Abschied aus Hamburg und Reise zu Wasser nach Philadelphia

Während der ganzen Zeit unsers Aufenthalts in Hamburg hatten wir östlichen Wind gehabt, und ich war auch darüber oft sehr verdrießlich gewesen, daß wir diesen zur Seereise so guten Wind nicht benutzen konnten. Jetzt sah ich nach der Windfahne und bemerkte, daß wir Westwind hatten, hörte auch bald, daß die Matrosen am vorigen Tage den Ocean bis Kuxhaven größtentheils hatten buchsiren müssen.

Wir verließen nun unter Begleitung unsers Wirths und zweier jungen Reisegefährten Hamburg und verfügten uns zu der Wohnung des Kapitän Fokkes auf dem Hamburger Berge, wo auch die andern Passagiere sich einfanden, und bestiegen um 6 Uhr Abends ein Blankeneser Fischerboot in dem Hafen von Altona. Die Fahrt ging sehr langsam von Statten, weil uns der Wind gerade entgegen kam und beständig lavirt werden mußte, weswegen wir auch des Nachts um 12 Uhr erst bei dem Ocean ankamen, den wir nun bestiegen. Wir waren alle müde und sehnten uns nach dem Schlaf. Die Kajüten-Passagiere, 4 an der Zahl, fanden ihre Schlafstelle bereit; wir Passagiere im Mitteldeck mußten uns behelfen, so gut wir konnten und lagerten uns auf die Bettstücke, die meine Frau herbeiholte. Wir schliefen alle sehr gut.


Am andern Tage wurden für die übrigen Mitteldecks-Passagiere Hängematten in Ordnung gebracht, für mich aber und meine Frau machte der Schiffszimmermann eine am Boden des Schiffs befestigte ordentliche Bettstelle. Dann fuhren wir nebst dem Kapitän und einigen Passagieren in einer Schaluppe auf der Elbe nach Bassenfleeth, einem Dorfe nahe bei Stade, zu dem Lootsen Müller, wo unsere beiden Vallstedter logirten. Die Leute hatten dort sehr große Obstgärten, besetzt mit den Obstbäumen der besten Art und einer Menge Kirschbäume, die mich in Erstaunen setzten; alle hingen so voll von reifen Kirschen aller Art, daß sie sich beugten. Hier war es eine Lust Kirschen zu essen und wir thaten uns sämmtlich gütlich daran; dann suchten uns die gastfreien Leute noch eine ganze Menge der besten Sorten aus, wovon jeder von uns sein Taschentuch und andere Behälter füllte. Die beiden Vallstedter hatten bei ihrer Abfahrt vom Kapitän Fokkes 3 Thlr. Taschengeld geliehen, für 6 Rthlr. sich ein Gewehr gekauft, und Müller verlangte für eine 14 Tage lange Beköstigung derselben und die Herberge 7 Rthlr.; ich hatte also hier wieder für meine Vallstedter Landsleute 16 Rthlr. zu bezahlen, worüber ich, wie leicht zu erachten, im höchsten Grade verdrießlich war, was ich aber, weil es nichts nutzte, mir nicht weiter merken ließ. Des Abends spät fuhren wir erst wieder nach unserm Ocean und nahmen die beiden Vallstedter mit. Die Kirschen und Erdbeeren waren sehr wohlfeil und deßwegen hatten wir uns in Hamburg oft an diesen Früchten gelabt, sie wurden auch noch täglich in großer Menge nach unserm Hafen und auch an Bord unsers Schiffs gebracht, weil wir widrigen Windes wegen nicht abfahren konnten und unser Schiff bis zum 15. Juli in diesem Hafen vor Anker lag. Während dessen erlebten wir zu Schiffe den ersten Sturm, der so heftig war, daß alle Passagiere, die zum ersten Male zu Schiffe waren, vor der Zeit seekrank wurden, außer mir und dem einen Vallstedter; wenigstens stellte sich bei uns beiden kein Erbrechen ein.

Am 15. Juli bekamen wir Nordwind, unser Lootse Müller kam früh an Bord und wir segelten endlich in die Nordsee, wo wir bald die Insel Helgoland passirten, welche ein hohes Ufer hat, durch welches eine gerade Höhle über die ganze Inselbreite weg geht, so, daß man von der einen Seite zur andern hindurch sehen kann. Die Insel wird immer kleiner, weil ihre Ufer stark weggespült werden und einstürzen. Die ganze Insel hat einen magern sandigen Boden. Die Bewohner derselben nähren sich vom Fischfange.

Wir kamen an diesem Tage noch so weit in die Nordsee, daß unser Lootse Müller entlassen wurde. Dieser war ein sehr geschickter Mann; bei seiner Entlassung wurde der Gesang: „Nun danket alle Gott!“ gesungen.

Nun sahen wir die Küste von Holland, welche uns aber bald wieder aus den Augen kam. Der Wind war sehr günstig, und wir hatten, da mehrere Schiffe zugleich mit uns abgesegelt waren, das Vergnügen, den Wetteifer der Befehlshaber derselben anzusehen, denn der eine wollte noch schneller segeln als der andere. Unser Kapitän schien im Anfange keinen Theil daran nehmen zu wollen, und mehrere Schiffe waren bereits ziemlich weit vor uns. Ein Engländer aber, der noch zurück war, holte uns ein und segelte keck neben un-serm Schiffe vorbei. Da indeß das Schiff dem unsrigen den Wind entzog, ehe es uns vorkam, und das englische Schiffsvolk laut darüber lachte und spottete, so wurde Kapitän Fokkes ärgerlich, ließ nun mehrere bis dahin müßige Segel in Thätigkeit bringen und sagte die Wor-te: „Teuf! ek will dieh!“ Die Engländer, welche einige Büchsenschüsse weit vor uns gekommen waren, streng-ten sich zwar gewaltig an, vor uns zu bleiben, aber mit jeder Minute sahen wir, daß wir ihnen näher kamen. Nach etwa 15 Minuten war unser Ocean rechts neben dem englischen und raubte ihm den Wind dermaßen, daß alle Segel des englischen Schiffes erschlafften, und Alles, was auf unserm Ocean Athem hatte, klatschte in die Hände, um die Engländer für ihren Jubel zu bestrafen; unsere Matrosen hielten auch ein Tau in der Hand und winkten aus Spott den Engländern, es anzufassen, wenn sie mit uns fort wollten. Nun hatten unsere Schiffer Genugthuung, und dieß ermunterte sie alle, zu versuchen, ob wir nicht noch an demselben Tage alle die Schiffe, welche mit uns zugleich in die Nordsee gegangen waren, wieder einholen könnten; wirklich waren sie nach etwa 3 guten Stunden schon alle wieder eingeholt, und gegen Abend waren wir schon so weit voran, daß wir nicht ein einziges derselben mehr sehen konnten. So schnell segelte der Ocean.

Am zweiten Abend nach unserer Abfahrt von Kuxhaven sahen wir das Feuer auf den brittischen Leuchtthürmen, welches uns ein herrliches Schauspiel gewährte, und weshalb wir alle erst nach Mitternacht zu Bette gingen. Am nächsten Morgen früh sahen wir rechts vor uns die englische, und links die französische Küste, und kamen nun in den großen, 90 deutsche Meilen langen Kanal, der England von Frankreich trennt. Beide hohe und steile Ufer schienen uns sehr nahe zu seyn, als wir uns in der Mitte zwischen denselben befanden, und es kam mir unglaublich vor, als Kapitän Fokkes uns sagte, daß dieser Kanal an seiner schmalsten Stelle, wo wir uns gerade befanden, dennoch 7 geogr. Meilen breit sey. Das französische Seeufer ist abwechselnd röthlich und gelb, das englische aber eine ganze Strecke hin schneeweiß. Je weiter wir in den Kanal hinein kamen, desto breiter wurde er, die Ufer entfernten sich immer mehr, bis sie sich endlich ganz verloren. Kaum waren wir in den Kanal gekommen, als wir widrigen Wind bekamen; es wurde daher beständig lavirt, weshalb wir 14 Tage lang in demselben schiffen mußten, ehe wir in den großen atlantischen Ocean gelangten. Während dieser Zeit fingen wir oft Fische an der Angel, und die Schiffsleute schossen mit der Harpune und andern Instrumenten die Makrelen, liebliche Speisefische, an denen wir oft eine herrliche Mahlzeit hatten, weil sie so wohlschmeckend sind. Wir trafen dort viele englische Fischer, die diese Fische nach Hamburg zum Verkaufe bringen, und einem von solchen gab der Kapitän Briefe an seine Frau und den Kaufmann Behrend Rhode in Hamburg, den Eigenthümer des Ocean, mit, wofür er diesem Fischer 3 Rthlr. an Gelde und eine ganze Menge Fleisch und Brot gab.

Beim Eingange in den atlantischen Ocean hatten wir in der Nacht ein sehr starkes Gewitter, welches nicht nur uns Alle aus dem Schlafe erweckte, sondern uns auch in nicht geringe Besorgniß und Furcht setzte, wobei ich zum ersten Male bange wurde, denn das Schiff bewegte sich so ungeheuer stark, daß wir in unserm Bette bald auf dem Kopfe, bald auf den Füßen standen, wobei mir so übel wurde, als ob ich mich erbrechen sollte; deßwegen stieg ich aus dem Bette, um aufs Verdeck zu gehen, konnte aber die Treppe nicht finden, weil ich alle Augenblicke von einer Seite zur andern taumelte. Während dessen ich so auf dem Boden umherpurzelte und kroch, fiel einer unserer Mitpassagiere mit einem entsetzlichen Gepolter und Geschrei aus seiner Hängematte, welche an einem Ende nicht stark genug befestigt gewesen war. Endlich gelang es mir, die Treppe zu erreichen und aufs Verdeck zu kommen, wo ich den Kapitän selbst kommandiren hörte, den ich sogleich fragte, ob wir wohl außer Gefahr wären? „Ja wohl!“ antwortete er mir, „das ist ein herrliches Wetter, es geht als wenns geschmiert wäre, das Schiff segelt in einer Wache 14 deutsche Meilen; steigen Sie nur wieder hinunter zu ihrer Frau, und sagen Sie ihr, daß wir nichts zu fürchten hätten. Wenn wir nur immer solches Wetter behielten, setzte er noch hinzu, dann würden wir Amerika bald erreichen. Aber es währte dieß herrliche Wetter kaum noch 1 Stunde, dann legte sich der Sturm nicht nur, sondern es wurde auf mehrere Stunden eine völlige Windstille, und so munter unser Kapitän um Mitternacht war, so mürrisch war er am Morgen, als sein Ocean ganz stille und ruhig lag, die Matrosen aber lachten heimlich wie die Schelme; denn da diese Leute alle ein gewisses Geld für die Monate bekommen, die sie zu Schiffe sind, so wünschen sie auch, daß jede Fahrt viele Monate dauern möchte, damit Sie mehr Geld verdienen. Während der ganzen Reise auf der See hatten wir nur sehr wenig guten Wind, und weil wir mitten im Sommer diese Reise machten, so traf sichs, daß wir oft 2 Tage lang eine völlige Windstille hatten. Auch war die Hitze die ganze Zeit über ungemein stark, und wurde in unserm eingeschlossenen Behälter im Mitteldeck oft unerträglich, weßwegen wir uns, auch bei Sonnenschein, lieber oben auf dem Deck aufhielten, wo uns die Sonne die Gesichter und Hände dunkelbraun gefärbt hatte. Wir freueten uns immer bei der Ankunft des lieben kühlern Abends, und ich nebst meiner Frau blieben oft oben, bis des Morgens 2 Uhr, weil man unten sich vor Hitze nicht zu lassen wußte und sich im Schweiße badete. Am schlimmsten war es dann für uns, wenn Regenwetter einfiel, welches jedoch, zum Glück für uns, nicht oft der Fall war. Dann mußten wir uns entweder oben dem Regen preisgeben, oder unten eine stickende Hitze aushalten, weil alsdann die Luken so dicht zugemacht wurden, daß auch nicht die geringste frische Luft hineindringen konnte; auch war es alsdann in diesem Behälter so finster, daß man nicht einen Schritt weit vor sich sehen konnte. Schon habe ich erinnert, daß dieser Behälter, als ich das erste Mal den Ocean bestieg, so schön durch Glaskugeln erleuchtet war; aber diese Kugeln waren alle herausgenommen, ehe wir zu Schiffe kamen, und theils über der Kajüte und deren Nebenzimmer, theils über dem Schlafgemache der Steuerleute angebracht, obgleich diese Zimmer vorher schon Licht in Überfluß hatten. Es war wirklich boshaft von diesen Leuten gedacht, daß sie uns auch nicht eine Lichtkugel gelassen hatten, da wir doch alle für unsere Fracht so viel Geld bezahlten.

Die Passagiere im Mitteldeck der deutschen Schiffe müssen sich gewöhnlich viele niedrige Behandlungen gefallen lassen. Es ist auch außer der Regel, wenn der Kapitän und seine vornehmen Kajüten-Passagiere sich einmal so weit herablassen, mit einem Passagier im Mitteldeck zu sprechen, die nach ihrer Meinung so tief unter ihnen stehen. Ich kenne keine größere Anmaßung, als wenn ein Mensch darauf stolz ist, daß er mehr Geld bezahlen konnte als andere, nun dafür eine kurze Zeit besser lebt, und diesen Dünkel allenthalben zeigt.

In der ersten Hälfte der Seereise besserte sich meine Gesundheit mit jedem Tage, ich fühlte mich so wohl, als es vorher in vielen Jahren nicht der Fall gewesen war. Dann aber wurde dieß Glück durch die schlechte Gesellschaft, in welcher ich zu leben genöthigt war, unterbrochen. Von den beiden Vallstedtern mußte ich nicht nur die größte Undankbarkeit erfahren, sondern auch die niederträchtigste Behandlung erdulden, welches ich nur um derer willen zur Warnung hier anführe, welche nach Amerika mit dem Vorsatz reisen wollen, um dort als Landbebauer ihr Glück zu suchen, und deßwegen wohlzuthun glauben, wenn sie vaterländische Gehülfen, die sie dort allerdings sehr bedürfen, aus dem Vaterlande mitzunehmen gedenken. Mag man die beste Absicht mit diesen Leuten haben; mag man auch noch so gesellig gegen Sie seyn; mag man auch die bündigsten Versprechungen von ihrer Seite entgegen genommen und die heiligsten Verträge mit ihnen abgeschlossen haben; — immer wird man von ihnen mit Undank, Unredlichkeit u. dergl. belohnt werden, und es wird nur seltene Beispiele geben, wo man es nicht zu bedauern hat, sich mit solchen Leuten belastet zu haben.

Ich will die Leser nicht mit Einzelnheiten behelligen, die es klar darthun würden, daß die Vallstedter, die doch von den Ihrigen an mich gewiesen waren, für die ich schon so manches Geldopfer gebracht hatte, und deren Glück gewissermaßen in meine Hände gegeben war, durch ihr freches und ruchloses Betragen gegen mich während der Reise, durch ihre vielfältigen Neckereien mir das Leben so sauer machten, daß ich mich schon auf der Reise ganz von ihnen zurückziehen mußte ohne Hoffnung für meine baaren Auslagen für sie auch jemals nur den geringsten Ersatz zu erhalten.

Die Gesellschaft unterm Deck bestand, außer mir, meiner Frau und den beiden Vallstedtern, noch aus 3 Passagieren, 1. einem Glückstädter, 2. einem Musikus aus Drau in Sachsen und 3. noch aus einem jungen Sachsen, dessen Geburtsort ich vergessen habe.

Der Glückstädter war unter Allen der Gottloseste, der nicht eher ruhete, bis es ihm gelang, die beiden Vallstedter mir gänzlich abtrünnig zu machen; ich mußte es selbst anhören, daß er zu ihnen sagte: „was wollt ihr bei dem alten Kerl euch abarbeiten? der geht mit euch in die Wildniß, und ihr müßt, wie die Neger, für ihn arbeiten, u.s.w. Wenn ihr aber in Philadelphia bleibt, euch dort verdingt und arbeitet, da könnt ihr Geld über Geld verdienen und binnen kurzer Zeit reich werden — .“

Von diesem Menschen lernten die beiden Vallstedter die abscheulichsten Flüche und Schwüre, die sie bei der geringsten Veranlassung, besonders aber beim Spiele gebrauchten, wobei sie sich beständig zankten, welches dann dem Spiele, wie gewöhnlich, ein Ende machte. Neue Lust zum Spiele aber machte sie bald wieder einig, um von Neuem zu spielen, auch wurden die abscheulichsten Zoten geredet und gesungen, alles um mich zu ärgern und zu kränken.

Doch konnte ich es immer noch nicht lassen, meine Vallstedter zu ermahnen, sich besser zu betragen, und als ich dieß einst that, sprang der obgenannte Glückstädter auf, schalt mich einen alten Bär, drohete mir mit der Faust über meinem Kopfe, bei den entsetzlichsten Flüchen und Schwüren: wofern ich den jungen Vallstedtern noch ein Wort sagen würde, so wollte er mich massakriren, und die übrigen stellten sich neben ihn mit der Miene, als wollten sie, wenn ich viel sagen würde, mit zuschlagen, darum mußte ich meine Ermahnungen einstellen und sagte meinen Vallstedtern von nun an kein Wort mehr. Bisher hatten wir 7 Mitteldecks-Passagiere immer an einem Tische gegessen, nun aber wollten diese Menschen uns beide Alten auch gern aus dieser Gesellschaft entfernen; weil sie dieß aber nicht mit Gewalt thun durften, so brauchten sie andere Mittel, nämlich Zoten und Unfläterei, die nun auch beständig während der ganzen Mahlzeit getrieben wurden. Die Speisen nahmen sie oft mit den Fingern aus der Schüssel, und trieben sonst noch Unflätereien, die so abscheulich sind, daß ich mich schäme, sie hier niederzuschreiben. Nun ließ ich mir von dem Koch meinen Mundtheil Speise allein geben und aß oben auf dem Verdeck des Schiffs. Meine Frau ertrug die Abscheulichkeiten noch einige Tage lang und aß dann auch mit mir oben auf dem Deck. Aber auch da ließen diese bösen Menschen uns nicht ganz in Ruhe unsere Mahlzeit verzehren, sondern einer von ihnen stellte oder setzte sich jedesmal nahe vor uns und sah uns während der ganzen Mahlzeit stillschweigend mit seinen großen Augen höhnisch an, bloß um uns zu ärgern.

Nimmermehr hatte ich es glauben können, wenn ich es nicht selbst erfahren hätte, daß Menschen die bessern Gefühle ihres Herzens so gewaltsam unterdrücken könnten, am wenigsten aber von diesen Vallstedtern, denen ich so viel Gutes gethan hatte, denen auch meine Frau während des Aufenthalts in Hamburg und auf der ganzen Reise zur See reine Wäsche besorgte und Wäsche und Kleidung beständig ausbesserte, und dieß noch that, als sie schon so strafbar gegen uns handelten.

Wenn ich irgend dazu aufgelegt war, so schrieb ich oben auf dem Verdeck, oder ich las in Büchern. Dazu suchte ich mir dann eine bequeme Stelle aus, und machte von den Materialien, die vorhanden waren, so gut als es gehen wollte, eine Art von Tisch und einen Sitz. Sobald ich aber nur einmal aufstand und einen Schritt weit von meinem Platze war, sogleich nahm einer von den Buben meinen Platz ein, und ich mußte mein Geschäft aufgeben, oder mir einen andern Platz suchen. — Meiner Frau ging es nicht besser; so oft sie einmal von ihrem Platze, wo sie strickte oder nähete, aufstand, nahm jedesmal einer von den genannten Buben ihre Stelle ein, bis sie sich einen andern Platz gesucht hatte. Viele andere niedrige Begegnungen, Schlechtigkeiten und Schmähreden, die wir von diesen Menschen ertragen mußten, übergehe ich mit Stillschweigen, um nicht dieses Kapitel, welches ohnehin länger wird als ich vorher dachte, dadurch noch mehr zu verlängern.

