Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 2
Eine Auswahl aus verschiedenen Quellen
Autor: Hebel, Johann Peter (1760-1826), Erscheinungsjahr: 1811
Themenbereiche
Inhaltsverzeichnis
- Der listige Quäker.
- Der listige Steiermarker.
- Der Prozess ohne Gesetz.
- Der Rekrut 1.
- Der Rekrut 2.
- Der schlaue Husar.
- Der schlaue Mann.
- Der schlaue Pilgrim.
- Der Schneider in Pensa.
- Der schwarze Mann in der weissen Wolke.
- Der sicherste Weg.
- Der silberne Löffel.
- Der sinnreiche Bettler.
- Der Star von Segringen.
- Der Talhauser Galgen.
- Der unschuldig Gehenkte.
- Der Vater und der Sohn.
- Der verachtete Rat.
- Der verwegene Hofnarr.
- Der vorsichtige Träumer.
- Der Wasserträger.
- Der Wegweiser.
- Der Wettermacher.
- Der wohlbezahlte Spassvogel.
- Der Wolkenbruch in Türkheim.
- Der Zahnarzt.
- Der Zirkelschmied,
- Des Dieben Antwort.
- Des Seilers Antwort.
- Die Bekehrung.
- Die Besatzung von Oggersheim.
- Die drei Diebe.
- Die falsche Schätzung.
- Die gute Mutter.
- Die lachenden Jungfrauen.
- Die leichteste Todesstrafe.
- Die nasse Schlittenfahrt
- Die Ohrfeige - Ein Büblein klagte seiner Mutter: „Der Vater hat mir eine Ohrfeige gegeben.“ Der Vater aber kam dazu und sagte: „Lügst du wieder? Willst du noch eine?“
- Die Probe.
- Die Raben.
- Die Schlafkameraden.
- Die Schmachschrift.
- Die Tabaksdose.
- Die Wachtel.
- Die Weizenblüte.
- Die zwei Postillione.
- Drei Worte.
- Drei Wünsche.
- Mittel gegen Zank und Schläge.
50. Der listige Kaufherr
Der Adjunkt, der dieses schreibt, hat allemal eine grosse Freude, wenn er auch ein Geschichtlein einmauren kann in den Kalender. Denn was er in gelehrte Bücher hineinstiftet, lesen nicht viel Leute, am wenigsten die Gelehrten selber. Der Hausfreund aber hat nach den neuesten Zählungen 700’000 Leser, ohne die, welche umsonst zuhören. Diesmal aber freut er sich insbesondere zu erzählen, wie einmal ein grosser Spitzbube auch hinter das Licht geführt worden ist; denn die Wölfe beissen bisweilen auch ein gescheites Hündlein, sagt Doktor Luther.
Ein französischer Kaufherr segelte mit einem Schiff voll grossen Reichtums aus der Levante heim, aus dem Morgenland, wo unser Glaube, unsere Fruchtbäume und unser Blut daheim ist, und dachte schon mit Freuden daran, wie, er jetzt bald ein eigenes Schlösslein am Meer bauen, und ruhig leben und alle Abend dreierlei Fische zu Nacht speisen wolle. Paff, geschah ein Schuss. Ein algierisches Raubschiff war in der Nähe, wollte uns gefangen nehmen und geraden Wegs nach Algier führen in die Sklaverei. Denn hat man zwischen Wasser und Himmel gute Gelegenheit Luftschlösser zu bauen, so hat man auch gute Gelegenheit zu stehlen. So denken die algierschen Seeräuber auch. Hat das Wasser keine Balken, so hat’s auch keine Galgen. Zum Glück hatte der Kaufherr einen Ragusaner auf dem Schiff, der schon einmal in algierischer Gefangenschaft gewesen war und ihre Sprache und ihre Prügel aus dem Fundament verstand. Zu dem sagte der Kaufherr: „Nicolo, hast du Lust noch einmal algierisch zu werden? Folge mir, was ich dir sage, so kannst du dich erretten und uns.“ Also verbargen wir uns alle im Schiff, dass kein Mensch zu sehen war, nur der Ragusaner stellte sich oben auf das Verdeck. Als nun die Seeräuber mit ihren blinkenden Säbeln schon nahe waren und riefen, die Christenhunde sollten sich ergeben, fing der Ragusaner mit kläglicher Stimme auf algierisch an: Tschamiana, fing er an, tschamiana halakna bilabai monaschid ana billah onzorun min almaut. „Wir sind alle an der Pest gestorben bis auf die Kranken, die noch auf ihr Ende warten, und ein deutscher Adjunkt und ich. Um Gottes willen rettet mich!“ Dem Algierer Seekapitän, als er hörte, dass er so nah an einem Schiff voll Pest sei, kam’s grün und gelb vor die Augen. In der grössten Geschwindigkeit hielt er das Schnupftuch vor die Nase, hatte aber keins, sondern den Ärmel; und lenkte sein Schiff hinter den Wind. Lajonzork, sagte er, Allahorraman arrahim atabarra laka it schanat chall. „Gott helfe dir, der Gnädige und Barmherzige! Aber geh zum Henker mit deiner Pest! Ich will dir eine Flasche voll Kräuteressig reichen.“ Darauf liess er ihm eine Flasche voll Kräuteressig reichen an einer langen Stange und segelte so schnell als möglich linksum. Also kamen wir glücklich aus der Gefahr, und der Kaufherr baute hernach in der Gegend von Marseille das Schlösslein und stellte den Ragusaner als Haushofmeister an auf lebenslang.
Der Adjunkt, der dieses schreibt, hat allemal eine grosse Freude, wenn er auch ein Geschichtlein einmauren kann in den Kalender. Denn was er in gelehrte Bücher hineinstiftet, lesen nicht viel Leute, am wenigsten die Gelehrten selber. Der Hausfreund aber hat nach den neuesten Zählungen 700’000 Leser, ohne die, welche umsonst zuhören. Diesmal aber freut er sich insbesondere zu erzählen, wie einmal ein grosser Spitzbube auch hinter das Licht geführt worden ist; denn die Wölfe beissen bisweilen auch ein gescheites Hündlein, sagt Doktor Luther.
Ein französischer Kaufherr segelte mit einem Schiff voll grossen Reichtums aus der Levante heim, aus dem Morgenland, wo unser Glaube, unsere Fruchtbäume und unser Blut daheim ist, und dachte schon mit Freuden daran, wie, er jetzt bald ein eigenes Schlösslein am Meer bauen, und ruhig leben und alle Abend dreierlei Fische zu Nacht speisen wolle. Paff, geschah ein Schuss. Ein algierisches Raubschiff war in der Nähe, wollte uns gefangen nehmen und geraden Wegs nach Algier führen in die Sklaverei. Denn hat man zwischen Wasser und Himmel gute Gelegenheit Luftschlösser zu bauen, so hat man auch gute Gelegenheit zu stehlen. So denken die algierschen Seeräuber auch. Hat das Wasser keine Balken, so hat’s auch keine Galgen. Zum Glück hatte der Kaufherr einen Ragusaner auf dem Schiff, der schon einmal in algierischer Gefangenschaft gewesen war und ihre Sprache und ihre Prügel aus dem Fundament verstand. Zu dem sagte der Kaufherr: „Nicolo, hast du Lust noch einmal algierisch zu werden? Folge mir, was ich dir sage, so kannst du dich erretten und uns.“ Also verbargen wir uns alle im Schiff, dass kein Mensch zu sehen war, nur der Ragusaner stellte sich oben auf das Verdeck. Als nun die Seeräuber mit ihren blinkenden Säbeln schon nahe waren und riefen, die Christenhunde sollten sich ergeben, fing der Ragusaner mit kläglicher Stimme auf algierisch an: Tschamiana, fing er an, tschamiana halakna bilabai monaschid ana billah onzorun min almaut. „Wir sind alle an der Pest gestorben bis auf die Kranken, die noch auf ihr Ende warten, und ein deutscher Adjunkt und ich. Um Gottes willen rettet mich!“ Dem Algierer Seekapitän, als er hörte, dass er so nah an einem Schiff voll Pest sei, kam’s grün und gelb vor die Augen. In der grössten Geschwindigkeit hielt er das Schnupftuch vor die Nase, hatte aber keins, sondern den Ärmel; und lenkte sein Schiff hinter den Wind. Lajonzork, sagte er, Allahorraman arrahim atabarra laka it schanat chall. „Gott helfe dir, der Gnädige und Barmherzige! Aber geh zum Henker mit deiner Pest! Ich will dir eine Flasche voll Kräuteressig reichen.“ Darauf liess er ihm eine Flasche voll Kräuteressig reichen an einer langen Stange und segelte so schnell als möglich linksum. Also kamen wir glücklich aus der Gefahr, und der Kaufherr baute hernach in der Gegend von Marseille das Schlösslein und stellte den Ragusaner als Haushofmeister an auf lebenslang.