Fortsetzung IV

In einer langen Reihe slawischer Ortsnamen spricht sich der naturbeschreibende Charakter aus. Es ist zunächst der Gegensatz von hoch und tief, den wir berühren wollen. Eine Menge Ortsnamen lässt mehr oder weniger deutlich das slawische gora oder hora (der Berg) erkennen; es mögen folgende genannt werden: Gören bei Plauen, Gera, Görschnitz und Klein-Gera bei Elsterberg, Görkwitz bei Schleiz, Grochlitz und das schon genannte Irchwitz (Girkwitz, Herkwitz, Horkwitz) bei Greiz, und ebenso die Grellenhäuser bei letzterer Stadt, welches Wort vielleicht von Gorallen, d. h. Berghäuser, abzuleiten ist; auch Harre im Lobensteinschen muss mit hierher gezählt werden. Bei Ronneburg liegt Gauern, welches Dorf in Urkunden bald Goren, bald Gahren geschrieben wird, und deshalb nicht minder auf das slawische gora hinweist. Man dürfte hier vielleicht auch das Dorf Kauern in derselben Gegend nennen, obwohl mir nebenbei das wendische gawron, eine Rabenkrähe, einfällt. Desgleichen denke ich an „Kauen", womit man in der Lausitz Verschläge in den Schafställen bezeichnete. Das damit verwandte böhmische kune bedeutet eine kleine Hütte über einem Bergwerke. Es könnte also auch dem Worte der Begriff von unansehnlichen Wohnungen zu Grunde liegen. Nach einer Tradition soll Kauern seinen Namen von Kaurachen in der Schweiz, woher die früheren Besitzer des Ortes, die Herren von Friesen, stammen sollen, ableiten. Dem widerspricht jedoch der Umstand, dass in der Gegend von Basel eine Gegend nicht Kaurachen, sondern „Raurachen" genannt wird. (Böhme, Chronik von Ronneburg S. 97.) Die Ortsnamen Culmitsch und Culm (cholm, die Bergkuppe) wurden früher schon genannt, und ebenso der Name Mehltheuer, bei welchem man vielleicht auch außer an das slawische maly, klein, an tarras, der Wall, erinnert wird, so dass man von dem deutschen duren, das Gebirge, absehn kann. (13. Jahresbericht d. vogtl. alterth. V. S. 61.) Eula, vom altsächsischen und altslawischen ewl, howl, owl abzuleiten, bedeutet einen schroffen Berg. Vom slawischen nahly, steil oder jählings, will man auch den Namen Naila (s. weiter unter den deutschen Ortsnamen) herleiten, obgleich die Topographie des Ortes keinen Anhalt dafür gibt. (Hübsch, Gesch. d. Stadt u. d. Bezirks Naila. S. 2.)

Im Gegensatze zu diesen Höhenbezeichnungen tragen Orte Namen, welche von dol, das Tal, und von doljny, deljny, dem lateinischen vallensis entsprechend, abzuleiten sind. Es mögen Dölau bei Greiz und Döla bei Hof hierbei genannt werden; vielleicht darf man auch Taltitz bei Plauen mit hinzurechnen. Dem Namen Leubnitz, welchen zwei Dörfer bei Mühltruff und Werdau führen, liegt wahrscheinlich das slawische lobio, d. h. tief, zu Grunde. Lobenstein, das urkundlich im Jahre 1310 zuerst genannt wird, mag zu seinem Namen dieselbe Wurzel haben; lobina soll ein um einen Berg sich herumkrümmendes Tal bezeichnen.


Den Begriff der Fläche drücken die Stämme Bjel, mjel, Pla, Olej und Plya aus; Planitz, Meilitz bei Gera und Mehla bei Hohenleuben mögen damit in Verbindung stehen, doch könnte Mehla auch von maljinje, das Himbeergesträuch, abgeleitet werden. Politz bei Greiz erinnert an das slawische poljo, mehr jedoch in der Bedeutung Feld als Ebene.

Schleiz, welches in älteren Urkunden nicht bloß Slowiz oder Sleuwiz, sondern auch Schlewitz genannt wird (Lex. v. Sachs. 10. B. S. 340.), führt vielleicht den Namen von dem slawischen schelawy, das eine schiefe, abschüssige Richtung angibt. (Resch im 17. Jahresber. d. vogtl. alterth. V. S. 17.)

Als ein Volk von Ackerbauern mussten die Sorben ihr Augenmerk auch der Beschaffenheit des Bodens, auf welchem die Niederlassungen gegründet wurden, zuwenden. Auf gutem Ackerlande wurden Dobra bei Altenburg, sowie Döbra und Tobertitz angelegt; wenigstens mochte dort der Boden den ersten slawischen Ansiedlern als anbauwürdig vorgekommen sein. Das slawische dobre, gut, könnte zwar noch auf andere den Ansiedlern günstige Verhältnisse bezogen werden, doch scheint die oben angegebene Beziehung am naturgemäßesten zu sein. Zu den von dobre abzuleitenden Ortsnamen gehören auch noch Dobenreuth und Döbrastöcken, halb slawisch, halb germanisch, Doberschütz bei Altenburg und Dobian bei Greiz. Wahrscheinlich ist das Städtchen Neukirchen, welches als „Nuwenkirken" 1360 zuerst urkundlich genannt wird, aus einem Dörfchen Dobritzschen hervorgegangen; der Name einer Gasse hat gegenwärtig die Erinnerung an diesen Ort erhalten. (Dr. Herzog im Archiv f. sächs. Gesch. 2. B.) Die Namen Dobenau und Dobeneck sind wohl mit größerer Sicherheit auf gleichen Stamm zurückzuführen, obschon sie Einige, wie das vorhin genannte Dobenreuth, von dub, die Eiche, und insbesondere Dobeneck von dubk, die Eichenpflanzung, ableiten. Die Dobenau bei Plauen, als „gute Aue" übersetzt, erinnert an die güldne Aue Thüringens.

Im Gegensatze zu diesen Ortsnamen erinnern Kemnitz, ein Dorf im Osten von Gesell, und Kamer, nördlich von Reichenbach, durch ihre Ableitung von Kamen, d. h. Stein, an den steinigen und deshalb unfruchtbaren Boden, welchen die Ansiedler hier fanden. Der Dürreberg, an welchen letztgenanntes Dorf teilweise sich anlehnt, trägt seinen Namen aus demselben Grunde. Nach Limmer soll auch Netzschkau, ein Städtchen, welches 1687 unter Johann Georg III. erst Stadtgerechtigkeit erhielt, mit seinem Namen das deutsche „Dürren- oder Wüstenfeld" bezeichnen. Gleina, der Name eines Dorfs bei Gera, ist vielleicht von Hljina der Ton oder Lehm, abzuleiten. — Das Nasse, Sumpfige des Bodens drückten die Slawen durch Namen aus, welche von den Wörtern lusicz, blot, blotny, Sumpf, moz, feucht, und luh, der Pfuhl, abzuleiten sind. Es mögen folgende Dörfer hierbei genannt werden: Lusen bei Gera, Losa bei Plauen, Lausnig bei Neustadt und vielleicht auch Lunzig bei Hohenleuben; ferner Plothen bei Schleiz, Moschwitz bei Greiz und Möschwitz bei Plauen. Das luh, zu „loh" geworden, kommt in gemischten Wörtern vor, und jedenfalls sind die als Beispiele zu nennenden Lokalnamen viel späteren Ursprungs; derselbe reicht wohl nicht bis in die Slawenzeit zurück. Ein Dörfchen Bärenloh liegt in der Nähe von Bad Elster; die Lohhäuser und Hannaloh, wie gleichfalls einige Häuser genannt werden, befinden sich bei Falkenstein; und eine Schäferei bei Benzka in dem Amte Hirschberg führt den Namen Lohbühl. Im Höfer Amtsbezirke findet man die Namen Erlalohe, für ein Haus bei Tauberlitz, Fohrenlohe, für ein einzelnes Haus, zu Hohenberg gehörig, und noch andere, die neben einzelnen Gehöften auch Flurmarken bezeichnen. — Schließlich ist hier das Städtchen Kahla mit zu nennen, dessen Name uns auf kal, der Schlamm, oder auf kaljawy, schlammig, trübe, zurückführt.

Andere Ortsnamen sind den slawischen Bezeichnungen für Wiese, Aue, Wald entlehnt. Noßwitz bei Elsterberg, wenn es vielleicht von Nazenjce entstanden ist, bedeutet dann Wiesendorf oder das besäete Feld; Lucka im Altenburgischen weist uns auf luck, die Wiese, hin; Plauen, von plawe, soll eine überschwemmte Aue bezeichnen, wenn es nicht von plawim, d. h. schwimmen, abzuleiten ist; in letzterem Falle würde es den Namen vielleicht von einer Elsterüberfahrt erhalten haben. Auch Mylau soll nach Limmer von Myholawe, welches er mit liebe Aue übersetzt, hervorgegangen sein, eine Erklärung, welcher die urkundliche Schreibweise des Schlosses widerstreitet; im 13. Jahrhundert lautete dieselbe milin (Lex. v. Sachsen, 6. B. S. 677.). In gleicher Weise zu bestreiten ist die Deutung, welche Limmer von dem Namen Pausa angibt; er leitet ihn vom WortePaschanie, das nach ihm eine Viehweide bezeichnet, ab, obgleich er später (Gesch. d. Vogtl. N. S. 583.) anführt, dass die Stadt in einer Urkunde den Namen Pusin führt. Es heißt darin: Heinrich der Biedere verpfändete 1393 Pusin um 400 Schock Groschen an Wilhelm Markgrafen von Meißen. Da diese Limmerschen Erklärungen durch das Geschichtswerk, in welchem sie enthalten sind, noch vielfach Anhänger gewinnen, so durften sie hier nicht gänzlich übergangen werden. — Das slawische ljes und losso, lasso, der Wald, begegnet uns in mehreren Dorfnamen unseres Landesteils; ich nenne Lossen und Laasdorf im Altenburgischen, Laskau bei Pösneck, Epplas und Kemlas im Bezirke Hof und das Geraische Vorwerk Laasen. Auch Dörflas, das eine fränkische Ansiedelung zu sein scheint, wird von Herzog in seiner Geschichte des Thüringer Volkes mit hierher gezählt. Die erste deutsche Silbe unterscheidet die Ansiedelung von dem Walde. (Variscia, III. S. 105.) Einen Ort mit gleichem Namen gibt es auch bei Schwarzenbach an der Saale. — Coschütz bei Elsterberg, das um das Jahr 1480 Kosthwitz geschrieben wird, kann vielleicht mit Buschdorf übersetzt werden, wenn man es nicht vorzieht, hierbei an das slawische ko?jel (kotjel), der Kessel, und somit an einen alten Opferplatz zu denken. — Die Ableitung der Namen Trieb und Treuen (Dreuen) von drewo, das Holz, oder drowko, ein klein Gehölz, wurde früher schon mit angeführt.

Einige Ortsnamen müssen auf die Bezeichnungen von stehenden und fließenden Gewässern zurückgeführt werden. Jeßnitz darf man vielleicht von jazor oder jezor, ein See, ein Weiher, Retzsch von rjeka (retschka), ein kleiner Fluss, und Poritzsch von po rjezy, was am Flusse liegt, ableiten. Auch Ebelsbrunn, das 1303 urkundlich Alvolsburn, und 1336 Eyfelsborn geschrieben wird, steht ohne Zweifel mit dem Albo distudinza, der Alboquelle, Born des Albo, wie 1118 der Lindenborn genannt wird, im Zusammenhange.

Die Lage nach der Himmelsgegend ist in Zoppothen, von zapaduj, d. h. nördlich, die Winterseite, ausgesprochen. Vielleicht hat dieser Name auch mit Zopten bei Gräfental und Zobten in Schlesien gleichen Ursprung; dann würde er einen Lagerplatz bezeichnen (Variscia III. 107. V. 78.).