Aufenthalt in Philadelphia und dort gemachte Erfahrungen.

Reise in den Berks-Kreis und kurzer Aufenthalt in der Oly-Ortschaft

Als ich nebst meiner Frau in die Stadt ging, um einen deutschen Wirth aufzusuchen, bei dem wir logiren wollten, bis sich weitere Aussichten für uns finden würden, gingen wir erst eine Weile spazieren, und betrachteten manche Merkwürdigkeiten in dieser Stadt, denn wir hatten den Namen, die Straße und Hausnummer eines solchen Wirths auf dem Papiere und glaubten, es könne uns nicht fehlen, ihn zu finden. Wirklich fanden wir auch die Straße und das Haus; der Wirth aber wohnte dort nicht mehr, denn die Leute in dem Hause verstanden uns nicht und wir sie nicht. Nun fragten wir jeden, der uns auf der Straße begegnete, um einen deutschen Wirth; aber Alle schüttelten die Köpfe, und Viele sagten dabei: „versteh not!“ So gingen wir wohl eine Stunde lang Straße auf und Straße ab, und weil der Abend kam und in den meisten Häusern bereits das Licht brannte, so kamen wir in Verlegenheit und meine Frau fing an bitterlich zu weinen und zu klagen, daß wir doch nun die Nacht auf der Straße zubringen müßten. Endlich kam quer über die Straße ein Mann auf uns zu gegangen, der uns in unserer Sprache fragte, ob wir Jemand suchten? Dem klagten wir nun unsere Verlegenheit, und er sagte uns, daß wir kurz vorhin mehrere Deutsche angeredet und gefragt hätten, die sich aber so gestellt hatten, als könnten sie nicht deutsch sprechen. Es gäbe dort, sagte er, viele Deutsche, die sich ihrer Muttersprache schämten, und kein deutsches Wort sprechen wollten. Er zeigte uns nun in der Ferne ein Schild und sagte, daß in dem Hause ein deutscher Wirth, mit Namen Heinrich Schröder, wohne, bei dem wir logiren könnten. Dieß war die dritte Nordstraße.


Schröder, ein geborner Hesse, nahm uns unter der Bedingung auf, daß wir ihm für Wohnung, Bett und täglich dreimalige Speisung wöchentlich 5 Dollars bezahlen sollten, und weil ich nicht billiger mit ihm akkordiren konnte und er sich davon nichts wollte abdingen lassen, so ging ich das ein.

Das Auffallendste und Widrigste war mir hier die elende sogenannte hochdeutsche Sprache, mit vielen englischen Brocken vermischt, und die in meinem Vaterlande nie gehörten plumpen und massiven Ausdrücke, als z.B.

Schröder: Alter! aus welchem Känigraich pischt tu tenn?
Ich: Aus dem Herzogthum Braunschweig.
Sch: Was pischt tu tenn to kewese?
Ich: Schullehrer.
Sch: (auf meine Frau zeigend) Ischt tos tein Mensch?
Ich: verstand das nicht gleich und wollte nach der Bedeutung und Meinung seiner Reden fragen, er kam mir aber zuvor und fragte weiter:
Sch: Ob tos alt Weibel, tos tu pei tir hoscht, tein ischt?
Ich: Ja, es ist meine Frau.
Sch: Hockt euch ect.

Weil Schröder auf den Stuhl zeigte, so verstand ich damit, daß dieß Letztere so viel hieße, als: setzt euch. Als wir uns gesetzt hatten, wurden wir von den dort befindlichen vielen deutschen Gästen noch um Mancherlei befragt, aber selten verstanden wir gleich im ersten Male ihre Fragen, denn alle sprachen den Schwaben-, oder Pfälzer-, oder Hessen-Dialekt, vermischt mit vielen englischen Wörtern, welches Letztere daher kommt, daß diese Leute beständig auch die englische Sprache sprechen müssen, weil sie täglich Umgang mit so Vielen haben, die entweder kein Wort Deutsch verstehen oder es nicht sprechen wollen. Die wenigen Emigranten aus Niedersachsen nehmen entweder den Dialekt dieser deutschen Amerikaner an, oder, was noch weit häufiger der Fall ist, sie lernen die englische Sprache mit großem Eifer und bald, und wollen dann ihre Muttersprache gar nicht mehr sprechen.

Ehe wir unsere Sachen in die Stadt brachten, wurden diese am Bord des Schiffes erst alle von Polizei wegen besichtigt. Betten, Kleidungsstücke und Hausgeräthe waren frei; andere Sachen aber, die wir dort verkaufen wollten, mußten verzollt werden. Für das Wiener Piano-Forte, welches ich aus Hamburg mitnahm, mußte ich 20 Dollars bezahlen, und für einige Stücke feine Leinewand, Mußelin und Linnen Band, etwas über 5 Dollars. Das Piano-Forte wurde mir dort sehr zur Last, denn ich mußte, es weit in die Stadt, nach dem Zollhause transportiren lassen, wo es besehen wurde, und von da wieder nach einem andern Hause, wo es aufgestellt und gestimmt wurde; und bis es verkauft seyn würde, stehen sollte. Alles dieß war mit verdrießlichen Kosten verbunden.

Als wir uns etwa eine Stunde mit Schröder und seinen deutschen Gästen unterhalten hatten, rief die Köchin auf der Hausflur: „Nachtesse! Nachtesse!“ Schröder brachte uns nun in den Speisesaal und es kamen etwa 20 Personen an der Tafel zusammen, einige aßen schon, andere kamen noch nach uns und einige noch, als wir uns bereits gesättigt hatten; es waren dieß lauter Deutsche, größtentheils Künstler und Handwerksleute, die Schröder in der Kost hatte; unter den Letztkommenden waren 2 Berliner, einer ein Goldschmidt, der andere ein Schlosser, die erst seit kurzer Zeit dort Arbeit genommen hatten; als diese mich nur sprechen hörten, setzten sie sich beide neben uns, und sie sowohl als wir freueten uns eben so, als wenn sich nahe Verwandte in der Fremde unverhofft treffen.

Die köstliche, mit so vielen delikaten Speisen besetzte Tafel setzte uns in Verwunderung und Erstaunen; nie hatten wir in unserm Vaterlande etwas ähnliches gesehen, nie hatte uns aber auch wohl eine Mahlzeit so herrlich geschmeckt, als diese erste in Philadelphia, die unmittelbar auf die lange Entbehrung der gewohnten Speisen erfolgte. Hier war wirklich große Vorsicht nöthig, um sich den Magen nicht zu überladen. Man darf sich gar nicht wundern, warum so viele junge Leute aus Deutschland bald nach ihrer Landung in Amerika im Allgemeinen krank werden, denn die Hauptursache davon ist ohnstreitig, weil sie sich gleich unmittelbar nach ihrer Ankunft den Magen verderben. In der Folge mehr von den köstlichen Tischen der Amerikaner und der Wirkung davon auf ihre Gesundheit.

