Auf der Höhe - Band 3

Autor: Auerbach Berthold 1812-1882, Erscheinungsjahr: 1865
Themenbereiche
Inhaltsverzeichnis
    Fünftes Buch
    1. Erstes Kapitel. - Es war im Spätsommer, als der Hof aus dem Seebad zurückkehrte. ...
    2. Zweites Kapitel. - Am selben Morgen, da ihm der erste Enkel geboren worden, kam Graf Eberhard ...
    3. Drittes Kapitel. - In der Residenz waren alle Schulen, Kanzleien und Werkstätten geschlossen, ...
    4. Viertes Kapitel. - Mitternacht war nahe, als die Reisenden auf Schloß Wildenort ankamen. ...
    5. Fünftes Kapitel. - Mit festem Schritt ging Bruno die Treppe hinab. Er hatte das Pferd eine Strecke ...
    6. Sechstes Kapitel. - Schon bevor der Leibarzt angekommen, hatte man dem Kranken zur Ader ...
    7. Siebentes Kapitel. - Wer sein Leben zerstört, zerstört nicht sein eigenes Leben allein. ...
    8. Achtes Kapitel. - Es war tief in der Nacht. Alles schlief. ...
    9. Neuntes Kapitel. - Der Leibarzt hatte an Emmy einen Boten geschickt mit der Nachricht vom Tode ...
    10. Zehntes Kapitel. - Irma war auf einem Fußweg, der sich durch hohe Waldbäume hinzog. Fest und sicher ...
    11. Elftes Kapitel. - Draußen im Hausflur, der zugleich Küche war, stand Thomas bei seiner Mutter; ...
    12. Zwölftes Kapitel. - Die Sonne steht in Pracht am Himmel, unter den Bäumen am Waldesrand, auf ...
    13. Dreizehntes Kapitel. - Walpurga kniete bei der Ohnmächtigen, der Blut aus einer Stirnwunde quoll. Schnell ...
    14. Vierzehntes Kapitel. - Die Großmutter machte draußen in dem mit einer Blahe überspannten Wagen
    15. Fünfzehntes Kapitel. - Als man gegen das Haus kam, wieherte das weiße Füllen den Ankommenden entgegen. ...
    Sechstes Buch
    1. Erstes Kapitel. - Durch die Flucht Irmas war das Leben des Lakaien Baum plötzlich leer. Er kam ...
    2. Zweites Kapitel. - Der König war schon in der Frühe in seinem Kabinett. Er verweichlichte sich nie, ...
    3. Drittes Kapitel. - Als der Oberhofmarschall eintrat, hatte sich der König gesammelt und war
    4. Viertes Kapitel. - Die Königin hatte mehrere Zeitungen vor sich. Sie schob sie mit den Worten weg: ...
    5. Fünftes Kapitel. - Im Jagdschloß des Hochgebirgs war es still und einsam. Im großen Gemach, ...
    6. Sechstes Kapitel. - Die Berge waren noch in Morgennebel gehüllt, als der König den Oberst Bronnen ...
    7. Siebentes Kapitel. - »Und Seine Majestät der König läßt Ihnen mit innigem Beileid sagen, wenn ...
    8. Achtes Kapitel. - Der Intendant saß auf dem Sofa neben Bruno und hielt dessen Hand; sie fieberte. ...
    9. Neuntes Kapitel. - Bruno stand, von allerlei Gepäck umgeben, im Zimmer, da meldete ein Diener die gnädige ...
    10. Zehntes Kapitel. - Die Königin schlief, vom Schmerz überwältigt, in ihrem Gemach. ...
    11. Elftes Kapitel. - Am Morgen wäre Bruno gern umgekehrt. Was sollte das? Das Märchen vom ...
    12. Zwölftes Kapitel. - Die beiden Freunde kehrten nach dem Wirtshause zurück, wo die Reitknechte mit ...
    13. Dreizehntes Kapitel. - Der König war zur Jagd, die Königin war krank. Das Hofgefüge hielt fest, ...
    14. Vierzehntes Kapitel. - Der König jagte im Hochgebirge; er war in Wahrheit ein Jäger; er ließ sich ...
    15. Fünfzehntes Kapitel. - Am selben Morgen, an welchem der König auf dem Jagdschloß mit Bronnen saß, ...
    16. Sechzehntes Kapitel. - Der König kam von der Jagd zurück. Das mutige Wandern über die Berge hatte ihn ...
    17. Siebzehntes Kapitel. - Die Königin hatte vernommen, daß der König zurückgekehrt war, und die Ruhe ...
    18. Achtzehntes Kapitel. - Am Morgen ließ der König seiner Gemahlin melden, daß er sie sprechen müsse....
    19. Neunzehntes Kapitel. - Die Königin war nun doppelt unglücklich; sie hatte den unsäglichen Schmerz ...
Es war im Spätsommer, als der Hof aus dem Seebad zurückkehrte.

Als erste Regierungshandlung musste der König jetzt den Erlass unterzeichnen, mit welchem das Ministerium Schnabelsdorf das widerspenstige Abgeordnetenhaus auflöste und Neuwahlen anordnete.

Der König war missmutig, denn er musste eine Folgehandlung vollziehen, die ihn jetzt überraschte. Er war so froh belebt aus dem Bade zurückgekehrt und nun kam der Staat mit seinen Ansprüchen, wie ein unbefriedigter Gläubiger.

Der König freute sich der Zufriedenheit und allgemeinen Zustimmung seines Volkes, aber diese Zustimmung sollte eine selbstverständliche sein; jetzt wurde eine große Frage an das Land gerichtet und es war zweifelhaft, wie die Antwort lauten würde.

Die ausgiebige Unterhaltungskunst Schnabelsdorfs, ja die geschickte Betonung des Heroischen im Grundcharakter des Königs begegnete nur hoher Misslaune.

Im ganzen Lande war große Bewegung. Man merkte indes am Hofe wenig davon; die Herbstmanöver hatten begonnen und auf die nächsten Tage, nachdem der Hof noch einmal auf die Sommerburg übergesiedelt, war die Jagd im Hochgebirge angesetzt.

Der König betätigte eine ungewöhnlich lebhafte Teilnahme an den Manövern. Die Fügsamkeit der geschlossenen Massen und ihre exakte Lenkung bildete einen haltvollen Gegensatz zu einer gewissen Zerfahrenheit und Auflösung im Lande. Man war aber natürlich weit entfernt, nur an die Möglichkeit zu denken, diese Gegensätze tatsächlich einander gegenüberzustellen.

In den Hofgesellschaften zeigte der König stets eine ausnehmend gute Laune; er hielt es für Pflicht, gerade bei innerem Missmut äußerlich um so zuversichtlicher und heiterer sich darzugeben und den gefälligen Schein zu wahren; die von Jugend an geübte Gewöhnung, sich immer in würdiger Haltung darzustellen, im Bewußtsein, stets beobachtet zu werden; die Rücksicht auf die Ansprüche einer vielgegliederten Umgebung und demgemäß nach allen Seiten hin angemessene Reden zu spenden; vor allem aber die Kunst des Ignorierens, die von andern inne gehalten und daher auch selbst geübt werden muss, dazu das selbständige Kraftgefühl des Königs – alles das ließ an ihm keine Spur des Missmutes erkennen. Er war immer voll heiteren Anteils, zumal wenn Irma zugegen. Sie vor allem durfte kein Schwanken seines Naturells bemerken, denn sie hätte das anders deuten müssen. Es war Pflicht, bei jeder Begegnung jene gehobene Stimmung zu bewähren, die keinen Zwiespalt kennt und daraus Berechtigung und Sicherheit nimmt, sich über das Gesetz zu stellen. Und doch empfand der König jetzt zum erstenmal die Unzuträglichkeit, im persönlichen Leben von einer Leidenschaft bewegt zu sein, während eine große, noch dazu mit Gegenkampf erfüllte Aufgabe die volle Manneskraft erheischt.

Auch Irma war von der Frische der Meereswellen neu belebt in die Residenz zurückgekehrt. Sie war schöner als je, wurde aber selten am Hofe gesehen, denn sie hielt sich viel bei Arabella auf.

Am Tage, nachdem Arabella eines Knaben genesen, kam Irma mit dem Leibarzt aus dem Hause Brunos.

»Diese ewige Kinderstube wird mir nachgerade zuwider,« wollte Irma sagen, aber sie hielt es zurück.

Der Leibarzt ging schweigend neben ihr die teppichbelegte Treppe hinab. Seine Mienen waren ernst. Er war schon so lang in der großen Welt, aber immer noch verletzte es ihn wie eine grelle Dissonanz, dass Menschen wie Bruno, die, wie der beschönigende Ausdruck sagt, stark gelebt haben, auch noch des Vaterglückes teilhaftig werden sollen. Der Leibarzt hielt den Elfenbeingriff seines Stockes an den Mund gedrückt, als wollte er damit seinem inneren Denken verbieten, zu Worte zu kommen. Schweigend setzte er sich mit Irma in den Wagen. Sie fuhren nach dem Schlosse. [Aus Kapitel 1]