II. Die Namen von Bergen und Steinen, Flüssen und Bächen, Fluren, Wäldern und Ortschaften.

Aus: Volksbrauch, Aberglauben, Sagen und andere alte Überlieferungen im Vogtland ...
Autor: Köhler, Johann August Ernst Dr. (1829-1903) Lehrer, Volkskundler, 1878 Gründer des sächsischen Erzgebirgsvereins., Erscheinungsjahr: 1867
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Denkmäler der Sprache, Namen von Volksstämmen und Ländern, Flüssen, Bergen, Wäldern, Fluren, Ortschaften, Geschichte des Landes, Slawen, Mundart, Analogie, wendische Ortsnamen, Volksleben, Sorben, Lokalbezeichnungen,
Motto:
„Ich weiß, wie gefährlich es ist, in die vergleichende
Grammatik zu pfuschen, diese Wissenschaft, die nach
Voltaires Erklärung auf Vokale gar keine und auf
Konsonanten wenig Rücksicht nimmt.“

                  (Lothar Bucher, Unterwegs S. 70.)

Die ältesten Denkmäler der Sprache sind außer den Namen von Volksstämmen und Ländern die Bezeichnungen von Flüssen, Bergen, teilweise auch von Wald und Fluren und von Ortschaften. Deshalb besitzen wir in ihnen Urkunden der ältesten Geschichte eines Landes. Freilich ist ihre Entzifferung, wie nicht geleugnet werden kann, mit mancher Schwierigkeit verknüpft, und manche Irrtümer müssen besonders da mit unterlaufen, wo, wie im Vogtland, neben deutschen auch slawische Bezeichnungen sich vorfinden. Die Schwierigkeiten beruhen z. B. darauf, „dass das slawische Wort, welches der Name gibt, aus der noch lebenden Sprache entweder ganz verschwunden ist oder im Verlaufe der Zeit eine Veränderung der Form erfahren hat." Man muss dann verwandte Mundarten zu Rate ziehen oder das Wort nach Analogie zu deuten suchen. Schwierig wird die Ableitung auch dann, wenn der Name nicht mehr in rein slawischer, sondern in germanisierter Form bekannt ist; die deutsche Sprache ist aber nicht im Stande, die mannigfachen slawischen Laute mit Treue wieder zu geben. (Bronisch, über die mannigfaltigen Formen und den sprachlichen Wert wendischer Ortsnamen. N. laus. Mag. 20. B. 1. H.)

Auch die Erklärung deutscher Ortsnamen ist nicht immer sicher; manche Hypothesen müssen dabei unterlaufen, und stets wird eine Deutung fraglich bleiben, wenn uns die älteste Schreibart nicht aus Urkunden bekannt geworden ist. Dessen ungeachtet mögen derartige Arbeiten, welche es versuchen, die Bedeutung eines Namens an das Licht zu stellen, nicht ganz verworfen werden, da sie doch nach der und jener Richtung hin Aufschlüsse in Bezug des ältesten Volkslebens verschaffen. — Die Aufgabe erstreckt sich zunächst darauf, eine Übersicht der slawischen Lokalbezeichnungen innerhalb des Vogtlands aufzustellen. Da die Sorben vorzugsweise das untere Vogtland inne hatten, wo die Höhen im Ganzen nur unbedeutend sind, so bot sich auch dem Volke wenig Veranlassung, Höhennamen festzustellen. Durch sehr vereinzelte slawische Ansiedler im oberen Vogtland möchten daselbst auch einigen Bergen oder Felsgebilden Namen gegeben worden sein, die jedoch bei der nur dünnen deutschen Bevölkerung in späteren Jahrhunderten verschwinden mussten oder nach und nach germanisiert wurden. Als Beispiel möchte ich den schon im vorigen Kapitel genannten Schneckenstein hier anführen. Derselbe wird in einigen geographischen Handbüchern als „Schönecker-Stein" gedeutet, da die Erklärung, er habe seinen Namen von den an seinem Fuße vorgekommenen vielen Schnecken erhalten, zu unwahrscheinlich ist. Obwohl der Fels im sogenannten Schönecker Walde liegt, so erscheint es doch als wenig glaublich, dass man bereits in früher Zeit, als man die mineralogische Beschaffenheit des Steines noch nicht kannte, denselben durch angeführten Namen ausgezeichnet haben sollte. Viel näher würde es gelegen haben, weniger weit entfernte Felsgebilde, an denen Schöneck und die Umgegend so reich ist, dadurch näher zu bestimmen. Limmer hat nun den Namen „Schöneck" selbst von einem slawischen Worte Svenik abgeleitet. Dieses Wort bedeutet nach ihm „heiliger Hain", und er führt als Wurzel sven oder svan, d. h. heilig, an. Im oberlausitzischen Wendisch heißt heilig: swiaty, welches jedenfalls auf gleiche Wurzel zurückzuführen ist. Im Zend oder dem Altpersischen, einer dem Sanferit nahe verwandten Sprache, heißt spenta heilig, wozu jedoch im Sanscrit das entsprechende swanta, fehlt, im Litthauischen aber szwanta noch vorhanden ist. (Variscia, 4. Lief. S. 40.) Ich würde nun geneigt sein, den Namen „Schneckenstein", d. h. „Svenikstein", als einen Opferfels in einem heiligen Haine zu deuten. Seine isolierte Lage macht die Annahme wahrscheinlich und endlich würde man vielleicht seine frühere Bestimmung noch schärfer aussprechen, wenn man dabei auf Swantewit, den slawischen Gott des Lichts (swiaty und swiez, das Licht), hinweist.

Auch im untern Vogtlande werden manche slawische Namen so umgewandelt worden sein, dass ihr Ursprung nur mit vieler Mühe zu erkennen ist. Der Katzenberg bei Kamer hieß vielleicht einst „Kutzen- oder Kutschenberg"; als Parallele mag der Kutschenstein bei Riesa an der Elbe genannt werden; das Wort Katze oder Kutsche aber dürfte von dem slawischen Kuschka, d. h. Bergkuppe, abzuleiten sein, einem Worte, das auch zu Gaczka, die Bezeichnung eines Felsen auf dem Czorneboh bei Bautzen, wurde. (Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, 1 Th. S. 28.)

Die slawischen Namen gora, der Berg, und cholm oder chlum, der Hügel, sind von den Höhen auch auf Orte übergegangen. Die Stadt Gera, welche sich im Osten an einen Berg anlehnt und bereits am Ende des 11. Jahrhunderts existierte, hat ihren Namen von erstgenanntem Worte erhalten. Irrtümlich jedoch leitet Limmer Greiz, ursprünglich Grewcz und Groiz, von gora rewcz, d. h. der Reußenberg, die Burg der Reußen, ab; es ist mit größerer Wahrscheinlichkeit auf grodk, eine kleine Burg, zurückzuführen. Irchwitz, das auf einer Höhe liegt, ist vielleicht nicht minder mit gora oder hora in Verbindung zu bringen, und der Name würde dann aus Girkwitz oder Herkwitz (Horkwitz) durch verdorbene Aussprache sich gebildet haben. Das Wort cholm, der Hügel, hat sich in den beiden Kulmitsch bei Berga und bei Neila, und in Kulm bei Saalburg, einem Dorfe, das auf dem noch so genannten Kulmberge gegründet ward, und auch in Kulm bei Gera, sowie in Kollm bei Bösenbaum erhalten. Den letztgenannten Ort bezeichnet man auch durch die Worte: „auf dem Culm". Zu Kulmitsch die Bemerkung, dass man im Slawischen das Wort cholmjec hat, welches einen kleinen Berg bezeichnet. — Wie in „Katzenberg" haben wir möglicherweise auch in „Mehltheuer" ein gemischtes Wort. Obwohl dasselbe im Vogtlande der Name eines Dorfes ist, so kann doch angenommen werden, dass damit vielleicht in ältester Zeit auch die Höhen im Nordwesten des jetzt sächsischen Vogtlandes bezeichnet wurden. In Schumanns Lexicon von Sachsen (II. B. S. 333.) wird an der Mulde ein Mehltheuergebirge angeführt, und ebenso bezeichnet man einen der Vorberge des Höhenzuges zwischen Budissin und Löbau als Mehltheuer. Auf demselben liegt ein Dörfchen gleichen Namens. Das Wort wird aber nicht, wie es in Schumanns Lexicon geschieht, mit „hohe Berge", sondern vielmehr mit „kleines Gebirge" gedeutet werden müssen; entstanden ist es dann aus dem slawischen maly (mala), mawa, klein, und aus dem altgermanischen duren, Tauern, ein Gebirge. Wenn eine andere Ableitung, von maly, klein, und dwor, der Hof, die richtige ist (Preusker, Blicke in die vaterländische Vorzeit I. S. 201.), würde sich der Name nicht auf ein Gebirge, sondern auf eine Ansiedelung beziehen. — Auf die Verehrung eines slawischen Gottes weist vielleicht der Zwots- oder Zotsberg beim Dorfe Zwötzen in der Umgegend von Gera hin; die Ableitung seines Namens wird sich zugleich bei der des Namens Zwodta mit ergeben.

Auch der Axenberg bei Mengersdorf, sowie die Axenheide bei Emskirchen sollen in ihren Namen die Erinnerung an ihre ehemalige Heiligkeit, und insbesondere an einen slawischen Gott, mit Namen Ape, der hier verehrt wurde, bewahren. (Ernst, Gesch. u. Beschr. d. Stadt u. d. Bezirks Hof S. 19.)

Der Grotenberg bei Strößwitz ist wohl nicht von „Grot-Odenberg", d. h. Groß-Odhinsberg, sondern von dem Slawischen kruty, wild, streng und öde, oder von hruda, hrauda, die Erdscholle, abzuleiten; der Schelmaberg bei Wilhelmsdorf enthält in seinem Namen noch das unveränderte sorbische schelma, die Bezeichnung für ein wildes Tier. (13. Jahresb. des altertumsforschenden Vereins zu Hohenleuben, S. 61.) Der Huns-, richtiger wohl Hundshügel bei Crispendorf im Reußischen hat seinen Namen nicht von den Hunnen, sondern von dem slawischen hony (der Laufweg in den Bergwerken) erhalten. Wie uns noch der „Hund", ein Karren, den die Bergleute zum Fortschaffen der Erze in den Bergwerken gebrauchen, an das slawische hony erinnern muss, so können wir auch annehmen, dass alle mit „Hund" zusammengesetzten Ortsnamen im Allgemeinen auf ein früheres Hütten- oder Bergwerk hinweisen. (Bariscia 3. H. 103. 4. H. 97.) — Bei einer sorgfältigen Prüfung unserer Bergnamen wird man gewiss noch manchen Sprachresten der früheren slawischen Bevölkerung begegnen. Die Namen Weßnitz, für einen Buschholzberg bei Drachsdorf, und Löla, einen Hügel in der Nähe Neundorfs, so wie die Wilschberge (weljcy = lupinus) bei Rauschengesäß, welche an den Milczenerstamm erinnern sollen (13. Jahresber. d. alterth. V. zu Hohenleuben S. 58.), der Döbraberg (dobre, gut) bei Neila, der Lausenhügel (luza, der Sumpf) bei Selbitz und die Lasur, ein Bergname am Pfordtner Tal bei Gera, mögen schließlich noch genannt sein.

Vogtland, Karte von 1662

Vogtland, Karte von 1662

Land der Vögte 1350

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