Anerkennung.

Die Gewerkschaft der Hafenarbeiter hat die offizielle Anerkennung als Vertreterin der Arbeiterschaft noch nicht erfechten können. Vielleicht ist sie gegenwärtig diesem Ziele ferner als je. Immer wieder stellt sich als das Grundübel der Wechsel in der Zusammensetzung der Gewerkschaft, allgemeiner gesagt die Fluktuation, heraus. Ohne unbedingte Verfügung über alle Arbeitskräfte im Hafen kann die Gewerkschaft ihren Wünschen nicht den gehörigen Nachdruck verleihen. Am klarsten tritt das zu Tage bei den Unterhandlungen mit den Unternehmern. Im ruhigen Bewusstsein ihrer Macht würde die Gewerkschaft dabei anders vorgehen, als sie es tut. In dem Gefühl der Schwäche verlieren die Vertreter der Arbeiter in dem Hin und Her der Verhandlungen die Besonnenheit. Statt ruhig und sachlich zu unterhandeln wird dem Unternehmer dann „gehörig die Wahrheit gesagt“. Die Folge ist, dass der Unternehmer sich weigert, mit solchen Leuten weiter zu verhandeln. Der offizielle Beamte der Mitgliedschaft ist damit in seiner Haupttätigkeit gelähmt. Er kann ferner nur durch Vordermänner wirken. Bei einer solchen Taktik muss der Unternehmer den Gewerkschaften die Anerkennung versagen. Es wird ihm dies umso leichter, als er die Macht noch in den Händen hat, die Gewerkschaft sie aber erst erringen will. Die Fälle, in denen der Gewerkschaftsbeamte Gelegenheit hat, zu vermitteln oder sonst irgendwie einzugreifen, sind unbedeutend, da es sich dann meistens um einen kleineren Unternehmer und Tarifstreitigkeiten handelt. Dem großen Unternehmer gegenüber ist der Beamte machtlos.

Das alte Hamburger Bürgertum, wie es gerade am Hafengeschäft noch stark beteiligt ist, kann sich überhaupt in die neuere Umgestaltung des wirtschaftlichen Lebens nur schwer hineingewöhnen. Das alte patriarchalische Arbeitsverhältnis gilt ihm als das für beide vorteilhafteste. Es ist weit davon entfernt, sich als das Herrentum zu fühlen. Das Wort „Leben und leben lassen“ könnte hier geprägt sein, es ist die natürliche Denkungsart des alten Hamburgischen Kaufmanns. Was dem Arbeiter gebührt, soll ihm nicht versagt werden. Dass aber der Arbeiter in seinem Betriebe mitzureden haben will, dass er als trotzig Fordernder an ihm herantritt, dass er die Arbeit verweigert, wenn seine Forderungen nicht erfüllt werden, dass er auch „Herr“ sein will in dem Betriebe, das will und kann der Hafenunternehmer nicht verstehen, in einem solchen Begehren sieht er demagogische Umtriebe, die seine wirtschaftliche Existenz zu untergraben drohen. Als die tollste Forderung muss diesem Arbeitgeber die Anerkennung eines dritten unpersönlichen Elements erscheinen, welches immer zwischen ihm und seinen Arbeitern stehen soll. Diese Gegensätzlichkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurde durch die fortdauernden Lohnkämpfe noch vergrößert. Arbeitgeber und Arbeitnehmer rückten immer weiter auseinander. Die Gegensätzlichkeit wurde zur Feindseligkeit. Nach Ansicht der Arbeitgeberschaft des Hamburger Hafens würde nunmehr eine volle Anerkennung der gewerkschaftlichen Organisation der Hafenarbeiter ein Zurückweichen aus ihrer überlegenen Stellung bedeuten. Das wird aber mit aller Macht verhindert.


In scheinbarem Widerspruche zu dieser Auffassung stehen die Lohntarifvereinbarungen, die trotzdem von den einzelnen Mitgliedschaften des Hafenarbeiterverbandes und den Arbeitgebern getroffen worden sind. Die Arbeiter wollen darin einen Weg ihres Strebens um Anerkennung sehen. Bei näherer Betrachtung findet man aber, dass das wenig zutrifft. Man findet, dass die scheinbare Anerkennung nur eine Konzession ist, die die Arbeitgeber den Arbeitern machen, um den Verdienst der laufenden guten Konjunktur durch einen plötzlichen Streik nicht in Frage zu stellen. Von diesem Standpunkte aus erscheint der Tarifvertrag nicht selten direkt als eine Errungenschaft der Arbeitgeber. Wie wenig die prinzipielle Haltung der Arbeitgeberschaft hierin von Arbeiterorganisationen beeinflusst wird, ist aus folgendem zu entnehmen.

Bei irgend welchen Differenzen mit seinen Arbeitern weist der Unternehmer meistens jede Einmischung der Verbandsleitung schroff ab. Er will lediglich mit seinen eigenen Leuten verhandeln. Die eigenen Leute sitzen aber dann in einer argen Falle, Lassen sie ihre Klagen fallen, haben sie den Nachteil, und halten sie sie aufrecht, haben sie erst recht den Nachteil, da der Arbeitgeber sie als unbequeme Elemente jederzeit entlassen kann. Der Arbeiter ist immer in Gefahr seine Stellung zu verlieren, ohne dass der Verein ihm helfen kann. Es ist im Hafen Vorgekommen, dass der Betriebsleiter die Arbeiter zur Bildung einer Kommission veranlasst hat, mit der in Streitfällen zu verhandeln sein sollte. Hatte sich eine solche Kommission gebildet und war mit Beschwerden an die Leitung herangetreten, dann wurden die Wortführer aus der Arbeit entlassen*). Alle der Agitation verdächtigen Arbeiter wurden ohne weiteren Grund aus dem Dienst entlassen. Solch einen strengen Standpunkt können allerdings nur die großen Betriebe einnehmen, da sie die Sperre nicht zu fürchten haben. Die großen Betriebe sind aber die mächtigen und die maßgebenden. Die Furcht gemaßregelt zu werden, wirkt direkt auf die Leitung der Gewerkschaft, da sich gerade die festangestellten, ruhigeren und besonneren Arbeiter scheuen, einen Vorstandsposten anzunehmen**).

*) Protokoll der Kaiarbeiter Mai/Juni 1907.
**) Protokoll der Schauerleute Nov. 1899.

Charakteristisch für die Stellung der Unternehmer ist folgendes. Der Hafenarbeiterverband hatte der Berufsgenossenschaft den Vorschlag gemacht, die Unfallverhütungsvorschriften in Broschürenform herauszugeben und durch den Verband verteilen zu lassen, um dem Arbeiter die nötige Kenntnis der Vorschriften zu ermöglichen. Diesen Vorschlag ersuchte der Verein der Stauer von Hamburg und Altona abzulehnen, mit der Begründung, dass man damit der Organisation eine viel zu große Bedeutung beilege*).

*) Schutzkongress Berlin 1906. Döring.

Keine gewerkschaftliche Agitation dient so sehr dem besonderen Zwecke, den Arbeiterorganisationen die allseitige Anerkennung zu verschaffen, wie die Proklamation der Arbeitsruhe am 1. Mai. Keine Agitation ist im Grunde so verfehlt, wie diese, weil sie nicht zum Kampfe vorbereitet, sondern zum Kampfe ruft. Die Arbeitgeberschaft des Hamburger Hafens hat es an der Antwort nicht fehlen lassen. Seit Jahren werden die Maifeiernden 10 Tage von der Arbeit ausgeschlossen und sind auch dann noch vor einer weiteren Maßregelung nicht sicher. Die Zahl der sich am Streik beteiligenden ist daher immer geringer geworden. Im letzten Jahre war es nur eine kleine Minderheit. Aus den Protokollen geht offensichtlich hervor, dass der Arbeiter selbst, vor allem aber die Führer, in der Maidemonstration nur Nachteile aber keine Vorteile mehr zu finden vermögen.

