Geschichte der Stadt Schwerin von 1844 bis 1845

1844. Januar 3. entschied sich hier [in Berlin] für den Demmlerschen und beauftragte nun definitiv den Hofbaurat Demmler mit dessen Ausführung, bestimmte nun auch zugleich, dass die Fassaden des Neubaus im Renaissance-Stil gehalten werden sollten. Um diesen nun an den berühmten Bauwerken des Königs Franz I. von Frankreich näher zu betrachten, reiste am 17. Mai Demmler, begleitet vom Baukondukteur Willebrand d. Ä., nach Frankreich, besichtigte die Schlösser zu Chambord, Blois, Fontainebleau, Orleans u. a. und kehrte über England, dessen Bauwerke er gleichfalls besuchte, am 31. Juli heim. Nun hatten auch seit dem Januar d. J. die eigentlichen Bauten auf der Burginsel mit den Arbeiten zur neuen stadtwärts gelegenen Schlossbrücke und zu den am Burgsee gelegenen Quai begonnen.

Die Brücke, 150 Fuß lang und 54 Fuß breit, ruht auf einem starken Pfahlroste und einem Unterbau von Werksteinen, der 5 in gebrannten Steinen ausgeführte Bögen von 26 Fuß Spannweite trägt. Die Pfähle, 45–55 Fuß lang, wurden 4 Fuß unter dem Wasserspiegel mittelst einer Kreissäge abgeschnitten; die Bogenpfeiler sind in Senkkasten aufgemauert. Der Quai, welcher sich gegen 700 Fuß lang von der Vorder- zur Hinterbrücke hinzieht, besteht im Unterbau ebenfalls aus Werksteinen, in der oberen Einfassung sollte er aus gebrannten roten und weißen Backsteinen bestehen, ist aber später mit Zement abgeputzt worden. Neben diesen Arbeiten wurde der Abbruch der Nebengebäude des Schlosses fortgesetzt. Seit dem September war man mit der Überwölbung der Schlossbrücke beschäftigt.


Am 11. Februar gründete sich ein Domturmbau-Verein in Schwerin (s. d. J. 1845, 1849.)

Im März d. J. bildete sich auch für die Heidenmission ein Verein in Schwerin, dem sich bald zahlreiche Mitglieder anschlossen. Am 27. hielt er eine vorbereitende Sitzung im Betsaale des Fridericianums, welche dem nur auf freiwilliger Teilnahme beruhenden Vereine seine feste Gründung gab. Dieser Verein hat sich später noch durch mehrere Zweigvereine in Mecklenburg befestigt; als die leitende Zentral-Komitee ist die Geistlichkeit in Schwerin zu betrachten, welcher eine Anzahl von Geistlichen im ganzen Lande zur Seite steht.

Am 18. Juni wurde für die Schüler des Gymnasiums der am Saume des Haselholzes, links von der nach Ludwigslust führenden Chaussee, gelegene Turnplatz, welchen sie durch die Munifizenz der Regierung erhalten hatten, eröffnet und eingeweiht.

Am 24. Juli kehrte der Großherzog von einer Reise durch Süddeutschland und Italien nach den Orient, welche er am 2. Januar angetreten hatte, nach Schwerin zurück. Die Stadt hatte sich mit Flaggen und Laubschmuck festlich geputzt, die Gewerke und die Schützenzunft hatten sich aufgestellt, durch deren Reihe der Großherzog eine feierliche Auffahrt hielt. Vor dem Stadthause war ein Ehrenbogen errichtet, neben welchem sich die städtischen Behörden versammelt hatten. Gegen 10 Uhr Abends brachten die Einwohner einen Fackelzug, die Liedertafel auf dem Schlosshofe eine Nachtmusik, an welche sich ein prächtiges Feuerwerk schloss, das die Stadt auf der Wadewiese abbrennen ließ, während illuminierte Gondeln mit Musik und Sängerchören den See auf- und niederfuhren.

I. d. J. wurde auch das Arsenal in der Paulsstadt vollendet (s. d. J. 1840) Am 15. September bezog das leichte Infanterie-Bataillon dort zum ersten Male die Wache, welche es bisher dem Palais gegenüber auf der Neustadt gehabt hatte.

1845. Mit den Bauten am großherzoglichen Schloss wurde i. d. J. eifrig fortgefahren, nachdem der Großherzog die seit seiner Rückkehr aus Frankreich von Demmler neu entworfenen Risse genehmigt hatte; es wurden diejenigen älteren Gebäude an der Seeseite abgebrochen, welche ganz im Neubau hergestellt werden sollten. Am 13. April übergab man die nun vollendete Schlossbrücke der Passage. Am 15. Mai verlegte der Großherzog seine Wohnung aus den Zimmern über der Schlosskirche in das Palais auf der Neustadt; nun wurde auch die Wache vom Schloss verlegt und erhielt ein Lokal in der Schlossstraße, dem alten Posthause gegenüber (im alten Kommandantenhause). Am 21. Mai wurde ein Baubüreau in der bisherigen Kastellanswohnung errichtet. Am 27. Mai wurde die Wetterfahne über dem Uhrturm abgenommen; die in der Kugel in bleierner Kapsel aufbewahrten Gegenstände wurden am 9. September 1847 mit in den Knopf des Hauptturmes gelegt. Am 6. Oktober wurde der Grund zum Hauptturm des neuen Schlosses gelegt, und hiermit begannen nun die Neubauten; der Abbruch war, nachdem 450 – 460 Arbeiter 33 Wochen lang an ihm beschäftigt gewesen waren (er betrug 1 1/2 Millionen Mauersteine) in der Hauptsache beendigt. Die Fundamentierung des Hauptturmes begann, nachdem das erste Gewölbe, welches die beiden unterirdischen Säle vor den Turmterrassen verbindet, am 4. Oktober geschlossen worden. Seit dem 28. Mai d. J. war in einen vor dem Schlossbauplatze errichteten Häuschen das Modell des neuen Schlosses gegen ein Entree von 4 Thaler N 2/3 zur Ansicht ausgestellt. Der Ertrag welcher aus den Eintrittsgeldern während der ganzen Dauer des Baues aufkam, sollte demnächst mit zum Bau eines Domkirchenturms verwandt werden. Hierdurch entstand die Domturmbaukasse, deren Berechnung im Januar 1846 dem Geh. Kanzleirate Faull übertragen wurde und welche sich später durch freiwillige Beiträge vermehrte. Bei Gelegenheit der Räumung des Schlosses waren auch die großherzoglichen Kunstsammlungen aus demselben entfernt und in einem Hause der Alexandrinenstraße (Nr. 15) untergebracht, wo sie von nun an täglich, mit Ausnahme des Dienstags und Sonnabends, während der Mittagsstunden dem Publikum zum Besuche geöffnet wurden. Das Einrammen der ersten Pfähle zur Terrasse des Hauptturmes geschah am 14. zum Turm selbst am 28. Juli. Um diese Zeit wurden die Mauern des zu schwach fundamentierten Küchengebäudes unterfangen (15 Fuß tief), und sind die inneren Hofmauern dieses Gebäudes, da wo der Neubau sich ihm anschließt, mit den neu davor aufgeführten Arkadenmauern zusammen auf ein 17 Fuß breites und 5 Fuß unter den jetzigen Küchenfußboden hinabgehendes Bankett gegründet. Der Mörtel der alten Mauern, welche abgebrochen werden sollten, hielt so fest, dass man sie mit Pulver sprengte, wobei 3 Pfund Pulver, welche man in die Mauerecken versenkte, ungefähr 12.000 Pfund Gestein mit solcher Gewalt lösten, dass Stücke in die Seen geschleudert wurden.

Seit der Beisetzung des Großherzogs Paul Friedrich in der heiligen Blutskapelle des Domes war in Allerhöchstem Auftrage an der Wiederherstellung dieses schönen Gotteshauses gearbeitet worden. Es sollte zunächst, wie der Großherzog i. J. 1842 bestimmt hatte, jene Kapelle wieder zu einer würdigen fürstlichen Begräbnisstätte gemacht werden. Zu diesem Zwecke wurde das untere Grabgewölbe, in welcher die Familie des Herzogs Johann Albrecht I. und fünf Kinder des Herzogs Adolf Friedrich I. lagen, unter Leitung des Archivars Lisch erweitert und um zwei damit zusammenhängende Gewölbe, zu beiden Seiten des Mittelgewölbes, vermehrt. Die alten fürstlichen Leichen wurden umgesargt und nach Vollendung der Gewölbe wieder in die Mittelgruft an dieselbe Stelle gesetzt, an der sie gestanden hatten. Dies geschah am 3. November. Die drei Fenster der Kapelle wurden, nachdem die Oberleitung aller künstlerischen Arbeiten im Dome dem Geh. Kabinettsrat Dr. Prosch übertragen war, mit Glasgemälden geschmückt, zu denen Cornelius die Cartons lieferte, während Gillmeister sie ausführte. Das mittlere, dreiteilige, ca. 30 Fuß hohe Fenster zeigt den zum Himmel fahrenden Heiland, dessen Bild in alten Zeiten auf dem Altare unter diesem Fenster gestanden hatte, und ihm zu Seiten in Verklärung Maria und den Evangelisten Johannes, die alten Schutz heiligen des Domes. In den beiden zweiteiligen, ca. 36 Fuß hohen Seitenfenstern stehen zunächst an dem mittleren die Apostel Petrus und Paulus, als Repräsentanten des neuen, als dann Moses und Jesaias, als Repräsentanten des alten Bundes. Alle Figuren sind über 7 Fuß groß, der Heiland schwebt auf Wolken, alle übrigen Figuren stehen auf Konsolen unter Baldachinen in reicher Architektur des Spitzbogenstils aus dem 14. Jahrh. nach den Ideen des Geh. Kabinettsrats Dr. Prosch. Diese Fenster waren um Weihnacht d. J. vollendet; ihre Rahmen sind aus Schmiedeeisen vom Schlossermeister Corty verfertigt. Die Baulichkeiten der Kapelle leitete und die Pläne entwarf der Hofbaurat Demmler, unter ihm der Baukondukteur Willebrand. Die Wände der Kapelle wurden, nach dem die alten Bilder abgeschlagen waren, von denen Kopien im großherzoglichen Archive niedergelegt wurden), mit großen, auf der Schleifmühle bei Schwerin geschliffenen Platten von mecklenburgischem Granit, den man meistens aus der Gegend hinter Grevismühlen geholt und statt der früher dazu bestimmten Marmorplatten gewählt hatte, und mit Verzierungen aus Bronze verkleidet, der vertiefte Boden der Kapelle mit schwarzen und weißen Marmorplatten belegt. Nachdem diese Arbeiten vollendet waren, schloss man die Kapelle wieder durch das alte schöne Messinggitter, welches neue Verzierungen erhalten hatte. Im Sommer 1847 war der ganze Bau vollendet, die Kapelle und der Altar durch den Oberhofprediger Walter eingeweiht und der Sarkophag Paul Friedrichs an seine Ruhestätte gestellt. Die Restauration dieser Kapelle kostete 9.445 Thaler.

In Verbindung mit dieser Restauration der Kapelle hatte Friedrich Franz II. den Bau eines neuen Hochaltars anbefohlen, dessen großer über 40 Fuß hoher Schrein, in den aufstrebenden gotischen Formen des 14. Jahrhunderts von Baukondukteur Willebrand konstruiert, und in seinen ornamentalen Teilen vom Bildhauer Petters, in seinen konstruktiven Teilen vom Tischlermeister Christiansen verfertigt wurde. Das 22 Fuß hohe und 11 Fuß breite, schöne Altargemälde, die Kreuzigung Christi darstellend, hatte der Hofmaler Gast Lenthe in Berlin verfertigt; es war schon im Anfange d. J., 1845 vollendet. Mit dieser Restauration des Domes hing auch der Abbruch des i. J. 1793 erbauten Chors unter der Orgel zusammen, welcher i. J. 1847 stattfand. In letzterem Jahre war die Restauration der Kirche vollendet.

