Gesundheit und Erziehung 1908
Zeitschrift für Schulgesundheitspflege. Band 21. 1908
Autor: Kotelmann, Dr. L. / Erismann Fr. Dr. / Stephani Dr. u. A., Erscheinungsjahr: 1908
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Schule, Erziehung, Schulspeisung, Schulunterricht, Gesundheitspflege, Aufklärung
Strafverzeichnisse über körperliche Züchtigungen der Schulkinder müssen, einer preußischen Ministerial Verfügung zufolge, fortan in den Schulen geführt werden und zwar für jede Klasse eins. Es ist dafür ein Formular mit acht Spalten vorgeschrieben, in die folgendes eingetragen werden muss: Laufende Nummer, Tag der Züchtigung, Name und Alter des Kindes, Begründung der Züchtigung, Angabe der vorher vergeblich angewandten Zuchtmittel, Name der züchtigenden Lehrperson, Bescheinigung des Schulaufsichtsbeamten (Rektors). Diese Neuerung wird von den Bezirksregierungen noch mit einer strengen Anweisung an die Lehrer begleitet, welche in der Hauptsache folgendermaßen lautet:
„Wegen der großen Wichtigkeit, die dem Strafverzeichnis als Beweismittel bei etwaigen gerichtlichen Untersuchungen wegen Überschreitung des Züchtigungsrechts zukommt, machen wir den Lehrpersonen in ihrem eigenen Interesse Vollständigkeit und Genauigkeit in den Angaben, namentlich auch bezüglich des Maßes der Züchtigung (Zahl der Schläge), zur strengsten Pflicht. Jede Unterlassung in dieser Hinsicht werden wir, sobald sie zu unserer Kenntnis gelangt, für die Folge mit empfindlichen Disziplinarstrafen ahnden.“
„Wegen der großen Wichtigkeit, die dem Strafverzeichnis als Beweismittel bei etwaigen gerichtlichen Untersuchungen wegen Überschreitung des Züchtigungsrechts zukommt, machen wir den Lehrpersonen in ihrem eigenen Interesse Vollständigkeit und Genauigkeit in den Angaben, namentlich auch bezüglich des Maßes der Züchtigung (Zahl der Schläge), zur strengsten Pflicht. Jede Unterlassung in dieser Hinsicht werden wir, sobald sie zu unserer Kenntnis gelangt, für die Folge mit empfindlichen Disziplinarstrafen ahnden.“
Inhaltsverzeichnis
- Die Aufgabe der Schule im Kampfe gegen den Alkoholismus
- Strafverzeichnisse über körperliche Züchtigungen der Schulkinder
- Über die Mietsschulmisere in Berlin
- Die Einführung des obligatorischen Spielnachmittags
- Die Verwendung von Schulkindern bei landwirtschaftlichen Arbeiten
- Erziehung auf gymnastischer Grundlage
- Schulhygiene in Mecklenburg-Schwerin
- Formulare für Mitteilungen an die Eltern über Schulausflüge
- Verschiedener Turnstoff für die Knaben- und Mädchenschule notwendig?
- Das Züchtigungsrecht in den Schulen
- Zur Frage der werktätigen Erziehung der Jugend
- Eine Kürzung der Lektionen
- Gegen die Nachhilfestunden
- Eine erhebliche Vermehrung der städtischen Spielplätze für die Gemeindeschüler
- Freiluftschulen (Waldschulen) in London
- Ausbildungskursus im Volks- und Jugendspiel in Rixdorf
- Sexuelle Aufklärung in den hessischen Schulen
- Schulkinderspeisung
- Hungernde Schulkinder in Berlin
- Wormser Kindererholungsheim
- Gegen die Zensur im Aufsatzunterricht
- Fürsorge für die Schuljugend während der Sommerferien in Basel
- Über die körperliche Erziehung der schulentlassenen Jugend
- Parkanlagen und Kinderschutz in Berlin
- Über die Hilfsschulen in Preußen
- Ein warmes Frühstück
- Städtische Walderholungsstätte in Berlin
- Städtische Eisbahnen für Kinder
- Einrichtung der Suppenbeköstigung auswärtiger Schulkinder
- Die psychologischen Grundlagen der sexuellen Belehrung
- Die sexuelle Frage und die Volksschule
- Ein Stotterheilkursus für arme Landkinder im Kreise Worms
- Das tägliche Zehnminutenturnen
- Über den körperlichen Zustand von Proletarierschulkindern
- Ein Korsettverbot
- Über die Hausarbeiten an den Mittelschulen
- Über die Hygiene der Mädchenerziehung
- Milchkolonien in Sachsen
- Speisung der Schulkinder Münchens
- Milch und Bewegungsspiele in Leipziger Volksschulen
- Die Turnpause
- Über die Speisung von Schulkindern
- Milchabgabe an Schüler
- Missbrauch der Sexualpädagogik
- Speisung bedürftiger Schulkinder in Berlin
- Ein Ambulatorium für Sprachstörungen
- Speisung bedürftiger Berliner Schulkinder
- Eisbahnen in der Umgegend Berlins
- Ausgabe von Milch als Frühstücksgetränk in Hamburg
- Beseitigung der Prüfungen in den Mittelschulen Russlands
- Bericht über die Tätigkeit der Schulärzte in Magdeburg im Schuljahre 1906/07.
- Die körperliche Züchtigung der Schulkinder
Die Aufgabe der Schule im Kampfe gegen den Alkoholismus
Vortrag von Prof. Dr. Habtmann-Leipzig auf dem XI. Internat. Kongress gegen den Alkoholismus in Stockholm.
Nach einer Mitteilung der „Mediz. Blätter“ führte der Referent folgendes aus:
Angesichts der Tatsache, dass der Alkoholgenuss der Jugend heute eine weitverbreitete Erscheinung ist, deren körperliche, geistige und sittliche Schädlichkeit außer jedem Zweifel steht, ist es eine unabweisbare, schon jetzt zu erfüllende Forderung, dass alle Schulen, die es mit dem eigentlichen Kindesalter zu tun haben, den Grundsatz der alkoholfreien Jugenderziehung rückhaltlos anerkennen und zielbewusst danach handeln. Eine Schule, die diese Forderung ablehnt, verstößt gegen die besten Interessen der ihr anvertrauten Jugend und gerät in Widerspruch mit dem Wesen ihrer eigenen Aufgabe. Daher haben die Schulen, auch wo noch kein Antialkohol-Unterricht besteht, mit allen ihren zu Gebote stehenden Mitteln dafür zu wirken, dass die Familien der von ihnen unterrichteten Kinder den genannten Grundsatz annehmen und praktisch durchführen. Nur dann aber kann dies gelingen, wenn die Lehrerschaft in Würdigung der erzieherischen Macht des Beispiels überall da, wo es angezeigt ist, in eine gewissenhafte Prüfung ihrer Lebensgewohnheiten nach der Seite des Trinkens eintritt. Das allerbeste Beispiel, dass die Lehrer der Jugend hier geben können, ist zweifellos das der persönlichen Abstinenz, und dieser Gedanke hat schon in verschiedenen Ländern zur Begründung abstinenter Lehrervereine geführt, zuletzt zu der des Vereins abstinenter Philologen deutscher Zunge. Einen tieferen erzieherischen Wert aber hat die Abstinenz der Lehrer nur dann, wenn sie eine Art freier sittlicher Überzeugung ist; sie kann daher niemandem von außen auferlegt werden. Pflicht ist es aber auch für nichtabstinente Lehrer, insbesondere für alle Schulleiter, nichts zu tun oder zu sagen, was die im Interesse der Zukunft unserer Rasse unbedingt zu erstrebende Ausbreitung des Abstinenzgedankens bei der Jugend in irgendwelchem Sinne unterbinden kann. Abstinente Lehrer andererseits haben ihren Standpunkt mit Besonnenheit und Takt zu vertreten und werden Konflikte mit dem Elternhause am ehesten dann vermeiden, wenn sie sich darauf beschränken, die Notwendigkeit der Jugendabstinenz zu betonen, dagegen die Freiheit ihrer Schüler anzuerkennen, sich als Erwachsene weder für Abstinenz noch für strenge Mäßigkeit zu entscheiden. Was die Altersgrenze für die alkoholfreie Jugenderziehung anlangt, so hat sie sich, besonders aus physiologischen Gründen, nicht nur auf das eigentliche Kindesalter zu erstrecken, sondern auf die ganze Zeit bis zum Abschluss der körperlichen Reife, so dass also auch die oberen Klassen der höheren Schulen unter Geltungsbereich der Alkoholfreiheit zu fallen haben. Doch ist die letztgenannte Reform nur allmählich durchzuführen in dem Maße, wie die von unten an alkoholfrei erzogenen Altersklassen stufenweise nach oben steigen. Kommt noch dazu, zum mindesten in den letzten Jahren des Kindesalters, eine wirksame unterrichtliche Belehrung der Jugend über die Gefahren des Alkoholgenusses, so steht zu hoffen, dass auch die dem eigentlichen Kindesalter entwachsenen jungen Leute während der Zeit ihrer körperlichen Entwicklung aus Überzeugung auf alkoholische Getränke verzichten und diesen Verzicht als eine Ehrenpflicht gegen sich selbst wie gegen ihr Vaterland betrachten lernen.
Vortrag von Prof. Dr. Habtmann-Leipzig auf dem XI. Internat. Kongress gegen den Alkoholismus in Stockholm.
Nach einer Mitteilung der „Mediz. Blätter“ führte der Referent folgendes aus:
Angesichts der Tatsache, dass der Alkoholgenuss der Jugend heute eine weitverbreitete Erscheinung ist, deren körperliche, geistige und sittliche Schädlichkeit außer jedem Zweifel steht, ist es eine unabweisbare, schon jetzt zu erfüllende Forderung, dass alle Schulen, die es mit dem eigentlichen Kindesalter zu tun haben, den Grundsatz der alkoholfreien Jugenderziehung rückhaltlos anerkennen und zielbewusst danach handeln. Eine Schule, die diese Forderung ablehnt, verstößt gegen die besten Interessen der ihr anvertrauten Jugend und gerät in Widerspruch mit dem Wesen ihrer eigenen Aufgabe. Daher haben die Schulen, auch wo noch kein Antialkohol-Unterricht besteht, mit allen ihren zu Gebote stehenden Mitteln dafür zu wirken, dass die Familien der von ihnen unterrichteten Kinder den genannten Grundsatz annehmen und praktisch durchführen. Nur dann aber kann dies gelingen, wenn die Lehrerschaft in Würdigung der erzieherischen Macht des Beispiels überall da, wo es angezeigt ist, in eine gewissenhafte Prüfung ihrer Lebensgewohnheiten nach der Seite des Trinkens eintritt. Das allerbeste Beispiel, dass die Lehrer der Jugend hier geben können, ist zweifellos das der persönlichen Abstinenz, und dieser Gedanke hat schon in verschiedenen Ländern zur Begründung abstinenter Lehrervereine geführt, zuletzt zu der des Vereins abstinenter Philologen deutscher Zunge. Einen tieferen erzieherischen Wert aber hat die Abstinenz der Lehrer nur dann, wenn sie eine Art freier sittlicher Überzeugung ist; sie kann daher niemandem von außen auferlegt werden. Pflicht ist es aber auch für nichtabstinente Lehrer, insbesondere für alle Schulleiter, nichts zu tun oder zu sagen, was die im Interesse der Zukunft unserer Rasse unbedingt zu erstrebende Ausbreitung des Abstinenzgedankens bei der Jugend in irgendwelchem Sinne unterbinden kann. Abstinente Lehrer andererseits haben ihren Standpunkt mit Besonnenheit und Takt zu vertreten und werden Konflikte mit dem Elternhause am ehesten dann vermeiden, wenn sie sich darauf beschränken, die Notwendigkeit der Jugendabstinenz zu betonen, dagegen die Freiheit ihrer Schüler anzuerkennen, sich als Erwachsene weder für Abstinenz noch für strenge Mäßigkeit zu entscheiden. Was die Altersgrenze für die alkoholfreie Jugenderziehung anlangt, so hat sie sich, besonders aus physiologischen Gründen, nicht nur auf das eigentliche Kindesalter zu erstrecken, sondern auf die ganze Zeit bis zum Abschluss der körperlichen Reife, so dass also auch die oberen Klassen der höheren Schulen unter Geltungsbereich der Alkoholfreiheit zu fallen haben. Doch ist die letztgenannte Reform nur allmählich durchzuführen in dem Maße, wie die von unten an alkoholfrei erzogenen Altersklassen stufenweise nach oben steigen. Kommt noch dazu, zum mindesten in den letzten Jahren des Kindesalters, eine wirksame unterrichtliche Belehrung der Jugend über die Gefahren des Alkoholgenusses, so steht zu hoffen, dass auch die dem eigentlichen Kindesalter entwachsenen jungen Leute während der Zeit ihrer körperlichen Entwicklung aus Überzeugung auf alkoholische Getränke verzichten und diesen Verzicht als eine Ehrenpflicht gegen sich selbst wie gegen ihr Vaterland betrachten lernen.