogin Mutter auf dem Schloss ein, gerade als man damit beschäftigt war, die kaiserlichen Adler von ihm zu entfernen. Am 11. Juli hielt der Herzog selbst einen feierlichen Einzug in die Residenz, am 29. folgte ihm eine gleichfalls von den Bürgern aufs Freudigste eingeholte Gemahlin, die Herzogin Luise, Prinzessin von Sachsen-Gotha-Roda († 1. Januar 1808 zu Ludwigslust) Am 30. Juli feierte die Stadt das freudige Ereignis der Rückkehr durch eine öffentliche Speisung von 300 Armen, welche zum Teil auf dem altstädtischen Markte stattfand, zum anderen Teil unter den Linden neben der Schelfkirche. Abends war die ganze Stadt festlich erleuchtet. Die Schüler der Domschule, welche sich bei der Einholung des Herzogs beteiligt, hatten bei dieser Gelegenheit Kokarden an ihren Hüten getragen, und wurde durch landesherrliche Verordnung vom 4. August an das Scholarchat den Schülern der 3 ersten Klassen auf ihre Bitten erlaubt, dass sie in Zukunft stets solche Kokarden sollten tragen dürfen, eine Erlaubnis, welche die bekanntlich noch besitzen.

Während dieses und der nächsten Monate waren sehr oft französische Truppen durch Schwerin gezogen. Die Garnison hatte sich auch an der feierlichen Einholung des Herzogs und der Herzogin beteiligt; sie bestand damals zum Teile aus Spaniern. Am 8. Oktober zog ein Train französischer Munitionswagen in Schwerin ein, welcher auf dem Alten Garten Halt machte. Der eine dieser Wagen fing hier Feuer und explodierte, wobei die Granaten nach allen Seiten umherflogen, aber weiter keinen Schaden anrichteten, als dass einige von ihnen in die teilweise an der Stelle des jetzigen Regierungsgebäudes stehende Hausvogtei und die benachbarte Bahnschmiede schlugen.

Am 1. Dezember reiste der General-Gouverneur Laval ab und nun wurden im Laufe dieses Monats auch die französischen Truppen aus Schwerin gezogen. Sie räumten das ganze Land, nur in den Seestädten blieben schwache Garnisonen zur Aufsicht darüber, dass keine englischen Waren eingeschmuggelt würden.

1808. Am 22. März trat Mecklenburg-Schwerin dem von Napoleon gestifteten Rheinbund bei, und nun kamen die Verhältnisse allmählich wieder in die gewohnte Ordnung. Am 4. Mai musste der Herzog schon wieder das vielfache Schießen in den Straßen und Gärten verbieten lassen. Am 4. Juni wurden auch aus den Seestädten die französischen Truppen entfernt und die Wachen wieder von Mecklenburgern bezogen.

Am 21. Dezember wurde die Beitragspflicht der Einwohner Schwerins zur Straßenbeleuchtung reguliert, und dieselbe auch auf alle bisher von ihr befreiten Mietbewohner, welche mehr als 25 Gld. Miete bezahlten, ausgedehnt. In Folge des unterdrückten Handels und der Kontinentalsperre war übrigens die Teuerung aller Lebensmittel noch immer sehr hoch. Ein Scheffel Weizen kostete in Schwerin 2 Gld. 32 ßl. bis 3 Gld. Auch eine andere Plage hatten die Franzosen zurückgelassen, welche noch lange das Land und vorzugsweise die größeren Städte heimsuchte. Es bestand diese in einer Unmasse von Bettlern und arbeitslosem Gesindel aller Art, welches durch Diebstahl und räuberische Anfälle die Straßen überall unsicher machte. Zahlreiche scharfe Verordnungen, welche gegen die Bettelei erlassen wurden, zeugen hierfür, waren aber lange vergeblich. Noch in den 30ger Jahren ist jene eine stehende Klage der Bewohner Schwerins. Die i. J. 1801 errichteten Distrikts Husaren, die nur aus 12 Mann bestanden, waren dem Unwesen nicht gewachsen. Etwas besser wurde es freilich als am 28. September das im Ganzen 60 Mann starke Korps berittener Gensdarmen in Ludwigslust gebildet wurde, von denen die einzelnen Distrikte je eine gewisse Anzahl erhielten, Schwerin 6 Mann. Eine nachhaltige Beschränkung wurde jenem Unfug aber erst i. J. 1832, als nach der Vereinigung der Alt- und Neustadt das Polizeiamt in die Hände eines Polizeiherrn gelegt und ihm zu kräftigerer Handhabung zugleich eine größere ausübende Macht verliehen wurde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin