1492 - Ein Schicksalsjahr für die Juden Mecklenburgs

1492 soll sich die weitbekannte Geschichte zu Sternberg ereignet haben, in deren Folge alle Juden aus Mecklenburg verbannt wurden, und die wir hier deshalb mitteilen, weil sie auf die Verehrung des heiligen Blutes zu Schwerin den größten Einfluss ausübte. Sternberger Juden hätten nämlich von dem dortigen Priester Peter Däne zwei geweihte Hostien zu erlangen gewusst und dieselben bei Gelegenheit einer jüdischen Hochzeitsfeier, bei welcher viele ihrer Glaubensgenossen versammelt waren, mit Nadeln und Messern durchstochen. Dabei hätte es sich aber ereignet, dass nach jeder Verletzung der Hostien sofort Blut aus der Wunde geflossen war, und dies hätte die Juden in nicht geringe Furcht versetzt. Sie suchten angeblich die entweihten Hostien deshalb zu vernichten, doch ließen sie sich weder verbrennen, noch in Wasser zerstören, so dass man sich zuletzt entschloss, dieselben dem Peter Däne zurückzugeben. Dieser grub sie auf dem Fürstenhofe neben der Stadtmauer in die Erde. Er hatte aber von dieser Zeit an keine Ruhe mehr, sein Gewissen schlug ihm und ein Geist, der ihm erschien, ermahnte ihn, seine Untat den Mitpriestern anzuvertrauen. Er reiste daher nach Schwerin und meldete den Vorfall beim Dompropst, welcher ihn dem Kapitel anzeigte, das ihn den Herzogen Magnus und Balthasar, sowie den Bischöfen zu Schwerin, Ratzeburg und Kamin zur Entscheidung vorlegte. Man begab sich darauf nach Sternberg und ließ die von Peter Däne im Beisein vieler Geistlichen, Ritter und Lehnmänner wieder ausgegrabenen Hostien in feierlicher Prozession in die Kirche bringen.

Bei dem hierauf angestellten Verhöre legten sich die Juden zuerst aufs Leugnen. Als die Herzöge aber sämtliche Juden des Landes einziehen, nach Sternberg bringen und hier am 22. Oktober einem peinlichen Verhöre (der Folter) unterwerfen ließen, erhielt man bald ein volles Geständnis. Das Urteil wurde sogleich gesprochen und schon am 24. Oktober vollzogen. Die schuldig gesprochenen Juden, 25 Männer und 2 Frauen, wurden an diesem Tage vor Sternberg auf einer Anhöhe vor dem Lukower Tore, welche seit den „der Judenberg“ hieß, in Gegenwart der Herzöge, verbrannt, alle übrigen Juden des Landes aber wurden auf immer verbannt.


Der Priester Peter Däne wurde durch das geistliche Gericht zu Rostock gleichfalls zum Feuertode verurteilt. Am 13. März 1493 erlitt er eine Strafe, nachdem er öffentlich seiner Priesterkleidung beraubt und an den Ecken der Straßen, durch welche er zum Exekutionsort geführt wurde, mit glühenden Zangen war gezwickt worden. Die entweihten Hostien wurden nun aber bald wundertätig und zwar in solchem Grade, dass auch für sie eine heiligen Bluts-Kapelle erbaut werden musste. Der Schweriner Geistlichkeit wird dies freilich nicht sehr gefallen haben, doch entschädigte sie sich für etwaige Ausfälle beim Opferstock ihres heiligen Blutes, indem sie aus den zu Sternberg eingehenden Opfergaben sich ein Drittel ausbedang. So reich diese aber in erster Zeit, so häufig die Wallfahrten nach Sternberg waren, so große Wunder auch dort von dem heiligen Blute geschahen, welches (vielleicht in ähnlicher Wirkung, wie das Schweriner) „Blinde sehend, Lahme gehend, Taube hörend, Ertrunkene gesund, Tote lebendig machte, Kerker und Riegel sprengte“ usw., so währte der Kultus doch nur kurze Zeit, da das Licht, welches Luther in Deutschland entzündete, bald auch die Klöster und Kapellen Mecklenburgs durchleuchtete.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin