Gelbe Gewerkschaft.

Innerhalb der Arbeiterschaft des Hamburger Hafens ist keine bedeutendere gewerkschaftliche Bewegung der gelben Richtung aufgekommen. Einzelne Arbeiterkassen oder Vereine, wie z. B. bei der Hamburg-Amerika-Linie der Klub Amerika, der Vorarbeiterklub und der Vizenklub schließen eine Zugehörigkeit zum Hafenarbeiterverbande wohl aus, doch gehören sie ebensowenig der gelben Gewerkschaft an. Ebenso belanglos ist die Anhängerschaft des Bundes vaterländischer Arbeiter.

Dass die Gelbe Bewegung in Hamburg so wenig Boden gewinnt, liegt nicht allein an dem Widerstände der sozial-demokratischen Organisation und dem von ihr geübten Terrorismus, Die Hamburgischen Arbeitgeber, die ja fast durchweg die Arbeiterschaft durch den Besitz des Arbeitsnachweises beherrschen, fürchten, aus ihrer Position heraustreten zu müssen, wenn sie mit den „unternehmerfreundlichen Arbeitern“ Verträge abschließen sollen. Es wird als lästig empfunden, dass man den gelben Arbeitern nicht mit derselben Unnahbarkeit begegnen kann, wie den roten. Sie sind nicht geneigt, auch nur den kleinsten Teil ihrer Macht durch andere Handhabung des Arbeitsnachweises sich nehmen zu lassen, oder gar bei Streitigkeiten mit den Arbeitern sich einem gemeinsamen Schiedsgericht zu unterwerfen. Die Unannehmlichkeiten, die man hier fürchtet, werden auf der anderen Seite durch keine Vorteile ausgeglichen. Einmal ist die Zahl der gelben Arbeiter nur gering, eine Vollbesetzung des Betriebes damit also ausgeschlossen. Andererseits führt die Einstellung und Begünstigung der Gelben zu Streitigkeiten unter der Arbeiterschaft, die dem ordnungsgemäßen Gange des Betriebes schon schädlich sein können. Der Hamburger Arbeitgeber, der die Macht nun einmal in den Händen hat, fährt daher immer besser, wenn er freigewerkschaftlich organisierte Arbeiter einstellt, über die er dem Interesse des Betriebes gemäss verfügen kann, ohne eine Einrede dulden zu brauchen. Die Klagen der gelben Gewerkschaften, dass sie das billigerweise zu erwartende Entgegenkommen der Unternehmer in Hamburg häufig nicht fänden, sind daher vollauf gerechtfertigt. Einen wirklich festeren Bestand hat die gelbe Gewerkschaft eigentlich nur da, wo sie aus dem Zusammenschluss der Arbeiter eines Betriebes entstanden ist.


Seit Anfang dieses Jahres ist unter den Seeleuten eine kleine gelbgewerkschaftliche Bewegung aufgekommen. Wenn die Seeleute auch eigentlich in den Rahmen dieser Abhandlung nicht hineingehören, so ist dieser Bewegung doch Erwähnung zu tun, da sie von gewissem Einflüsse auf die Hafenarbeiterschaft ist und von Seiten der Gewerkschaft trotz allen Leugnens genau beobachtet wird.

Die Vereinigung seemännischer Berufsvereine wurde am 7. Februar 1908 gegründet und setzt sich zusammen aus vier Vereinen:

1) dem Verein Hamburger Oberstewards und Stewards,
2) dem Verein seefahrender Köche,
3) dem Verein der Boots- und Zimmerleute, und
4) dem Verein der Matrosen.

Die Mitgliederzahl der seemännischen Vereinigung ist nur gering und beträgt ca. 300 Mann. Als gemeinsames Organ für die Vertretung der Interessen der Vereinigung ist „Der Seefahrer“, das bisherige Blatt der Bootsleute und Matrosen angenommen worden. Durch dieses Blatt, wie durch das offizielle Organ der gelben Gewerkschaft „Der Bund“ gewinnt die Bewegung auch mit den weiteren Kreisen der Arbeiterschaft Fühlung und kann ihre Ideen dorthin übermitteln.

Laut § 1 des Statuts ist der Zweck der Vereinigung ein gemeinsames Vorgehen aller seemännischen Berufsvereine in der Vertretung ihrer Interessen mit gleichzeitiger Wahrung der berechtigten Interessen der Reeder. Im Sinne dieser grundlegenden Bestimmung ist festgesetzt, dass keine Versammlung beschlussfähig sein soll, in der nicht ein Vertreter des Vereins Hamburger Reeder anwesend ist. Seine Mitwirkung bei den gefassten Beschlüssen ist dadurch sicher gestellt, dass ihm auf seinen Antrag jederzeit das Wort erteilt werden muss, und dass er bei Beschlussfassung gleichberechtigt mit den übrigen Vertretern ist. (§ 2). Die Führung der Geschäfte und Versammlungsleitung liegen in den Händen eines von den Vertretern der einzelnen Berufsvereine gewählten Geschäftsführers und eines Stellvertreters. Mit Zustimmung der Jahresversammlung beruft der Geschäftsführer einen Kassen- und einen Schriftführer, sowie deren Stellvertreter. Alle Ämter sind Ehrenämter, entstehende Auslagen werden vergütet. Zur Bestreitung der Ausgaben zahlen die angeschlossenen Vereine pro Kopf ihrer Mitglieder monatlich 10 Pfg. Bei der Abstimmung in den Versammlungen hat jeder angeschlossene Verein eine Stimme, der Vertreter des Vereins Hamburger Reeder zwei.

Nach den bisherigen Erfahrungen wird diese kleine gelbe Gewerkschaft kaum zu Nachahmungen in anderen Berufszweigen des Hafenbetriebes führen. Trotz der Protektion des Vereins Hamburger Reeder und besonders der Hamburg Amerika-Linie ist der Bestand der Vereinigung seit seiner Gründung eher rückwärts als vorwärts gegangen. Ein weiterer Erfolg der Unternehmer des Hamburger Hafens auf diesem Wege ist wohl kaum zu erwarten, da selbst die gegenwärtig herrschende flauere Zeit keinen Zufluss an Mitgliedern gebracht hat.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die sozialen Verhältnisse im Hamburger Hafen