Die ukrainische Staatsidee und der Krieg gegen Russland
Herausgegeben von der Ukrainischen Zentralorganisation
Autor: Dmytro Donzow (1883-1973) ukrainischer Jurist und Publizist, Erscheinungsjahr: 1915
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Ukraine, Ukrainer, Kultur, Slawen, Europa, Kiew, Russland, Russen, Schweden, POlen, Türken, Franzosen, England, Moskau, Krim,
Die großen historischen Probleme brauchen Jahrhunderte für ihre Lösung, gleichviel ob diese Lösung sich auf dem Wege friedlicher Entwicklung oder gewaltsamer Völkerkämpfe vollzieht. Der gegenwärtige Weltkrieg, der uns manche aus ferner Vergangenheit überlieferte Frage von Neuem aufrollte, bietet hierfür den besten Beweis. Unter den vielen Problemen der europäischen Geschichte, deren definitive Regelung unserer Generation vorbehalten wurde, ist vielleicht das wichtigste das unaufhaltsame Vordringen Russlands an die südlichen Meere und seine damit verknüpfte Absicht, das politische Übergewicht in Europa zu erringen.
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Inhaltsverzeichnis
- I. Die ukrainische Staatsidee.
- II. Die Entwicklung der ukrainischen Staatsidee. *)
- 1. Entwicklung bis zum Untergang des selbständigen ruthenischen Staates.
- 2. Die ukrainische Republik (1654 — 1734).
- a) Das Bündnis mit dem Moskowiterreich.
- b) Das Bündnis mit Polen.
- c) Die Ukraine und die Türkei.
- d) Die Ukraine und Schweden.
- 3. Die letzten Jahre der ukrainischen Republik und die Ukraine als autonome Provinz Russlands (bis 1781).
- 4. Die Ukraine als russische Provinz (seit 1781).
- III. Ist die ukrainische Staatsidee realisierbar?
Mit verblüffender Konsequenz und erstaunlicher Hartnäckigkeit bahnte sich Russland im Laufe der Jahrhunderte seinen Weg zu den eisfreien Meeren und diesen Weg kennzeichneten zertrümmerte Reiche und erwürgte Völker. Wenn auch erst durch das gefälschte Testament Peters I. die Ziele der russischen Politik klar formuliert wurden, so waren sie doch längst vor ihm dem Bewusstsein moskowitischer Zaren tief eingeprägt und zur Richtlinie ihrer Aktionen in Europa erhoben. Eine Großmacht nach der anderen bemühte sich in verzweifelten Anstrengungen, ihre eigene Existenz verteidigend, der moskowitischen Flut einen Damm entgegenzusetzen. Zuerst war es Polen, dann Schweden und die Türkei. Nachdem das siegreiche Moskowitertum seine Gegner teils vernichtet, teils erheblich geschwächt hatte, gelangte es an die Grenzen zweier mitteleuropäischer Großmächte. Nun fiel zuerst der Habsburger-Monarchie, bald darauf auch dem Deutschen Reiche die Aufgabe zu, dem gefährlichen Expansionsdrang Russlands Widerstand zu leisten. Damit war der Keim zum jetzigen Kriege gelegt. Mögen Peter I. und Katharina II. sehr löbliche Ziele — Annäherung an die westeuropäische Kultur — durch ihre Kriege verfolgt haben, Europa empfand das Resultat dieser Kriege, — den kolossalen Machtzuwachs Russlands — als Aufhebung des „équilibre dans le nord“. Dies machte sich bald bemerkbar. Eine Reihe von Konflikten (1790, 1854, 1878, 1887) zwischen Russland und den beiden mitteleuropäischen Großmächten machten den von letzteren lange gescheuten Krieg endlich unvermeidlich.
Bei all diesen Konflikten der Westmächte (wie auch der Türkei) mit Russland, fällt es besonders auf, dass jedes Mal, wenn es sich um die Lahmlegung des russischen Übergewichtes handelte, die ukrainische Frage aufgerollt wurde. Jede Macht, die die Vernichtung der russischen Präponderanz als ihre historische Aufgabe betrachtete, zog auch die Selbständigkeit der Ukraine in Erwägung, jenes Land, das zu den reichsten der zarischen Provinzen gehört, Russland vom Schwarzen Meer trennt, und dessen Verlust allen Konstantinopler Träumen der Zaren ein Ende bereiten würde.
Polen musste die staatliche Unabhängigkeit seiner von ihm abgefallenen Provinzen anerkennen, um im Bunde mit diesen Moskau zu bekämpfen (1659). Im Jahre 1669 und 1711 erzwang die Türkei von Polen und Russland die Anerkennung einer selbständigen Ukraine, um in ihr einen natürlichen Verbündeten gegen beide erwähnte Mächte zu erlangen. Die türkischen Pläne der Wiederherstellung der Ukraine reichen fast bis in die Hälfte des XVIII. Jahrhunderts hinein. Zu den Gegnern Russlands gesellte sich auch Schweden, das unter Karl X. Gustav und seinem Enkel Karl XII. ein Trutz- und Schutzbündnis auch mit der ukrainischen Republik schloss, wodurch es dem sich nach Norden immer weiter ausbreitenden Moskoviterreiche ein Gegengewicht bieten wollte. Auch dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. und seinem Kanzler Hertzberg war die Idee einer selbständigen Ukraine nicht ganz fremd. Ebenso schien der große Korse darüber nachzudenken. Als im Jahre 1854 die Frage der Großmachtstellung Russlands in ihrer vollen Bedeutung für Europa wieder aktuell wurde, tauchten in einigen politischen Kreisen Deutschlands (z. B. der Bethmann-Hollweg'schen Partei) Projekte der Wiederherstellung der Ukraine von Neuem auf. Die Idee wurde damals nicht verwirklicht, lebte jedoch abermals auf, als Russland im Jahre 1887 einen weiteren Schritt auf dem Wege nach Konstantinopel machen wollte (das Projekt Bismarck-Hartmann). Auch in unserer Zeit, einige Jahre vor Ausbruch des Krieges, wurde diese Idee, besonders in Österreich, wiederholt zum Gegenstand eingehender Erörterungen in der Presse.
Man könnte schon a priori annehmen, dass eine Frage, die immer wieder hervorgehoben wird, sobald die Hemmung der russischen Übermacht auf die Tagesordnung der europäischen Politik kommt, nicht nur in den Köpfen kühner Diplomaten, sondern auch in Wirklichkeit mit dieser Übermacht in bestimmtem Kausalzusammenhang steht. Und dem ist auch so.
Bei all diesen Konflikten der Westmächte (wie auch der Türkei) mit Russland, fällt es besonders auf, dass jedes Mal, wenn es sich um die Lahmlegung des russischen Übergewichtes handelte, die ukrainische Frage aufgerollt wurde. Jede Macht, die die Vernichtung der russischen Präponderanz als ihre historische Aufgabe betrachtete, zog auch die Selbständigkeit der Ukraine in Erwägung, jenes Land, das zu den reichsten der zarischen Provinzen gehört, Russland vom Schwarzen Meer trennt, und dessen Verlust allen Konstantinopler Träumen der Zaren ein Ende bereiten würde.
Polen musste die staatliche Unabhängigkeit seiner von ihm abgefallenen Provinzen anerkennen, um im Bunde mit diesen Moskau zu bekämpfen (1659). Im Jahre 1669 und 1711 erzwang die Türkei von Polen und Russland die Anerkennung einer selbständigen Ukraine, um in ihr einen natürlichen Verbündeten gegen beide erwähnte Mächte zu erlangen. Die türkischen Pläne der Wiederherstellung der Ukraine reichen fast bis in die Hälfte des XVIII. Jahrhunderts hinein. Zu den Gegnern Russlands gesellte sich auch Schweden, das unter Karl X. Gustav und seinem Enkel Karl XII. ein Trutz- und Schutzbündnis auch mit der ukrainischen Republik schloss, wodurch es dem sich nach Norden immer weiter ausbreitenden Moskoviterreiche ein Gegengewicht bieten wollte. Auch dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. und seinem Kanzler Hertzberg war die Idee einer selbständigen Ukraine nicht ganz fremd. Ebenso schien der große Korse darüber nachzudenken. Als im Jahre 1854 die Frage der Großmachtstellung Russlands in ihrer vollen Bedeutung für Europa wieder aktuell wurde, tauchten in einigen politischen Kreisen Deutschlands (z. B. der Bethmann-Hollweg'schen Partei) Projekte der Wiederherstellung der Ukraine von Neuem auf. Die Idee wurde damals nicht verwirklicht, lebte jedoch abermals auf, als Russland im Jahre 1887 einen weiteren Schritt auf dem Wege nach Konstantinopel machen wollte (das Projekt Bismarck-Hartmann). Auch in unserer Zeit, einige Jahre vor Ausbruch des Krieges, wurde diese Idee, besonders in Österreich, wiederholt zum Gegenstand eingehender Erörterungen in der Presse.
Man könnte schon a priori annehmen, dass eine Frage, die immer wieder hervorgehoben wird, sobald die Hemmung der russischen Übermacht auf die Tagesordnung der europäischen Politik kommt, nicht nur in den Köpfen kühner Diplomaten, sondern auch in Wirklichkeit mit dieser Übermacht in bestimmtem Kausalzusammenhang steht. Und dem ist auch so.
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