Der verwegene Hofnarr.

Der König hatte ein Pferd, das war ihm so lieb, dass er sagte: „Ich weiss nicht, was ich tue, wenn das Pferd mir stirbt. Aber den, der mir von seinem Tod die erste Nachricht bringt, den lass ich auch gewiss aufhenken.“ Item, das Rösslein starb doch, und niemand wollte dem König die erste Nachricht davon bringen. Endlich kam der Hofnarr. „Ach, gnädigster Herr“, rief er aus, „Ihr Pferd! Ach das arme, arme Pferd! Gestern war es noch so“--da stotterte er, und der erschrockene König fiel ihm ins Wort und sagte: „Ist es gestorben? Ganz gewiss ist es gestorben, ich merk’s schon.“ „Ach gnädigster Herr“, fuhr der Hofnarr mit noch grösserm Lamento fort, „das ist noch lange nicht das Schlimmste.“ „Nun, was denn?“ fragte der König. „Ach, dass Sie jetzt noch sich selber müssen henken lassen. Denn Sie haben’s zuerst gesagt, dass Ihr Leibpferd tot sei. Ich hab’s nicht gesagt.“ Der König aber, betrübt über den Verlust seines Pferdes, aufgebracht über die Frechheit des Hofnarren und doch belustigt durch seinen guten Einfall, gab ihm augenblicklich .den Abschied mit einem guten Reisegeld. „Da, Hofnarr“, sagte der König, „da hast du 100 Dukaten. Lass dich statt meiner dafür henken, wo du willst. Aber lass mich nichts mehr von dir sehen und hören! Sonst, wenn ich erfahre, dass du dich nicht hast henken lassen, so tu ich’s.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 2