Der Wegweiser.

Bekanntlich klagte einst ein alter Schulz von Wasselnheim seiner Frau, dass ihn sein Französisch fast unter den Boden bringe. Er sollte nämlich einem französischen Soldaten, der ausgerissen war, den Weg zeigen, verstand ihn nicht recht, antwortete ihm verkehrt und bekam für die beste Meinung Schläge genug zum Dank oder vielmehr zum Undank. Anders sah ein Wegweiser an der württembergischen Grenze die Sache an. Er sollte nämlich im letzten Krieg einem Zug Franzosen den Weg über das Gebirg zeigen, wusste aber kein Wort von ihrer Sprache als Oui, welches so viel heisst als Ja, und Bougre, welches ein Schimpfname ist. Diese zwei Worte hatte er oft gehört und lernte sie nachsagen, ohne ihren Sinn zu verstehen. Anfänglich ging alles gut, solange die Franzosen nur unter sich sprachen und ihn mit seiner Laterne und drei oder vier Tornistern, die sie ihm angehängt hatten, voraus oder nebenher gehen liessen. Da er aber der Spur nach allemal mitlachte, wenn sie etwas zu lachen hatten, so fragte ihn einer französisch, ob er auch verstünde, was sie miteinander redeten. Er hätte herzhaft sagen dürfen: Nein! Aber eben weil er es nicht verstand, so kam es ihm nicht darauf an, was er antwortete. Er nahm daher all sein Französisch zusammen und antwortete: „Oui, Bougre“ (Ja, Ketzer!). Mit einem ellenlangen französischen Fluche riss der Soldat den Säbel aus der Scheide und liess ihm denselben um den Kopf herum und nahe an den Ohren vorbeisausen. „Wie?“ sagte er, „du willst einen französischen Soldaten schimpfen?“ „Oui, Bougre!“ war die Antwort. Die andern hatten die höchste Zeit, dem erbosten Kameraden in den Arm zu fallen, dass er dem Wegweiser, ohne welchen sie in der finstern Nacht nicht konnten weiterkommen, nicht auf der Stelle den Kopf spaltete; doch gaben sie ihm mit manchem Fluch und Flintenstoss rechts und links zu verstehen, wie es gemeint sei, und fragten ihn alsdann, ob er jetzt wolle manierlicher sein. „Oui, Bougre!“ war die Antwort. Nun wurde er jämmerlich zerschlagen, und alle seine Bitten um Verzeihung, und alle seine Bitten um Schonung legte er ihnen mit lauter „Oui, Bougre“ ans Herz. Endlich kamen sie auf die Vermutung, er sei verrückt (denn dass er französisch verstehe, hatte er bejaht). Sie nahmen daher auf einem Hof, wo noch ein Licht brannte, einen andern Führer, jagten diesen fort, und er erwiderte den Abschied des einen, dass er sich zum Henker packen sollte, richtig mit „ Oui, Bougre“. Als er aber so bald wieder nach Haus kam und sich seine Frau verwunderte, die ihn erst auf den andern Mittag wieder erwarten konnte, so erzählte er, wie die Soldaten unterwegs viel Spass mit ihm gehabt hätten, so dass es ihm fast sei zu arg worden, und wie sie hernach auf dem Zierhauser Hof einen andern genommen und ihn wieder heimgeschickt hätten. Die Franzosen (setzte er treuherzig hinzu) sind nicht so schlimm, als man meint, wenn man nur mit ihnen reden kann.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 2