Die arktische Fischerei der deutschen Seestädte 1620-1868.
In vergleichender Darstellung
Autor: Lindemann, Moritz Karl Adolf (1823-1908), Erscheinungsjahr: 1869
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Themenbereiche
Mittelalter Mecklenburg-Vorpommern Thematisch Gemischtes Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Hamburg Hansezeit Hansestadt Rostock Landwirtschaft, Natur und Umwelt
Enthaltene Themen: Walfang, Grönlandwal, Narwal, Pottwal, Buckelwal, Beluga, Orca, Zweizahn, Eismeer
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens.
- Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
Collage der in diesem Buch genannten Wale
Vorwort
Die Eismeere unserer Erde bildeten seit Jahrhunderten eine reiche Quelle des Erwerbes durch den Fang der sie bewohnenden Seetiere, besonders des Walfisches und der Robbe; geographische Entdeckungen selbst unscheinbarer beschränkter Lokalitäten, wie z. B. Spitzbergen, schufen von Zeit zu Zeit neue wichtige maritime Goldländer, aus denen viele Millionen Taler baren Gewinnes gewonnen wurden.
Wie aber das gelbe Metall an manchen seiner Fundorte erschöpft, wie manches wertvolle Objekt der Jagd auf dem Festlande, z. B. der Elephant, der Zobel &c, seltener und mit vollständiger Ausrottung bedroht wird, so sind auch diese reichen Schätze des Meeres in Folge der schonungslosen Art ihrer Zerstörung durch den Menschen an ihren bisherigen Fangplätzen mehr und mehr verringert worden. In wie weit die noch unentdeckten weiten Central -Regionen der beiden Pole neue reiche Fundorte jener kostbaren Seetiere bergen, bleibt weiteren Entdeckungsreisen darzutun übrig. Gewiss ist, dass namhafte neue geographische Entdeckungen innerhalb der Eismeere wiederholt die kostbarsten neuen Fischgründe nachgewiesen haben, selbst in unserer Zeit, so die Fischereien in der Ponds-Bai durch die neueren Englischen arktischen Entdeckungs-Expeditionen, die von den Amerikanern entdeckten Fischereien nördlich der Bering -Straße, die anfänglich, d. h. vor 20 Jahren, in bloß zwei Jahren den enormen Ertrag von 8.442.453 Dollars gewährten *).
Trotzdem die bisher ausgebeuteten Großfischereien der Eismeere allmählich abgenommen haben, umfasst die Walfischfänger-Flotte der Nordamerikaner am 1. Januar 1869 immer noch die bedeutende Zahl von 336 Schiffen, und der Walfischfang zählt bei dieser unternehmenden und seetüchtigen Nation noch immer zu den allereinträglichsten Gewerben, die es gibt, trotz Kalifornischer Goldfelder und Mexikanischer Silbergruben.
Aber der direkte Ertrag und die wirtschaftliche Bedeutung der Eismeer-Fischereien ist vielleicht noch ihre weniger wichtige Seite. Ihr Einfluss auf die Ausbildung und Hebung der Schifffahrt und der Seetüchtigkeit ist bei den seefahrenden und seemächtigen Nationen von der allergrößten Wichtigkeit gewesen.
„Wer“, so sagt ein geistreicher Schriftsteller **), „hat für die Menschen die großen Wasserstrassen aufgetan, wer mit Einem Wort den Erdball erkundet? Der Walfisch und der Walfischfänger. Und das Alles lange vor Columbus und den berüchtigten Goldsuchern, die unter großem Geschrei wieder fanden, was die Fischer lange vorher schon gefunden hatten. Die Fahrt über den Ozean, die man im 15. Jahrhundert so hoch feierte, war über die Meerenge zwischen Island und Grönland schon oft zurückgelegt worden, ja man hatte die ganze Breite durchmessen, denn Basken kamen bis Neu-Fundland. Es waren Walfischfänger, die bis zum Ende der Welt drangen, bis in die Nordmeere. Wer das wagte, den ließen die gewöhnlichen Gefahren des Meeres ziemlich kalt. Edler Krieg, herrliche Schule des Mutes! Der Walfischfang war damals nicht eine leichte Metzelei mit aus der Ferne wirkenden Maschinen. Man rückte dem Feind auf den Leib, setzte Leben gegen Leben. Man tötete nicht viele Walfische, aber man gewann unendlich an Seetüchtigkeit, Geduld, Schlauheit, Unerschrockenheit. Man brachte weniger Tran, aber desto mehr Ruhm zurück. Man verdankt daher den Walfischen sehr viel; ohne sie hätten sich die Fischer stets an der Küste gehalten, denn beinahe alle Fische sind Küstenbewohner. Der Walfisch emanzipierte den Fischer, führte ihn überall hin.“
Es gab bisher noch keine gründliche und erschöpfende Geschichte der Eismeer-Fischereien von ihren Anlangen bis auf die Gegenwart. Angesichts des neu angeregten Interesses für den nordpolaren Theil unserer Erde hat mein Freund Moritz Lindeman mit großem Fleiß zahllose publizierte und unpublizierte Dokumente studiert, ganze Archive in unseren Seestädten durchsucht, mit heutigen Walfischfahrern korrespondiert und verkehrt, und Alles aufgeboten, um eine wertvolle Arbeit wie die vorliegende zu liefern, die in Bezug auf den Deutschen Anteil an diesen Unternehmungen zum ersten Male eine ausführliche und genaue Darstellung giebt und auch von dem Teile berichtet, den andere Nationen daran haben. Es führt uns diese Arbeit gleichzeitig über die ganze Entwickelungsperiode der Seefahrt und Seemacht aller Kulturvölker der Erde, und wenn die jetzige Generation zu neuer Tatkraft in dieser maritimen Richtung erwacht, bietet uns die vorliegende Schrift ein willkommenes Hilfsmittel, um einen Rückblick zu werfen auf alles das, was unsere Vorväter getan haben.
Seien wir Deutsche stolz darauf, dass endlich auch wieder, nach Jahrhunderte langer Pause, Deutschland ernsthafte Anstrengungen zu machen bereit ist, um wieder in die so lange verlorene Stellung zur See in der Reihe anderer viel weniger mächtigen und wohlhabenden Kulturstaaten einzutreten. Wie Entdeckungsreisen und ihre Ergebnisse stets die wichtigsten Pioniere der Kultur, Macht und Weltstellung der Nationen gewesen sind, so ist zu hoffen, dass die Deutschen Nordpolar-Expeditionen dazu beitragen werden, Deutschland die ihm gebührende Stellung zur See wieder zu erringen.
Dazu brauchen wir vor Allem richtig geschulte, kühne, durchwetterte Seeleute, wie sie die Engländer, Nordamerikaner, Holländer u. a. aus ihren Großfischereien und Forschungs-Expeditionen im Eise gewannen. Panzerschiffe und Kanonen allein tun es nicht, und Eisenherzen hinter hölzernen Wällen sind besser als Hasenherzen hinter eisernen Wällen.
Gotha, 24 Mai 1869,
A. Petermann.
*) S. Geogr. Mitth. 1869, S. 37.
**) Michelet, Das Meer, Deutsch von F. Spielhagen. Leipzig, Weber 1861, S. 209.