Ungelernte Arbeit.

Die Hafenarbeit ist fast ausschliesslich ungelernte Arbeit. Das ist aber nicht von jeher so gewesen. Früher rekrutierte sich die Hafenarbeiterschaft größten Teils aus ehemaligen Seeleuten. Neben dem Berufe der Schiffer und Segelmacher gilt eigentlich auch heute noch von der Ewerführerei, dass es ein gelerntes Gewerbe sei. Aber selbst der Ewerführer, die für Hamburg charakteristische Art des Hafenschiffers, ist selten mehr ein Gelernter. Mit der Einführung des Schleppbetriebes hat in verhältnismäßig kurzer Zeit im Hafen der Handbetrieb bei der Fortbewegung der Schuten fast ganz aufgehört und hat sich beschränkt auf die Nebenflüsse Alster und Bille und auf die Fleete. Mit dem Aufhören des Handbetriebes wurde die spezifische Sonderheit des Ewerführers immer verwischter und schließlich blieb nichts als eine mehr oder weniger leicht zu erlernende Geschicklichkeit für die Ausübung dieses Berufes übrig. Die andern Zweige der Hafenarbeit kommen als Schiffergewerbe kaum mehr in Betracht. Die sogenannten gelernten oder befahrenen Arbeiter haben entweder eine vierjährige Lehrzeit bei einem Ewerführerbaas durchgemacht oder haben ehemals als Seemann gefahren. Die Anzahl der aus beiden Berufen hervorgegangenen Hafenarbeiter ist gering und kann den Bedarf nicht im Entferntesten decken. Auch würde die Anzahl gelernter Arbeiter dadurch nicht größer werden, da mit dem ungeheuren Wachsen der Dampferflotte und dem raschen Rückgange der Zahl der Segelschiffe die spezielle Ausbildung des Seemannes immer weniger erforderlich geworden ist und die Seeleute großen Teils durch eine Art Seearbeiter ersetzt worden sind*).
*) Dieser Vorgang ist fraglos sehr bedenklich für eine schifffahrttreibende Bevölkerung. Wie weit diese Kalamität schon gegenwärtig geht, kann man daraus ersehen, dass in interessierten Kreisen ernstlich erwogen wird, wie der seemännische Nachwuchs künftig beschafft werden soll. Vergl. auch Hahn, im Arbeiterfreund- Die Zahl der seefahr. Bevölkerung.

Die Arbeit, die zu leisten ist, verlangt aber auch gar keine besonders gelernten Arbeiter. Wohl hat jeder ältere Schauermann oder Kaiarbeiter eine größere Gewandtheit im Angreifen der Arbeit, als der Neuling, aber diese durch Übung gewonnene Überlegenheit ist der Art der Arbeit nach durch eine Lehrzeit nicht zu erwerben. Diese Arbeit erfordert kräftige widerstandsfähige Leute, es ist keine Beschäftigung für unausgewachsene junge oder steife alte Leute. Das kräftigste Mannesalter wird hier gebraucht Eine Gelegenheit zum Anlernen von Lehrlingen gibt es nicht, unbekümmert um den eigentlichen Beruf finden Arbeiter aller Art im Hafenbetriebe ihr Brot wenn ihre körperliche Beschaffenheit es zugibt. Doch ist die Arbeit auch ungelernte Arbeit, so ist sie doch nicht gleichmäßig und maschinell. Es will im Gegenteil jede Arbeit besonders verstanden sein. Ewerführer und Segelmacher oder Baggerer und Kesselreiniger haben in ihrer Arbeit nichts miteinander gemein und würden sich auch kaum gegenseitig ersetzen können. Geschicklichkeit und Gewohnheit der einen Arbeit ist nicht ohne weiteres auf die andere übertragbar.


Die ungelernte aber gut bezahlte Hafenarbeit hat den großen Nachteil, dass sie schiffbrüchige Existenzen aus allen Berufen in sich hineinzieht. Diese schiffbrüchigen Elemente können weder der Arbeiterschaft noch den Arbeitgebern angenehm sein. Sie sind keine Stütze der gewerkschaftlichen Organisation und sind auch nicht geeignet, für eine ruhige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses im Hafen beizutragen. In sehr vielen Fällen helfen sie nur das Lumpenproletariat im Hafen zu vergrößern.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die sozialen Verhältnisse im Hamburger Hafen