An Meine Lieben in der Heimat. Aus Nord-Amerika 1893.
Reisebriefe aus Nord-Amerika vom 25. Juli bis 28. November 1893.
Autor: Berg, Gustav von Freiherr (1828-1903), Erscheinungsjahr: 1894
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Nord Amerika, Schiffsreise, Bahnreise, New-York, Kanada, Chicago, Denver, Chicago, Los Angeles, New-Mexiko, Niagara-Fälle, Yellowstone-Park, San Franzisko, Hudson, Saratoga, Newport, Boston, Weltausstellung, Landwirtschaftsausstellung, Schlafwagen, Reisegesellschaft, Landwirtschaft, Land und Leute, Sitten und Gebräuche, Wirtschaft, Handel, Eisenbahn,
Inhaltsverzeichnis
- Reisepläne und Vorbereitungen (Fortsetzung)
- Auf hoher See.
- In New-York.
- In Newport und Boston.
- Fahrt auf dem Hudson nach Saratoga.
- In Kanada
- Von den Niagara-Fällen nach Chicago.
- Von Chicago in den Yellowstone-Park.
- Von Livingstone nach San Francisco.
- San Francisco und Umgebung.
- Vom Yosemite-Tal nach Los Angeles.
- Von Los Angeles bis New-Mexico.
- Von Denver bis Chicago.
- Chicago
Chicago, den 22. Oktober 1893.
1. Reisepläne und Vorbereitungen.
Mit Staunen und Bewunderung bekommen wir über das Meer oft Nachricht von dem riesenhaften Unternehmungsgeiste, der Fähigkeit und Ausdauer der Amerikaner, welche die schwierigsten Probleme der Technik spielend überwinden, die endlosen Prärien, noch kürzlich das alleinige Reich der Sioux und Büffel, kulturfähig machten, Handel und Industrie in ihnen gründeten.
Wir armen ungarischen Landwirte bewundern aber nicht allein die Amerikaner, wir fürchten sie auch und werden gar zu oft nicht in der angenehmsten Weise an sie erinnert. Wollen wir unsere magere Weizen- und Maisernte verkaufen, so drücken die großen Vorräte in Chicago unsere Preise. Wenn die Zucker-Trustcompagnie in Chicago acht Tage keinen Zucker kauft, möchten unsere Zuckerfabriken die Rübe halb geschenkt bekommen; amerikanisches Fleisch, amerikanische Butter und Fett werden bald auch auf unseren Märkten erscheinen. Unsere besten Arbeiter wandern lieber in das Land der Freiheit und eines größeren Verdienstes als auf unsere Puszten. Wird uns irgend eine recht praktische, sinnreich erfundene landwirtschaftliche Maschine offeriert, so ist sie gewiss aus Amerika.
Groß ist der Reichtum unserer alten Magnatengeschlechter, was ist derselbe aber gegen die ungezählten Millionen der Amerikaner! Wohltätig ist auch der Ungar, unerschöpflich die Freigebigkeit der Amerikaner bei Gründung großer humanitärer Anstalten zum Wohle ihrer Mitbürger, uns fehlt dazu das Geld und — oft das Herz. Auf unseren Trabrennen bleiben die Amerikaner Sieger, auf unseren Festen die liebliche Schönheit amerikanischer Frauen. Die Wiege unserer lieben Mazie steht in Philadelphia, so finden wir auch die allerbesten Schwiegertöchter in Amerika! Und dieses Wunderland sollte ich nicht gesehen haben? „Unmöglich!"
Dazu die Ausstellung in Chicago, der Sammelplatz alles Riesenhaften, Großartigsten, Schönsten, Bewunderungswertesten, was Amerika besitzt und zu schaffen vermag! Im Sommer 1892 war es beschlossene Sache: „Nächstes Jahr reise ich nach Amerika."
Mit 65 Jahren allein zu reisen ist niemals angenehm, besonders wenn man eine achtzehnjährige Tochter besitzt, die ein ausgesprochenes Talent und besondere Vorliebe für große Reisen zeigt. Wäre ihr Wunsch allein maßgebend gewesen, wir säßen heute in Alaska, Japan oder Ostindien. Alte Erinnerungen werden in mir wach, mit achtzehn Jahren reiste ich am Pfingstfeste zum ersten Mal auf einer Eisenbahn von Harzburg nach Braunschweig. Heute hat jedes vierjährige Kind schon einige Tausend Kilometer zurückgelegt. Enfin, man muss dem neuen Zeitgeiste Rechnung tragen: „Mimi begleitet mich." — Aber allein? Das wird schon schwieriger! Miss Pattison aus London, schon längere Zeit in unserem Hause, erbot sich mitzufahren, das Reisekleeblatt war fix und fertig.
Ein Schrei des Erstaunens lief durch den großen Kreis unserer Familie, aller guten Freunde und zahlreichen Bekannten. Von wenigen bewundert, von niemandem beneidet, hielten die meisten, so vermute ich wenigstens, unsere Reisepläne für eine Narrheit, dachten aber: „Luftschlösser bauen schadet endlich nicht, bis nächstes Jahr läuft noch viel Wasser durch die blaue Donau." Um ihr holdes Nichtchen schwer besorgte Tanten sahen dieselbe schon von wilden Arrapahoes skalpiert, von Waggonräubern ihrer Schätze beraubt oder unter den Schienen fehlerhafter amerikanischer Bahnen zermalmt.
Jeder Zeitungsartikel mit den haarsträubendsten Berichten über das Chaos in der „Weißen Stadt", über die großen Gefahren eines Rutschers durch Amerika und sonstige Albernheiten wurden uns ausnahmslos und sorgfältigst aus allen deutschen Gauen zugeschickt; eingeschüchtert waren wir also genug, aber „bange machen gilt nicht".
Nach Amerika reisen ohne Englisch sprechen zu können, ist nicht ratsam. Geduldig saß ich auf der Schulbank und, durch Fleiß und mit Auffrischung dunkler Erinnerungen aus meiner frühesten Jugend drangen durch den alten Schädel gerade englische Worte genug, um mich nicht in Amerika verkaufen lassen zu müssen.
Ohne gründliche Vorbereitung keine große Reise. Alle alten Schulbücher unserer Bibliothek wurden von Staub gesäubert, um uns über Amerika zu unterrichten. Freilich seit sie gedruckt, hatte sich so manches auf Erden verändert, aber die Höhe der Rocky mountains war jedenfalls nur unmerklich vermindert, der Lauf des Missisippi und des Hudson nicht schneller geworden. Außerdem wurden auch alle neuen Bücher über Amerika,*) die mein Buchhändler oder Freunde uns zuschickten, vor und nach der Reise gründlich studiert, Mimi und Miss Pattison lasen Coopers Werke, Onkel Toms Hütte, Remonas Indianische Geschichten mit anerkennungswertem Eifer, so waren wir vollgepfropft mit allerlei Wissenschaften und kannten Amerika in der Theorie wie unsere Taschen.
*) Heinrich Semler, „Nordamerikanische Concurrenz" 1881.
P. F. Kupka, „Die Verkehrsmittel in den Vereinigten Staaten" 1883.
Dr. Meyer, „Die Ursachen der amerikanischen Concurrenz" 1883.
Adolf Ott und Hanns Bahner, „Nordamerika" 1887.
Heinrich Lemcke, „Kanada das Land und seine Leute" 1887.
E. v. Hesse-Wartegg, „Nordamerika" 1888.
Hugo Kürschner, „Der Amerikaner" 1891.
Wilckens Dr. M., „Nordamerikanische Landwirtschaft" 1890.
H. v. Hesse-Wartegg, „Tausend und ein Tag" 1891.
Paul de Rousiers, „La vie americaine" 1892.
Emil Deckert, „Die neue Welt" 1892.
Karl Oberländer, „Ein Ausflug nach Amerika" 1893.
Friedrich Dernburg, „Aus der Weissen Stadt" 1893.
Claudio Jannet und Dr. Walter Kämpfe, „Die Vereinigten Staaten Nordamerikas" 1893. Baedeckers „Nordamerika" 1893.
G. Dierk's „Culturbilder aus den Vereinigten Staaten" 1893.
Georg Schweitzer, „Auf Urlaub in Amerika" 1894.
Dr. F. Wohltmann, „Landwirtschaftliche Reisestudien" 1894.
Dr. H. Paasche. „Cultur- und Reiseskizzen aus Nord- und Mittelamerika" 1894.
Sievers „Amerika" 1894.
Miklós Ödön, „Budapesttöl Chicagóig és tovább" 1894.
Dr. Anton v. Palitschek, „Ergebnisse der Weltausstellung Chicago" 1894. Emmy Becher, „Bruder Jonathan und sein Land" 1889.
Fr. v. Hellwald, „Amerika".
J. W. Buel, „Americas Wonderlands".
Mit Staunen und Bewunderung bekommen wir über das Meer oft Nachricht von dem riesenhaften Unternehmungsgeiste, der Fähigkeit und Ausdauer der Amerikaner, welche die schwierigsten Probleme der Technik spielend überwinden, die endlosen Prärien, noch kürzlich das alleinige Reich der Sioux und Büffel, kulturfähig machten, Handel und Industrie in ihnen gründeten.
Wir armen ungarischen Landwirte bewundern aber nicht allein die Amerikaner, wir fürchten sie auch und werden gar zu oft nicht in der angenehmsten Weise an sie erinnert. Wollen wir unsere magere Weizen- und Maisernte verkaufen, so drücken die großen Vorräte in Chicago unsere Preise. Wenn die Zucker-Trustcompagnie in Chicago acht Tage keinen Zucker kauft, möchten unsere Zuckerfabriken die Rübe halb geschenkt bekommen; amerikanisches Fleisch, amerikanische Butter und Fett werden bald auch auf unseren Märkten erscheinen. Unsere besten Arbeiter wandern lieber in das Land der Freiheit und eines größeren Verdienstes als auf unsere Puszten. Wird uns irgend eine recht praktische, sinnreich erfundene landwirtschaftliche Maschine offeriert, so ist sie gewiss aus Amerika.
Groß ist der Reichtum unserer alten Magnatengeschlechter, was ist derselbe aber gegen die ungezählten Millionen der Amerikaner! Wohltätig ist auch der Ungar, unerschöpflich die Freigebigkeit der Amerikaner bei Gründung großer humanitärer Anstalten zum Wohle ihrer Mitbürger, uns fehlt dazu das Geld und — oft das Herz. Auf unseren Trabrennen bleiben die Amerikaner Sieger, auf unseren Festen die liebliche Schönheit amerikanischer Frauen. Die Wiege unserer lieben Mazie steht in Philadelphia, so finden wir auch die allerbesten Schwiegertöchter in Amerika! Und dieses Wunderland sollte ich nicht gesehen haben? „Unmöglich!"
Dazu die Ausstellung in Chicago, der Sammelplatz alles Riesenhaften, Großartigsten, Schönsten, Bewunderungswertesten, was Amerika besitzt und zu schaffen vermag! Im Sommer 1892 war es beschlossene Sache: „Nächstes Jahr reise ich nach Amerika."
Mit 65 Jahren allein zu reisen ist niemals angenehm, besonders wenn man eine achtzehnjährige Tochter besitzt, die ein ausgesprochenes Talent und besondere Vorliebe für große Reisen zeigt. Wäre ihr Wunsch allein maßgebend gewesen, wir säßen heute in Alaska, Japan oder Ostindien. Alte Erinnerungen werden in mir wach, mit achtzehn Jahren reiste ich am Pfingstfeste zum ersten Mal auf einer Eisenbahn von Harzburg nach Braunschweig. Heute hat jedes vierjährige Kind schon einige Tausend Kilometer zurückgelegt. Enfin, man muss dem neuen Zeitgeiste Rechnung tragen: „Mimi begleitet mich." — Aber allein? Das wird schon schwieriger! Miss Pattison aus London, schon längere Zeit in unserem Hause, erbot sich mitzufahren, das Reisekleeblatt war fix und fertig.
Ein Schrei des Erstaunens lief durch den großen Kreis unserer Familie, aller guten Freunde und zahlreichen Bekannten. Von wenigen bewundert, von niemandem beneidet, hielten die meisten, so vermute ich wenigstens, unsere Reisepläne für eine Narrheit, dachten aber: „Luftschlösser bauen schadet endlich nicht, bis nächstes Jahr läuft noch viel Wasser durch die blaue Donau." Um ihr holdes Nichtchen schwer besorgte Tanten sahen dieselbe schon von wilden Arrapahoes skalpiert, von Waggonräubern ihrer Schätze beraubt oder unter den Schienen fehlerhafter amerikanischer Bahnen zermalmt.
Jeder Zeitungsartikel mit den haarsträubendsten Berichten über das Chaos in der „Weißen Stadt", über die großen Gefahren eines Rutschers durch Amerika und sonstige Albernheiten wurden uns ausnahmslos und sorgfältigst aus allen deutschen Gauen zugeschickt; eingeschüchtert waren wir also genug, aber „bange machen gilt nicht".
Nach Amerika reisen ohne Englisch sprechen zu können, ist nicht ratsam. Geduldig saß ich auf der Schulbank und, durch Fleiß und mit Auffrischung dunkler Erinnerungen aus meiner frühesten Jugend drangen durch den alten Schädel gerade englische Worte genug, um mich nicht in Amerika verkaufen lassen zu müssen.
Ohne gründliche Vorbereitung keine große Reise. Alle alten Schulbücher unserer Bibliothek wurden von Staub gesäubert, um uns über Amerika zu unterrichten. Freilich seit sie gedruckt, hatte sich so manches auf Erden verändert, aber die Höhe der Rocky mountains war jedenfalls nur unmerklich vermindert, der Lauf des Missisippi und des Hudson nicht schneller geworden. Außerdem wurden auch alle neuen Bücher über Amerika,*) die mein Buchhändler oder Freunde uns zuschickten, vor und nach der Reise gründlich studiert, Mimi und Miss Pattison lasen Coopers Werke, Onkel Toms Hütte, Remonas Indianische Geschichten mit anerkennungswertem Eifer, so waren wir vollgepfropft mit allerlei Wissenschaften und kannten Amerika in der Theorie wie unsere Taschen.
*) Heinrich Semler, „Nordamerikanische Concurrenz" 1881.
P. F. Kupka, „Die Verkehrsmittel in den Vereinigten Staaten" 1883.
Dr. Meyer, „Die Ursachen der amerikanischen Concurrenz" 1883.
Adolf Ott und Hanns Bahner, „Nordamerika" 1887.
Heinrich Lemcke, „Kanada das Land und seine Leute" 1887.
E. v. Hesse-Wartegg, „Nordamerika" 1888.
Hugo Kürschner, „Der Amerikaner" 1891.
Wilckens Dr. M., „Nordamerikanische Landwirtschaft" 1890.
H. v. Hesse-Wartegg, „Tausend und ein Tag" 1891.
Paul de Rousiers, „La vie americaine" 1892.
Emil Deckert, „Die neue Welt" 1892.
Karl Oberländer, „Ein Ausflug nach Amerika" 1893.
Friedrich Dernburg, „Aus der Weissen Stadt" 1893.
Claudio Jannet und Dr. Walter Kämpfe, „Die Vereinigten Staaten Nordamerikas" 1893. Baedeckers „Nordamerika" 1893.
G. Dierk's „Culturbilder aus den Vereinigten Staaten" 1893.
Georg Schweitzer, „Auf Urlaub in Amerika" 1894.
Dr. F. Wohltmann, „Landwirtschaftliche Reisestudien" 1894.
Dr. H. Paasche. „Cultur- und Reiseskizzen aus Nord- und Mittelamerika" 1894.
Sievers „Amerika" 1894.
Miklós Ödön, „Budapesttöl Chicagóig és tovább" 1894.
Dr. Anton v. Palitschek, „Ergebnisse der Weltausstellung Chicago" 1894. Emmy Becher, „Bruder Jonathan und sein Land" 1889.
Fr. v. Hellwald, „Amerika".
J. W. Buel, „Americas Wonderlands".
Positionsschiff vor New York
New York in Sicht
Mannschaftsspeiseraum
Lotse
Heizer
Deck Steward
Decksarbeiten, Reinigung
Erste Klasse Deck, Freizeitbeschäftigung
Dampfschiffe, Gangway
Dampfschiff, Saloon
Dampfschiff, Raucherzimmer
Dampfschiff, im großen Salon
Dampfschiff, Friseurgeschäft
Dampfschiff, Flirt an Bord
Dampfschiff, erste Klasse Deck
Dampfschiff, das Ende der Reise
Auswandererschiff Etruria
Aus dem New Yorker Hafen bei Nacht
Auf der Brücke
Auf dem Promenadendeck