Dem Kapitän Fokkes die an uns verübten Ungerechtigkeiten zu klagen, hätte zu keiner Abhülfe geführt, weil auch dieser während der Zeit, als wir uns auf der See befanden, ein ganz anderer Mann geworden war. Bei ihm wurde ich täglich von dem mehrgenannten Glückstädter verläumdet, und diese Verläumdungen mochten wohl nicht wenig dazu beigetragen haben, daß Kapitän Fokkes, der sonst so artig und freundlich gegen mich war, nun grob und massiv ward. Sonst erkundigte er sich täglich nach meinem Befinden und war die Artigkeit selbst; seit der Zeit aber, daß die genannten Burschen uns so ungerecht und schlecht behandelten, sprach auch er nicht mit mir. Sonst rief er mir, sobald er mich des Morgens erblickte, recht freundlich einen guten Morgen zu, jetzt aber antwortete er auf meinen guten Morgen nicht; sonst redete er freundlich mit mir, so oft wir uns auf dem Verdeck trafen, nun aber hätte er mich umgelaufen, wenn ich ihm nicht immer weit genug aus dem Wege gegangen wäre, denn er richtete die Augen immer in die Höhe, um mich nicht zu sehen. Diesem Manne, der so abscheulich böse that, ob ich ihn gleich mit keiner Miene, und noch weniger mit einem Worte beleidigt hatte, konnte und wollte ich die niederträchtige Behandlung von den mehrgenannten Menschen nicht klagen, weil es mir doch nichts geholfen hätte. Er wußte auch Alles was vorgefallen war recht gut, und da er mit den bösen Burschen, besonders mit dem ärgsten unter allen, dem Glückstädter, freundlich sprach, und die abscheulichsten Zoten dieser Leute nicht nur billigte, sondern oft auch selbst mit einstimmte, so mußte ich glauben, daß er auch ihr niederträchtiges Betragen gegen mich billige. Ich ergab mich daher in mein Schicksal und ertrug Alles, was mir zu ertragen auferlegt war. Meine Leiden, meinen Kummer und Verdruß vermag ich zwar nicht zu schildern; sie waren unbeschreiblich groß, während der Wochen, da ich unter diesen Menschen leben mußte. Es ist das größte Unglück, wenn man seinen Feinden nicht ausweichen kann und beständig in ihrer Nähe seyn muß. Oft wünschte ich einen Orkan, weil ich dann, während jeder an seinem Platze ruhig bleiben mußte, doch Frieden hatte; aber nur selten kamen solche Perioden. Ach, die zweite Hälfte dieser Reise zur See dünkte mir eine Ewigkeit lang. Die unverschuldeten Leiden und der nagende Verdruß hatten auch auf meine Gesundheit einen sehr nachtheiligen Einfluß; mit jedem Tage wurde ich schwächer, weil ich nur sehr wenig genießen konnte. Doch die gesunde Luft, die ich täglich genoß, erhielt mich, und verhütete eine wirkliche Krankheit.

Nichts von großer Bedeutung fiel übrigens während dieser Seereise vor. Stürme hatten wir, wie schon erinnert, nur sehr wenige und nie einen, der anhaltend war. Aber oft hatten wir eine gänzliche Windstille, und das Meer glich dann einer großen Spiegelfläche. Ein herrliches Schauspiel gewahrte mir dann diese große echt himmelblaue schöne und prachtvolle Fläche. Die Farbe des Elbwassers ist blaß und etwas trübe. Diese Farbe nähert sich dann immer mehr der grünen, je näher man der Nordsee kommt. Beim Eingange in diese wird es erst hellgrün und dann weiterhin grasgrün. Kommt man den Küsten von England und Frankreich näher, dann verliert das Wasser wieder die grasgrüne Farbe und wird erst wieder blaßgrün, und in dem Kanale, der England und Frankreich trennt, nimmt es wieder die gewöhnliche Farbe des süßen Wassers an. Beim Ausgange aus diesem Kanal wird es erst wieder grünlich, und diese Farbe verwandelt sich dann immer mehr ins Blaue, je weiter man in den großen atlantischen Ocean kommt. Nach einigen Tagereisen in demselben wird das Wasser dann recht schön himmelblau. Kommt man der Küste von Amerika wieder näher, da nimmt das Wasser allmählich wieder erst die dunkelgrüne Farbe an, die dann wieder hellgrün und in der Bai der Delaware wieder blaß wird. Das Meerwasser war allenthalben, wo man es auf unserer Reise schöpfte, recht hell und klar, wie das schönste Quellwasser. In dem atlantischen Ocean fand ich das Wasser noch weit salziger, als in der Nordsee. Das Wasser in dem Golfstrome soll, nach der Behauptung Mehrer, lauwarm seyn, ich fand es jedoch nicht merklich wärmer als das übrige Meerwasser.

Wenn man zur Nachtzeit über Bord ins Meer sieht, so ist es, als wenn nahe am Schiffe viele glühende Kohlen schwämmen, und am Vordertheile des Schiffs sieht es, besonders wenn dasselbe schnell segelt, aus, als durchschnitte es einen ungeheuren Haufen starkglühender Kohlen, die hie und da kleine bläuliche Flammen geben; dieß hat, ehe man daran gewöhnt ist, ein recht schauerliches Ansehen. Es ist dieß der Schaum, den das Schiff durch das starke Einschlagen ins Wasser mit seinem Vordertheile und durch sein starkes Fortsegeln zuwege bringt; das Glühende dieses Schaums bringen wahrscheinlich die vielen Salpetertheile des Meerwassers zuwege.