I. d. J. wurden zuerst vorbereitende, jedoch noch nicht zum Ziele gelangende Schritte zu einer Gasbeleuchtung für Schwerin getan, indem eine englische Compagnie zu diesem Zwecke mit den Magistrat in Verbindung trat. Auch wurde der Bahnhof am Luisenplatze abgesteckt, erbaut unter der Leitung der Eisenbahn-Bau-Direktion (Baumeister Arndt.) Bis zur Vollendung dieses Gebäudes hatte man einen Schuppen auf dem jetzigen Exerzierplatze zum Empfangsgebäude hergerichtet. Ferner wurde, um Johannis, eine zweite Kleinkinderwarteschule gestiftet, welche die Kinder der Altstadt, Paulsstadt und des nördlichen Teiles der Vorstadt aufnehmen sollte. Das Haus für diese Schule liegt in der Feldstraße (Nr. 2)

Am 16. Juni hatten sich in Schwerin die ehemaligen Kampfgenossen Theodor Körners vereinigt und hielten in dem Pavillon des Schlossgartens ein fröhliches Mahl. Veranlassung zu dieser Zusammenkunft hatte das Schlachtschwert Gottlieb Schnelles, des bei Ligny Gefallenen, gegeben, welches früher an der Körners Grab bei Wöbbelin beschattenden Eiche gehangen hatte, von ruchloser Hand gestohlen, nun aber wieder aufgefunden war und von seinen ehemaligen Kampfgenossen am alten Platze von Neuem aufgehängt wurde.

Vom 29–31. Oktober wurde in Schwerin eine allgemeine, vom patriotischen Verein veranstaltete (die dritte) Bauernversammlung Mecklenburgs abgehalten. Die Sitzungen fanden im großen Saale des Schauspielhauses statt, ein Wettrennen auf dem Exerzierplatze. Eine Ausstellung von Sämereien nahm die Galerie des Schauspielsaales ein.

Vom 24. November bis zum 21. Dezember war die erste Schweriner Gewerbe-Ausstellung im Lokale der Bürger-Ressource und in den Remisen des Frau Hofrat Masiusschen Hauses in der Münzstraße eröffnet. Hervorgegangen aus den Bestrebungen des hiesigen Gewerbevereins, zeigte der Katalog in 943 Nummern eine große Anzahl bemerkenswerter Gegenstände, denen im Allgemeinen nur der Vorwurf zu großer Eleganz und durch diese hervorgerufene Verteuerung gemacht werden konnte.

Am 1. Dezember begannen die Arbeiten an der Hagenow-Schwerin-Rostocker Eisenbahn; der erste Spatenstich wurde Vormittags um 11 Uhr in der Nähe des Feldtors am Ostorfer See durch den Minister von Lützow unter entsprechenden Feierlichkeiten getan.

Vollendet war i. d. J. das großherzogliche Amtsgebäude an der Alexandrinenstraße der Paulsstadt, erbaut nach den Plänen und unter der Leitung des Oberbaurats Bartning. Dies ziemlich umfangreiche Gebäude ist in der Fronte 262 Fuß lang, 52 Fuß tief und bis zum Dache 46 Fuß hoch. Der 108 Fuß hohe Mittelbau enthält die Geschäftslokale, nämlich einen großen Saal, drei Terminzimmer, zwei Parteienzimmer, drei Registraturen u. m. a. Die linke, 92 Fuß lange Seite enthält die Dienstwohnung des ersten Beamten, die rechte, 62 Fuß lange Seite die Dienstwohnung des Registrators. Hinter dem Gebäude sind 3 Höfe, Stallungen und kleine Gärten, welche in der Wismarschen Straße durch ein die Dienstwohnungen des Landreiters und Amtsdieners enthaltendes Gebäude geschlossen werden. An die letztere Wohnung stoßen 14 Gefängnisse, mit einer hohen Mauer umgeben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin