Auswandern Amerika

Meine Auswanderung nach Amerika im Jahre 1822

und meine Rückkehr in die Heimat im Jahre 1825.
Band 1 und 2
Autor: Gudehus, Jonas Heinrich (1776-1831), Erscheinungsjahr: 1829

ISBN: 978-3-940206-23-7
bei Amazon bestellen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: nach Amerika Auswandern, Reisebeschreibung, vereinigte Staaten, Reisen, Gudehus, Auswanderung, USA, Hamburg
Nebst Bemerkungen über den kirchlichen, oekonomischen und moralischen Zustand der dortigen Deutschen und Winke für Auswanderungslustige

Adaptiert von Monika Steinhäuser
Vorrede

Reisebeschreibungen durch die freien vereinigten Staaten von Nordamerika haben sich seit mehren Jahren in Deutschland zu einer sehr großen Ausdehnung vervielfältigt und werden vom Publiko noch immer mit Begierde gesucht. Kein Land bietet auch ein größeres Feld von Gegenständen zur Untersuchung dar, und von keinem sind die Ansichten verschiedener als von diesem Festlande. Es wird theils zu viel gelobt und theils zu viel getadelt, und in allen Werken über Amerika, die ich vor meiner Reise dahin las, fand ich immer noch keine hinreichende Befriedigung meiner Wißbegierde. In keinem von allen findet man genügende Auskunft darüber, was man zu wissen höchst nöthig hat, wenn man dorthin auszuwandern gedenkt, um sein Schicksal zu verbessern. Alle diese Reisebeschreiber geben, was sie versprechen: Beschreibungen ihrer dortigen Reisen, und darum kann man auch ein Mehres von ihnen nicht verlangen. In der Regel sind es reiche und vornehme Herren, die sich nur sehr wenig um dasjenige bekümmern, was dem Mittel- und geringen Stande eigen ist; auch haben sie nicht Zeit genug, Alles genau zu untersuchen, zu erforschen und hinlänglich zu prüfen, um ein völlig richtiges Urtheil darüber aussprechen zu können. Am wenigsten bekümmern sie sich um das dortige Landleben, um die Sitten und Gebräuche der Landleute, ihre Denkungsart, Bildung und Moralität, um den Zustand der Religion, die Schulen und Kirchen ect. ect.

Eben so wenig melden sie auch von der dortigen Art den Acker zu bauen, von der Fruchtbarkeit des Bodens und von den dortigen Früchten. Selten liest man davon etwas Weniges und nie etwas Genügendes. Diese Herren halten sich am längsten in großen Städten auf, beschreiben die Merkwürdigkeiten derselben, die Staatsverfassung, den Handel und was ihnen unterwegs auf ihren Reisen von einer Stadt zur andern etwa als etwas Merkwürdiges zu Gesicht und zu Ohren kommt; die meisten ihrer Nachrichten aber lassen sie sich von den mit Nationalstolz erfüllten amerikanischen vornehmen Städtern mittheilen. Es ist also sehr natürlich, daß solche Reisende, ohne es zu wollen, bei der Mittheilung ihrer dort gesammelten Erfahrungen ihre Leser täuschen.

Andere, die mit den Absichten zu großen Unter-nehmungen dorthin auswanderten, um Ihr Schicksal zu verbessern, aber die größten Fehlgriffe dabei begingen, weil sie sich nicht gehörig amerikanisiren, nicht gleichsam die deutsche Haut abstreifen und in die amerikanische sich einhüllen konnten und wollten, wurden die gallsüchtigsten Tadler, weil alle ihre Hoffnungen scheiterten und ihr ganzes großes Unternehmen mißlang. Ihre Bekanntmachungen sind zu sehr Geburten ihrer getäuschten Hoffnungen, und sie täu-schen daher ihre Landsleute wieder, ohne es eben zu wollen.

Noch Andere, die vielleicht durch die Flucht nach Amerika der Militärpflicht entrannen, oder sonst einer andern Unannehmlichkeit auswichen, dort aber Amt, Brodt und Wohlstand fanden, loben jenes Land auf Kosten der Wahrheit viel zu sehr, und wollen durchaus seine Mängel und Unvollkommenheiten nicht sehen, oder verschweigen solche bei der Bekanntmachung ihrer dort gesammelten Erfahrungen. Sie loben jenes Land übertrieben und täuschen also ebenfalls ihre Landsleute.

Manche Landleute und Handwerker, die bei saurer Arbeit vielleicht im Vaterlande darben mußten, in Amerika aber Freiheit, Glück und Wohlstand fanden, sind vor Freuden außer sich und schildern, von dem Standpunkte ihres beschränkten Wirkungskreises aus, jenes Land als das glücklichste Land der Erde, wo Milch und Honig fließt, wenn sie den Ihrigen schriftliche Nachrichten von ihrer Lage und ihren Verhältnissen ertheilen. Noch andere aber, die durch Talente, feine Künste und Wissenschaften ihr Glück dort suchten, und es auf diesen Wegen und durch diese Mittel nicht fanden, sondern nun, durch Noth getrieben, ihre Zuflucht zu Geschäften nehmen mußten, deren sie sich im Vaterlande geschämt haben würden, fühlen sich sehr unglücklich, tadeln jenes Land zur Ungebühr und schildern es ihren Freunden im Vaterlande als ein Jammerthal. Beide täuschen aber nicht minder ihre Leser.
Amerika ist, wie gesagt, zu viel gelobt, und zu viel getadelt worden. Von dieser Wahrheit überzeugt, faßte ich schon früher den Entschluß, meinen deutschen Landsleuten ganz unpartheiisch die Erfahrungen mit-zutheilen, die ich während meines dortigen Aufenthalts zu machen Gelegenheit haben würde.

Zu diesem Zwecke hielt ich vom Anfange meiner Reise dahin ein genaues Tagebuch, in welches ich Alles eintrug, was mir bemerkenswerth vorkam. So entstan-den eine Menge Hefte mit Bemerkungen der verschiedensten Art, die ich einst bei einer ruhigern Stimmung zu ordnen, und für die Leser, vorzüglich für solche, die nach mir auch wohl ihr Glück dort suchen wollten, nutzbar zu machen gedachte. Nachdem ich im Vaterlande zu einem ruhigen Brodte wieder gelangt war, war es meine Lieblingsbeschäftigung, diesen Plan auszuführen; aber da fanden sich der Schwierigkeiten viele.

Vor allem merkte ich bald, daß mir’s an der erforderlichen schriftstellerischen Gewandtheit fehle, meine Gedanken gehörig zu ordnen und solche so klar und deutlich vorzutragen, daß ich von Jedermann verstanden werden könne, ohne dabei zu weitschweifig und geschwätzig zu werden. Schon hatte ich viele Bogen geschrieben, als sie mir beim abermaligen aufmerksamen Durchlesen bei weitem nicht genügten und ich den Gedanken schon ganz aufgab, sie dem Publikum vorzulegen. Sie wurden daher zurückgelegt, ohne jemals öffentlichen Gebrauch davon machen zu wollen. Indessen wurden sie doch von Zeit zu Zeit Freunden und Bekannten mitgetheilt, und unter diesen auch Männern, denen ich ein gesundes und geläutertes Urtheil zutrauen durfte, und von diesen erhielt ich sie jedesmal mit der Versicherung ihres Beifalls zurück. Einigemal traf sich’s auch, daß ich von Männern zu Rathe gezogen wurde, die, gleich mir, die Absicht hat-ten, in Amerika ein leichteres Fortkommen zu suchen, denen ich aber nicht zurathen mochte und wegen ihren anders gestalteten Verhältnissen auch nicht abrathen konnte. Ich gab ihnen meine Papiere zu lesen und erhielt Sie immer mit der Versicherung des Danks zu-rück, daß Sie viel Gutes darin gefunden, und Amerika dadurch erst besser kennen gelernt hätten.

Dadurch ermuntert nahm ich die Papiere wieder zur Hand, um sie einer nochmaligen Bearbeitung zu unterwerfen, und dadurch ist denn nun dieses Werk so gestaltet worden, wie es jetzt erscheint. Hoffentlich wird es nun auch der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht ganz unwerth seyn, ob es gleich durchgängig nur in der Sprache eines Land-Schullehrers geschrieben ist, und man den Styl eines gelehrten Schriftstellers in demselben ganz vermissen wird. Diese Dorf-Schullehrer-Sprache aber ist doch Jedem verständlich und der Ungelehrte, besonders der Landmann, versteht sie besser, als jede andere Sprache; dieß lehrt ja die Erfahrung, und dieß gab mir bei dem Mangel an schriftstellerischer Fertigkeit auch Muth, dieß Werk zu vollenden. Wird es zu mangelhaft befunden, so habe ich keine Entschuldigung dafür; ich habe mein Beßtes gethan. So wie Thatsachen von mir mit großer Sorgfalt gesammelt worden sind, so habe ich sie auch mit der größten Wahrheitswärme niedergeschrieben und meine Ansichten völlig unpartheiisch ohne Liebe und Leid oder Vorurtheil, meiner wahren Überzeugung nur folgend, mitgetheilt. Mit diesen Bemerkungen übergebe ich das Werk dem Richterstuhle des Publikums, und will mich dessen Aussprüchen mit Bescheidenheit unterwerfen.

Hohen-Assel, im Juni 1828.

Heinrich Jonas Gudehus,
Kantor und Schullehrer



Über den Autor

Heinrich Jonas Gudehus, von Beruf Lehrer, beschloss im Alter von 46 Jahren nach Nordamerika auszuwandern. Er hatte den innigen Wunsch, dort, wo man sich für wenig Geld freies Eigentum und Land erwerben konnte, sein restliches Leben als Landbebauer in Frieden zu beenden. Am 5. Mai 1822 begann er mit seiner Frau die lange Reise. Sehr genau hatte er die Auswanderung geplant, doch dann kam alles ganz anders Nehmen Sie Anteil am Schicksal der Eheleute Gudehus und begleiten sie diese auf der Suche nach Wohlstand und einem friedlichen Landleben in Amerika. Im zweiten Band beschreibt der Autor auf sehr unterhaltsame Art und Weise die Sitten, Gebräuche und Arbeitswelt der Amerikaner. Sein Interesse gilt vorallem auch den deutschen Kolonien und den Schicksalen der dort lebenden Deutschen. Er ist bestrebt ein Handbuch für auswanderlustige Deutsche zu schaffen - hierfür hinterlässt er genaue Hinweise zu den relevanten Themen und zeichnet so ein beeindruckendes Bild seiner Zeit.