Recht majestätisch ist das Wogen des Meers, wenn es Berge thürmt, deren Gipfel sich den Wolken zu nähern scheinen, und man im Nu an derselben Stelle, wo der Berg stand, einen Abgrund erblickt, dessen Tiefe das Auge nicht zu erreichen vermag, weil es unten schwarze Nacht ist. Dieß Entstehen und Verschwinden der ungeheuren Berge und schaudererregenden Abgründe sieht man dann allenthalben um sich her, nah und fern. Der Schaum des Meerwassers giebt den Wogenbergen ein solches malerisches Ansehen, als wären sie zum Theil mit großen Schneemassen bedeckt. Sind die Wogen und Wellen des Meeres nicht ganz so groß, so kommt es einem vor, als befände man sich mitten in einem ungeheuren großen Thale; denn man hat vor, hinter und neben sich Berge, und immer ists, als müßte das Schiff einen ungeheuren Berg ersteigen, dessen Gipfel man aber nie erreicht. Alle diese Wogenberge scheinen zwar nicht ganz, aber doch an vielen Stellen mit Schnee bedeckt zu seyn; ohngefähr so, als wenn man zur Zeit des Winters auf dem Lande, wenn Thauwetter eingetreten und der Schnee an vielen Plätzen schon weggeschmolzen ist, in ein ungeheuer großes bergiges Feld sieht: denn die Wogen machen viel Schaum, der das Ansehen hat, als wäre es Schnee.

In dem Kanale begegneten uns mehrere von Amerika kommende Schiffe, die sich dort in dem engen Fahrwasser zusammen drängten; in dem atlantischen Ocean aber sahen wir nur selten einmal ein Schiff am fernen Horizont. Wenn Schiffe einander begegnen, und sie nicht zu weit von einander entfernt sind, so ists Gebrauch, daß sie sich einander begrüßen, welches auf folgende Art geschieht: Sie hängen beiderseits die große Flagge auf dem Hintertheile des Schiffs aus, ziehen (in der Schiffersprache hissen) solche dann dreimal langsam in die Höhe und lassen sie so auch wieder nieder. In jeder Flagge ist des Landes Wappen, welchem das Schiff angehört, befindlich; z.B. Hamburg führt 3 große Thürme, die vereinigten Staaten 22 Sterne u.s.w. Ohngefähr mitten auf dem atlantischen Ocean begegnete uns ein Schiff und ließ früher wie gewöhnlich eine rothe Flagge sehen; unser Kapitän ließ den Gruß nicht erwiedern, und als er um die Ursache befragt wurde, sagte er, daß dieß ein Algierer Seeräuber sey, und ließ den Befehl ergehen, daß Alles, was auf dem Schiffe lebte, oben aufs Verdeck kommen und hin und her durch einander gehen sollte, damit der Räuber glauben möge, dieß wäre kein Kauffarthei- sondern ein Transportschiff, auf welchem eine große Menge Menschen sich befänden, aber keine Waaren und Güter. Der Ober-Steuermann kam indeß zu mir, indem ich vorn auf dem Verdeck bei meiner Frau saß und eine Pfeife Taback rauchte, „und Ihnen schmeckt das Pfeifchen noch?“ sprach er, „wenn der Räuber kommt, so sind wir alle verloren; er schlachtet Alles was aus dem Schiffe lebt!“ Ich antwortete ihm ganz mit Ruhe, daß mir mein Leben eben nicht sehr theuer sey. Der Bootsmann, der neben mir Geschäfte hatte, sprach dagegen verstohlen zu mir, als sich der Steuermann entfernt hatte: „Das haben Sie gut gemacht!“ Nun fragte ich ihn, ob er denn auch glaube, daß das uns nahe kommende Schiff ein Raubschiff sey? „Nein,“ sagte er, „so etwas lasse ich mir nicht weiß machen, denn dazu habe ich schon zu lange in der See gefahren, als daß ich mich noch sollte aufziehen lassen; in diese Gegend kommt der Algierer Räuber gar nicht.“ Dieß sprach er leise zu mir, und wollte mir noch mehr sagen, ward aber durch einen Matrosen, der ihn anredete, unterbrochen.

Der vermeinte Räuber segelte indeß vorüber und ließ uns in Frieden, und Alles, was vorher angst und bange war, wurde wieder munter und heiter. Nach einigen Stunden aber hatte der Kapitän wieder gesagt, er fürchte nicht mit Ungrund, daß der Räuber umkehren und uns in der nächsten Nacht wieder ein-holen könne. Man brachte mir diese Botschaft vorn aufs Schiff, wo ich mit Lesen mich beschäftigte, ich aber gab kurz die Antwort: er mag! Unsere Gesell-schaft blieb in der kommenden Nacht bis gegen den Morgen auf dem Verdeck, ich und meine Frau aber gingen dießmal ungewöhnlich früh zu Bette und schliefen ruhig, ohne von einem Räuber gestört zu werden.

Hatte Kapitän Fokkes bloß die Absicht uns aufzuziehen, so war dieß ein sehr unbesonnener Scherz; denn wie leicht konnte dadurch ein Unglück entstehen! In der Kajüte logirten ein junger Kauf-mann aus Hamburg, Namens Hartung, und ein Ökonom gebürtig aus dem Mecklenburgischen, Namens Ruge nebst seiner hochschwangern Frau und einem kleinen Sohne, der ohngefähr 1 Jahr alt war. Was für schlimme Folgen konnte nicht, der Schrecken bei der Schwangern haben! Vielleicht aber wußten seine Kajütenpassagiere um die Sache und stellten sich nur so, als wären sie angst und bange, um uns auch angst und bange zu machen. Es muß doch wohl nur eine elende Freude seyn, die Menschen darüber empfinden, daß sie ihre Mitmenschen in Furcht und Schrecken bringen.