In allerneuester Zeit hat der Kampf um die Anerkennung der Organisation durch eigenes Verschulden der Verbandsleitung eine schlimme Wendung genommen. Der gegenseitige Druck der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände hatte notwendigerweise zu Konzessionen geführt. Der Klugheit und Geschicklichkeit der Verbandsleitung wäre es überlassen gewesen, auf diesem Grunde weiter zu bauen. Statt dessen zeigten aber die Führer, dass sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren. Sie waren unbesonnen genug einen Vertrag mit den Arbeitgebern, der ihnen unbequem wurde, kurzer Hand zu durchbrechen. Diese Handlungsweise steht im ursächlichen Zusammenhange mit dem Streik der Schauerleute im Frühjahr 1907. in diesem Streik waren die Schauerleute unterlegen, doch wurde ihnen für den 1. Oktober 1907 die Einführung des Schichtwechsels verbunden mit einer 54 % Lohnerhöhung zugesichert. Dagegen musste sich der Hafenarbeiterverband verpflichten:

1. Zum Zusammenarbeiten von Nichtorganisierten, Unterlassung jeder Störung in der Annahme von Kontraktarbeitern.

2. In Zeiten friedlicher Arbeitsverhältnisse im Hamburger Hafen jede Störung des Zuzuges und jede Belästigung der Zuziehenden zu unterlassen.

Der Hafenbetriebsverein übernahm dann die Ausarbeitung des neuen Schichtwechseltarifs, ohne den Hafenarbeiterverband hinzuzuziehen. Diese Übergehung rief im Verbände Erbitterung hervor, doch war man nicht in der Lage, dagegen einschreiten zu können. Demgemäss heißt es in der Resolution vom 30. September 1907: „Die Versammlung erachtet eine solche Änderung des Tarifs für ungerechtfertigt, wie sie überhaupt die einseitige Ausfertigung von Tarifen entschieden verurteilt. Nur aus Zweckmässigkeitsgründen erkennt die Versammlung den vorliegenden Tarif an; grundsätzlich hält sie nur solche Tarife für beide Teile bindend, die von beiden Organisationen als gleichwertige Faktoren abgeschlossen werden“. Was die feindselige Stimmung dieser Resolution vermuten lies, trat ein. Der Verband kam seinen Verpflichtungen nicht nach, sondern warnte schon bald nach Beendigung des Streiks vor Zuzug und agitierte fortgesetzt gegen das Kontraktsystem. Der Hafenbetriebsverein verklagte den Hafenarbeiterverband wegen Kontraktbruches und das Landgericht Hamburg entschied unterm 27. Dez. 1907, dass der Vertrag gültig sei und verurteilte den Hafenarbeiterverband zu einer Geldstrafe von 1500 Mark. Der Verband legte gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht Berufung ein*). Abgesehen von dem weiteren gerichtlichen Verlaufe dieser Angelegenheit, wird der Vertragsbruch für den Hafenarbeiterverband die unangenehmsten Folgen haben, da er offen gezeigt hat, wie wenig ihm an der Ehrlichkeit und Aufrechterhaltung eines Vertrages mit den Arbeitgeberorganisationen gelegen ist. Mag der Verband es getan haben, um in den Augen der Arbeiter sein Ansehen zu wahren, durch diesen Vertragsbruch drängt er selbst das Unternehmertum dazu, eine energische soziale Politik auf Kosten des Hafenarbeiterverbandes zu treiben.

*) Das Urteil ist kürzlich in der Berufungsinstanz bestätigt worden.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die sozialen Verhältnisse im Hamburger Hafen