Am Tage nach unserer Ankunft ging ich zu dem Präsidenten der deutsch-lutherischen Synode, Dr. Hellmuth, erstem Prediger an der deutsch-lutherischen Michaelis- und Zions- Kirche in Philadelphia, an den ich ein Empfehlungsschreiben zu überreichen hatte. Dieser 80jährige Greis nahm mich zwar sehr freundlich auf und freuete sich, einen Landsmann zu sehen (denn er war ein geborner Helmstedter); allein er entschuldigte sich mit seiner Altersschwäche, wegen welcher er jetzt nichts für mich zu thun vermöge, und wies mich zu-nächst an die beiden deutsch-lutherischen Schullehrer Müller und Schmauch; beide waren geborne Würtemberger, was auch sogleich an ihrer Sprache zu erkennen war. Ferner rieth Dr. Hellmuth, mich an den Pastor Demme, der am nächsten Sonntage an seiner Stelle die Antrittspredigt halte, zu wenden, wohin ich aber nicht ging. Pfarrer Demme soll, wie ich nachher hörte, ein geborner Braunschweiger seyn, der in Deutschland Jura studirt hat, und in Pensylvanien auf dem Lande bereits mehrere Jahre lang Prediger gewesen ist. Am nächsten Sonntage hörte ich seine Antrittspre-digt. Er ist ein sehr guter Redner und predigt mit vielem Feuer, hat auch sehr vielen Beifall. Er predigte über 1. Cor. 4, 2. „Nun suchet man nicht mehr an den Haushaltern, denn daß sie treu erfunden werden.“ Der Gottesdienst war außerordentlich feierlich und es wurden eigends zu dieser Feierlichkeit verfertigte Gesänge gesungen, von welchen jedem Zuhörer beim Eintritt in die Kirche ein gedrucktes Exemplar eingehändigt wurde. Da es vielleicht nicht ohne Interesse seyn wird, diese in Amerika zu einer solchen Feier verfertigten Lieder zu lesen, und ich die paar Blätter, die mir bei derselben eingehändigt wurden, noch in Händen habe, so lasse ich sie hier ihren kleinen Raum einnehmen.

Titel:
———
Gesänge
bei der
Antrittspredigt
unsers
vielgeliebten Lehrers
des
Ehrwürdigen Herrn
C. Demme,
Pastor an der Deutsch-Evang.-Lutherischen St. Michaelis- und
Zions-Kirche in Philadelphia
—————
Den 29. September, am 17ten Sonntage nach Trinitatis, im Jahre des Herrn 1822.
Philadelphia,
Gedruckt bei Conrad Zentler, in der zweiten Straße,
unterhalb der Rehs-Straße.

Gesänge:
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No. 1.
Das Singechor.

No. 2.
Die Gemeine.

Mel. O heil'ger Geist, kehr ect.

1.
Beherrscher deiner Christenheit,
O Jesus, Fürst der Herrlichkeit,
Du Leiter deiner Heerde,
Du stehst auf die erlöste Welt,
Schenkst ihr das Licht, das sie erhellt,
Sorgst, daß sie selig werde.
Trostvoll, göttlich
Sind die Lehren,
Die wir hören.
Heil und Leben
Willst du den Gerechten geben.

2.
O wohl uns, Herr, daß du uns liebst,
Nach deinem Sinn uns Lehrer giebst,
Die uns zum Leben führen;
Die voll von heiliger Wissenschaft,
von Wahrheitsliebe, Geist und Kraft,
Der Sünder Herzen rühren.
Treue Hirten
Laß den Seelen
Niemals fehlen,
Und die Heerden
Sammt den Hirten selig werden.

3.
Wir nehmen hier von deiner Hand
Den Lehrer, den Du uns gesandt;
Herr, segne sein Bestreben:
Die Seelen, die sich ihm vertrau'n,
Durch Lehr und Wandel zu erbau'n,
Nur dir, dir ganz zu leben.
Mächtig steh' ihm
Stets zur Seite,
Daß er streite,
Bete, wache,
Sich und andre selig mache!

4.
Nur deinen Geist laß auf ihm ruhn!
Laß ihn sein Amt mit Freuden thun!
Entfern', was ihn betrübet!
Gieb, wann er deine Wahrheit lehrt,
Uns stets ein Herz, das folgsam hört
Und sich im Guten übet.
Stärke Lehrer
Und Gemeine!
Laß sie deine
Treue sehen,
Und auf deinen Wegen gehen.

5.
Wann einst dein großer Tag erscheint,
Laß unsern Lehrer, unsern Freund,
Uns dir entgegen führen!
Du hast die Seelen all' gezählt;
Du siehst es, wenn ihm eine fehlt,
Laß keine ihn verlieren!
Vor dir, Richter,
Wird der Lehrer
Und der Hörer
Dann sich freuen,
Und dir Jubellieder weihen.

6.
Sey uns gesegnet, Knecht des Herrn!
Dein Herz sey nimmer von uns fern;
Du kommst in Jesu Namen.
So reich uns denn die Freundeshand!
Wir gehn mit dir ins Vaterland;
Du mit uns. Amen! Amen!
Heilig sey uns
Diese Stunde!
Treu dem Bunde
Den wir schließen,
Werden wir des Heils genießen.

No. 3.
Das Singechor.

No. 4.
Lehrer und Kinder.

1.
Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Denn er schickt aus seinen Himmelshöh'n,
Seinen Knecht, uns treulich vorzusteh'n;

Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Stimmt in unsern Jubel ein!
Alles soll heut' Freude seyn!

Chor.Töne dem Herrn, Gesang!

(2) Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Hört Ihrs nicht aus seinem eig'nen Mund'!
Steht er nicht mit Gott im heil'gen Bund'?

Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Zu dem Himmel geht der Blick,
Fleht zu Gott um unser Glück.

Chor.Töne dem Herrn, Gesang!

(3) Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Denn er will, er will auf Gott nur schau'n,
Und mit seinem Arm die Kirche bau'n;

Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Herrscher, gieb ihm dein Gedeih'n,
Seine Kräfte uns zu weih'n.

Chor.Töne dem Herrn, Gesang!

(4) Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Daß er uns als treuer Lehrer liebt
Und den wunden Herzen Balsam giebt.

Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Freudig leit' uns seine Hand
Hin zum schönen Vaterland!

Chor.Töne dem Herrn, Gesang!

