Das heutige Russland, Kulturstudie um 1900
Autor: Brüggen, Freiherr Ernst von der, Erscheinungsjahr: 1902
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Wachstum, innere Kämpfe, Finanzen, Industrie, Adel, Bauern, Kirche und Moral, Kunst und Kultur, Landwirtschaft, Hütten, Schwarzerde, Dünger, Missernte, Branntwein, Hungersnot, Kulak (Faust), Leibeigentum, Leibeigenschaft, Knechtschaft, Bildung, Religion, Popen, Großrussland, Großrussen, Kleinrussen, Trunksucht, Volksleben, sittlicher Stand des Volkes, Volksmassen, TERPIGOREW, GORKI, TSCHECHOW, TOLSTOI, LESKOW, WALLACE, Deutsche Einwanderer, Einwanderung, Verarmung, Hungersnot, Wohlstand, Grenzländer, Volkswirtschaft
Inhaltsverzeichnis
- Erstes Kapitel. Äußeres Wachstum
- Zweites Kapitel. Innere Kämpfe
- Drittes Kapitel. Finanzen
- Viertes Kapitel. Industrie
- Fünftes Kapitel. Das Zentrum. Der Adel
- Sechstes Kapitel. Der Adel (Fortsetzung)
- Siebentes Kapitel. Der Bauer
- Achtes Kapitel. Der Bauer (Fortsetzung)
- Neuntes Kapitel. Kirche und Moral
- Zehntes Kapitel. Verarmung und Hungersnot
- Elftes Kapitel. Mittelklassen. Stadtwesen, Schulen, Revolutionäre, Kunst, Literatur
- Zwölftes Kapitel. Die europäischen Grenzländer
- Dreizehntes Kapitel. Kolonien und Weltmacht
- Vierzehntes Kapitel. Die Landschaftsverfassung
- Fünfzehntes Kapitel. Bürokratie
- Sechzehntes Kapitel. Bürokratie (Fortsetzung)
- Siebzehntes Kapitel. Verfassungsfragen
Vorwort
Wenn man bei den beiden großen wirtschaftlichen Parteien in Deutschland eine Umfrage darüber veranstalten wollte, wie sie sich Russland im allgemeinen wünschen, so würde man sehr wahrscheinlich folgende Antworten erhalten; die einen würden sagen: „Wir wünschen Russland reich genug, um unsere Fabrikate zu kaufen", die anderen: „Wir wünschen Russland reich genug, um die Früchte seines Bodens für die eigene Nahrung zu verwenden." Industrielle wie Agrarier haben also bei uns durchaus freundliche Wünsche für die Zukunft des großen Nachbars. Man kann sagen, dass das Interesse Deutschlands, soweit es ein wirtschaftliches ist, auf das Wohlergehen Russlands gerichtet ist.
Andererseits haben wir ein mehr theoretisches Interesse an dem Prozess der Entwicklung eines Staates, der bisher eine ganz absolutistische Verfassung sich bewahrte, während er zugleich in vielen Kulturzweigen einen Weg eingeschlagen hat, der anderswo stets zu einer Änderung dieser Art von Verfassung geführt hat. Das moderne wirtschaftliche und geistige Volksleben ist so mannigfaltig, so trieblustig, so unruhig, so leicht verletzbar geworden, dass es die alten Formen bürokratischer Allwissenheit und Allmacht nicht mehr erträgt. Wenn ein Staat geistig und wirtschaftlich modern werden, die neuen Gliederungen privaten Schaffens und Seins annehmen will, wird er auch öffentlich zu neuen gesellschaftlichen und endlich auch staatlichen Formen gedrängt. In Russland macht man heute den Versuch, sich finanziell und wirtschaftlich dem Gange der europäischen Entwickelung anzuschließen, wie man es bisher politisch getan hat, insoweit die internationalen Interessen in Frage kamen. Es kann nicht ausbleiben, dass der wirtschaftlichen Belebung, wenn sie anhalten soll, die Belebung der geistigen Kräfte nachfolgt, deren eine moderne Volkswirtschaft bedarf. Und wenn diese Richtung eingehalten wird, so kann weiter nicht ausbleiben, dass die Formen des staatlichen Organismus sich ändern, indem sie sich den Bedürfnissen eines differenzierteren Volkslebens anpassen. Nach unseren europäischen Erfahrungen ist diese staatliche Änderung unvermeidlich und führt der gewaltsame Widerstand gegen sie zur Revolution oder zur Erschöpfung, und wir bemerken seit geraumer Zelt bei unseren Nachbarn Symptome für die eine wie für die andere Erkrankung.
Ich habe mich bemüht, nach den Ursachen dieser Krankheitssymptome zu forschen und bin zu einem für den deutschen Leser, wenigstens sofern er zu den erwerbenden Klassen gehört, nicht erfreulichen Ergebnis gelangt. Aber wenn Russland einer inneren Krisis zutreibt, so ist es wünschenswert, dass sowohl Industrielle als betrachtende Politiker von kommenden Ereignissen nicht überrascht werden. Solcher Überraschung vorzubeugen und zugleich auf die geschichtlich interessanten Kämpfe im Innern des übergroßen Reiches hinzuweisen, ist der Wunsch, mit dem ich dieses Buch dem Leser vorlege.
Wenn man bei den beiden großen wirtschaftlichen Parteien in Deutschland eine Umfrage darüber veranstalten wollte, wie sie sich Russland im allgemeinen wünschen, so würde man sehr wahrscheinlich folgende Antworten erhalten; die einen würden sagen: „Wir wünschen Russland reich genug, um unsere Fabrikate zu kaufen", die anderen: „Wir wünschen Russland reich genug, um die Früchte seines Bodens für die eigene Nahrung zu verwenden." Industrielle wie Agrarier haben also bei uns durchaus freundliche Wünsche für die Zukunft des großen Nachbars. Man kann sagen, dass das Interesse Deutschlands, soweit es ein wirtschaftliches ist, auf das Wohlergehen Russlands gerichtet ist.
Andererseits haben wir ein mehr theoretisches Interesse an dem Prozess der Entwicklung eines Staates, der bisher eine ganz absolutistische Verfassung sich bewahrte, während er zugleich in vielen Kulturzweigen einen Weg eingeschlagen hat, der anderswo stets zu einer Änderung dieser Art von Verfassung geführt hat. Das moderne wirtschaftliche und geistige Volksleben ist so mannigfaltig, so trieblustig, so unruhig, so leicht verletzbar geworden, dass es die alten Formen bürokratischer Allwissenheit und Allmacht nicht mehr erträgt. Wenn ein Staat geistig und wirtschaftlich modern werden, die neuen Gliederungen privaten Schaffens und Seins annehmen will, wird er auch öffentlich zu neuen gesellschaftlichen und endlich auch staatlichen Formen gedrängt. In Russland macht man heute den Versuch, sich finanziell und wirtschaftlich dem Gange der europäischen Entwickelung anzuschließen, wie man es bisher politisch getan hat, insoweit die internationalen Interessen in Frage kamen. Es kann nicht ausbleiben, dass der wirtschaftlichen Belebung, wenn sie anhalten soll, die Belebung der geistigen Kräfte nachfolgt, deren eine moderne Volkswirtschaft bedarf. Und wenn diese Richtung eingehalten wird, so kann weiter nicht ausbleiben, dass die Formen des staatlichen Organismus sich ändern, indem sie sich den Bedürfnissen eines differenzierteren Volkslebens anpassen. Nach unseren europäischen Erfahrungen ist diese staatliche Änderung unvermeidlich und führt der gewaltsame Widerstand gegen sie zur Revolution oder zur Erschöpfung, und wir bemerken seit geraumer Zelt bei unseren Nachbarn Symptome für die eine wie für die andere Erkrankung.
Ich habe mich bemüht, nach den Ursachen dieser Krankheitssymptome zu forschen und bin zu einem für den deutschen Leser, wenigstens sofern er zu den erwerbenden Klassen gehört, nicht erfreulichen Ergebnis gelangt. Aber wenn Russland einer inneren Krisis zutreibt, so ist es wünschenswert, dass sowohl Industrielle als betrachtende Politiker von kommenden Ereignissen nicht überrascht werden. Solcher Überraschung vorzubeugen und zugleich auf die geschichtlich interessanten Kämpfe im Innern des übergroßen Reiches hinzuweisen, ist der Wunsch, mit dem ich dieses Buch dem Leser vorlege.
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Ganz privat - Teestunde am Samowar
Russisches Kaiserpaar in historischen Kostümen