Ursachen meiner Auswanderung nach den vereinigten Staaten von Nordamerika, im Mai 1822

Unverschuldete große und schwere Leiden waren die Hauptursache meines Entschlusses, nach jenen transatlantischen Freistaaten auszuwandern.

Seit dem Anfange des Jahrs 1802 bis zum Mai 1822 war ich in meinem Braunschweigischen Vaterlande an 3 verschiedenen Orten, und die letzten 11 Jahre in Vallstedt, als Jugendlehrer angestellt, und ich darf es wohl sagen, denn mit Zeugnissen kann ich es nöthigen Falls beweisen, daß ich unter Gottes Beistande, geleitet und getrieben durch eine große Vorliebe zu meinem Fache, auch selbst da, wo mir die größten Hindernisse in den Weg gelegt wurden, dennoch mit dem größten Eifer arbeitete, und durch einen treuen zweckmäßigen Unterricht der mir anvertrauten Jugend viel Gutes gestiftet und um mich her verbreitet habe, wodurch ich mir auch das Vertrauen meiner hohen Vorgesetzten in einem hohen Grade erwarb, und mich beständig der Liebe und Achtung aller Verständigen, mit denen ich in Verbindung stand, erfreuete.
Das aber erregte den Neid eines Einzigen, der es in der Gewalt hatte, mein Leben zu einer Hölle zu machen. Es ist hier nicht der Ort, mich deutlicher darüber zu erklären, wie und wodurch dieß geschah, auch würde diese Beschreibung meine Leser wohl wenig interessiren, mir aber die bloße Erinnerung an 7jährige schwere Leiden und erduldete Ungerechtigkeiten unerträglich seyn, darum mag ich mich nie wieder ganz deutlich daran erinnern und übergehe sie mit Stillschweigen.


Nur muß ich kurz mich darüber erklären, wie ich im 46sten Lebensjahre noch den Entschluß fassen konnte, nach Amerika auszuwandern.

Es erforderte viel Überlegung und Prüfung meiner Umstände; allein in Vallstedt konnte ich nicht bleiben, wenn ich nicht ein Märtirer meiner Verhältnisse werden wollte. Zu einer bessern Stelle hatte ich aber keine Aussicht, und zur Annahme einer mindereinträglichen konnte ich mich nicht entschließen. Der Ackerbau war, außer dem Schulfache, meine liebste Beschäftigung, und weil ich darin sehr bewandert bin, so hätte ich wohl hoffen dürfen, dieses Geschäft mit Vortheil zu betreiben, nur war mein Vermögen nicht hinreichend, in meinem Vaterlande ein solches Unternehmen auszuführen. Nun dachte ich mir die glücklichen Bewohner der vereinigten Staaten von Nordamerika, wo man für weniges Geld sich ein freies Eigenthum und Länderei genug verschaffen kann, und der Wunsch wurde immer lebendiger, dort meine übrigen Lebenstage als ein freier Landbebauer in Frieden beschließen zu können, denn der liebe Frieden war das Einzige, was mir hier fehlte und den ich mir so sehnlich wünschte. Wohl kam es immer in Betracht, daß ich für die Auswanderung nach jenem entfernten Lande schon zu alt sey, auch an die großen Beschwerden einer solchen Reise zu Wasser und zu Lande wurde gedacht, und die Furcht blieb nicht unberücksichtiget, daß mein durch so viele Leiden geschwächter, kränklicher, gichtischer Körper, die mit einer solchen Reise verbundenen Beschwerden vielleicht nicht ertragen würde; den Wunsch aber, dort leben zu können, konnte ich nicht mehr unterdrücken, zumal da sich hier keine sichere Aussicht finden wollte, mir aus meinen unglücklichen Verhältnissen herauszuhelfen, und so sprach ich bisweilen davon zu guten Freunden und Bekannten. Diese hatten davon weiter geredet und so verbreitete sich das, damals noch ungegründete, Gerücht, ich sey entschlossen, nach Amerika auszuwandern. Bald fanden sich nun einige zwanzig bemittelte, gesunde und blühende junge Männer, die sich erboten mit mir zu reisen und mir dort beim Ackerbau und andern Geschäften thätig zu helfen, auch mein Unternehmen auf jeden Fall kräftig zu unterstützen und zu befördern. Dieser jungen Leute Entschlüsse fand ich nöthig scharf zu prüfen, ihnen alles Ungemach der Reise und andere möglichen Unfälle recht lebhaft und deutlich vorzustellen, ihnen auch anhaltend mehr ab- als zuzurathen. Einige machte ich auch dadurch so schüchtern, daß sie ihren zu früh gefaßten, noch nicht reiflich genug erwogenen Vorsatz aufgaben, die meisten jedoch blieben ihrem Vorsatze getreu. Nun erst näherte mein Wunsch sich dem Entschlusse, denn nun konnte ich in Amerika mit Vortheil ein Unternehmen als Landbebauer ausführen.

Zwar wurde mir wiederholt der Rath ertheilt, in Pensylvanien Prediger zu werden, doch hielt ich es für gerathener und besser, daß, wenn mein Entschluß zur Auswanderung zur Reife käme und ich wirklich nach Amerika ginge, dort den Ackerbau zu betreiben, um so mehr, da ich nun die dazu nöthigen Gehülfen mitnehmen konnte. Letztere drangen fast täglich und mit Ungestüm auf diese Auswanderung, schwuren mir auch oft und wiederholt unverbrüchliche Treue, und so gedieh mein Entschluß endlich zur völligen Reife.

Nun fing ich damit an, mich auf die Auswanderung vorzubereiten, verkaufte im Sommer 1821 meine sämmtlichen Feldfrüchte und das Vieh, zeigte dem Herzogl. Konfistorio meinen Entschluß an, bat dasselbe um meine Entlassung und um ein Zeugniß über meine zwanzigjährige treue Amtsführung. Dieses hohe Kollegium aber gab mir weislich auf, mein Vorhaben wohl zu prüfen und ernstlich zu überlegen, und zögerte, vielleicht aus guter Absicht, lange mit der Entlassung und der Einhändigung des erbetenen Dienstzeugnisses, so, daß der Sommer und auch der nächste Winter darüber verflossen, ehe ich meine Entlassung erhalten konnte; erst im Frühjahre 1822 erhielt ich dieselbe, und auch die gesuchte Erlaubniß zur Auswanderung vom höchsten Orte.

Nun ließ ich mich mit meinem Nachfolger wegen der Meliorationen auseinandersetzen, verkaufte meine Sachen meistbietend bis auf ein Fuder Betten und Leinwand, welche ich mit nach Amerika nahm, und machte mich fertig zur Reise nach Hamburg. An die unverschuldeten schrecklichen und grausenvollen Leiden, welche ich kurz vor und bei meinem Abschiede von Vallstedt, zu ertragen hatte, mag ich mich nicht wieder erinnern und übergehe dieselben mit Stillschweigen. Unter Strömen von Thränen verließ ich den Ort, wo ich so lange Jahre mit unermüdetem Eifer und der Anstrengung aller meiner Kräfte an dem Werke der Menschenveredlung gearbeitet hatte. Die jungen Leute, welche mit mir reisen wollten, wurden bei meinem Abschiede sämmtlich in Arrest genommen und auch nicht Einer durfte mit uns reisen. Nach einigen Tagen erst wurden sie wieder in Freiheit gesetzt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meine Auswanderung nach Amerika im Jahre 1822