(5) Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Daß er gnädig an die Kirche denkt,
Und die Herzen zu dem Lehrer lenkt.

Chor.Dank, dem Herren Dank!

Solo.Laut erschall' aus unserm Mund':
Heilig! heilig sey der Bund!

Chor.Töne dem Herrn, Gesang!

No. 5.
Schlussgesang.
Mel. Lobt Gott ihr Christen allzugleich ect.

1.
Das Singechor.Nun ist er unser, der uns liebt;
Auf unserm Lebenspfad
Uns treulich leitet, lehrt und übt,
Durch Tarnung, Trost und Rath.

2.
Die Gemeine.Sey, Herr, mit ihm, wenn schwer und viel
Der Arbeit Last ihm drückt;
Gieb, daß ein Blick auf jenes Ziel
Ihm oft das Herz erquickt.

3.
Das Singechor.Dort in dem höhern Vaterland
Zeugt er von uns einst laut:
"Hier geb' ich sie in deine Hand,
Die du mir anvertraut."

4.
Die Gemeine.Ja, Herr, wir stehen kindlich hier:
Laß dieses Glücks uns freun!
Dort, Vater, gieb, daß alle wir,
Wie heute, um ihn stehn.


In Philadelphia wurde jeden Sonntag 3 mal Gottesdienst gehalten, sowohl in den deutsch-lutherischen, als deutsch-reformirten Kirchen, des Morgens, Nachmittags und Abends bei Lichte, und während meines Dortseyns ging ich jedesmal zu dieser Zions-Kirche und fand sowohl am Tage, als des Abends eine zahlreiche Versammlung. Man hält dort viel auf das Äußere der Religion, auch wird ohne die größte Noth des Sonntags nicht gearbeitet; keine Frauensperson nimmt ein Strick- oder Nähezeug in die Hand; kein Handelsmann darf das Geringste kaufen und verkaufen, auch werden keine Spiele, keine Musik und Tanz geduldet; alles dieß ist gegen die Gesetze und bei harter Strafe verboten. Um Geld darf überhaupt nicht gespielt werden, weder in Karten, noch auf andere Art; was bei dem Spiele gewonnen wird, das wird gemeinschaftlich verzehrt. Das Kartenspiel wird dort sehr wenig getrieben, weil eine Art Verachtung darauf ruhet, und jeder Wirth, welcher Kartenspiele bei sich duldet, ist bei allen Angesehenen in keinem ganz guten Rufe. So ging es auch unserm Schröder; allenthalben hörte ich von ihm das Urtheil: Schröder sey übrigens ein leidlicher Mann, aber das müsse man an ihm tadeln, daß er das häßliche Kartenspiel dulde. Ob er gleich seine Kartengäste immer in ein abgelegenes Zimmer seines Hauses brachte, so war es doch weit und breit in der Stadt bekannt, daß er das Kartenspiel dulde und es wurde dieß laut getadelt. Schröder gestand mir selbst, daß er das Spiel längst aufgegeben haben würde, wenn er es nicht um der vielen deutschen Emigranten willen noch immer duldete, die meist alle dem Kartenspiele leidenschaftlich ergeben dort ankämen und sich dasselbe nur allmählig und nach gerade abgewöhnen könnten. Es gäbe noch eine deutsche Gastwirthschaft in seiner Nähe, und wenn er diese seine Kostgänger und Gäste nicht bisweilen spielen ließe, so würden sie ihn verlassen und dorthin gehen. Gegen diesen Beweggrund konnte ich weiter nichts einwenden.

Dieser Gastwirth Schröder, nebst seiner aus der Pfalz gebürtigen Frau, sind erst vor wenigen Jahren in Amerika eingewandert und haben damals ihre Fracht nicht bezahlen können, sondern haben dafür jeder für sich 3 Jahre lang dienen müssen; dann haben sie nochmals bis ins vierte Jahr frei gedient und sich dadurch so viel erübrigt, daß sie dieses schöne Gasthaus gepachtet haben und jetzt in sehr glücklichem Wohlstande leben. Es ist wohl auf der ganzen Erde kein Land, wo die meisten Handwerker und jeder andere Handarbeiter, wenn er kein Verschwender und Faullenzer ist, sich leichter und geschwinder Wohlstand und selbst Reichthum erwerben kann, als in den vereinigten Staaten von Nordamerika, wenn er in der Jugend dorthin emigrirt, wo er noch im Stande ist, die deutsche Haut abzustreifen und sich eine amerikanische anzuziehen. Davon fand ich in Philadelphia schon sehr viele Beispiele.

Was mancher Reisebeschreiber von Prellereien erzählt, die ihm in dieser Stadt und auch anderswo in den vereinigten Staaten widerfahren sind, darüber wird man sich weniger wundern, wenn man bedenkt, daß nichts mehr gegen den Charakter der Amerikaner anstößt, als wenn ein Fremder dort den großen Herrn spielt, und mit einer Dienerschaft umgeben ist, von der er fast angebetet wird, die auch nicht anders in sein Wohnzimmer kommen dürfen, als wenn sie ihm aufwarten. So etwas haßt der Amerikaner in einem hohen Grade, denn er ist allenthalben gewohnt, auch mit dem geringsten seiner Dienstboten und Tagelöhner sich an den Tisch zu setzen und aus einer Schüssel zu essen. Keinesweges billige ich es, wenn der Amerikaner einen solchen Vornehmen prellt, denn es ist und bleibt Unrecht, wenn er es thut. Er sagt aber: der Herr wisse sein Geld nicht los zu werden und man müsse ihm dazu behülflich seyn. Der Amerikaner rechnet aber auch mehr für seine Mühe und die Geschäfte seiner Leute, die ein solcher vornehmer Fremder verursacht, als für die Zehrung selbst, weil ein solcher nebst seiner Umgebung wohl dreimal mehr Aufwartung und Mühe verursacht, als dreimal so viel andere Gaste, die sich in die amerikanischen Sitten und Gebräuche schicken, das muß man auch wohl bedenken; denn alle Arbeiten und Geschäfte werden ja dort 4 bis 6mal theurer bezahlt, als in Deutschland.

Es ist und bleibt unwidersprechliche Wahrheit, daß es kein Land auf der Erde giebt, wo der Handarbeiter mit größerer Leichtigkeit sich eigene Grundstücke, Wohlstand, ja auch Reichthum verschaffen kann, als Nordamerika, das wiederhole ich noch einmal; man muß aber wohlbedächtig hinzufügen: wenn er sich gehörig amerikanisiren kann, wozu mehr gehört, als Mancher denkt, und als ich selbst vorher dachte. Weiterhin werde ich ausführlicher davon reden.

Die beiden mit mir und durch meine Unterstützung mit eingewanderten Vallstedter fanden binnen 2 Tagen in Philadelphia ihr Unterkommen und sehr guten Verdienst; H. ging bei einen Schreiner und Kabinets-Waaren-Händler und R. bei einen Metzger in Arbeit und verdienten jeder monatlich 20 Dollars. S., der Glückstädter, ging zu einem reichen Onkel seines verstorbenen Vaters Bruder, der seit geraumer Zeit in Amerika gelebt und sich viel Geld erworben hatte, hielt sich einige Monate bei ihm auf, und als er sich nicht gut amerikanisiren konnte, gab ihm dieser Vetter 2000 Dollars, bezahlte außerdem noch für ihn die Fracht und S. ging wieder nach Deutschland zurück. H. hatte in Philadelphia einen Bruder, der wenige Jahre vor ihm nach den vereinigten Staaten ausgewandert, sich nun in Philadelphia verheirathet hatte und ein reicher Mann war; dieser schickte seinen Bruder gleich zur Schule, ließ ihn in der englischen Sprache unterrichten, darauf Arznei studiren, und er ist jetzt schon in dieser Stadt praktischer Arzt. Der früher erwähnte Musikus K. aus Drau in Sachsen mußte sich wohl ein halbes Jahr lang am knappsten behelfen, dann aber wurde er in Baltimore versorgt, wo er, wenn er sich danach hält, lebenslang nicht nur sein gutes Auskommen haben, sondern sich auch für sein Alter Geld zurücklegen kann.

Auch diese Beispiele lehren schon, daß jeder Handarbeiter dort nicht nur sehr leicht ein Unterkommen und Arbeit findet, sondern 4 bis 6mal mehr verdient, und bei der Hälfte Arbeit viel besser lebt als in Deutschland.

Jeden Abend während meines Aufenthalts in Philadelphia kamen diese jungen Leute und besuchten mich in meinem Quartier, und so ungerecht und feindschaftlich sie mich auch während unserer Reise behandelt hatten, so machte ich ihnen doch nicht den geringsten Vorwurf, weil ich merkte, daß sie ihr verübtes Unrecht fühlten. Über nichts mehr wunderten sich auch diese, so wie andere junge Emigranten, die ich dort sprach, als über die köstlich und reichlich besetzten Tische der Amerikaner und den Wohlgeschmack der Speisen; der eine hatte 28, der andere wohl gar 32 Speisen auf seinem Tische gezählt, wobei ich ihnen dann jedesmal den Rath ertheilte, vorsichtig und mäßig zu seyn.

Deutsche Arbeiter, aber nur Handarbeiter, sind dort vorzüglich angenehm und werden gesucht, weil ein guter Deutscher wohl mehr ausrichtet, als 3 der besten gebornen Amerikaner. Vorzüglich aber liebt man dort die deutschen Dienstmädchen, besonders wenn sie gut in der Küche fertig werden können. Eine sehr große Menge von Beispielen kamen mir während meines kurzen Aufenthalts in Philadelphia vor, daß arme deutsche Mädchen, die dort für ihre Fracht erst 2 oder 3 Jahre hatten dienen müssen, bald nachher, oder gar noch vor Ablauf dieser Dienstjahre an wohlhabende, ja reiche Bürger, nicht selten an Gentlemens (Vornehme) verheirathet worden sind.

In der schönen Stadt Philadelphia hielt ich mich 15 Tage lang auf, theils weil ich wegen meiner Sachen am Bord des Schiffs Ocean, die nicht früher ausgeladen werden konnten, warten mußte; theils auch, weil ich mein Wiener Forte-Piano dort gern erst verkaufen wollte, es aber nicht erst los werden konnte für einen Preis, der mich schadlos gehalten hätte; endlich weil ich mich immer noch nicht entschließen konnte, welche Laufbahn ich wählen und welches Fach ich ergreifen sollte zu einem sichern Broterwerbe. Nachdem ich meine Sachen endlich alle in Schröder’s Gasthause in Sicherheit gebracht hatte, ging ich ins Land, zuerst nach der Stadt Germantown, denn weil dieß so viel heißt, als: Stadt der Deutschen, so dachte ich, müsse sie doch wenigstens größtentheils aus Deutschen bestehen, zumal, da sie ganz von Deutschen gegründet ist; aber ich fand, daß sie nur noch dem Namen nach deutsch war, denn kaum konnte ich dem Gastwirth, bei welchem ich einkehrte, und bei dem ich Erkundigung suchte, ob man dort nicht etwa, wenn auch nur auf kurze Zeit, ei-nes deutschen Schullehrers bedürfe, oder ob nicht auf andere Art ein Broterwerb für mich dort zu finden sey — kaum sage ich, konnte ich diesem so viel bedeuten, daß er mir ein Glas Whisky einschenkte, denn ich forderte ein Gläschen Branntewein, und das verstand er nicht. Auf der Straße fand ich noch einen alten Mann, der mich verstand und mich nach dem Pfarrer weisen konnte. Von dem Letzten hörte ich denn, daß die deutsche Sprache überhaupt dort ihrem Untergange sehr nahe sey, daß noch vor einem Jahre in den deutschen Schulen beide Sprachen, die englische und die deutsche, gelehrt worden wären, daß dieß nun aber auch abgeschafft sey, und die Kinder in den Schulen zu Germantown jetzt bloß in der englischen Sprache unterrichtet würden; er habe schon seit mehrern Jahren abwechselnd englisch und deutsch gepredigt, und es wäre nun mehre Male schon darauf angetragen, daß er bloß in der englischen Sprache predigen solle. Deutsche Schulen, in welchen bloß Deutsch gelehrt würde, sagte er, würde ich da in einem Umkreise von 20 Meilen wohl nicht mehr finden. In den meisten Landschulen würden beide Sprachen gelehrt, und die Schullehrer müßten also sowohl in der englischen als in der deutschen Sprache unterrichten können, in manchen aber sey der deutschen Sprache längst der Abschied gegeben und der Unterricht würde bloß in der englischen Sprache ertheilt.

Diese Nachricht brachte mich in sehr große Verlegenheit. Mein Plan und Vorsatz war erst der: in Philadelphia einen leichten Wagen und ein Pferd zu kaufen, um nebst meiner Frau und den allernöthigsten Sachen nach dem Ohio-Staate zu reisen, die entbehrlichsten in Philadelphia zu lassen, bis ich irgend einen Broterwerb gefunden haben würde, und sie dann mit der Post, oder einer andern Gelegenheit nachfolgen zu lassen; dieß aber wurde mir widerrathen, weil es gegen den Winter ein sehr unsicheres und mit Gefahr verbundenes Unternehmen sey, und dagegen rieth man mir, lieber irgendwo in Pensylvanien für den nächsten Winter eine Schulstelle anzunehmen, wozu jetzt eben die rechte Zeit sey, weil die Schulen auf dem Lande und in den Landstädten nun bald wieder ihren Anfang nehmen würden. Als ich dieß mit dem Prediger Becker überlegte und ihm meine Verlegenheit klagte, in welche ich durch seine Nachricht versetzt worden sey, rieth er mir, doch lieber erst einen Versuch im Berks-Kreise zu machen, welches von da die nächste Gegend sey, wo es noch viele bloß deutsche Schulen gäbe. Als ich hierauf meine Papiere aus der Tasche zog, fand ich, daß unter den zerstreut und sehr entfernt wohnenden Personen, an welche meine Empfehlungsschreiben gerichtet waren, auch 2 im Berks-Kreise wohnten, nemlich ein Gutsbesitzer, Fabrikant und Gastwirth Namens Luther, ein geborner Deutscher und schwerreicher Mann, der zu jener Zeit, wo es in Amerika noch sehr an Leuten seines Standes fehlte, dorthin ausgewandert war und als Kaffeemühlen-Fabrikant zu großem Reichthum gelangt war, ferner ein Prediger mit Namen Jakob Miller, welcher zwar kein geborner Deutschländer war, aber doch von eingewanderten deutschen Eltern abstammte. Zuerst ging ich nach dem genannten Luther, welcher von Germantown 50 englische Meilen, weit wohnte, und ich erstaunte, als ich auf seine weitläuftige Plantage kam und seine großen Besitzungen sah. Seine sämmtlichen Ländereien lagen in einer großen Ebene, seine Gebäude glichen denen eines prachtvoll gebauten adelichen Hofes in Deutschland, und so fand ich auch die meisten großen Bauergüter. Als ich in Luthers Haus trat, kam er aus einer Stube, auf der Hausflur mir entgegen, führte mich mit freundlicher Miene ein und hieß mich willkommen. Als ich ihm darauf mein Empfehlungsschreiben einhändigte, las er es mit Aufmerksamkeit durch und ließ mir ein Glas Branntwein vorsetzen. Ich ergriff diese Gelegenheit und bat ihn nun auch mündlich, mir mit Rath und That, durch Fürsprache wo möglich behülflich zu seyn und mein Bestes zu befördern. Er aber entschuldigte sich kalt, daß er schon so viele Güte und Wohlthaten an so manchen seiner deutschen Landsleute verschwendet habe, die ihm mit Undank vergolten hätten, daß er daher entschlossen sey, das künftig bleiben zu lassen. Bei der Wiederholung meiner Bitten lenkte er das Gespräch immer auf andere Gegenstände und blieb dabei unverändert kalt. Darum nahm ich von ihm Abschied und wanderte weiter, um dem Pfarrer Jakob Miller in Falconer-Swamp-Ortschaft meine Empfehlungen zu überreichen, hatte aber, weil ich in tiefen Gedanken fortwanderte, über das Fehlschlagen meiner Erwartungen bei dem genannten Luther (denn von diesem Manne hatte ich mit voller Zuversicht Vieles erwartet, welches wohl sein Name bei mir bewirkt haben mochte) den rechten Weg verfehlt; und weil der Abend schon angebrochen war, kehrte ich in einem Wirthshause ein, ließ mir dort ein Abendessen geben und blieb allda über Nacht. Das Essen wurde sogleich, nachdem ich es bestellt hatte, bereitet und binnen höchstens 10 Minuten war der Tisch mit Kaffee und wenigstens 28 andern Speisen überladen. Überhaupt fand ich die Tische hier auf dem Lande noch köstlicher, als in Philadelphia besetzt. Nach Tische ging ich in die Gaststube und es machte auf mich einen höchst widerlichen Eindruck, als ich die Tafeln und Tische in derselben sämmtlich von Menschen belagert und eingenommen fand. Einige hatten sich darauf gelegt, andere darauf gesetzt, und die Bänke und Stühle zu ihren Fußschemeln gemacht. Sie erzählten den ganzen Abend, aber beständig in englischer Sprache, wovon ich nur bisweilen einige Worte verstand. Ihren deutschen Dialekt, in welchem einige von ihnen mich einige Mal anredeten, vermogte ich aber auch kaum halb zu verstehen, drum suchte ich früh meine Schlafstätte. Am andern Morgen zahlte ich für Abendessen und Getränk nebst Nachtlager einen Viertel Dollar (8 Ggr. Conv. M. nach unserm Gelde), das war auch in der Folge allenthalben eben so viel. Wenn ich die vielen köstlichen Speisen und meinen damaligen guten Appetit in Anschlag brachte, so fand ich, diesen Preis sehr billig. Bald nachher hörte ich aber auch, daß man noch billiger sich behelfen könne, wenn man sich kaltes Essen geben ließe, wovon ich denn auch öfters Gebrauch machte, und dann zahlte ich nur 12 Cents (ungefähr 4 Ggr.). Ehe ich Abschied von dem Wirthe nahm, fragte ich denselben, ob nicht allda im Kreise ein Pfarrer Namens Miller wohne? „Jes“ sagte er „tär wohnt tu Meil von hie ab;“ er zeigte mir den Weg dorthin und in einer Stunde war ich in des Pfarrers Miller Wohnung; aber es war nicht der rechte Pfarrer Miller, denn der, welchen ich suchte, hieß Jakob Miller, und dieser nannte sich Konrad Miller; auch war dieser letzte nicht zu Hause, sondern zum Besuche bei seinem Bruder Jakob Miller, welcher kränklich sey. Dieß sagte mir ein junger Prediger, der auch eben angekommen war, den Pfarrer Konrad Miller zu besuchen, und dabei erfuhr ich auch noch, daß ich schon am vorigen Tage recht gut bei Jakob Miller hätte einkehren können, weil ich nahe vor seinem Hause in Falconer-Swamp-Ortschaft vorbeigekommen seyn müsse; auf meine Frage, wie denn diese Ortschaft, wo wir uns befänden, heiße, erwiderte er, daß es die Oly-Ortschaft sey. Nun wollte ich gleich zurück, um wo möglich diese Gebrüder Miller beide zugleich zu sprechen, man wollte mich aber durchaus nicht gehen lassen, bis ich erst würde zu Mittage gegessen haben. Nirgends war ich bisher köstlicher bewirthet worden, als hier, bei dem Gutsbesitzer, Kaufmann und Eisenfabrikanten Heinrich Spang, der vor 40 Jahren arm nach Amerika eingewandert war, und jetzt eine Plantage von 600 Ackern (900 Magdeburger Morgen) Landes, das nicht besser in Pensylvanien zu finden ist, nebst einem großen Waarenlager, einer Eisengießerei, einer Stabeisen- und Hufschmiede besitzt, bei welchem der noch unverheirathete Pfarrer Konrad Miller wohnte, zwar nicht im Hause des alten Heinrich Spang, sondern in der Wohnung des ältesten Sohnes gleichen Namens, der dem Kaufladen vorstand. Diese Wohnung flößte mir wirklich Ehrfurcht ein und setzte mich in große Verwunderung und Erstaunen. Alle Zimmer, sogar die Küche, waren aufs Schönste vermahlt, und die gedielten Fußböden des Hauses fast alle mit bunten wollenen Teppichen belegt, sogar die Treppen waren damit nicht vergessen. In der Visitenstube hingen die Gemälde der ganzen Familie in Lebensgröße, alle rein und schön getroffen. Alles war auch aufs Bequemste und prachtvollste eingerichtet. Nach Tische wollte ich sogleich meine Reise nach Falconer-Swamp-Ortschaft zu den Gebrüdern Miller antreten, daran war aber jetzt nicht zu denken. Spang senior, der am Schlusse der Mahlzeit zu seinem Sohne kam, nahm mich erst mit nach seiner Wohnung, die eben so prachtvoll möblirt und noch viel geräumiger war. Als ich mich dort besehen hatte, führte man mich abermals in die Speisestube, der Tisch war mit vielen Erfrischungen besetzt und der alte Mann holte eine Flasche Madeira-Wein herbei, die wir beide an seinem Bisquittische ausleerten. Er wollte mich noch nach andern seiner Wohnhäuser führen, deren er 8 auf seiner Plantage hatte, aber ich durfte mich nun nicht länger mehr verweilen, sondern eilte mit raschen Schritten auf den Weg nach Falconer-Swamp. Die Abenddämmerung hatte mich indessen doch etwas zu früh überfallen, während ich vor einem großen schönen Hause einige junge wohlgekleidete Männer sah, die mich, ehe ich ihnen noch ganz nahe kam, in guter deutscher Sprache fragten, wo ich so spät noch hin wolle? Diesen Ton der reinen hochdeutschen Muttersprache hatte ich lange nicht gehört, und man kann sich vorstellen, wie angenehm er meinen Ohren war. Wir waren auch gleich im Gespräch, als hätten sich Bekannte getroffen, und als ich ihnen sagte: daß ich die Wohnung des Pfarrers Miller suche, meinten sie, daß ich dahin nicht so sehr zu eilen brauche, da ich nur noch 4 bis 5 Minuten bis zu seiner Wohnung zu gehen hätte. Im Tone der innigsten Theilnahme und Freundschaft baten sie mich nun, erst noch einzutreten, da hier auch ein Pfarrer wohne. Ob ich mich nun gleich mit dem Dunkelwerden entschuldigen wollte, so half das Alles nichts, denn sie erboten sich, mich nachher bis zur Wohnung des Pfarrers Miller zu begleiten. Auf der Hausflur kam mir ein alter ehrwürdiger Mann entgegen, der mir sehr freundlich die Hand reichte und mich in die Stube führte; es war der reformirte Prediger Hermann der ältere. Der alte Mann errieth sogleich, daß ich ein Hannoveraner oder Braunschweiger seyn müsse, auch daß ich noch nicht lange in Amerika seyn könne u.s.w. Diesen Abend kommen sie nicht weiter, sagte er, wir lassen sie nicht fort und wenn auch Pfarrer Miller noch näher wohnte, wir haben Sie nun einmal hier. Die vorhin erwähnten Personen waren junge Leute, die bei ihm studirten und sich dem Predigerstande widmeten; alle setzten sich um mich herum, und ich mußte ihnen nun mancherlei aus Deutschland erzählen. Der Eine hatte dieß, der Andere das zu fragen. Dann brachte man mich in die Speisestube, wo der Tisch mit den herrlichsten Speisen besetzt war, an welchem ich aber allein essen mußte, weil die Abendmahlzeit schon gehalten war. Nach Tische begannen unsere Unterredungen und Erzählungen von Neuem und währten bis nach Mitternacht; dann erst gingen wir zu Bette und am andern Morgen 9 Uhr, nach eingenommenem Frühstück, begleitete mich der alte Prediger Hermann bis nahe vor die Thür, wo der Pfarrer Miller wohnte. Der Pfarrer Hermann hatte in seiner Jugend auf der Universität Halle studirt, und war dann bald nachher nach den vereinigten Staaten ausgewandert, wo er sogleich eine Anstellung gefunden und das Predigeramt seitdem in mehren Gemeinden versehen hat; auch sein ältester Sohn ist seit mehren Jahren dort als Prediger in mehren Gemeinden angestellt.

