Sechstes Kapitel. Der Adel (Fortsetzung)

Der Grundadel zeigte sich nach der Bauernbefreiung unfähig, in die neue Lage sich zu finden, die Landwirtschaft auf seinen Gütern auf neuer Grundlage wieder in Gang zu bringen. Daran allein aber kann es nicht gelegen haben, wenn das ganze Land verarmte. An die Stelle der verarmten Edelleute traten andere Besitzer, die alten Äcker wurden von diesen selbst bearbeitet oder an Bauern verpachtet, und die Erträge kamen den neuen Nutznießern zu gute. Wir werden weiterhin von den Gründen reden, weshalb der Bauer verkümmerte; hier wollen wir den privaten Großgrundbesitz im Auge behalten, der über ein Drittel des im Privatbesitz befindlichen Nutzlandes*) umfasst.

*) LOCHTIN, Der Zustand der Landwirtschaft in Russland. Petersburg 1901.

Der Landedelmann der alten Zeit baute wenig Korn auf seinen weiten Ebenen. Wozu auch, da es doch nur schwer verkäuflich war bei guten Ernten und auch bei schlechten nur geringen Geldwert hatte. Vor 50 Jahren galt der Scheffel Hafer dort im Zentrum oft nur 15 Kopeken oder 30 Pfennige, der Scheffel Weizen das Doppelte; und oft konnte man auch dafür keine Käufer finden. War die Ernte eingebracht, so standen die Kornmieten in langen Reihen in der Nähe der Riege, und man drosch nach Bedarf die nächsten Mieten weg. War ein gutes Jahr gewesen, so fand die nächste Ernte noch einen Teil der alten Mieten ungedroschen vor, es setzten neue Haufen sich an die alten an, und kam kein Unfall dazu, so fand man ungedroschene Mieten von drei oder gar vier Jahren stehen. Das war dann der Stolz bei Adel und Bauer, das Zeichen des Reichtums, wenn da an der Straße entlang die hellen neuen Mieten zunächst glänzten, und hinter ihnen immer grauere sich hinzogen, die ältesten halb schon verfault, ganz dunkel gefärbt! Dabei ging dann freilich mancher Scheffel Korn verloren, aber es hatte doch auch eine gute Seite. Denn kam ein Missjahr, so wurde das Leben wohl knapper, aber man hungerte nicht, sondern zehrte von den alten Mieten, der Gutshof so gut als der Bauer, den bei Kraft zu erhalten ja im Interesse, wenn nicht im Pflichtgefühl des Leibherrn lag. Hatte ein Bauer im Dorfe nichts geerntet, so griff der Herr zu den Vorräten der alten Mieten und der Kornspeicher, und dem Hunger war gewehrt. Wollte der Acker nichts mehr geben, so ließ man ihn liegen und brach neuen in dem Steppenlande und der Schwarzerde, denn an Düngen dachte man nicht. Der beste Weizen ging wohl nach Moskau in die Mühlen; wo Schafzucht war, wurde Wolle verkauft, wo Pferdezucht war, floss hiervon einiges Geld ein; die Steuern waren gering, der baren Ausgaben gab es wenig.


Dann aber kam nach der Bauernbefreiung die Not, erst fehlte es an Arbeitskraft, dann an Geld, und viele gingen in dieser Not unter. Inzwischen jedoch dehnte sich das Netz der Eisenbahnen aus und die Frachtsätze wurden unter WYSCHNEGRADSKI so heruntergesetzt, dass von dem entferntesten Acker her der Weizen, wenn nur eine Bahn nicht sehr weit, d. h. wenn sie nicht viel über 100 Kilometer weit ab war, zur Station gefahren und mit Nutzen nach einem Hafenplatz versandt werden konnte. Man erhielt plötzlich das Dreifache, das Sechsfache der früheren Preise und während vordem nur ein oder zwei Händler in der Kreisstadt Käufer waren, machten bald die Hafenplätze aus weiter Ferne ihre magnetische Anziehungskraft bis in die Dörfer jenseits der Wolga bemerkbar. Nun begann man den Kornbau auszudehnen. Ein Stück Wiese oder Weideland nach dem anderen wurde umgebrochen, die Weizenflächen drangen immer weiter vor, die Maschinen und Ackergeräte wurden in Massen aus dem Auslande herbeigeschafft, die Kornproduktion und die Kornausfuhr schnellten in wenig Jahren zu unerhörter Höhe auf. Die Bodenpreise vervielfachten sich, man glaubte eine goldene Zukunft vor sich zu haben. Heute ist die Steppe, die vielbesungene, die endlose, die blumige und sinnige Steppe, noch jenseits der asiatischen Grenze, jenseits des Ural zu finden, im alten Russland ist sie fast verschwunden, und anstatt ihrer wogen jetzt die Kornfelder ununterbrochen von Tula und Orel bis an das Schwarze Meer und die Wolga und weiter hin. Die Erde ist fruchtbar genug, um manches Jahr hintereinander Weizen, oder abwechselnd Roggen, Hanf, Hafer zu tragen, bei flüchtiger Bearbeitung und ohne Düngung; so wird denn gesät und wieder gesät, und diese gutsherrlichen Acker, meist Neuland, tragen noch heute das achte Korn in guten Jahren, doppelt so viel als der Acker des Bauern oder doch um ein Drittel mehr. Denn die Kraft des bäuerlichen Ackers ist seit Jahrhunderten ausgesogen worden. Der Gutsherr hat mehr Neuland als der Bauer, also schon um deswillen bessere Erträge. So wurde denn der Raubbau, wie er seit RURlKs gesegneter Zeit in russischem Lande getrieben wird, in größtem Stil über das ganze Land ausgedehnt. Nur in noch weit räuberischerer Weise. Denn wenn auch vordem schon nicht gedüngt wurde, so gab es doch viel Rindvieh, Pferde, Schweine, die dem Lande unwillkürlich etwas Dung zuführten, auch ohne viel Bemühung des Menschen. Die gewaltigen Grasflächen nährten das Vieh und kamen mittelbar der geringeren Ackerfläche zu gute. Nun schwanden die Grasflächen und es schwand auch das Vieh. Um ein Drittel hat es an Zahl heute abgenommen gegen die Zeit vor 20 Jahren, während in den Kulturländern Europas der Viehbestand allenthalben gewachsen ist, und auch das mag noch zu gering gerechnet sein. Die Heumenge wurde geringer und das wenige Vieh, was blieb, musste sich nicht bloß beim Bauern, sondern auch auf den meisten Herrenhöfen von Stroh kümmerlich nähren. So erschöpfte sich die Kraft des Bodens um so schneller, je größer die Ackerfläche wurde, und die Ackerfläche dehnte sich um so mehr aus, je mehr Eisenbahnen gebaut wurden. Dürftig blieb und wurde die Ernte von dem einzelnen Morgen Landes, aber die Menge der besäten Morgen machte es, so dass im Herbst sehr viel mehr Kornmieten für den Dampfdrescher längs der Landstraße aufgebaut wurden, als je dagestanden hatten. Aber graue und grauere Mieten gab es nicht mehr, wie früher, denn kaum war die Ernte beendet, so wurde auch schon gedroschen und schleunig verkauft, so bei den meisten Herren, so bei allen Bauern. Das Stroh faulte irgendwo oder wurde als Brennstoff verbraucht, und kam dann ein Hungerjahr, so hatte man keine Vorräte. Pferdezucht und Viehzucht verfielen, die Schafzucht gleichfalls, besonders in den zentralen Gubernien, und endlich änderte sich auch das Klima. Die Wälder waren fort, die Grasflächen waren fort, und mit ihnen die das Wasser zurückhaltenden Kräfte: die Ackerfläche verdunstete schnell das Schneewasser im Frühling, den Regen im Sommer und Herbst, und die dürren Jahre mehrten sich.

So folgte zwischen 1870 und 1890 auf eine Reihe fetter Jahre mit gewaltigem Aufschwung der Kornerzeugung eine Zeit des Rückganges der Ernten und zugleich auch des Rückganges der Getreidepreise. Kaum waren die Hungerjahre 1891 und 1892 vorüber und hatten die drei folgenden Jahre reiche Ernten gebracht, da sanken von 1894 ab die Preise auf den Kornbörsen der Welt. Die fetten Jahre hatten von dem Erlös aus Getreide wenig Kapital bei dem Gutsbesitzer zurückgelassen. Mit leichter Hand hatte er das Geld vertan, hatte sein Land in den Agrarbanken verschuldet; Kapital hatte er sehr selten erspart. Eine Ausnahme bildeten die Rübenbauer im Südwesten und Süden, die, dank dem Schutz der Regierung, im Inlande willkürlich hohe Gewinne aus dem Zucker zogen und zugleich auf ihren großen Gütern eine intensive Bebauung wenigstens eines Teiles ihrer Acker einführten. Hier erstanden Herrschaften, auf denen 200.000 bis 300.000 Scheffel Weizen jährlich geerntet wurden. Aber die Wälder lichteten sich, um die Fabriken mit Brennholz zu versorgen.

Die Not, die Unsicherheit in der Beschaffung von Arbeitskräften, der Mangel an Inventar, trieb die Gutsherren dazu, in dienstliche Stellungen des Staates, der Landschaft oder der Banken einzutreten; die Abwesenheit von ihren Gütern zwang sie dazu, von ihrem Lande immer größere Flächen an Bauern zu verpachten, meist auf ein oder ein paar Jahre. Natürlich wurden diese Ländereien noch gründlicher verwüstet, als die Äcker im Dorfe; sie wurden niemals geschont, niemals gedüngt und trugen dementsprechend bald ebensowenig als der Dorfacker, nämlich drei bis vier Korn. Trug aber der Acker nicht mehr als die Aussaat, so blieb er brach liegen. Nimmt man dazu, dass die Gutswirtschaften, mit Ausnahme sehr weniger und kleiner, die intensiv wirtschaften, und der sehr großen mit Rübenbau, nur mit sehr geringem Überschuss, oft aber mit Verlust arbeiten, so wird man verstehen, warum der adlige Grundbesitz sehr schnell schwindet, warum die Listen der zur Versteigerung gestellten Güter stets Tausende von Nummern enthalten; man wird aber auch verstehen, dass im ganzen durch den Übergang des Bodens in andere, kaufmännische oder bäuerliche Hände der Fortgang der Verkümmerung nicht gehemmt wird. Der Kaufmann wird nur in seltenen Fällen selbst Landwirt durch den Erwerb eines Gutes; er will sein Geld wieder herausziehen, das ist alles, und das Gut wird geplündert, nicht bewirtschaftet. Bessere Aussicht bietet der Bauer, wenn er auf gekauftem eigenen Lande sich anzusiedeln die Mittel hat. Aber das ist selten der Fall; er klebt zu sehr am Dorfleben mit seinem Gemeindebesitz, den er auch als Kolonist mit sich nimmt Doch lässt sich in neuester Zeit in der jüngeren Generation die Fähigkeit und die Lust zu stetiger und rationeller landwirtschaftlicher Arbeit häufiger beobachten. Die Zahl junger Männer aus allen Ständen mehrt sich, die nicht mehr im Staatsdienst allein einen würdigen Beruf sehen, sondern sich auf die Scholle setzen zu harter Arbeit, doch sind es leider immer noch seltene Ausnahmen.

Die Gruppe der privaten Grundherren ist nicht groß; sie sind, wie LOCHTIN meint, „fast ganz mit Staatsdienst oder Kommunaldienst beschäftigt, der auch die materielle Versorgung bietet. Für die meisten Grundherren bildet der Landbau nicht das hauptsächliche oder alleinige Mittel der Existenz." Das war schon seit lange so, seit Peter I. den Adel dienstpflichtig machte. Aber jetzt ist die Landflucht allgemein geworden, weil man auf seinem Gut hungert, weil die Schulden drücken, weil es so leicht geworden ist, nach Petersburg zu gelangen, weil es auf dem Lande ohne den Tross von Dienerschaft und das flotte nachbarliche Landleben so langweilig ist, und weil das Wirtschaften so schwer ist. Und es ist in der Tat schwer, eine rationelle Landwirtschaft zu treiben ohne sesshafte Arbeiter, ohne feste Jahresknechte. Wie kann eine Gutswirtschaft gehen, in der 50 oder 200 Arbeiter zur Feldbestellung im Frühling, zur Ernte im Herbst nötig sind, die aber in der übrigen Zeit des Jahres keine Arbeit gewährt, so dass nur für die Saat und die Ernte die Arbeiter angenommen und bezahlt werden? Der Verwalter macht im Herbst vorher weite Reisen umher, um die 200 Arbeiter fürs nächste Jahr, d. h. für Saat und Ernte, zu mieten. Er kehrt mit 200 Mietsverträgen, in bester Form ausgestellt, heim und wartet. Kurz vor der Saat kommen 100 statt 200 Arbeiter, und Ersatz ist nicht zu haben. Die 100 fehlenden sind einem höheren Angebot irgendwo andershin gefolgt, und an den Rechtsweg darf der Gutsherr nicht denken, der führt zu nichts. Wie kann unter solchen Umständen eine Landwirtschaft gut geführt werden, wo der Herr nie seiner Arbeitskräfte sicher ist? Und durch Jahresknechte kann nur der sich sichern, der außer in den wenigen Wochen der Saat und Ernte stets in Hof, Feld, Wiese oder Wald Arbeiten auszuführen hat, also ein Herr, der intensiv wirtschaftet, der Vieh im Stalle füttert, der Dung zu schaffen sucht, der Klee baut, Wege und Gräben in Stand hält, im Walde richtigen Umtrieb hat. Und weiter: wo sollen für die Tausende von Gütern auch bei intensiver Wirtschaft die Jahresknechte herkommen, wenn die Masse der Bauern Höfe und Anteile im Dorf hat, also selbst Land und Haus besitzt, zu dem sie nach den Wanderungen auf Erwerb doch immer wieder zurückkehrt? Der elende Zustand der Bauern, der eine wachsende Menge derselben von ihrem Landanteil nicht mehr leben lässt, und sie zwingt, anderweit Arbeit zu suchen gerade in der Zeit des Jahres, wo im Dorf wie auf dem Gutsacker Arbeit zu tun ist, macht es unmöglich. Landarbeit findet der Bauer nur dann, wenn er daheim auch welche hat. Die Bedingungen für den Übergang zu intensiver Landwirtschaft sind zwar ungünstig, aber es muss zu ihr übergegangen werden, weil bei der alten Methode der Bebauung der Acker nicht mehr soviel trägt, als die Bearbeitung kostet. Ein anderer Grundadel als der russische freilich wäre vielleicht der Sache schon früher Herr geworden. Aber wir haben es hier mit Charakter und Sitte einer Klasse zu tun, die weder den Willen, noch die Fähigkeiten zu haben scheint, um aus eigener Kraft, um selbst mit großer staatlicher Hilfe es zu einer rationellen Ordnung der Landwirtschaft zu bringen. Wenn man das so vortrefflich geschriebene Buch von Engelhardt liest, das vor etwa 25 Jahren verfasst wurde,*) so staunt man über den Rückstand in der damaligen Landwirtschaft in Gebieten, die, wie das Gubernium Smolensk, der Kulturwelt näher liegen. Aber welche naive Unkenntnis der elementaren landwirtschaftlichen Lehren und Erfahrungen auch heute noch aus allen Winkeln des russischen Landes spricht, kann man täglich in Zeitungen und Berichten lesen, und nicht am seltensten in den Publikationen und Beschlüssen hochobrigkeitlicher Kommissionen, die von den Ministern in Petersburg in endloser Folge eingesetzt werden, um die große Frage endgültig zu lösen. Zwar ist auch der Bauer in Deutschland oder Frankreich nicht im Besitz großer landwirtschaftlicher Bücherweisheit, doch hindert ihn das nicht, eine rationelle Wirtschaft auf Grund gesunden praktischen Sinnes und ererbter Erfahrung zu führen. Hier aber fehlt es an beiden Dingen. Wie viele Güter sind aus russischer in deutsche Hand übergegangen, um in kurzer Zeit zu guter Ordnung und zu Ertrag sich zu entwickeln. „Karl Karlowitsch'', wie der deutsche eingewanderte Landwirt gern genannt wird, der lange in den Straßen der Kreisstadt mit der Pfeife im Munde und schweigend umher gegangen war, der dann eines Tages Eigentümer eines adligen, in dem Kreise gelegenen Gutes wurde, der das Gut in drei Jahren in Ordnung brachte und nun ein wohlhabender Mann wird, Karl Karlowitsch wird oft belacht, oft beneidet, manchmal gehasst — aber es ihm nachzumachen unternimmt man nicht oder in unvernünftiger Weise. Statt dessen werden einige junge Edelleute nach Frankreich oder gar England geschickt, auf Staatskosten, um dort Landwirtschaft oder Viehzucht zu lernen; von dort kehren sie wissender, aber praktisch unbrauchbarer als vorher zurück. Das Nächstliegende wird in Russland selten getan, das Fernste, Größte wird mit Vorliebe unternommen. Natürlich scheitert man.

*) „Vom Lande", St. Petersburg 1885.

Die Verschuldung des Grundadels wird auf 20 Prozent des Bodenwertes berechnet*) und wäre also nicht hoch im Vergleich mit dem Grundbesitz in anderen Ländern. Allein erstens ist der Wert des Bodens nach den sehr gesteigerten Kaufpreisen berechnet worden, die infolge der schwindelhaften Vermehrung des Kornbaues und der hohen Kornpreise der siebziger Jahre erzielt wurden, und zweitens ist der wirkliche Wert der Güter seitdem durch das Aussaugen des Bodens gesunken. So ist diese Verschuldung tatsächlich drückender, als sie den Zahlen nach scheint Dazu kommt, dass neben dem Getreidebau nur sehr geringes landwirtschaftliches Gewerbe besteht, wenn man von den Zuckerfabriken absieht.

*) GOLOWIN, a. a. 0. S. 101.

Nachdem der Fiskus die kleineren, der Landwirtschaft nützlichen Brennereien vernichtet, nachdem er über 400 Fabriken für Reinigung des Branntweins selbst gebaut hat, ist dieses Gewerbe kaum mehr ein landwirtschaftliches zu nennen. Seit in den Gebieten der Schwarzerde die Wiesen und Weiden verschwunden sind, ist noch weniger als früher für verbesserte und vermehrte Viehzucht geschehen. Während die Viehzucht und die damit verbundenen Betriebe in Finnland, in den baltischen Provinzen, in Polen, ja in Sibirien sich entwickeln, sind sie im zentralen Russland, mit wenigen Ausnahmen, in einer elenden Verfassung. Seit die Steppe verschwand, sind die zahlreichen privaten Gestüte in den zentralen Gubernien meist auch verschwunden und ist die Pferdezucht jenseits der Wolga, im Orenburger Gebiet, vernichtet. Es bleibt nur der Getreidebau übrig für den Gutsbesitzer, der zum Herbst durchaus Geld haben muss, der nicht jahrelang mit Geld und Arbeit einen guten Viehstand schaffen, der nicht Schweinezucht treiben will oder kann. Und während für solche Nebengewerbe von selten der Regierung wenig geschieht, treiben die Differentialtarife das Getreide zum Hafen und den Gutsbesitzer zum Kombau, und damit zur weiteren Erschöpfung des Ackers. Und dieser Gutsacker umfasste im Jahre 1892: 29,6 Millionen Dessätinen, etwa 30 Millionen Hektar,*) und soll sich bis um 1899 um etwa 3 Mill. Dessätinen vergrößert haben. Mit jeder Dessätine Neulandes schwindet die Steppe, die beim Bauern gar nicht mehr, nur noch auf einigen großen Gütern im Südosten anzutreffen ist. Mit Kummer gedenken schon manche Russen der ehemaligen poesiereichen Steppe, die selbst in Taurien nur noch in geringen Resten zu finden ist. Und, fügte jüngst ein Taurier (NERUTSCHEW in der Pet. Wedom.) hinzu, der Ertrag der Ernte ist durch die Ausdehnung des Areals nicht gewachsen, sondern zurückgegangen. So wird es verständlich, dass der Landbesitz des Adels seit der Befreiung der Bauern stark eingeschrumpft ist. Vor 1861 besaß der Adel 105 Millionen Dessätinen, nach der Ablösung der Bauern 78 Millionen Dessätinen. Davon waren 1892 nur noch 57 Millionen Dessätinen und am Schluss vom Jahre 1893 wieder um 1 Million weniger, also 56 Millionen Dessätinen in adligen Händen.**) Danach müsste man annehmen, dass heute der adlige Besitz sich gegen 1861 um mehr als die Hälfte gemindert hat Das Land ging in die Hände von Bauern, Kaufleuten, Stadtbürgern über.

*) LOCHTIH, a. a. O. S. 145.
**) MILÜKOW, a. a. O. T. I, S. 189. Die Zahlen gründen sich auf Angaben der Adels-Agrarbank, können sich also nur auf den Bereich der Wirksamkeit dieser Bank beziehen; Finnland, Ostseeprovinzen, Polen gehören auch dazu.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das heutige Russland, Kulturstudie um 1900
Russland 029. Pskow, Paromenkirche, Links der Glockenturm (Swoniza)

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Russland 030 Pskow (Pleskau), Turm an der alten Stadtmauer

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Russland 030. Pskow, Blick von der Pskowa auf den Kreml

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Russland 031. Pskow (Pleskau), Blick auf den Kreml

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Russland 032. Groß-Nowgorod, Die Korssunschen Türen an der Sofienkathedrale 12. Jahrhundert. Werk des Meisters Riquinus von Magdeburg

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Russland 033. Prozession (1)

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Russland 033. Prozession (2)

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Russland 034. Moskau, Basilius-Kathedrale (Erbaut 1554-1557)

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Russland 035. Moskau, Basilius-Kathedrale (Erbaut 1554-1557)

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Russland 036. Moskau, Das Rumjänzew-Museum (Erbaut 1787, Sammlung von Nationaltrachten und russischer Kunst)

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Russland 037. Moskau, Das große Theater

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Russland 037. Moskau, Die Universität (1755)

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Russland 038. Russische Großstadtstraße (1)

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Russland 038. Russische Großstadtstraße (2)

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Russland 039. Moskau, Die Twerskaja

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Russland 040. Moskau, An der Kremlmauer, Blick auf das Troizkija-Tor

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Russland 040. Moskau, Die Uspenskij-Kathedrale im Kreml (Krönungskirche des Jahren 1475-79)

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Russland 041. Moskau, der Kreml

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Russland 042. Moskau, Die Archangelskij-Kathedrale im Kreml (Grabkirche der Moskauer Zaren, 1505-1505)

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Russland 042. Moskau, Die Blagowjeschtschenskij-Kathedrale im Kreml (Tauf- und Trauungskirche der Zaren 1482-89)

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Russland 043. Moskau, Das Jungfrauen-Kloster

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