Auf deutschen Schiffen ist der Gebrauch, daß die Matrosen jeden, der noch nicht über das Meer gefahren ist, und zum ersten Male diese Reise macht, ohngefähr auf der Hälfte derselben hänseln, welches auf folgende Weise geschieht: Abends zuvor, sobald es dunkel wird, bringen sie heimlich vorn vom Schiffe ein brennendes Feuer auf das Meer, und sobald es in einer kleinen Ent-fernung vom Schiffe recht stark brennt, machen sie Lärm, um die Aufmerksamkeit der Passagiere darauf, als auf eine außerordentliche Erscheinung zu lenken, sagend: der Meeresgott Neptun lasse sich im Feuer sehen und werde Morgen seine Diener schicken u. dgl. m. Am andern Morgen verschließen sie früh die Schlafgemächer dieser neuen Reisenden, lassen dann, wenn sie aus dem Bette sind, einen nach dem andern, den sie mit Namen rufen, herauskommen, von dem Ältesten bis zum Jüngsten. Da ich in unserm Behälter der Älteste war, so wurde ich zuerst ersucht, auf das Verdeck zu kommen, wo ich mich auf einen Stuhl setzen mußte. Die Matrosen, die sich alle sonderbar vermummt und sich die Gesichter entweder bemalt oder verlarvt hatten, stellten sich alle um mich herum, banden mir mit einem Tuche die Augen zu, seiften mir, wie es mir vorkam, den Bart ein und barbierten mich; als aber der Barbier fertig war, wurde mir, ehe ich aufstand und mir die Augen wieder geöffnet wurden, ein Eimer voll Wasser über den Kopf gegossen. Nun mußte ich mich erst ordentlich waschen, denn Statt Seife hatte man mich mit Kienruß geschwärzt. Ich kam noch leidlich davon, denn den andern Passagieren, die nun einer nach dem andern gerufen wurden, malte man die Gesichter ganz schwarz, und diesen goß man zum Theil wohl 10 Eimer Wasser auf den Kopf; selbst dem Ober-Steuermann, der auch noch nicht nach Amerika gewesen war, ging es nicht besser. Für diesen Spaß wird nachher den Matrosen ein beliebiges Trinkgeld bezahlt.

Bewunderung und Freude erregten uns die Fische, die sich unserm Schiffe in ungeheuren Schaaren näherten. Am häufigsten sahen wir die von den Matrosen so genannten Meerschweine, die sich mit einem Geröchel wie Schweine unserm Schiffe näherten und auch das Ansehen einer ungeheuren Heerde Schweine haben. Sie haben alle die Farbe der mit Branntweinswäsche gemästeten Schweine und die größten unter ihnen mögen wohl über 100 Pfund schwer seyn. Oft gingen sie wohl eine Viertelstunde lang neben unserm Schiffe her, alle mit den Rücken aus dem Wasser. Gefangen wurden von diesen Fischen keine. Mehre Male sahen wir auch einen großen Hayfisch, den man aber, weil er zu groß war, auch in Frieden ziehen ließ. Als sich aber einmal ein junger Hayfisch sehen ließ, wurde er mittels einer Lockspeise an der Angel gefangen, und während er an derselben zappelte von Kapitän Fokkes mit der Harpune durchschossen. Die Matrosen zogen ihn dann auf das Schiff, wo er noch lange zappelte, ehe er sich gänzlich verblutete. Dann zog ihm der Koch die Haut ab, und bereitete ihn zu einer Mahlzeit; seine Länge war etwas über 4 Ellen. Die schönsten Fische, die ich je gesehen habe, sind die Delphinen, von welchen die größten ohngefähr anderthalb Ellen lang waren; von diesen wurden viele mittels der Harpune gefangen. Ihre Farbe ist goldgelb mit grün und blau durchflammt. Gebraten schmecken sie vortrefflich, so, daß ich ihnen den Vorzug vor allen Seefischen geben möchte. Fliegende Fische sahen wir ebenfalls sehr oft, welche, wenn der Hayfisch, dessen Speise sie sind, ihnen nahe kommt, ohngefähr 300 Schritte über dem Wasser in der Luft fortfliegen und dann wieder ins Wasser gehen. Einen einzigen recht großen Fisch sahen wir während unserer Reise. Er richtete sich bei Sonnenschein auf dem Wasser etwa 20 Ellen hoch gerade in die Höhe, machte einen großen Bogen, und tauchte dann mit dem Kopfe wieder ins Meer. Als er ganz wieder in dem Wasser zu seyn schien, bließ er zwei große Ströme Wasser, gleich denen der Feuersprützen, nach Art der Wallfische, gerade in die Höhe, die oben eine Wolke bildeten. Er hatte die Dicke eines sehr starken Eichbaums. Nach der Versicherung des Kapitäns sollte dieser Fisch, den er Nordkaper nannte, mehr als 100 Ellen lang seyn.

Am zweiten Tage zuvor, ehe wir die Küsten von Amerika sahen, sagte uns ein Matrose, er könne Amerika schon riechen! Wir lachten darüber, als wir aber unsere Nasen recht richteten, spürten wir auch alle einen süßen angenehmen Duft, weil ein sanfter Wind uns von dorther entgegen kam.

Am folgenden Morgen kamen uns mehrere Boote mit Lootsen entgegen und unser Kapitän dung einen von diesen Leuten, der für 36 amerikanische Dollars die Leitung des Schiffes bis in den Hafen von Philadelphia übernahm. Der Mann war ganz vorzüglich aufmerksam bei der Führung des Schiffs, nur konnten wir Passagiere kein Wort mit ihm wechseln, weil er kein Deutsch verstand. Wir waren zur Nachtzeit der Bay der Delaware nahe gekommen und hatten das Land der Freiheit aus der Ferne noch nicht gesehen. Des andern Morgens beim Anbruche des Tages riefen uns die Matrosen zu: wenn wir Amerika sehen wollten, ehe wir ins Land hinein kämen, so müßten wir geschwind aufs Verdeck kommen. Das Schiff ging jetzt gerade in die Bay der Delaware und nach etwa einer Viertelstunde sahen wir auch schon rechts und links das Land, welches wir längst mit großer Sehnsucht zu sehen gewünscht hatten, zwar noch in der Ferne, denn die Bay ist in ihrer Mündung sehr breit; aber je weiter wir hineinkamen, desto näher kamen uns die beiderseitigen Ufer. Wir liefen nun von der einen Seite des Schiffs zur andern, um nichts zu übersehen und nichts zu verfehlen, und doch hatte bald der Eine dieß, der Andere das gesehen, was die Übrigen nicht gesehen hatten. Es ist eine unbeschreibliche Freude, wenn man in einer so langen Zeit nichts als Himmel und Wasser sah, und nun auf einmal das herrliche Grün der Wälder, der Berge, der Thäler und Felder, nebst den darin lebenden Geschöpfen Gottes wieder erblickt. Die romantischen Gegenstände der beiderseitigen schönen niedrigen Ufer dieses Stromes gewährten uns Allen das größte Vergnügen, und Alles war heiter und athmete Freude.

Ohngefähr 6 englische Meilen von Philadelphia, bei Neu-Kassel, mußten wir Halt machen, die Anker werfen und auf die Gesundheits-Kommission aus dem dortigen Lazareth warten, wo wir uns wohl 3 Stunden lang verweilen mußten, ehe uns die Reihe traf, weil noch mehrere Schiffe aus dieser Ursache dort vor Anker lagen. Endlich kamen denn die Gesundheits-Beamten auch an Bord unsers Schiffs. Der Kapitän ging mit ihnen in die Kajüte und hielt mit ihnen eine ziemlich lange Unterredung in englischer Sprache. Dann mußten alle, die auf dem Schiffe waren, sich in Reihe und Glied stellen, um von diesen 3 Männern besehen zu werden; wir wurden darauf alle für gesund erklärt. Wegen des Wassers aber, das die Matrosen aus dem Schiffe pumpten, und von welchem sich die genannten Herren ein gefülltes Glas bringen ließen, erhielt unser Kapitän einen Verweis, ob er gleich einige Stunden zuvor das faule Wasser schon hatte auspumpen und frisches hineingießen lassen. Doch gaben sie ihm eine Schriftliche Bescheinigung und trollten dann ab. Die Matrosen lichteten nun die Anker, die Fahrt nach Philadelphia wurde fortgesetzt und nach einigen Stunden waren wir dort. Es geschah dieß am 20. September, Nachmittags 2 Uhr, und unsere Reise zu Wasser war für das Mal glücklich beendiget.

Wir blieben an diesem Tage noch am Bord des Schiffes, weil wegen einer großen Menge anderer Schiffe, die in diesem Hafen vor Anker lagen, dasselbe noch nicht nahe an die Stadt gebracht werden konnte. Unsere erste amerikanische Speise waren Wasser-Melonen, die an Bord unsers Schiffs gebracht wurden. Sie werden dort so groß als bei uns die Kürbisse, schmecken sehr süß und angenehm und haben sehr vielen Saft. Sie werden dort, so wie auch die Kürbisse, in den Maisfeldern in ungeheurer Menge gewonnen und sind deßwegen spottwohlfeil. Der Hafen von Philadelphia ist ungeheuer groß, geräumig und bequem. Die Schiffe, welche ein und ausgeladen werden, liegen dicht am Ufer der Delaware, welches dicht an die Stadt gränzt und hier sehr schön aufgemauert ist, so daß die Waaren aus dem Schiffe gleich in die Wagen geladen werden können, und umgekehrt. Wenn wir in Hamburg an unser Schiff wollten und wieder retour, so mußte dieß immer mittelst eines Schiffers nebst einem Fahrzeuge geschehen, welches allemal jeder Person 4 Schillinge kostete; hier aber konnten wir, wenn auch das Schiff noch 100 Schritte vom Ufer entfernt lag, allemal über die andern Schiffe weg zu Fuße, und also ohne Kosten, in die Stadt und wieder zurückgehen.

Als ich nach 11 Wochen weniger einem Tage, die wir zu Schiffe gewesen waren, das erste Mal den festen Boden in Philadelphia betrat, überfiel mich ein Schwindel und es kam mir vor, als wäre der Weg so uneben gewesen, daß ich immer mit jedem Fuße von der Höhe in eine Niede-rung getreten wäre, auch als wenn sich die Häuser und andere Gegenstände bewegt hätten, und dieß währte wohl eine Viertelstunde lang.

Philadelphia ist ohne Widerspruch eine der schönsten Städte auf der Erde; sie hat lauter gerade und sehr breite Straßen, die sich in rechten Winkeln durchschneiden und große prachtvolle massive Häuser, theils von Backsteinen, theils von schönen weißen Quadern, theils aber, an der Vorderseite, sogar von Marmor.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meine Auswanderung nach Amerika im Jahre 1822