Unüberwachte Arbeit.

Selbst in dem ausgedehntesten Fabrik- oder Bergbetriebe kann der Unternehmer jederzeit über die Leistung seiner Arbeiter persönlich die Kontrolle üben. Das ist im Hafen im weit geringeren Masse der Fall. Die Unternehmer oder Zwischenunternehmer, seien es nun Inhaber von Stauereien oder Ewerführereien oder Kesselreinigungsgeschäften u. s. w. sind in ihrem Bureau tätig. Wenn ihnen Aufträge von ihren Reedereien zugehen, wird der Bescheid den Vizen zur Ausführung übergeben. Dieser wählt die betreffenden Arbeiter aus und schickt sie an den Ort ihrer Bestimmung. Die Arbeiter haben sich an ihrer Arbeitsstelle an Bord des betreffenden Schiffes oder Lagerschuppens dann zu melden. Die Schauerleute leisten ihre Arbeit unter der Leitung eines Vorarbeiters, der als der Erfahrenere die andern anzuweisen hat. Während der Arbeit inspizieren allerdings die Vizen des Stauers, aber bei der Ausdehnung des Hafengebietes und der weiten Verteilung der Arbeiter an allen Kais und Schiffen, ist eine genauere Kontrolle nur schlecht möglich. Auch aus diesem Grunde ist die Schauermannsarbeit bis vor Kurzem fast nur Akkordarbeit gewesen. Die anderen Kategorien der Hafenarbeiter mit Ausnahme der Ewerführer arbeiten in ähnlicher Weise. Diese sind in ihrer Arbeit noch unkontrollierbarer als die Schauerleute. Schon ein verzögertes Eintreffen des Mannes an seiner Arbeitsstelle kann seinem Arbeitgeber einen bedeutenden Schaden verursachen, da eventuell Mann und Schute den halben, ja den ganzen Tag unnütz herum liegen müssen. Bei der Arbeit selbst ist der Ewerführer meistens ohne jegliche Überwachung, Schiff und Ladung muss seiner Ehrlichkeit und Geschicklichkeit anvertraut werden. Hat er seine Arbeit verrichtet, so muss er sich wieder bei seinem Baas am Kontor melden, um gegebenen Falls für eine andere Arbeit verwandt oder auch mit Feierabend beschieden zu werden. Bei allen Angaben über Verlauf und Dauer der Arbeit ist der Arbeitgeber nur auf die gute Gesinnung und die Ehrlichkeit des Arbeiters angewiesen.

Aus der Unüberwachtheit der Hafenarbeit erklären sich auch großen Teils die vielen im Hafen vorkommenden Diebstähle, die wie ein letztvergangener Prozess gezeigt hat, nicht nur gelegentlich, sondern auch nach weitausgedehntem Systeme betrieben werden können.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die sozialen Verhältnisse im Hamburger Hafen