Geschichte der Stadt Schwerin von 1764 bis 1770

1764. Nach einem Kontributionsregister besaß Schwerin in der Alt- und Vorstadt zusammen 3.288 Menschen und 529 Feuerstellen (427 in der Alt, 102 in der Vorstadt) in 323 3/4 vollen Häusern. Unter den Einwohnern waren 1.555 selbstständige Männer und Frauen (davon 822 Mietsleute), 775 Kinder unter und 262 über 12 Jahren, 106 Handwerksgesellen, 103 Lehrburschen, 62 Bediente, 59 Knechte und 376 Dienstmägde.

Die Stadt wurde in diesem Jahre arg von der Viehseuche betroffen. Zuerst war sie in Neumühle ausgebrochen, dann in Zippendorf, dann in Görries und hierauf nach Schwerin gekommen, ob gleich alle möglichen Anstalten zu ihrer Abwehr getroffen waren, So ließ man die Stadt gänzlich absperren; selbst die in infizierten Ortschaften gestorbenen Personen durften nicht in Schwerin begrabenwerden. Der Schlachter Drümmer hatte 9 Ochsen in seiner Scheune der Vorstadt stehen, von welchen plötzlich einer starb. Die übrigen wurden nun im Beisein des Magistrats besichtigt und als es sich herausstellte, dass vier von ihnen nicht gut fraßen, musste er diese stehen lassen und durfte sie nicht schlachten, bevor sich mit Gewissheit ergeben, dass sie nicht erkrankt waren. Die übrigen vier durfte er gleich schlachten, da sie munter und gesund waren, das Fleisch jedoch nur an „Leute in der Vorstadt“ verkaufen, was er eidlich versprechen und demnächst bescheinigen musste. Die Seuche dauerte bis 1767; es wurde gar kein Schlachtvieh in die Stadt gelassen, auch durften nur eingekalkte Felle hereingebracht werden. Entdeckte man auf einpassierenden Wagen rohe Felle, so wurden diese vom Scharfrichter an einem Aborte verbrannt und der Eigentümer um 5 Gld. gestraft.


1765 hatte das fürstliche Amt nahe vor dem Siechenbaume (s. d. J. 1646) in der jetzigen Gartenstraße, damals ein Feldweg, ein wenig hinter dem Strohkaten, damals Kripner’s Wirtshaus, auf städtischem Grund und Boden ohne Vorwissen des Magistrats einen Schlagbaum errichten lassen. Deshalb sandte der Magistrat seinen Kämmereibürger in Begleitung mehrerer Zimmerleute und Tagelöhner an den Ort, ließ die eingegrabenen Pfähle teils ausreißen, teils absägen und sie auf das nahe Gebiet des fürstlichen Amtes hinwerfen. Dies gab einen großen Lärm und später einen Prozess, der bis zum Jahre 1775 währte und damit endigte, dass der Schlagbaum entfernt wurde. Das Amt hatte die Errichtung desselben befohlen, weil dieser Weg häufig zu Zolldefraudationen benutzt wurde; der Magistrat wollte ihn hauptsächlich deshalb nicht leiden, weil die Bürger der Stadt den Weg gebrauchten, um zu ihren Sand- und Lehmgruben zu kommen, und nicht an diese gelangen konnten, da der Amtmann den Schlüssel des Schlagbaums in Verwahrung hatte.

1766. Am 19. Juni erteilte der Magistrat dem Schauspieldirektor Leppert die Erlaubnis, eine Zeitlang auf dem Rathause spielen zu dürfen. Als der Herzog, welcher kein Freund theatralischer Vorstellungen war, dies erfuhr, ließ er dem Magistrat befehlen, er solle Leppert die Erlaubnis nehmen und das Fortspielen untersagen. Jener verwahrte zwar seine Rechte diesem Befehle gegenüber, doch versprach er, keine Schauspielergesellschaften wieder zulassen zu wollen.

1769 gab es in Schwerin nach einem Kontributions-Register in der Alt- und Vorstadt zusammen 177 Handwerker ohne und Handwerkswitwen mit einem Gesellen teils auch mit einem Lehrburschen, 38 Handwerker mit einem, 3 mit 2 und mehr Gesellen, dazu 74 Tagelöhner.

Am 19. September befahl der Herzog, dass der Kirchhof des Domes, welcher sich in einem schauderhaften Zustande befand, geschont werden solle. Vielfach wurde er zur Viehweide benutzt, selbst Schweine wühlten auf ihn herum, Wagen fuhren hinüber, Unreinigkeiten aller Art goss man dort aus und Wäsche wurde getrocknet. (fs d. J. 1657)

Gegen Schluss d. J. wurde der Constantinischen Operngesellschaft erlaubt, „in ihren gewöhnlichen Anzügen, mit wenigen gestibus, ohne Theater und Auszierungen musikalische Vorstellungen geben zu dürfen.“ Dies waren also Konzerte, jene Erlaubnis war gleichwohl sehr schwer zu erringen gewesen.

Dies ist das Jahr, in welchem der als Orientalist berühmte Professor Dr. Olaus Gerhard Tychsen auf dem Boden des alten Justizkanzlei-Gebäudes die frühere fürstliche von Johann Albrecht I. gegründete und von Christian Ludwig erweiterte Bibliothek von mehr als 7.000 Bänden wieder auffand, welche seit länger als 50 Jahren verschwunden gewesen war. Sie befand sich in einen ganz verwahrlosten Zustande, wurde aber von Tychsen geordnet, darauf vom Herzoge der Universität geschenkt und somit die Grundlage der jetzigen bedeutenden Universitäts-Bibliothek.

1770. Im März d. J. fiel eine große Masse Schnee, vom 20–24. d. M. ohne Unterbrechung. In vielen Straßen lag der Schnee bis an die Dächer der Häuser hoch und verlor sich erst nach 6 Wochen. Das meiste Winterkorn verdarb, wodurch eine große Teuerung entstand.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin