Die Schlafkameraden.

Eines Abends kam ein fremder Herr mit seinem Bedienten im Wirtshaus zu der goldenen Linden in Brassenheim an und liess sich bei dem Nachtessen beiderlei wohl schmecken, nämlich das Essen selbst und das köstliche Getränk. Denn der Lindenwirt hat Guten. Der Bediente aber an einem andern Tisch dachte: Ich will meinem Herrn keine Schande machen, und trank wie im Zorn ein Glas und eine Bouteille nach der andern aus, sagend zu sich selbst: „Der Wirt soll nicht meinen, dass wir Knicker sind.“ Nach dem Essen sagte der Herr zu dem Lindenwirt: „Herr Wirt, ich hab’ an Eurem Roten sozusagen eine gefährliche Entdeckung gemacht. Bringt mir noch eine Flasche voll in das Schlafstüblein.“ Der Bediente hinter dem Rücken des Herrn winkte dem Wirt: „Mir auch eine!“ Denn sein Herr liess sich vieles von ihm gefallen, weil er auf Reisen auch sein Leibgardist war und immer mit ihm in der nämlichen Stube schlafen musste, und je einmal, wenn er sich zuviel Freiheit herausnahm, war der Herr billig und dachte: Ich will nicht wunderlich sein. Es ist ja nicht das erste Mal, dass er’s tut. Also trank an seinem Tisch der Herr und las die Zeitung, und am andern Tisch dachte der Bediente: „Es ist ein harter Dienst, wenn man trinken muss anstatt zu schlafen, zumal so starken. Gleichwohl, als er dem Herrn die zweite Flasche holen musste, nahm er für sich auch noch eine mit vom nämlichen. Der Herr fing endlich an, laut mit der Zeitung zu reden, und der Bediente nahm wie ein Echo zwischen der Türe und dem Fenster auch Anteil daran, aber wie? Der Herr las von dem grossen Mammutsknochen, der gefunden wurde. Der Bediente, der eben das Glas zum Munde führte, lallte für sich: „Soll leben der Mohammedsknochen.“ Oder als der Herr von dem Seminaristen las aus dem Seminarium in Pavia, der mit Lebensgefahr eines Schriftgiessers Kind aus den Flammen rettete, ergriff er das Glas, und „Bravo“, sagte er, „wackerer Seminarist!“ Der Bediente aber stammelte für sich: „Soll leben der wackere Seeminister“ und goss richtig das halbe Glas über die Liberei hinab. „Hast du’s gehört, Anton? So eine Tat wiegt viele Meriten auf“, fuhr der Herr fort.--“Sollen auch leben die Minoriten“, erwiderte der Diener; und so oft jener z. B. sich räusperte oder gähnte, räusperte sich und gähnte der Anton auch. Endlich sagte der Herr: „Anton, jetzt wollen wir ins Bett.“ Der Anton sah seine Flasche an und erwiderte: „ Es wird ohnehin niemand mehr auf sein in der Wirtschaft.“ Denn seine Flasche war leer. Aber in der Flasche des Herrn war noch ein Restlein. Früh gegen zwei Uhr weckte es den Anton, dass noch ein Restlein in der Flasche des Herrn sei. Also stand er auf und trank es aus. „Sonst verriecht es“, dachte er. Als er aber sich wieder legen wollte, kam er ein wenig zu weit rechts an das Bett seines Herrn. Denn beide Betten standen an der nämlichen Wand mit den Fussstätten gegeneinander. Also legte sich der Anton neben seinen Herrn, mit dem Kopf unten und mit den Füssen oben, neben des Herrn Gesicht, weil er meinte, er liege wieder in seinem eigenen. Eine Stunde vor Tag aber, als der Herr erwachte, kam es ihm vor, er wusste selbst nicht recht, wie. „Soll ich denn gestern abend haben Backensteinkäs heraufkommen lassen?“ dachte er. Als er aber sich umdrehen wollte, ob ein Schränklein in der Wand sei, fühlte er auf einmal neben sich etwas Lebendiges und Warmes, und das Warme und Lebendige bewegte sich auch. Jetzt rief er: „Anton, Anton!“ mit ängstlicher und leiser Stimme, dass der unsichere Schlafkamerad nicht aufwachen sollte, und derjenige, den er wecken wollte, war doch der Schlafkamerad. „Anton“, schrie er endlich in der Herzensangst, so laut er konnte. „Was befehlen Ihro Hochwürden“, erwiderte endlich der Anton.--“Komm mir zu Hilfe! Es liegt einer neben mir.“--“Ich kann nicht, neben mir liegt auch einer“, erwiderte der Bediente und wollte sich strecken, so zwar, dass er mit dem linken Fuss unter des Herrn Kinn kam. „Anton, Anton“, rief der Herr, „meiner reisst mir den Kopf ab“, und suchte ebenfalls mit den Füssen eine Habung. „Meiner will mir die Nase aufschlitzen“, schrie noch viel ärger der Anton. „Wirf deinen heraus“, schrie der Herr, „und komm mir zu Hilfe.“--Also fasste der Bediente seinen Mann an den Beinen, und dieser, als er Ernst sah, fasste er seinen Mann ebenfalls an den Beinen, und rangen also die beiden miteinander, dass keiner dem andern konnte zu Hilfe kommen; und der Bediente fluchte wie ein Türk, der Herr aber fluchte zwar nicht, aber doch rief er die unsichtbaren Mächte an, sie sollten seinem Gegner den Hals brechen, was auch fast hätte geschehen können; denn auf einmal hörte unten der Wirt, der schon auf war, einen Fall, dass alle Fenster zitterten und der Perpendikel an der Wanduhr sich in die Ruhe stellte. Als er aber geschwind mit dem Licht und dem Hauptschlüssel hinaufgeeilt war, ob ein Unglück sich zugetragen habe, denn er kannte seinen Roten, lagen beide miteinander ringend auf dem Boden und schrieen Zeter Mordio um Hilfe. Da lächelte der Wirt in seiner Art, als ob er sagen wollte, der Rote hat gut gewirkt, die gefährliche Entdeckung. Die beiden aber schauten einander mit Verwunderung und Staunen an. „Ich glaube gar, du bist es selbst, Anton“, sagte der Herr.--“So, seid nur Ihr es gewesen“, erwiderte der Diener, und legten sich wieder ein jeder in sein Bett, worein er gehörte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 2