Hafen Hamburg - Geschichte

Die sozialen Verhältnisse im Hamburger Hafen

Autor: Schupp, Johannes Martin (1883-1947), Erscheinungsjahr: 1908
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hamburger Hafen, Gewerkschaft, Hafenarbeiter, Logistik, Elbe, Arbeitsrecht, Hafen Hamburg
Inaugural- Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen philosophischen Fakultät der Königlichen Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vorgelegt von
Einleitung.

Der große Hafenarbeiterstreik im Winter 1896/97 lenkte zum ersten Male die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die Zustände im Hamburger Hafen. Mit Verwunderung nahm man wahr, wie viel tausend rührige Hände nötig sind, um an der großen Handelspforte Deutschlands die Waren hin und her zu schaffen. Man fand, dass hier die Dinge anders lagen, als selbst in den größten Industriegebieten des Binnenlandes. Nicht allein eine Vielheit von Arbeitern ist im Hafen tätig sondern Verschiedenheit und Eigenart der Arbeit haben hier ganz besondere Verhältnisse geschaffen. Schon die Bezeichnung Hafenarbeiter für die an und auf dem Wasser tätigen Leute unterscheidet diese auffallend von anderen Arbeitergruppen, die sich nach dem Gegenstande ihres Berufs in Holz-, Textil-, Metallarbeiter u. s. w. teilen.

Die einzelnen Kategorien der Hafenarbeiter sind aus dem alten Schiffergewerbe entstanden. Wenn früher im alten Hamburg die Schiffe aufkamen und an den Kais vertäut hatten, dann wurden die Waren von der Mannschaft gelöscht. Reichte diese nicht aus, so wurden zur Beihülfe Seeleute, die gegenwärtig ohne Heuer waren, oder andere Arbeitslose herbeigezogen. Lagen die Schiffe im Strom, oder war bei den am Kai liegenden Schiffen die Abnahme der Waren zu Wasser für den Kaufmann günstiger, so nahmen die Flussschiffer die Waren in kleine Fahrzeuge, Schuten genannt, über. In gleicher Weise wurde das Laden der Schiffe besorgt.

Den großen wirtschaftlichen Strömungen des vergangenen Jahrhunderts hielt diese Einrichtung nicht Stand. Der Verkehr am Hafen wurde immer größer, und bald war es ein ebenso lohnender Beruf, an den Kais nach Arbeit auszuschauen, als fern von Heimat und Familie auf fremden Meeren sein Heil zu suchen. Die Scheidung von Arbeitsherr und Arbeiter, die in der hamburgischen Flussschifffahrt oder Ewerführerei schon frühzeitiger stattgefunden hatte infolge des notwendigen Eigentums an offenen und gedeckten Schuten, vollzog sich allmählich bei den Arbeitern am Kai und auf den Schiffen auch. Anfangs vermittelte ein durch Umstände oder Besitz begünstigter Mann nur die Arbeit für die andern und gewann dadurch höheren Verdienst. Aber auch hier entwickelte sich im Laufe der Zeit der Vermittler und Vorarbeiter zum selbständigen Zwischenunternehmer, der vertragsmäßig den Reedern die nötigen Arbeitskräfte zu beschaffen hatte. So entstanden die selbständigen Stauereibetriebe, deren Arbeiterschaft sich unter der Sonderbezeichnung Schauerleute von den Kaiarbeitern schied, welch letztere an den Staatskais zu staatlich angestellten Arbeitern wurden. Längere Zeit hindurch blieb das Arbeitsverhältnis in der Stauerei und der Ewerführerei noch ein patriarchalisches, den Gepflogenheiten der alten Gewerbe folgend, wie an der gebräuchlichen Anredeform „Baas“ für den Arbeitsherrn erkennbar ist. Mit der Ausbreitung sozialdemokratischer Ideen und der Erstarkung der Gewerkschaften und mit dem ungeheuren Wachstum des Großunternehmens andererseits, wurden auch hier die Gegensätze verschärft. Die Zahl der Arbeiter nahm beständig zu, und die Baase wurden bald zu beachtenswerten Unternehmern, die in den Lohnkämpfen im Hafen zu Ende des 19. Jahrhunderts selbst ohne den Schutz des großen Kapitals den Arbeitern nicht waffenlos gegenüber gestanden hätten. Der Verlauf des Hafenarbeiterstreiks von 1896/97 ist infolge dieser mannigfach veränderten Verhältnisse mit Recht ein viel umstrittener wirtschaftlicher Vorgang gewesen. Wie einige Jahre später die Crimmitschauer Weber, so hatten im Februar 1897 die Hamburger Hafenarbeiter sich dem Willen des Kapitals beugen müssen. Dennoch hat dieser Streik die Grundlage für eine Erneuerung des gewerkschaftlichen Lebens der Hafenarbeiter gegeben.

Hamburg Hafenpartie

Hamburg Hafenpartie

01. Row of buildings of the Free Port Warehousing Company

01. Row of buildings of the Free Port Warehousing Company

Hamburg Zollenbruecke 1888

Hamburg Zollenbruecke 1888

Hamburg Brandstwiete 1775

Hamburg Brandstwiete 1775

Hamburg Hafen mit Uferpromenade

Hamburg Hafen mit Uferpromenade