Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1851

1851. Die Angelegenheit der Verbesserung und Erweiterung der städtischen Schulen kam auch i. d. J. wiederholt und dringend zur Sprache. Die Stadtkasse war aber in solcher Weise belastet, dass man die zu jenem Zwecke erforderlichen großen Summen nicht aufzubringen vermochte. Namentlich war es die bedeutende Servicezahlung von jährlich 22.000 Thaler (im Jahre 1852 nur noch 17.500 Thaler) welche die Kasse drückte. Diese Zahlung erregte i. d. J. manche Verdrießlichkeit. Der Magistrat glaubte nämlich für das im Arsenal kasernierte Militär und für die nicht zum aktiven Dienste gehörenden Militärpersonen (die Divisionsschule) kein Service zahlen zu müssen und hatte die betreffende Summe zurückbehalten. Da er aber den, aus Rücksicht auf die damalige Finanzlage des Staates hervorgehenden Befehl erhielt, die Zahlung zu leisten, beschloss er, diese Sache auf dem Rechtswege auszumachen und suchte um die Bestellung eines Prokurators, darauf um das Einschreiten des Engeren Ausschusses zu seinen Gunsten nach. Dieser aber lehnte ein Einschreiten ab und erhielt nun am 25. Juli der Magistrat in der Person eines Schützen von der 3. Compagnie des leichten Infanterie-Bataillons Exekution auf das rückständige Service. Die Zahlung erfolgte nun zwar, doch behielt sich der Magistrat vor, die nötigen Schnitte zwecks Erleichterung der Stadt in der Militärlast einzuschlagen.

Am 27. Januar war die Bildung von Vereinen und das Abhalten von Versammlungen zu politischen Zwecken verboten, zugleich die Auflösung noch bestehender Vereine angeordnet worden. In Folge dessen wurden am 6. Februar der bei Kaping am Ziegenmarkt sich versammelnde Arbeiter-Bildungs-Verein, sowie der Gutenberg-Verein beider Mecklenburg aufgelöst, auch war dem Magistrat befohlen worden, keine Versammlungen zu politischen Zwecken in Zukunft mehr zu dulden.


Mit dem Anfange d. J. begann die Tätigkeit des elektromagnetischen Telegraphen zwischen Schwerin-Hagenow und Schwerin-Kleinen; derselbe sollte jedoch einstweilen nur für Zwecke der Eisenbahn selbst benutzt werden. Zur Erweiterung des Einganges aus der Königstraße in den durch vorspringende Häuser beengten großen Moor hatte der Magistrat diese Häuser zum Abbruch angekauft. Der Großherzog gab zu diesem Zwecke 1.500 Thaler, die Sparkasse eine zinsenlose, aber rückzuzahlende Anleihe von 3.500 Thaler her; der Rest der Kaufgelder von 4.700 Thaler sollte durch den Verkauf der Grundfläche wieder gewonnen werden.

Im Juli befahl der Großherzog, dass bei einem jeden in der Stadt entstehenden Feuer die Pionier Abteilung des Militärs vor dem Arsenale zur Verfügung des Kommandanten stehen solle. So bald die zum Feuerlöschdepartement abgeordneten Mitglieder des Magistrats es für erforderlich halten, können sie sich an den Kommandanten wenden, der alsdann die Hilfeleistung der Pioniere anordnen wird. Ebenso wird es gehalten, wenn die gedachten Magistratsmitglieder weitere militärische Hilfe zu requirieren suchen, wobei selbstverständlich die Soldaten unter der Anleitung ihrer Offiziere zu handeln haben.

Seit dem 26. Juli d. J. wurde die neu erbaute Militär-Schwimm-Anstalt am Ziegelsee auch für Zivilisten, welche bei dem dort angestellten Schwimmlehrer Unterricht nehmen wollten, eröffnet. Durch landesherrliche Verordnung vom 19. Juli wurde zu Schwerin ein statistisches Büro, unter der Direktion des Geh. Kanzleirats Faull und unter dem Ressort des Ministeriums des Innern, errichtet. Es sollte vorzugsweise die Topographie, die klimatischen Bevölkerungs-Verhältnisse, den Besitzstand, die Erwerbsverhältnisse, das Kirchen- und Schulwesen, die Rechtspflege und Sicherheitspolizei, die Heimat- und Armenversorgung, die Sanitätsanstalten und das öffentliche Einkommen in allen seinen Zweigen in den Kreis seiner Tätigkeit ziehen und die durch seine Arbeiten gewonnenen Resultate durch den Druck veröffentlichen. Im Anschluss an dies Büro wurden im nächsten Jahre meteorologische Anstalten in Schwerin, Poel, Schönberg, Rostock, Wustrow, Sülze, Goldberg usw. angelegt.

Vom 15. bis 25. September fanden zwischen Schwerin, der Fähre und Pinnow und zwischen Schwerin, Lankow, Warnitz, Friedrichstal und Herren-Steinfeld größere Übungen der großherzoglichen Division statt. Die Infanterie hatte wieder ein Lager am Haselholze bezogen, die Dragoner waren in der Umgegend einquartiert. Am 1. Oktober begannen in Schwerin kommissarisch deputatische Verhandlungen, welche auf dem letzten Landtage zwischen den beiden Regierungen und den Ständen beschlossen waren. Sie hatten den Zweck, Modifikationen oder Reformen der landständischen Verfassung und Vertretung anzubahnen, verliefen aber völlig resultatlos. Die von den Regierungscommissarien aufgestellten Vorschläge waren:

1) Auf den künftigen Landtagen soll die Ritterschaft durch Deputierte, welche aus den ritterschaftlichen Ämtern gewählt sind, vertreten werden; 2) Die Städte bleiben durch die Magistratspersonen, jedoch unter Teilnahme der Bürgerrepräsentation bei deren Instruktion, vertreten; 3) Aus den kleineren Grundbesitzern wird die Vertretung eines dritten Standes gebildet; 4) Das Recht der itio in partes bleibt, wird jedoch auf Verfassungs- und Steuer-Angelegenheiten beschränkt.

In d. J. hatte sich der noch bestehende Frauenverein für Krankenpflege gegründet. Sein Zweck ist, durch die leibliche Pflege die Kranken zu unterstützen, ihnen gesunde Nahrung und wo nötig Kleidungsstücke, Betten, Feuerung u. dgl. zu verschaffen; seit d. J. 1861 sucht er auch den Genesenden passende Arbeit zu vermitteln. Die letztere besteht hauptsächlich in der vom Vereine geleiteten Anfertigung von Hemden, Strümpfen, Jacken u. dgl., wofür der Arbeitslohn an die Bedürftigen fällt. Der Verein wird ganz durch freiwillige Beiträge, vorzugsweise der großherzoglichen Familie, erhalten.

Bei dem Schlossbau war mit diesem Jahre eine wichtige Veränderung eingetreten. Das großherzogliche Finanzministerium hatte nämlich auf Grundlage der von dem bisherigen Oberleiter des Schlossbaues, Hofbaurat Demmler, in seiner Eigenschaft als Stadtverordneter Schwerins, im Bürgerausschusse gestellten Anträge (s. d. J. 1850) von seiner Dienstkündigungsbefugnis Gebrauch gemacht und ihn Ende Dezember 1850 seinen Dienst zu Johannis 1851 ohne Pension gekündigt. Da es aber für den Schlossbau höchst störend gewesen wäre, wenn die Übergabe der Oberleitung desselben mitten in die Zeit der größten Bautätigkeit gefallen wäre, so wurde Demmler befehligt, schon im Januar 1851 den Bau abzuliefern und eine Stelle als Mitglied der Schlossbau-Kommission niederzulegen.*) Die Oberleitung desselben wurde nun dem Kgl. Oberbaurat Stüler in Berlin übertragen und mit der Anfertigung von Zeichnungen für die inneren Dekorationen und für das Mobiliar wurde der Hofbaurat, Professor Strack in Berlin beauftragt, während die Stelle des technischen Mitgliedes in der Schlossbau-Kommission unbesetzt blieb. Strack lieferte nachher einige Zeichnungen für die Wohngemächer der Frau Großherzogin ab, wurde aber dann in seiner Tätigkeit durch eine Reise nach Rom unterbrochen, wohin er den jetzigen Kronprinzen von Preußen begleitete, und nun wurde Stüler auch mit der Anfertigung dieser Zeichnungen beauftragt. Unter ihm wirkten die drei schon unter Demmlers Leitung beschäftigten Baukondukteure ganz in bisheriger Weise fort, indem nämlich der BK. Behncke die spezielle Leitung der östlichen, der BK. Willebrand d. Ä. diejenige der westlichen Seite des Schlossbaues und der BK. Willebrand d. J. die Beaufsichtigung und Leitung der in den Kunstwerkstätten anzufertigenden Arbeiten beibehielt. Neben diesen wurden aber von Stüler zur Anfertigung der fehlenden, hauptsächlich die innere Dekoration betreffenden Zeichnungen die BK. Daniel und Luckow mitbeschäftigt, und nach dem i. J. 1853 erfolgten Tode des jüngeren Willebrand trat zunächst der BK. Krüger, später der BK. Stern an dessen Stelle.

*) Das betreffende Reskript (s. Aktenstücke, betr. die Dienstentlassung des Hofbaurats Demmler. Hamburg 1851.) lautet: „Durch das zu Johannis d. J. erfolgende Ausscheiden des HBR. Demmler aus seiner dienstlichen Stellung wird auch der Austritt desselben aus der Schlossbau-Kommission und aus der Stellung des leitenden Architekten des Schlossbaues bedingt. Da es nun aber nicht zweckmäßig sein würde, dies letztere Verhältnis zu einer Zeit zu lösen, wo der Bau im vollen Gange ist, wollen Wir dies schon jetzt geschehen lassen und befehlen dem p. p. . . . . . . Indem Wir den HBR. Demmler hiermit aus der Stellung des leitenden Architekten des Schlossbaues entlassen, wollen. Wir es zugleich ausdrücklich und gern anerkennen, dass derselbe in diesem bedeutenden Werke seine ausgezeichneten Fähigkeiten an den Tag gelegt, dass er es von Anfang an mit großer Umsicht und unermüdlichem Eifer geleitet und sich um dasselbe bleibende Verdienste erworben hat. Wir sagen dem HBR. Demmler hierfür unseren aufrichtigen Dank“ usw. – Da sich, namentlich im Auslande, über diese Angelegenheit ganz irrige Meinungen gebildet haben, es aber bei dem hohen Werte, welchen der Bau des großherzoglichen Residenz-Schlosses für vaterländische Geschichte, Kunst- und Gewerbetätigkeit hat, nicht gleichgültig sein kann, wie über den Leiter eines so wichtigen Werkes geurteilt wird, so glaubten wir, dies allerhöchste Reskript hier, soweit nötig, mitteilen zu müssen.

Stüler traf nun einige Abänderungen in dem ursprünglichen Demmlerschen Bauplane, welche erwähnt werden müssen; sie beschränken sich indessen, da der Bau an den übrigen Seiten zu weit fortgeschritten und im Äußeren teilweise ganz vollendet und abgeputzt war, ausschließlich auf die schmale der Schlossbrücke gerade gegenüberliegende Fronte. Nach der Zeichnung des ursprünglichen Planes, welche mit Raabes „Mecklenburg, ein Jahrbuch für alle Stände, 1845“ veröffentlicht worden, sind jene Veränderungen folgende:

1) wurde der bereits angelegt gewesene Vor- oder Ehrenhof um mehrere Fuß erhöht. 2) In die freier gehaltene, offene, vordere Säulenkolonnade wurde ein größeres und breiteres, den römischen Triumphbögen ähnliches Portal eingefügt. 3) Die in der 2. und 3. Etage bereits aufgemauerten mittelsten Fensterpfeiler wurden wieder abgebrochen und aus den früher beabsichtigten zwei wurde ein dreigeteiltes Fenster hergestellt, während die rechts und links zunächst gelegenen Fenster in Nischen verwandelt wurden. 4) Die offene Loggia der vierten Etage, welche nach Demmler bis zum hinteren Turm zurücktreten und vorne mit einer Säulen-Kolonnade begrenzt werden sollte, wurde durch Stüler mit einem dreigeteilten, erhöhten, rundbogigen Giebel abgeschlossen. 5) Dieser hintere Turm (Doujou), für welchen Demmler vom Schlosse zu Chambord die Spitze des dortigen mittleren Treppenhauses nebst der s. g. Laterne und dem oberen s. g. Tambour (Aufsatz) entlehnt und projektiert hatte, wurde durch Stüler mit einer erhöhten, den Erzengel Michael tragenden Kuppel bekrönt. Endlich wurden zwei an der Burgsee-Fronte, rechts und links von dem Mittelbaue projektiert gewesene Dacherker fortgelassen.

Im Laufe dieses Sommers kamen der Eckturm nach dem Burgsee hin, der Speisesaal, und der Teil von der Einfahrt bis zur Kirche hin unter Dach, die beiden Türme an der Einfahrt wurden bis zur Gesimshöhe aufgemauert. Am 5. Mai besuchten der König Friedrich Wilhelm von Preußen und der Herzog Ernst von Sachsen-Altenburg, welche wegen der Taufe des am 19. März geborenen Erbgroßherzogs sich in Ludwigslust befanden, die Baustätte.

Der bisherige Baukondukteur Willebrand war inmittelst um Johannis d. J. zum Hofbaumeister ernannt und mit der oberen Leitung der zum großherzoglichen Haushalte gehörigen Hof- und Marstallbauten im Lande, sowie mit der speziellen Leitung dieser Bauten in Schwerin, betraut worden. Nach seinen Plänen und unter seiner Leitung nun wurden von dieser Zeit an fast alle an der Zippendorfer Chaussee gelegenen Treib- und Konservierhäuser, unter teilweiser Benutzung der von älteren Gebäuden noch vorhandenen Mauern angelegt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin