Ein Korsettverbot

Ein Korsettverbot. Wie die Tagesblätter melden, verlangt das Sächsische Kultusministerium für den Turnunterricht die gänzliche Beseitigung des Korsette und dafür die Einführung einer zweckmäßigen Turnkleidung. Das Ministerium begründet seinen an die Bezirksschulinspektionen gerichteten Erlass mit einem Gutachten des Landesmedizinalkollegiums. In diesem wird betont, dass das Korsett schon bei ruhiger Körperhaltung und gewöhnlichen Körperübungen einen schädlichen Einfluss auf die Gesundheit ausübe, dass sich dieser aber ganz besonders bei den Turnübungen geltend mache und zu tiefgreifenden Störungen des jugendlichen Körpers führen könne. Als ein geeignetes Turnkleid wird dann ein nach Matrosenform gefertigter Anzug empfohlen, der nicht nur als Schulkleid, sondern auch als Haus- und Straßenkleid benutzt werden könne.

Es möge bei dieser Gelegenheit daran erinnert werden, dass auch der ehemalige preußische Unterrichtsminister v. Studt in einem Erlass an sämtliche Regierungen vom Jahre 1905 dasselbe forderte. Es heißt in diesem Erlasse u. a.: „Unter Bezugnahme auf die in den Lehrplänen vom 31. Mai 1894 über den Anzug der Schülerinnen gegebene Anordnung weise ich wiederholt nachdrücklich auf die schwere gesundheitliche Schädigung hin, welche dem sich entwickelnden weiblichen Körper durch einschnürende Kleidung zugefügt wird. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Zweck des Turnunterrichtes bei solchen Schülerinnen, welche im Korsett turnen, nicht erreicht werden kann, da es die ausgiebige und wirkungsvolle Ausführung der wichtigsten Übungen, insonderheit auch derjenigen Rumpfübungen hindert, welche der Gesundheit besonders dienlich sind eine freie, aufrechte, schöne Körperhaltung fördern. Das Tragen einschnürender Kleidung beim Turnen ist daher nicht zu dulden.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gesundheit und Erziehung 1908