Zusammenfassung.

Aus allem bisher über die Unternehmer des Hamburger Hafens Gesagten geht deutlich hervor, dass sie in dem langen Kampfe mit der Gewerkschaft von ihrer mächtigen Stellung nichts eingebüßt haben. Sie sind aber auch keinen Schritt weiter vorwärts gekommen zu ihren erstrebten Zielen.

Vereinigt in einer starken Organisation konnten sie den Forderungen der Arbeiter wirksam entgegentreten. Die betriebs- feindliche Tendenz der sozialdemokratischen Gewerkschaften stärkte das Gefühl der eigenen und alleinigen Verantwortlichkeit für die Aufrechterhaltung des Unternehmens. Der von den Gewerkschaften willkürlich konstruierte Gegensatz zwischen Arbeiter und Unternehmer, wurde durch das geschlossene Vorgehen der Arbeitgeber noch schroffer gestaltet. Mit Maßnahmen verschiedener Art wehrte man das Streben der Gewerkschaft ab. Gestützt auf die Übermacht des Kapitals begnügte man sich anfangs mit dem kostspieligen Mittel der Aussperrung. Dies brachte jedoch nur teilweise den gewünschten Erfolg, da man im Laufe der Jahre damit den Maistreik wohl einschränkte, von einer allgemeinen Aussperrung der Hafenarbeiter wegen der damit verbundenen schweren Schädigungen und Kosten aber von vornherein absehen musste. Man bediente sich daher bald eines anderen Machtmittels, des Arbeitsnachweises, um unliebsame Elemente aus den Betrieben fern zu halten. Aber auch die Führung schwarzer Listen und die Maßregelung führten nicht zum Ziel, da die Gewerkschaft sich lebhaft um das weitere Fortkommen des Gemaßregelten bemühte und andrerseits aus dieser Taktik der Unternehmer wertvollen Agitationsstoff sammelte. Mit Übergehung der Hamburgischen Arbeiter suchten die Unternehmer nun fremde deutsche oder ausländische Arbeitswillige besonders in Streikzeiten zu beschaffen. Aber Vorteil und Nachteil hoben sich auf. Wohl gelang es, die Gewerkschaften niederzuwerfen, aber die Kosten waren ungeheuer und der Erfolg kein dauernder, da die notwendig eingestellten Arbeiter sich vielfach als untauglich erwiesen und nicht dauernd im Dienste behalten werden konnten. Als der neueste Versuch, die Macht der Gewerkschaften zu brechen und sich einen gewissen Stamm brauchbarer Arbeiter zu sichern, muss die Einführung des Kontraktsystems und die Gründung von Spar- und Unterstützungskassen gelten. Wenn auch die Erfahrungen, die die Importeure englischer Kohlen mit dem Zwangskassensystem gemacht haben, für den Standpunkt der Arbeitgeber als durchaus gute zu bezeichnen sind, so können doch diese Erfahrungen nicht die Grundlage geben für die Behandlung der gesamten Arbeiterschaft des Hamburger Hafens. Die Zahl der Kohlenschauerleute ist immerhin nur gering (ca. 300 — 400) und auch unter das neue Kontraktsystem des Hafenbetriebsvereins haben sich nur ca. 1.200 Arbeiter gestellt. Eine weitere zwangsweise Ausbreitung des Kontraktsystems, wie es bei den schwarzen Schauerleuten besteht, erscheint bei den weißen unmöglich und würde sicherlich einen allgemeinen Streik im Hafen zur Folge haben, der mit äußerster Erbitterung ausgefochten würde. Dennoch haben die Unternehmer mit dieser neuen Taktik einen Vorteil errungen, sie schwächen die Initiativkraft der Gewerkschaften nicht gering durch die 14tägige Kündigung, zu der die Kassenmitglieder verpflichtet sind. Andernfalls hat bei Vertragsbruch der Unternehmer den Vorteil, sich mit dem einbehaltenen, ihm verfallenden Gelde der Kasse, Arbeitswillige suchen zu können. Bei vorschriftsmäßiger Kündigung der Arbeiter muss ihnen anstandslos ihr Geld ausgezahlt werden, welches einen Streik vortrefflich unterstützen kann *), aber in diesem Falle hat der Unternehmer 14 Tage Zeit, um sich neue Arbeitskräfte zu suchen, die Schlagkraft der Gewerkschaft ist also bedeutend gelähmt.


Aber auch dieser Vorteil bringt die Unternehmer ihrem Ziele nicht näher. Für die Aufrechterhaltung des Friedens ist ihnen keinerlei Garantie geboten, und sie haben weder ein Mittel der Macht noch des Rechts, um den Frieden zu erzwingen. Die einzelnen Verhältnisse haben sich auf beiden Seiten verschoben. Arbeiter- und Unternehmerorganisation sind mächtiger geworden, auf beiden Seiten hat man eine starke Konzentration bewerkstelligt, aber die Stellung beider Mächte zu einander ist unverändert geblieben. Im Hamburger Hafen hat nach wie vor das Kapital die Übermacht behalten.

*) Um welche Summen es sich hierbei handelt, mögen folgende Zahlen ausdrücken. Der gegenwärtige Bestand der Kasse beträgt ca. 66.000 Mk. Wenn jeder der ca. 1.200 Kontraktarbeiter des H. B. V. seine Pflichtige Garantieeinlage von 200 Mk. in der Kasse hat, steht ein Vermögen von 240.000 Mk. zur Verfügung. Ähnlich bei den Kohlenschauerleuten.

Die Betrachtung der sozialen Verhältnisse des Hamburger Hafens hat ein eigenartiges Bild ergeben. Die Arbeit, die im Hafen geleistet wird, ist schwer und gefahrvoll. Der Lohn ist durchweg gut, das Arbeitsverhältnis aber für den Arbeiter ungünstig. Die Einnahmen der Unternehmer aus den Hafenbetrieben sind im allgemeinen hoch. An einer Erleichterung der schweren Arbeit und der Beseitigung der im Hafenbetriebe herrschenden Missstände sind sowohl Arbeiter als Unternehmer interessiert. Der Arbeiter verlangt mit Recht einen ausreichenden Schutz für Leben und Gesundheit, und dem Unternehmer ist daran gelegen, durch gute Arbeitsgelegenheit den Arbeiter länger in Diensten zu halten und an Unkosten für die Unfallversicherung zu sparen. Beiderseits wird aber die Abstellung der Missstände nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit verfolgt. Den Arbeitern macht die tägliche Umgebung von Gefahren gleichgültig dagegen, und der Unternehmer, der mit den internen Verhältnissen des Hafens häufig unbekannt ist, findet anders keinen Anlass zum Einschreiten, als auf Verfügung der Hafeninspektion hin oder wiederholter Klagen aus der Arbeiterschaft.

Der Lohn der Arbeiter ist erst nach dem Streik von 1896/97 beständig gestiegen, entsprechend dem Anwachsen der Kapitalmacht im Hamburger Hafen. Die Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung sind keine Errungenschaften gewerkschaftlicher Forderungen und Streiks, sondern sie sind den Arbeitern von der dauernd günstigen Konjunktur bewilligt worden.

Arbeiter- und Unternehmerorganisationen des Hamburger Hafens stehen nicht auf dem Boden des Tarifvertrages. Das Arbeitsverhältnis wird vielmehr einseitig vom Arbeitgeber geregelt. Doch ist keine der beiden Organisationen ihrem Ziele näher gekommen. Der Gewerkschaft wird die Anerkennung versagt, und den Unternehmern fehlt trotz aller Bemühungen ein zuverlässiger Arbeiterstamm. Den Unternehmern sichert das Kapital ihre Übermacht. Geringe Schwankungen werden durch den Wechsel der Konjunktur hervorgerufen und ausgeglichen.

Die günstige Konjunktur unterstützt den Arbeiter, die ungünstige den Unternehmer. Dieser Wechsel wiederholt sich fortwährend und ist der Nationalökonomie seit langem in der besonderen Form des „ehernen Lohngesetzes“ bekannt.

Das Ringen zwischen Gewerkschaft und Unternehmerorganisation ist im Hamburger Hafen noch lange nicht zum Stillstand gekommen; es hat der erforderliche Ausgleich der Kräfte noch nicht stattgefunden. Der Kampf wird also von beiden Seiten unermüdlich fortgesetzt, bis die Gleichberechtigung der wirtschaftlichen Interessen einst ihren Ausdruck in Tarifverträgen finden wird.

Allem Anscheine nach wird dieser Ausgleich das Ende eines gewaltigen Kampfes sein. Auf beiden Seiten haben sich mächtige Gruppen selbst über die Landesgrenzen hinaus zusammengeschlossen. Auf gewerkschaftlicher Seite trat am 1. April 1905 ein großes Kartell zusammen, bestehend aus dem Seemannsverband, dem Eisenbahnerverband, dem Verbände der Maschinisten, Heizer und verwandter Berufsgenossen, dem Zentralverbande der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter und dem Verbände der Hafenarbeiter und verwandter Berufsgenossen. Dieses umfangreiche Kartell ist seinerseits der Internationalen Transportarbeiter - Federation angeschlossen. Dem gegenüber steht auf Seiten der Unternehmer der Arbeitgeberverband Unterelbe, der wiederum gestützt wird von der „Hauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbände“ und dem „Verein Deutscher Arbeitgeberverbände“, die seit Dezember 1904 in allen wichtigen Fragen gemeinsam operieren. Eine weitere Konzentrierung der Arbeitgeberorganisationen fand am 6. Februar 1907 mit der Gründung des Zentralverbandes Deutscher Reeder statt. Auch die Arbeitgeberorganisationen überschreiten die nationalen Grenzen mit dem Anschluss an die „International Shipping Federation“.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die sozialen Verhältnisse im Hamburger Hafen