1651 d. 16. Juli, ein Schreckenstag für die Stadt

Die Entstehung dieses Feuers wird folgendermaßen erzählt: Der Bürgermeister Ulrich Fabricius soll an diesem Tage – es war ein Freitag – hinter dem Rathause Flachs zum Trocknen in die Sonne haben legen lassen. Ganz in der Nähe des Ortes, an welchen der Flachs getrocknet wurde, wohnte aber ein Schmied, in dessen Werkstätte man während des Morgens fleißig gearbeitet hatte. Vielleicht ist ein Funken aus dem Feuer der Schmiede in den Flachs gekommen und hat denselben entzündet; vielleicht hat eine ruchlose Hand, während die Arbeiter ihre Mittagsruhe gehalten, die Schmiede mit dem Flachse angesteckt, genug, bald nach 1 Uhr Nachmittags, als die Leute wieder zur Arbeit gehen wollten, steht die Schmiede nebst dem bei ihr aufgehäuften Flachse in vollen Flammen. Da nun ein starker Nordwind wehte, hatte das Feuer schnell die der Schmiede benachbarten Häuser entzündet, und weil die meisten von diesen mit Stroh oder Rohr gedeckt waren, so gaben sie der Ausbreitung des Brandes reiche Nahrung. Der Wind, welcher fortwährend an Stärke zunahm, trieb angebrannte Strohwische bis in die Burg- und die zwischenliegenden Straßen, warf sie hier auf die Dächer der Häuser und entzündete auch diese schnell. So standen kurze Zeit nach, dem Ausbruche des Feuers die Burg-, Schuster, Königstraße und die Häuser am Markte in Flammen. Zugleich drehte sich der Wind nach Nordosten und warf glühende Funken ins Rathaus, wo man auf dem obersten Boden einen Haufen Flachs gelagert hatte, der alsbald in Brand geriet. Dies Alles geschah in solcher Schnelligkeit, dass an ein Löschen nicht zu denken war; selbst die Uhr, welche im Rathausturm hing, eine Freude der Bürger, weil man ihren Schlag über die ganze Stadt hören konnte, vermochte man nicht zu retten, sondern musste sie schmelzen lassen. Der Turm war mit Holzspänen (Schindeln) gedeckt, welche der Wind ergriff und auf die benachbarten Häuser warf. – Die ganze Burgstraße, in welcher 36 Häuser standen, brannte, mit Ausnahme des fürstlichen Hauses an der Ecke (altes Kommandantenhaus) nieder, ebenso die ganze Königsstraße mit 22 Häusern, die ganze Schusterstraße mit 17 Häusern, die ganze Salzstraße mit 11 Häusern, die 15 Häuser, welche rings um den Markt standen, die Häuser hinter dem Rathause, die ganze Schmiedestraße mit 17 Häusern, die ganze Faule Grube, in welcher das Armenhaus (zum heil. Geist) stand, die Hunnenstraße (Ritterstraße jetzt?) an ihrer einen Seite. Alles dies brannte in einer Zeit von 7 Stunden nieder. Mit Mühe rettete man die fürstliche Kanzlei, das Kornhaus, den Bischofshof, auf welchem der Marschall Otto Wackerbart wohnte, das Schmiedetor und die Moore (die Neustadt) Das Mühlentor und die Mühle brannten ab; die Schelfe blieb verschont, ebenso auch einige Häuser vor der Schelfe, zwischen dieser und dem Rathause, welche nahe beim Ursprunge des Feuers lagen. Die Kirche wurde um 1 Uhr Nachts von herumfliegenden Funken über dem Kapitelhause entzündet und brannte schon lichterloh, wurde jedoch durch vereinte Anstrengungen wackerer Bürger gerettet. Der Schelfvogt und Kirchenökonom Lucas Hansen und einige andere Bürger hielten die Mauern der Kirche 8 Tage lang mit Wasser befeuchtet, weil die umliegenden Gebäude noch lange unter der Asche glimmten. Auch vor dem Mühlentore brannten mehrere Gebäude nieder. An ein Löschen war sonst bei dem schnellen Umsichgreifen des Feuers um so weniger zu denken, als die Brunnen, welche damals noch nach der alten Weise mit Soodsäulen und Schwangruthen erbaut waren, von Außen gleich mit Feuer gefangen hatten und unbrauchbar geworden waren. Dann war auch die Hitze so arg, dass man z. B. nicht vermochte, mit Kähnen an die Gärten hinter der Burgstraße zu gelangen, um von hieraus aus den brennenden Häusern etwas zu bergen. Die Scheunen in den Vorstädten gelang es dadurch zu retten, dass man sie mit nassen Laken behing.

Von den älteren Stadtteilen blieben die Badstüberstraße (Baderstr.), die eine Seite der Hunnenstraße, der Tappenhagen, die „Riege“ (Reihe?) hinter dem Rathause, und die obengenannten verschont. Ein Glück war es, dass bei diesem großen Brande nicht ein einziges Menschenleben verloren ging.


Der Herzog befand sich damals gerade in Dömitz, kam aber auf die erste Nachricht eilends nach Schwerin zurück und tat für die Notleidenden, was er vermochte. Er teilte sofort von seinen Vorräten unter die Bürger aus, verschaffte ihnen Unterkunft in den fürstlichen Häusern, wobei auch die Bewohner der Schelfe sich sehr freundlich bewiesen, und empfand das Unglück der Stadt sehr tief. Auch verordnete er noch in diesem Jahre, dass alle Bürger, welche in der Stadt wüste Plätze neu bebauen würden, auf 6 Jahre frei sein sollten von allen Lasten, nämlich von der Service, von der Wache, vom Eisen im Winter und von dem Kopfgeld.

Adolf Friederichs Charakter muss – beiläufig erwähnt – überhaupt ganz anders aufgefasst werden, als in neuern Geschichtswerken geschehen ist. Er hatte bei äußerst strengem und festem Sinne, der an sich nicht tadelnswert ist, ein sehr warmes Herz für seine Untertanen und namentlich für alle Hilfsbedürftigen, und einen regen Eifer zur Beförderung alles Gemeinnützigen. Den abgebrannten Bürgern erließ er sofort für mehrere Jahre alle ihre Abgaben. Das Unglück Schwerins fand aber auch in den übrigen Städten Mecklenburgs tätige Hilfe. Rostock sandte zum Wiederaufbau des Rathauses 410 Thlr, die Universität 74 Thlr, Wismar 133 Thlr. Landesherrlicher Seits erhielt die Stadt zu gleichen Zwecke 1.200 Thlr. Brandgelder. Außerdem erhielten die Abgebrannten Unterstützung; es wurde für sie kollektiert. Die Städte Wismar, Rostock, Parchim und Güstrow sandten milde Beiträge an Brot und Bier, besonders Wismar half sehr reichlich. Auch fernere Städte sandten Beihilfe, so u. A. Lübeck, Hamburg, Braunschweig, Hildesheim, Lüneburg und Hannover.

Das Rathaus ist nun bei dieser Gelegenheit abermals bis auf den Grund niedergebrannt; von den Akten, welche parterre in „langen Gewölbe“ lagen, sind nur sehr wenige, vom Rauch geschwärzte Fragmente gerettet. Die Not der Stadt stieg übrigens nach diesem Unglück auf das Höchste, die Stadtkasse hatte fast gar keine Einnahme und geriet in drückende Schulden.

Die obige Schilderung des großen Brandes haben wir größtenteils der Gedächtnisrede entnommen, welche i. d. J. der Superintendent Heinrich Bilderbeck*) im Dome hielt.

*) Bilderbecks Brustbild hängt im Dome an dem der Kanzel zunächst nach der Ostseite hin stehenden Pfeiler. Er starb am 29. September 1691.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin