Geschichte der Stadt Schwerin von 1833 bis 1835

1833. Im Januar veröffentlichte der Magistrat ein Regulativ über das Bürgergeld und die Rezeptionsgebühren der Einwohner Schwerins.

Während des Februars wurde eine Kommission gebildet, welche das städtische Elementar Schulwesen untersuchen und mit Vorschlägen zu seiner Verbesserung vorgehen sollte. Sie bestand aus dem Landdrost von Plessen, Superintendent Ackermann, Schulrat Meyer und Hofrat Knaudt. Die Zahl der Bettelkinder hatte während der letzten Jahre unglaublich zugenommen, und obwohl es mehrere Privatschulen gab, in denen Elementarunterricht erteilt wurde, befanden sich diese doch größtenteils in sehr vernachlässigtem Zustande. Die Lehrer und Lehrerinnen betrachteten den Unterricht bloß als Broterwerb, und hatten sich über ihre Befähigung weder ausgewiesen, noch standen sie von Seiten des Staates oder der Stadt unter irgend einer Aufsicht. Wie es damals auf den Straßen aussah, erfahren wir aus einer öffentlichen Klage über sie, worin es heißt, dass „sie in ungleicher Höhe lägen und durch Rinnsteine, Treppenstufen, Einfahrten, Prellsteine, Kellerluken, ausgebaute Fenster usw. beengt“ würden. Das Straßenpflaster war damals noch mit dem s. g. breiten Steine in der Mitte versehen, der für Fußgänger bestimmt war, nach den Seiten zu abfallend, mit Kopfsteinen gepflastert und sehr schmutzig.


Am 17. August wurde eine von den Vorstehern der israelitischen Gemeinde gestiftete Freischule und Bildungsanstalt für Kinder ärmerer israelitischer Eltern eröffnet. Die Schule hatte man Or Nogah (d. i. Morgenröte) genannt. Den Unterricht in ihr erteilten freiwillige Lehrer unentgeltlich zunächst an 29 Schüler und Schülerinnen.

Um dieselbe Zeit wurde in der Schulstraße der Bau eines Schulgebäudes begonnen, welches demnächst eine Bürgerschule, deren Gründung projektiert wurde (seit 1847 die Realschule), aufnehmen sollte.

Am 2. Oktober wurde die neue Bürger-Ressource in der Münzstraße eingeweiht.

Am 5. Dezember wurde das am 1. September 1797 gestiftete Witwen-Institut für die großherzogliche Dienerschaft auf die Prediger und Schullehrer erweitert, unter Verwaltung eines Direktoriums in Schwerin.

1834. Im Januar entstand das Projekt, auf beiden Kirchhöfen der Stadt Leichenhäuser zu erbauen. Die Landesregierung versprach, zu ihnen das nötige Material entweder in natura oder ein Äquivalent an Geld hergeben zu wollen. Zur Aufbringung des Geldes zirkulierte eine Missive zu freiwilligen Beiträgen. Es wurden von 282 Subskribenten mehr als 730 Thaler gesammelt, darauf die Baurisse entworfen und die Örtlichkeiten bestimmt; im März waren alle nötigen Vorrichtungen beendigt. Die Committe wollte zu Ostern den Bau des Hauses auf dem Schelfkirchhofe beginnen lassen, wie es auch geschah. Der Bau auf dem Domkirchhofe kam aber nicht zu Stande; die Committe, welche in öffentlichen Blättern vielfach aufgefordert wurde, dass sie deshalb Rede stehe, sprach von vielfachen Schwierigkeiten, die ihr entgegenträten, ohne sich aber des Näheren über sie auszulassen.

Im Februar begann der Bau der Schwerin-Ludwigsluster Chaussee.

Mit dem 1. Mai wurde laut dem Regulativ vom 8. Januar d. J. eine Hundesteuer eingeführt. Es sollen sich damals fast 4.000 Luxushunde in Schwerin befunden haben.

Am 1. Februar fand auch die Publikation der noch gültigen Gesindeordnung statt. Die Hauptbestimmungen derselben besagen, dass zur Gültigkeit eines Dienstabschlusses ein vom Stadtpolizeiamte ausgestellter Schein erforderlich ist, und dass alle das Dienstverhältnis betreffenden Streitigkeiten vor dem Magistrate entschieden werden. Ferner enthält das Regulativ die Bestimmungen über die ordentliche und außerordentliche Aufhebung des Dienstvertrages. Die gesetzliche Ab- und Zugangs-Zeit der Dienstboten findet nach ihn statt 1) im Osterquartal am Dienstage nach Ostern, 2) im Johannisquartal am 24. Juni, 3) im Michaelisquartal am 24. Oktober, 4) im Weihnachtsquartal an Tage nach dem zweiten Weihnachtstage, oder wenn einer dieser Tage auf einen Sonntag fällt, am nächste folgenden Tage. Die Kündigungszeit dauert bis zum zweiten Sonntage nach dem Tage des Zuganges.

Am 18. Februar d. J. musste sich die im Jahre 1826 gegründete Schifffahrts-Gesellschaft auflösen. Durch das mehrmalige Auftreten der Cholera in Hamburg war der Handel mit dieser Stadt benachteiligt worden, durch die Verluste, welche die letzten, durch sehr stürmische Witterung sich charakterisierenden Jahre ihr verursacht hatten, war ihre Einnahme in solcher Weise verringert, dass die Aktien fast allen Wert verloren hatten. Auch die Verbesserung des Wasserweges der Stör und Elde, welche nach dem Plane des Oberbaurats Wünsch schon fast vollendet war, hatte die Hoffnung auf besseren Erfolg nicht beleben können.

Im Mai begann unter der Leitung und nach den Zeichnungen des Baumeisters Demmler der lange gewünschte Durchbau des altstädtischen Rathauses, welches damals ein scheunenartiges Gebäude genannt wurde. Es erhielt hierbei eine ganz neue Fassade; im Februar 1835 war das Haus in der Weise fertig, wie es noch jetzt ist.

Der Alte Garten wurde i. d. J. dadurch vergrößert, dass der vordere sumpfige Teil des großen Sees ausgefüllt wurde. Das so hergestellte neue Ufer wurde zu Anlegeplätzen für Boote eingerichtet.

Im neuen Regierungsgebäude, welches i. d. J. von den groß herzoglichen Kollegien bezogen wurde, hatten die Maler C. Schumacher und Gaston Lenthe i. d. J. die großen Fresko-Gemälde, mit welchen die Sitzungssäle der Landesregierung und des Kammer Kollegiums geschmückt wurden, vollendet. Schuhmacher malte den Saal für die Regierung, 46 Fuß lang, 22 Fuß breit und 18 Fuß hoch, welcher 5 Fresko-Gemälde enthält, 4 davon zwischen 3 Pilastern an seiner rechten Seite und eins an der Hauptwand, der Tür gegen über. Die Gemälde stellen nach ihrer Reihenfolge folgende Szenen aus der vaterländischen Geschichte dar:

1) die Taufe des Herzogs Pribislav II. um 1166, rechts an der Tür;
2) Heinrichs des Pilgers Heimkehr nach seiner Gefangenschaft in Kairo, 1298;
3) die Erhebung der Fürsten Albrecht II. und Johann zu Herzogen, 1348;
4) die Einnahme des Schlosses zu Schwerin durch Herzog Adolf Friedrich I., nach der Kapitulation der kaiserlichen Besatzung, 1631;
5) Die Rückkehr des Großherzogs Friedrich Franz I. nach dem Frieden von Tilsit, 1807, das Gemälde an der Hauptwand.

Die Wände zu beiden Seiten der Tür zieren allegorische Darstellungen aus der heidnischen Wendenzeit Mecklenburgs. Die Decke stellt die Segnungen friedlicher Beschäftigungen dar, die Künste und Hauptbetriebe des Volkes, umgeben von Arabesken, welche die Gewerbe des Landes umschließen. Lenthe hatte den Sitzungssaal des Kammer-Kollegiums zu malen, dessen Decke und architektonische Glieder mit Gipsarbeiten geschmückt sind. Auch dieser Saal erhielt 5 Hauptgemälde, welche, mit Bezug auf die Verwaltungszweige des Kammer-Kollegiums, die Schifffahrt und Fischerei, die Forst und Jagd, die Viehzucht, den Landbau und die Gewerbe allegorisch darstellen. An den Pfeilern der Fenster und Tür befinden sich Arabesken, zu beiden Seiten der Tür vier allegorische Figuren: Vorsicht, Tätigkeit, Ordnung und Sparsamkeit. Das Regierungsgebäude besteht aus einem Mittelgebäude mit Portal und zwei hervorspringenden Flügeln, und ist 224 Fuß lang, in der Mitte 54, in den Flügeln 100 Fuß tief. Auf der Basis des Portals, welches den Haupteingang bildet, erheben sich vier kannelierte Säulen (ionische), auf der Spitze desselben steht eine Bildsäule des Jupiter. Das Souterrain ist nach der Rückseite zu wegen des abschüssigen Bodens höher, als vorn; diese Seite ist aber ohne alle Vorsprünge. Das Dach ist mit Kupfer gedeckt, trägt auf den 6 Giebeln sechs in Dresden verfertigte Statuen griechischer Götter und Göttinnen und ist außerdem mit Opferschalen geschmückt. Das Innere ist großartig; eine prachtvolle Treppe führt in die oberen Stock werke, deren erstes den von Schuhmacher und deren zweites den von Lenthe gemalten Saal enthält. Das ganze Gebäude wird mittelst Luftheizung erwärmt.

Das Gymnasial-Gebäude wurde nach Zeichnungen und unter der Leitung des Baumeisters Demmler seit dem Juli d. J. gründlich umgebaut. Das ganze obere Stockwerk, ehemals Bodenraum, mit kleinfenstrigen, niedrigen Klassenzimmern wurde abgerissen und statt seiner fünf hohen in einer Reihe liegende Klassen mit hellem Korridor neu aufgebaut. Der Aufgang wurde durch ein Treppenhaus im großen Kreuzgange hergestellt; früher führte in die oberen Klassen eine Treppe nahe an der Kirche, die vom inneren Schulkreuzgange aus und später auch durch einen von Görenz nach dem Kirchhofe hin geöffneten Ausgang zugänglich war. Da sich beim Baue zeigte, dass die Gewölbe schadhaft und zu schwach waren, so mussten sie abgebrochen werden und das untere Stockwerk erhielt eine flache Decke. In ihm wurde nun das Eckzimmer zum physikalischen Kabinett (s. d. J. 1840) bestimmt, die beiden folgenden Klassen zu einem Versammlungssaal vereinigt und das letzte Zimmer zur Aufbewahrung naturhistorischer Sammlungen benutzt (letzteres ist seit 1852 durch eine Tür mit der Kirche verbunden und wird jetzt zu kirchlichen Zwecken angewandt.) Während dieses Baues bezog das Gymnasium das zur Bürgerschule neu erbaute Schulhaus; am 12. Oktober 1835 wurden die neuen Räume für das Gymnasium eingeweiht.

1835. Im Winter d. J. beschäftigte man sich mit der Verschönerung des Schlossgartens, in welchem durch den Hofgärtner Th. Klett die Anlagen an der Ausgangspforte nach der Schleifmühle hin geschaffen wurden. Auch die Linden auf dem Alten Garten wurden jetzt gepflanzt.

Am 29. März legte an dem zum Landungsplatze eingerichteten südöstlichen Ufer des Alten Gartens der erste mit Äpfeln beladen Ewer an, welcher vom alten Lande bei Hamburg ausgelaufen und seinen Weg durch den neuen Friedrich-Franz-Kanal genommen hatte. Am 24. April feierte, wie das ganze Land, so auch die Stadt Schwerin das Regierungs-Jubiläum des im 79. Lebensjahre stehenden Großherzogs Friedrich Franz I. 101 Kanonenschüsse begrüßten den durch Gottesdienst, Festmusik, Gesang und Kirchenparade gefeierten Tag, an welchen auch die Armen der Stadt unentgeldlich gespeist wurden. Durch äußere Festlichkeiten mancher Art und durch die Beleuchtung der Stadt gab sich die Verehrung des Fürsten kund, ferner durch zahllose Jubelschriften und durch die Gründung folgender, an die Feier dieses Tages geknüpften Anstalten:

1. eine Freischule für arme Mädchen, geleitet vom Kandidaten der Theologie Ebeling und unterstützt durch eine Gesellschaft von jungen Damen der Stadt, welche den unentgeldlichen Unterricht erteilten. Diese Anstalt, eine Industrieschule, begann mit 24 Schülerrinnen auf dem Kaping’schen Hofe am Ziegenmarkt, förderte und vergrößerte sich jedoch bald bedeutend. Sie ging i. J. 1860 ein, weil der Industrie-Unterricht in den Stadt- und Waisenschulen den Bedürfnisse genügte.

2. eine Verwahrschule für Kinder armer Eltern, welche teilweise in industriellen Arbeiten Anleitung erhalten, zum andern Teile in ihren Spielen beaufsichtigt werden sollten (Kleinkinderschule). Diese Gründung ging von einem Vorstande aus, an den sich zur Hilfeleistung ein Frauenverein angeschlossen hatte. Die Schule wurde am 5. Juli in einem Gartenlokale auf der Neustadt mit fast 100 Kindern eröffnet; 1836 wurde sie schon von 150–160 Kindern besucht, welche in 3 Klassen geteilt waren, später sank die Zahl der Kinder auf 100 (1840). Die Erhaltung dieser Schule geschah durch milde Beiträge, mit welchen es später gelang, das Lokal selbst für sie anzukaufen (Landreiterstraße Nr. 23)

3. eine Hausschule für verwaiste arme junge Mädchen, welche mit der Grimm’schen Mädchenschule in der Weise verbunden wurde, dass die Schülerinnen der ersten Klasse aus letzterer den Unterricht erteilten. Sie wurde mit 30 Kindern eröffnet.

4. Der Verein für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, welcher, namentlich durch die Bemühungen des Archivars Lisch und des Pastors Bartsch ins Leben gerufen, am 22. April im Kirchner’schen Saale (der Kirchner’sche Gasthof war in dem zurückgebauten Hause schräg über dem neustädtischen Palais) seine erste Generalversammlung hielt. Zugleich mit diesem Vereine wurde eine Altertümersammlung gestiftet, für welche das Zimmer im langen Hause des großherzoglichen Schlosses eingeräumt wurde, wo sich bisher das Archiv befunden hatte. Mit dieser Sammlung wurde am 7. Dezember 1837 die reichhaltige großherzogliche Altertümersammlung vereinigt, welche aus Ludwigslust, wo sie sich bis dahin befunden hatte, nach Schwerin herübergebracht wurde. Jetzt ist diese Sammlung eine der schönsten und belehrendsten in Deutschland.

Im Mai kann wieder ein längst gehegter Wunsch der Schweriner zur Ausführung, indem die schon seit vielen Jahren baufällige, 1830 noch einmal restaurierte Frohnerei aus der Scharfrichterstraße auf den s. g. Casperschen Weinberg an den Ostorfer See verlegt wurde. Das bisherige Gehöft verkaufte die Stadt auf Abbruch, die Stelle blieb bis zum Jahre 1839 unbebaut. Mit dieser Verlegung der Frohnerei hörte nun auch die Berechtigung des Frohners, von jedem Hause der Stadt vierteljährlich ½ ßl. zu erheben, für die Zukunft auf.

Während des Juli wurde in der Königs- und Schlossstraße zum ersten Male der Versuch mit einem in gleicher Fläche liegenden, aus kubischen Steinen von möglichst gleicher Größe (wie noch jetzt) gedämmten Steindamme gemacht. In der Vorstadt war man um diese Zeit damit beschäftigt, den größeren Teil der noch mit Stroh gedachten Häuser mit Ziegeldächern zu versehen. Nur noch wenige Häuser ärmerer Besitzer behielten ihre Strohdächer.

Der Magistrat veröffentlichte am Ende d. M. die unter dem 23. landesherrlich bestätigte, noch gültige Kornmakler-Ordnung in 14 Paragraphen. Ihr Inhalt ist im Wesentlichen folgender: Die beeidigten Kornmakler, deren Zahl zunächst auf 6 bestimmt ist, sollen denjenigen, welche Korn oder andere Sämereien zum Verkauf bringen, behilflich sein, dass sie einen Käufer finden, ohne dass aber die Verkäufer verbunden sind, sich ihrer Vermittlung zu bedienen. Da die Kornmakler eben nur Vermittler und Unterhändler im Kornhandel sind, so dürfen sie letzteren nicht selbst betreiben. Wenn der Käufer und der Verkäufer es wünschen, so muss ihnen der Makler nach abgeschlossenem Handel einen s. g. Schlusszettel geben, auf welchem sich die Namen der Handelnden, Ort, Zeit, Quantität und Qualität des verkauften Korns, dessen Gewicht, Kaufpreis, Zeit der Lieferung usw. bezeichnet finden. Auch soll er über Alles dies ein genaues Tagebuch führen, welches er auf Erfordern vorlegen muss. Der Maklerlohn beträgt für den Scheffel ½ ßl., von dem der Käufer die eine, der Verkäufer die andere Hälfte zahlt. Die kompetente Behörde ist das Magistratsgericht, das Verfahren bei solchem ein summarisches.

Mit dem 12. Oktober, an welchem Tage das erweiterte Gymnasialgebäude eingeweiht wurde (s. d. J. 1834), fand zugleich die Eröffnung der Bürgerschule in dem neuen Schulgebäude statt. Mit dieser wurde eine Vorbereitungsklasse fürs Gymnasium verbunden. Letzteres wurde deshalb um 2 Klassen verkleinert (statt der bisherigen 7 behielt es nur 5 Klassen: Prima, Secunda, Tertia a und b und Quarta) und gab drei Lehrer an die Bürgerschule ab, von denen dem bisherigen Kollaborator Brasch das Rektorat derselben übertragen wurde.

Seitdem der Sitz der Regierung von dem alten Bischofshofe in das neue Kollegiengebäude verlegt worden, stand ersterer leer. Das Bischofshaus wurde jetzt ausgeräumt und repariert und dann teils zu einer Militär-Speiseanstalt für das von Ludwigslust hierher verlegte Gardebataillon, teils zu militärischen Zwecken für die Artillerie-Administration benutzt. Die alten Ställe nahmen die Wagen, Kanonen und Pferde auf, und neben dem Tore wurde eine Wache errichtet. In diesem Zustande blieb das Gebäude bis zum Jahre 1846.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin