Fortsetzung III

Da wir so vielen slawischen Flussnamen im Vogtlande begegnen, so muss es auffallen, verhältnismäßig wenig Flurteile und Waldungen sorbisch benannt zu finden. Es mag dies weniger in einer späteren Umtaufung, als vielmehr darin zu suchen sein, dass die Fluren der Sorbendörfer zu klein waren, um den ersten Ansiedlern Veranlassung zu geben, Unterabteilungen derselben besonders zu benennen. Als ackerbautreibendes Volk hatten die Sorben auch weniger Interesse an den Waldungen, weshalb sie diese gewöhnlich nur ganz allgemein als Holz oder Gehölze bezeichnet haben. In der Folge gingen die slawischen Bezeichnungen drewo, drjowk, drowko für Holz, Gehölze, auf Absiedlungen, z. B. Treuen, Trieb und Triebel über. Aus einer späteren Zeit und von gemischter Bevölkerung mögen die Namen Tösseholz und Tossenwald herrühren, welche Limmer mit Siegesholz und Siegeswald übersetzt. Ob dieselben aber zur Erinnerung an stattgehabte Kämpfe den Waldungen gegeben worden sind, muss fraglich bleiben, da auch angenommen werden kann, dass der Name des adligen Geschlechts von Tossen, als des Besitzenden, auf die Gehölze überging. Bemerkt mag werden, dass unterm Jahr 1419 bei Adorf auch eine Wiese „Thoßyn", dem Engelhart Thoß gehörig, urkundlich genannt wird. (Krenkel, Blicke in d. Vergangenheit d. Stadt Adorf, S. 24.) — Zwei Marken bei Hohenleuben, Biele und Dobern, tragen ihre slawischen Namen ziemlich unverändert; der eine ist auf biele, biewo, weiß, der andere auf dobre, gut, zurückzuführen. — Die Chemnitz, eine Talschlucht bei Groß-Drachsdorf, kann als das Felsen- oder steinige Tal bezeichnet werden; die Lube, eine Gegend bei Wilhelmsdorf, lässt uns in ihrem Namen noch das slawische lobio, tief, oder lubo, lieb, erkennen. Es kann hierbei auch der Lobenstein, eine Waldfläche bei Würschnitz genannt werden; doch verweise ich hierbei noch auf die Erklärung des später angeführten gleichen Ortsnamens. — Ein zum Teil mit Wald bewachsener nasser Grund, welcher sich von Friesen nach der Göltzschtalbrücke hinzieht und den Namen Wudel führt, hat letzteren vielleicht von woda, d. h. das Wasser, oder von wuh, ein Grassumpf, ein Platz, an welchem Wasser sich gesammelt hat, erhalten; doch ist es wahrscheinlich richtiger, auf das englische wood, das Holz, Gehölz zurückzugehen. — Im heutigen slawischen Dialekt der Niederlausitz heißt ein Grassumpf luh, und von diesem Worte dürfte man vielleicht den Namen Lohe ableiten, wenn man dabei nicht an das slawische luck, die Wiese, denken will. Die slawischen Wörter luc und luhy bezeichnen außerdem noch einen Hain. (N. Laus. Mag. 41. B. S. 84.) Die tiefe Lohe ist ein Pfarrwald, die kleine, sowie die große Lohe sind dagegen Wiesen, sämtlich in der Umgegend von Oelsnitz. Den Namen Lohe führen auch zwei Täler bei Raasdorf und bei Würschnitz. An dem engen, seichten, auch Lohbrunn genannten Tale bei Würschnitz gibt es Lohbrunnfelder und Lohbrunnwiesen. Die Hanneloh zwischen Ebersbach und Hundsgrün besteht aus Feld, Wiesen und Wald. Bei Schwarzenbach an der Saale gibt es eine Sichelloh, Möreloh, Stengelloh, Entenloh und Tannenloh. — Vielleicht hängt mit dem slawischen bano, ein Sumpf oder Quellenort, der Name Bienig, welchen ein Teil des Tales von Görnitz bis zur Tanzermühle führt, zusammen. — Bei Selbitz heißen Feld- und Wiesenfluren Schertlas, andere Bricklas; die Silbe „las" ist jedenfalls auf ljes, der Wald, und „Schert" vielleicht auf czert, der Teufel (ein böser Gott?), sowie „Brick" auf brjesa, die Birke, zurückzuführen. — Slawisch ist auch der Name Kremel für eine Feldmarkung bei Röpsen, die ursprünglich dicht bewaldet war. In den alten Slawenbesitzungen kommt dieser Name, der immer eine Art Festungs- oder sonstiges Verteidigungswerk bezeichnet, ziemlich häufig vor. Hahn, Gesch. von Gera, S. 1127.) — Die Scheibe, eine Flur bei Ronneburg, erinnert vielleicht an Siba, die slawische Göttin des Lebens und der Fruchtbarkeit. (Über den Namen Scheibe überhaupt s. Haupt, Sagenbuch d. Laus., S. 390.) — Der Pähler oder Bähler, eine zu Wolfersdorf bei Berga gehörige Talflur, mag ihren Namen wohl von poljo, das Feld, erhalten haben, während uns das Trujatal bei Wurzbach, die Truja und der Trajaacker, zwei Feldstrecken bei Gamsdorf, an druha oder drucha, der Weg, erinnern. — Von der Linde, wendisch lipa, ist vielleicht bei Kamsdorf eine Ackerfläche, welche Lippe oder Liuppe heißt, benannt worden; die Erle, polnisch olcza, lieh dagegen einer Gegend bei dem Dorfe Pltzen, welche Olsnitz oder Eltznitz heißt, und ebenso dem Oelsnitzgrunde bei Lippersdorf im Altenburgischen ihre Namen. — Das Sornenholz bei Mosbach soll an die Sorben, an die Milczener aber der Mih itz oder Meilitz, eine Gegend zwischen Brandenstein und Gräfendorf, erinnern. (13. Jahresb. d. vogtl. alterth. Vereins S. 58.) — Es muss bemerkt werden, dass alle diese Deutungen nur Versuche sind, in den Flur- und Waldnamen eine slawische Wurzel nachzuweisen. Selbst da, wo diese Wurzel nicht gefunden wird, erkennt man doch die slawische Abstammung. Grundstücke , eine wüste Mark, zwischen Hammerhaus und Oelsnitz führen den Namen Gazenhof, dessen erstes Wort wohl eher slawisch als germanisch ist; gewisse Felder zwischen Reichenbach und Friesen nennt man die Ruppelte; hier stand ein Bauerngut , dessen Gebäude nach archivalischen Nachrichten im 30jährigen Kriege nach und nach verfielen. Slawisch ist auch der Name Hetsch, welchen ein Stück Feld am Alaunwerke bei Mylau führt. Hetsch heißt im Vogtlande Michenbach) heute noch die Wiege. Vielleicht musste man auf das genannte Feld, da dasselbe etwas abgelegen ist, die Kinder mitnehmen und in den Schlaf wiegen, wie dies noch heute die Wenden in der Lausitz tun, wenn sie auf dem Felde arbeiten. — Bemerkt mag werden, dass im temescher Banat in Ungarn Had eine Wiese heißt. (Laus. Mag. 42. B. S. 315.) — Grundstücke mit slawischen Namen in der Umgegend von Schwaara, Trebnitz und Laasen sind: Brämse, Bire, Elzig, Silze, Salpe, Gomlitz und Zoche. Slawisch sind ebenfalls bei Selbitz die Namen: Quira, Tietschau, Horlachen (hora, der Berg? — holja, der Nadelwald, die Haide?), welche sämtlich Feld und Wiesen bezeichnen, vielleicht auch Isweih ebendaselbst, und Weimera, eine Feld- und Holzflur bei Schwarzenbach an der Saale. — Die Bockwitz nennt man eine Talgegend bei Berga, Breylitz und Kretza zwei Wiesen in der Flur von Seysla, und Creyza einen Acker, welcher Goswitz angehört. Ein Stück Land bei Ranis wird die Clutsch wendisch: kluc?, der Schlüssel) genannt, die Ellitz ist ein Feld bei Wilhelmsdorf; bei letzterem Orte heißt ein Acker Linkitz; die Kraspitz und die Kespitz sind die Namen zweier kleiner Wiesen und eine Wiese an der Saale heißt die Hopschen. Auf der Flur von Goswitz wird ein Acker Kripst, ein anderer Grescht genannt; der Stemlitz und der Stermseelitz, zwei andere Äcker, liegen in der Schmorder Flur; ein Buschholz in der dortigen Gegend heißt der Sältscht, und ein Gehölz beim Dorfe Altar nennt man die Prestnitze. Den meisten sorbischen Flurbenennungen begegnet man in der Nähe der Westgrenze des gesamten alten Vogtlandes. Es kann daraus geschlossen werden, dass diese Gegenden zur Slawenzeit eine stärkere Bevölkerung als die im Osten hatten. Dasselbe ist auch aus der Zahl der Ansiedlungen, welche slawische Namen tragen, zu ersehen, Zimmer zählt deren 115 in dem reußischen, 79 aber in dem sächsischen Vogtlande; und wenn auch diese Zahlen bei einer Prüfung nicht ganz richtig sein sollten, so dürfte doch dabei im Allgemeinen das Verhältnis nicht gerade anders werden. Zu der Fläche verhalten sich im Reußischen die ursprünglich slawischen Orte ungefähr wie 4 : 1, wie 3 : 1 dagegen in dem jetzt sächsischen Vogtlande. Was speziell die Herrschaft Gera anlangt, so muss bemerkt werden, dass hier die sorbische Ansiedlung, bedingt durch fruchtbare Gefilde, bereits die Hälfte des gesamten heutigen Anbaus ausmachte. Am schwächsten wurde der jetzt Bayern angehörige Teil des alten Vogtlands von den Sorben kultiviert, da diese Landstrecken nicht lange vor den fränkischen Kriegen, welche die slawische Nation dem Untergange entgegenführte, von den Ansiedlern derselben bebaut wurden. Limmer zählt im bayrischen Vogtlande nur 24 slawische Ansiedlungen auf. In der vorhin erwähnten Herrschaft Gera, dem ehemaligen Gaue Gerawe, werden von demselben 46, in der Greizer Gegend außer dem Schlosse Greiz 35, um Schleiz und Lobenstein mit Burg 32, in dem Ronneburger und dem Weidaer Districte 18 und 36 Orte mit sorbischen Namen angeführt. Im sächsischen Vogtlande sind dieselben in der Umgegend von Plauen am zahlreichsten vertreten, da in der ehemaligen Ebersteinschen Herrschaft Dobenau, wie sie im 12. Jahrhunderte bestand, gegen 56 namhaft gemacht werden. Geringer sind die slawischen Ansiedlungen um Oelsnitz; Limmer zählt hier außer der Stadt 23 auf und bemerkt, dass über Adorf, Schöneck, Falkenstein und Auerbach bis an die böhmische Grenze die ursprünglichen Slawenorte sehr sparsam auftreten. Der damalige slawische Anbau machte dort nur den neunten Teil des heutigen aus. Undurchdringliche Waldungen bedeckten fast gänzlich jenen Teil des Vaterlands, und heute noch herrscht dort der Wald, und Ackerland und Wiesentristen sind spärlich in jener Region der Nadelwälder eingestreut. An Böhmens Grenze mochte noch vor wenig mehr als zwei Jahrhunderten der Wolf das Feld behaupten, denn eine Wolfsjagd wird unterm Jahre 1626 beim Höllhammer, dem jetzigen Klingental, erwähnt. Wie einsam diese Gegend damals noch gewesen ist, ersieht man aus einer Nachricht des Klingentaler Kirchenbuchs, wonach ein Mädchen von neun Jahren aus der Glashütte sich im Walde verirrt hatte und erst im folgenden Jahre tot darin aufgefunden wurde. (Wolf, geschichtliche Nachrichten über das Klingentaler Kirchspiel. 1. H. S. 68 und 70.) — Zu diesen waldreichen Distrikten wurden auch in alter Zeit wenig Sorben hingezogen, so dass wir, wenn uns im Folgenden die Namen ihrer Ortschaften beschäftigen, vorzugsweise eine Umschau innerhalb der Grenzen des niederen und darum fruchtbareren und kultivierteren Landesteiles halten.