Kuhwärder.

Einem langgefühlten Bedürfnisse entsprechend hat die Linie bei dem Bau der neuen Kuhwärderhäfen verschiedene gute Einrichtungen getroffen, um den Arbeitern angenehme Unterkunftsräume für die Essenspausen zu bieten und ihrer schweren Tätigkeit eine Erleichterung zu schaffen. Jedem der großen Lagerschuppen am Kai ist ein Anbau angefügt, in dem sich die Aufenthaltsräume für die Arbeiter befinden. Bei der Verteilung der Räume hat man darauf gesehen, möglichst die Arbeiter derselben Gehaltsstufe zusammenzuhalten. So haben z. B. die Vorarbeiter, die festen Arbeiter, die Gelegenheitsarbeiter usw. ihre eigenen Räume. Die Zimmer sind einfach und zweckentsprechend eingerichtet. Tisch und Bänke sind aus Holz und von bequemer Breite. Rings um die Wände läuft ein Holzbord, auf den die Arbeiter ihr Geschirr legen können und darunter ist ein Haken angebracht zum Aufhängen des Zeuges. Im Winter sorgt ein großer Kachelofen für die nötige Wärme. In der einen Ecke befindet sich ein geräumiger Gasofen, in dem die Arbeiter ihr mitgebrachtes Essen aufwärmen, resp. warmhalten können, im Keller des Gebäudes befindet sich ein Waschraum, der im Winter allerdings wenig benutzt wird, da keine Warmwasserleitung vorhanden ist. Handtuch und Seife können nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, nachdem sich eine allzu häufige Neuanschaffung als notwendig gezeigt hat. Die Aufsicht über diese Räume führt ein alter Mann oder ein Invalide. Er hat für Reinhaltung der Räume zu sorgen und muss sie während der Arbeitszeit verschlossen halten, um Diebstähle zu verhindern.

Seit Dezember 1906 hat die Linie auch eine Kaffee- und Teeküche im Kuhwärderhafen eingerichtet, in der die Arbeiter 1/2 Liter Tee für 2 Pfg. und 1/2 Liter Kaffee für 3 Pfg. erhalten können. Dem Gebrauche im Hafen gemäss und um die Folgen des Sauerwerdens zu vermeiden, wird keine Milch hinzugetan, wohl aber ist Zucker hinzugesetzt. Der Verbrauch von Kaffee und Tee steht etwa im Verhältnis von 2 zu 1. Die Frequenz der Küche ist zeitweilig eine außerordentlich große und bewegt sich auch im Durchschnitt auf fester Höhe. Die Einrichtung hat sich jedenfalls in jeder Hinsicht bewährt. Die Küche kann sich aus eigenen Mitteln nicht erhalten, daher muss die Linie einen Zuschuss leisten von ungefähr 1/3 der Kosten.


Während der Zeit des letzten Schauermannsstreiks wurde die Küche einem neuen Zwecke dienlich gemacht. Es wurden große Kochkessel hineingebaut, in denen für die fremden Arbeitswilligen das Essen gekocht wurde. Zu dieser Bestimmung wird auch bei allen künftigen Streikfällen die Küche bereit sein.

Die Hamburg - Amerika - Linie beabsichtigt ihre sozial-politische Wirksamkeit in den angefangenen Bahnen fortzuführen. Es ist zunächst der Bau von Arbeiterwohnungen geplant, doch ist das Unternehmen nicht als Arbeiterbauverein gedacht, sondern die Linie will Eigentümerin der Häuser bleiben. Man ist im Direktorium der sozialpolitischen Abteilung der Meinung, dass es auch so an Arbeitern, die in billiger, fester Miete wohnen möchten, nicht fehlen würde. Bei den wirtschaftlichen Verhältnissen des Hafens ist diese Zuversicht gerechtfertigt. Diejenigen Arbeiter, die als Kontraktarbeiter oder aus irgend einem anderen Grunde dem sozialdemokratischen Hafenarbeiterverband nicht angehören, werden es sicher als eine Erleichterung ihrer täglich bedrohten Sonderstellung ansehen, wenn sie nicht gezwungen sind, in ihren Wohnungen sich den Belästigungen seitens organisierter Arbeiter auszusetzen. In dieser Hinsicht ist die Gründung einer solchen Arbeiterkolonie für die wirtschaftlichen Verhältnisse des Hamburger Hafens interessant. Jedenfalls wird auch dieser Versuch zur Entscheidung im Kampfe der Gewerkschaften und der Unternehmer beitragen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die sozialen Verhältnisse im Hamburger Hafen