Hamburg-Amerika-Linie.

Von allen Großbetrieben des Hamburger Hafens ist die Hamburg - Amerika - Linie durch den gewaltigen umfang des Unternehmens am meisten daran interessiert, dass der wirtschaftliche Friede im Hafen nicht gestört wird. Durch Verhandlungen mit den freien Gewerkschaften der Seeleute und der Hafenarbeiter, die selbst einen offenen Vertragsbruch nicht scheuten, war eine dauernde Einigung nicht zu erzielen. Da man die Unmöglichkeit sah, sich in den freigewerkschaftlich organisierten Arbeitern einen zuverlässigen Arbeiterstamm heran- zuziehen, schloss man deren Führer schließlich prinzipiell von den Verhandlungen aus. Fortan unterhandelte man nur mit eigenen Leuten und, um eine nähere Fühlung mit ihnen zu behalten, schritt man zur Gründung von Kassen- und Wohlfahrtseinrichtungen, deren erste im Frühjahr 1907 ins Leben trat. Die Hamburg -Amerika -Linie trat damit als das erste Grossunternehmen des Hafens für eine praktische sozialpolitische Betätigung ein und gab mit diesem Vorgehen eine Anregung, welche auf die übrigen Unternehmer nicht ohne Einfluss bleiben wird.

Die Art dieser Betätigung wird in Anbetracht mustergültiger Einrichtungen wie bei Karl Zeiss in Jena oder etwa der Torpedowerft in Kiel vielleicht engherzig erscheinen, doch sind zwei Momente nicht zu vergessen, die auf das Vorgehen der Linie bestimmend einwirken mussten. Erstens stehen die Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Hamburger Hafens nicht auf dem Boden des Tarifvertrages, weshalb eine völlige Unabhängigkeit der Einrichtungen undurchführbar ist. Zweitens verändert der Wechsel der Nachfrage nach Arbeitskräften und die damit verbundene Fluktuation dauernd den Bestand der Arbeiterschaft des Unternehmers, wodurch dieser selbst gezwungen wird, für die Erhaltung der Einrichtungen Sorge zu tragen. Hinzuzufügen ist, dass die Hafenarbeiter ungelernte Arbeiter sind, die man im allgemeinen mit Recht als minderqualifizierte Arbeiter bezeichnen kann, und dass nicht zuletzt die ganzen sozialpolitischen Maßnahmen der Linie in den eigenartigen Verhältnissen des Hafens absolut neu sind. Die erste Aufgabe dieser Maßnahmen war, das Los des angestrengt tätigen Arbeiters zu erleichtern und darüber hinaus für ihn und seine Familie in allen Fällen der Not zu sorgen.


Zu dem letztgenannten Zwecke bestehen innerhalb des Betriebes der Linie für die Arbeiter drei Kassen, die Hilfskasse, die Invalidenkasse und der Klub Amerika.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die sozialen Verhältnisse im Hamburger Hafen