Die beiden Prediger Miller traf ich noch bei einander, und nachdem ich ihnen mein Empfehlungsschreiben und mehre Zeugnisse vorgelegt hatte, riethen sie mir beide, mich zu der in Libanon vacanten Organisten- und Schullehrer-Stelle zu melden, beide erboten sich auch mir Briefe und Empfehlungen an ihre dortigen Bekannten, auch an den dortigen Prediger, der bei seiner Gemeinde viel Einfluß habe, mitzugeben. Dieß glaubte ich aber deßwegen ausschlagen zu müssen, weil ich fürchtete, bei der Probe des Orgelspielens durchzufallen. Pfarrer Jakob Miller, der ein schönes englisches Piano-Forte besaß, bat mich nun, ihm einige Chorale auf demselben vorzuspielen und versicherte darauf, daß ich unbedenklich bestehen würde, denn es würden Viele dort angestellt, die nicht so gut spielen könnten, weil sich nur selten Orgelspieler einfänden und solche doch sehr gesucht würden. Meiner angebornen Schüchternheit wegen konnte ich mich indeß nicht entschließen, in einer Stadtkirche die Probe des Orgelspielens zu machen, und wollte lieber eine geringere Stelle auf dem Lande annehmen, wenn diese Herren glaubten, daß vielleicht bald sich eine Gelegenheit dazu finden werde, und das glaubten sie denn beide. Pfarrer Konrad Miller erbot sich auch, weil mir der Aufenthalt in Philadelphia zu kostspielig sey, zu versuchen, ob er in seiner Nähe eine Wohnung für mich und meine Frau auffinden könne; er gab mir deßwegen den Rath, noch 2 Tage bei seinem Bruder zu bleiben, während welcher er wahrscheinlich eine Wohnung für mich ausgemittelt haben würde. Nach 2 Tagen ging ich nach Oly, wo mir Pfarrer Konrad Miller bei dem vorhin genannten Heinrich Spang eine Wohnung ausgewirkt hatte, die ich gleich beziehen konnte und worin ich ein halbes Jahr ganz unentgeldlich wohnen sollte. Vor Freuden fast außer mir, eilte ich zu diesem Spang, um ihm meinen Dank zu sagen und dann schnell mich auf den Weg nach Philadelphia zu begeben; aber es ging dieß doch nicht so schnell, als ich dachte, denn Alle verlangten, daß ich in ihrer Gesellschaft wenigstens einen Tag noch bleiben solle. Dieß that ich denn auch und eilte alsdann nach Philadelphia, um meiner Frau diese tröstliche Nachricht zu bringen. Spang schickte nach 2 Tagen einen Fuhrmann, der meine Sachen und uns nach Oly abholte. — Oly (Oley) ist von Philadelphia 50 englische Meilen entfernt und der Weg dorthin größtentheils bergigt und rauh, deßwegen war ich sehr besorgt für mein Wiener Piano-Forte, welches bei dem sehr unsanften Fahren leicht hätte beschädigt werden können, und ließ mehre meiner übrigen Sachen lieber in Philadelphia zurück, um dieß Instrument gut zu verwahren, wir brachten dasselbe auch völlig unbeschädigt nach Oly; es gefiel dem Herrn Spang d. jüng. und er kaufte es von mir für 120 Dollars. Ich hätte es aber noch nicht so eilig verkaufen sollen, denn einige Wochen später hatte ein Mann aus Reading (einer Kreis-Stadt. 5 engl. Meilen von Oly), dem Herrn Spang 150 Rthlr. wieder dafür geboten, wofür dieser es aber nicht hatte verkaufen wollen.

Als wir in Oly ankamen, hatte Spang uns bereits trockenes Holz anfahren lassen, und kaum waren wir vom Wagen gestiegen, so mußten wir in seine Wohnung einkehren, wo wir aufs Beste bewirthet wurden; er litt es nicht, daß wir unsere Sachen selbst mit ins Haus brachten, sondern beorderte seine Leute dazu. Am andern Tage wurde in demselben Hause eine Versteigerung gehalten und bei dieser Gelegenheit kauften wir alles uns fehlende Hausgeräth und richteten uns überhaupt so ein, um wenigstens den ganzen Winter allda zu wohnen. Auch hier machte ich, so wie allenthalben, wohin ich bis jetzt gekommen war, dieselbe für mich betrübte Erfahrung, daß die deutsche Sprache ihrem Untergange nahe sey; man hörte auch hier nur noch das Wort Gottes von der Kanzel in deutscher Sprache, im Umgange war sie längst eingegangen; in dem Olyer deutschen Schulhause wohnte seit einem Jahre schon ein Tischler, der es gemiethet und seine Werkstelle in der geräumigen Schulstube aufgeschlagen hatte; hie und da hatte ein reicher Bauer einen Hauslehrer, der seine Kinder nur in der englischen Sprache und im Englischschreiben und Rechnen unterrichtete, einige geringe Leute ließen ihre Kinder zur Winterszeit an diesem Unterrichte 1, höchsten 2 Monate mit Theil nehmen, aber der größte Theil der Kinder der letztern wurde gar nicht unterrichtet, bis etwa 6 Wochen vor ihrer Konfirmation von dem Prediger. Selbst Heinrich Spang der jüngere ließ seine Kinder nur in englischer Sprache, im Schreiben, Rechnen und der Musik unterrichten, sie sprachen zwar auch mitunter die deutsche Sprache, aber sie konnten sie weder lesen noch schreiben. Die vielen Arbeiter Spangs, die alle von Geburt Deutsche waren, sprachen unter sich beständig Englisch, und das Deutsche ging ihnen schwer ab. Der deutsche Dialekt war hier, so wie allenthalben, wo ich bisher die deutsche Sprache hörte, pfälzisch und schwäbisch mit englischen Brocken vermischt. Ausnahmen machten nur Gebildete von deutscher Herkunft, oder eingewanderte Deutsche aus Niedersachsen, und unter diesen wieder die Prediger.

Hier in Oly lernte ich mehre deutsche Prediger kennen, die den Pastor Miller öfters besuchten, unter andern die beiden reformirten Prediger Dechand und Antiken; beide waren eingewanderte Preußen, und beide hatten sich erst in Pensylvanien dem Predigerfache gewidmet. Pfarrer Dechand hatte bereits mehre Jahre im Staate Ohio gewohnt, wohin auch ich zu wandern gedachte, und konnte mir daher über Vieles, was ich zu wissen wünschte, Auskunft geben; Pfarrer Antiken aber, der als Portrait-Maler gereiset, und sich nicht nur im Ohio-Staate längere Zeit aufgehalten, sondern die sämmtlichen vereinigten Staaten durchwandert hatte, war im Stande mir eine ausgebreitete Kenntniß von sehr vielen wissenswerthen Dingen mitzutheilen, was er auch that, denn er unterhielt sich öfters mehre Stunden mit mir allein. Doch rieth er mir, nicht weiter zu reisen, sondern vielmehr in Pensylvanien zu bleiben, weil er diesen Staat allen übrigen vorzog.

Die in der Oly-Ortschaft wohnenden Deutschen waren größtentheils Lutheraner und Reformirte und hatten eine gemeinschaftliche Kirche, in welcher, außer Leichenbegängnissen und andern außerordentlichen Fällen, alle 14 Tage einmal regelmäßig wechselsweise gepredigt wurde; wenn nämlich an dem einen Sonntage der lutherische Pfarrer Miller gepredigt hatte, so predigte nach 14 Tagen der reformirte Pastor Dechand. So fand ichs an vielen Orten, und weil jeder Prediger dort auf dem Lande nur alle 4 Wochen einmal in jeder seiner Gemeinden regelmäßig predigt, so war auch diese Einrichtung sehr gut, und sie hätte an diesem Platze noch viele Jahre so bestehen können. Dennoch aber wollten die Lutheraner ihre eigene Kirche für sich haben, wozu während der Zeit meines Aufenthalts in Oly der Grund gelegt wurde, und zwar ganz nahe bei der dortigen schon vorhandenen wirklich sehr schönen und geräumigen Kirche. Pastor Miller erzählte mir, daß er auf Verlangen seiner Gemeinde nebst einigen seiner Kirchenräthe vor kurzer Zeit von Haus zu Haus gegangen sey, um schriftlich aufzunehmen, was jedes der Gemeindeglieder zum Baue der neuen Kirche wohl beitragen wolle; und so habe der obgenannte Heinrich Spang, der auch Mitglied des dortigen Kirchenraths sey, sich sogleich unterschrieben, daß er zum Baue dieser Kirche tausend Dollars geben wolle, und noch an demselben Tage wären 5000 Dollars unterzeichnet worden; denn zwei andere reiche Bauern hätten dem Beispiele des Spang nicht nachstehen wollen und hätten jeder ebenfalls 1000 Dollars unterzeichnet. Ehe ich aus Amerika zurückging, habe ich diese Kirche noch gesehen, die bereits eingeweihet war, und es hat mich der schöne Bau und die Pracht derselben in Erstaunen gesetzt. Über die Bauart der Kirchen und über den Gottesdienste ect. werde ich in einem besonderen Kapitel mich weiterhin aussprechen.

Als wir etwa 14 Tage in Oly bei Spang gewohnt hatten, kam eines Abends Pastor Miller von einer Reise in Amtsgeschäften zu Hause und kaum hatte er sein Pferd in den Stall gebracht, so kam er auch schon in meine Wohnung und erzählte, daß der Schuldienst an der Mosillem-Zions-Kirche im Richmond-Kirchspiele, einer seiner Gemeinden, vakant sey, und rieth mir, mich zu demselben zu melden; am n?chsten Sonntage, sagte er, würde er dort predigen, und dann könne ich die Probe machen, die in Orgelspielen und Singen bestehe. Die genannte Kirche war von Oly 14 engl. Meilen entfernt und Pfarrer Miller hatte an dem Sonntage erst in Langen-Swamp zu predigen, welches noch 12 engl. Meilen weiter entfernt war und in einer andern Gegend lag. Spang d. j. war so artig, mir sein eignes Reitpferd anzubieten, dessen ich mich auch bediente und nach der genannten Zions-Kirche an der Mosillem ritt. Der Gottesdienst sollte um 2 Uhr Nachmittags seinen Anfang nehmen, und eine Viertelstunde früher war ich zur Stelle; der große Versammlungsplatz bei der Kirche und dem Schulhause wimmelte von Menschen und Pferden; nach dem Beispiele anderer Reiter band ich mein Pferd an einen Baum (welches sehr leicht angeht, weil an jedem der vielen Bäume auf solchen Plätzen, und auch an den Gebäuden zu diesem Behuf Krampen mit Ringen befindlich sind), und ging dann in das Schulhaus, um den Schullehrer zu sprechen, den ich fieberkrank beim heißen Ofen fand. Er war ein geborner Schwabe, und seit 6 Jahren in Amerika, auch seine Frau war aus dem Schwabenlande gebürtig. Dieser bat mich denn gleich, sobald er hörte, daß ich Schullehrer gewesen sey, das Singen und Spielen zum Gottesdienste für ihn zu übernehmen, was ich gern versprach. Nun kam auch Pfarrer Miller herein, erholte sich ein wenig bei einer brennenden Cigarre, erzählte mir, daß noch ein Schullehrer angekommen sey, der auch die Probe zu singen und zu spielen sich ausgebeten habe, wobei mir ein Schrecken durch die Glieder fuhr, zumal da ich hörte, daß dieser bereits 10 Jahre lang in Pensylvanien Schullehrer gewesen sey und die Orgel gespielt, auch daß sein Bruder vor nicht langer Zeit an dieser Kirche als Organist und Schullehrer gestanden habe; es war der Schullehrer Auge an der neuen Jerusalems-Kirche, nicht weit von da entfernt, gebürtig aus dem Fürstenthum Lichtenstein. Pfarrer Miller merkte bald, daß ich verlegen sey und fragte, ob ich lieber vor oder nach der Predigt spielen und singen wolle? Ich wählte das Letzte, und nun gab er mir den Gesang auf: „Nun danket alle Gott ect.!“ und flüsterte mir ins Ohr: „Sie sollen dem lieben Gott danken noch ehe Sie gewählt sind, seyen Sie ja nur recht dreist und ohne alle Furcht und singen sie nur rechtschaffen zu ihrem Spiel.“ Beim Eintritt in die Kirche klopfte er mir noch einmal auf die Schulter mit den Worten: „Schulmeister an der Mosillem-Kirche!“

Auge spielte die Orgel nur sehr einfach, und ich merkte gleich, daß er kein sonderlicher Spieler war, wodurch ich etwas mehr Muth bekam und froh war, daß ich ihn zuerst hatte spielen lassen; er hatte indeß eine gute Stimme zum Singen. Nach der Predigt setzte ich mich auf die Orgelbank und spielte zwar mit vollern Griffen als Auge, konnte aber nur ein sehr einfaches Zwischenspiel machen. Doch wider alle meine Erwartung fand ich Beifall. Zum Ausgange spielte ich einen Marsch, den einzigen den ich spielen konnte, wurde aber dabei so von Menschen umringt, daß ich nach einer kleinen Weile die Klaves nicht mehr sehen, mich auch vor Gedränge nicht rühren konnte, also vor der Zeit aufhören mußte. Nun sah ich diesen Auge oben in der Kirche beim Altare stehen, wo der ganze Kirchenrath und der Pfarrer Miller versammelt waren. Pfarrer Miller winkte mir, nun auch herbei zu kommen, und sagte mir, daß der gegenwärtige Rath im Namen der Mosillem-Gemeinde mich auf ein Jahr zu ihrem Schulmeister ernannt hätte; wolle ich länger nicht bleiben, so müsse ich ein Vierteljahr vorher es der Gemeinde anzeigen, und wolle mich die Gemeinde nicht behalten, so würde mir das ebenfalls ein Vierteljahr zuvor bekannt gemacht. Nun war ich Schulmeister an der Mosillem-Zions-Kirche im Richmond-Kirchspiele, im Berks-Kreise. Es wurde nun noch ausgemacht, daß ich von jedem Schulkinde, das wirklich zur Schule käme, für jeden Monat einen halben Dollar Schulgeld bekommen solle; für Orgelspielen und Vorsingen beim Gottesdienste solle ich reines Korn haben, jeder wolle aber nach Belieben geben; Holz wolle man immer so viel anfahren, als ich brauchte; die 30 Acker urbares Land, welches sämmtlich nahe am Schulhause lag, könne ich nach Belieben nutzen, so auch Wiesen und Garten nebst Obstbäumen auf der ganzen Plantage. Nun wurde ich noch gefragt, wann mich die Gemeinde aus Oly abholen solle, und dazu wurde der folgende Tag bestimmt. Pfarrer Miller und ich ritten nun in Gottes Namen wieder nach Oly ab.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meine Auswanderung nach Amerika im Jahre 1822