Die Choleraepidemie des Jahres 1859 im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin.
Nach offiziellen Mitteilungen und nach Berichten der Prediger, Ärzte und Physiker des Landes im Auftrage des hohen Großherzoglichen Ministeriums, Abteilung für Medizinalangelegenheiten
Autor: Ackermann, Hans Konrad Karl Theodor (1825-1896) deutscher Pathologe, Professor an der Rostocker Universität, Erscheinungsjahr: 1860
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Themenbereiche
Mecklenburg-Vorpommern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Gesundheit, Medizin, Homöopathie Hansestadt Rostock
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Rostock, Medizingeschichte, Landesgeschichte, Sitten- und Sozialgeschichte, Stadtgeschichte, epidemische Ausbreitung, Seuchen, Epidemie, Trinkwasser,
In diesen Blättern ist der Versuch gemacht, ein übersichtliches Bild aus den reichen Beobachtungen zu entwerfen, welche von Mecklenburgs Ärzten über die Cholera-Epidemie des verflossenen Jahres gesammelt wurden und einen Teil der Bedingungen aufzudecken, unter deren Einfluss die Krankheit ihre verderblichen Spuren durch einen großen Teil des Landes gezogen hat.
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Inhaltsverzeichnis
- Mecklenburg-Schwerin, — Gestaltung der Oberfläche, — Bodenbeschaffenheit. — Klima.
- — Bevölkerung, — Beschäftigung der Bewohner, — Wohnung, Nahrung und Kleidung.
- — Frühere Choleraepidemien.
- Die Epidemie in Rostock.
- Größe der Stadt, — Lage, — Gestaltung und Zusammensetzung des Bodens,
- — Trinkwasser, — Armut. — Wohnungen, — Entfernung des Unrats.
- Frühere Choleraepidemien, — Epidemie von 1859. — Einschleppung? — Vorausgehender Gesundheitszustand.
- — Die Epidemie auf der Altstadt, — Die Epidemie in der Kröpeliner Vorstadt, — Die Epidemie im nördlichen und nordwestlichen Teil der Neustadt,
- — Sporadische Fälle, — Frei gebliebene Straßen, — Infizierte Straßen. — Tödliche Erkrankungen, — Dauer der Krankheit in tödlichen Fällen.
- Die Epidemie auf der Altstadt.
- Die Epidemie in der Kröpeliner Vorstadt.
- Die Epidemie im nördlichen und nordwestlichen Teil der Neustadt.
- Die Epidemie in Goldberg
Einleitung.
Mit dem Entschluss zum Beginn dieser Arbeit entsprach ich einer Aufforderung des hohen Großherzoglichen Ministeriums, Abteilung für Medizinalangelegenheiten, welches zu diesem Zweck mir zunächst das über die Krankheit in den Ministerialakten befindliche Material mitteilte, ferner eine Anzahl von mir formulierter, auf die Epidemie bezüglicher Fragen an die Prediger, Ärzte und Physiker des Landes versandte und endlich, nachdem die Arbeit vollendet war, auch die Publikation derselben durch die Gewährung eines namhaften Kostenzuschusses ermöglichte. Der Chef dieser hohen Behörde, Herr Staatsminister von Schröter, Exzellenz, welcher in dieser Weise meine Arbeit angeregt und gefördert hat, wolle mir hier auch den öffentlichen Ausdruck meines ergebensten Dankes dafür gestatten.
Die auf meine Fragen von den Predigern und Ärzten eingegangenen Antworten bildeten aus nahe liegenden Gründen das Haupt-Material für die historischen und statistischen Teile meiner Darstellung, aber es haben auch die im Laufe der Epidemie von den verschiedenen Behörden gesammelten Aufzeichnungen und die alljährlich an die Großherzogliche Medizinal-Kommission eingehenden Physikatsberichte zur Kenntnis einzelner wertvoller Tatsachen geführt und viele Privatpersonen sind mir mit Aufschlüssen über verschiedene, namentlich topographische Fragen freundlich entgegengekommen.
Pettenkofers berühmte Untersuchungen haben die Forschung über die Epidemiologie der Cholera auf Bahnen geleitet, deren weitere Verfolgung zu begründeten Hoffnungen auf eine exakte Erkenntnis der Bedingungen berechtigt, welche die Verbreitung der Krankheit vorzüglich begünstigen. Die Erforschung dieser Hilfsursachen verlangt aber einen Aufwand an Zeit und an Kräften, welcher das dem Einzelnen zu Gebot stehende Maß weit überschreitet und so erklärt es sich, dass die Mitteilungen, welche unsere Ärzte über die auf diese Verhältnisse bezüglichen Fragen geliefert haben, im Ganzen nur spärlich ausgefallen sind. Mein dauernder Aufenthalt in Rostock gab mir die Möglichkeit, das Material für die Erforschung der hiesigen Hilfsbedingungen in etwas größerem Umfange zu sammeln und mein Augenmerk auf eine Reihe von Tatsachen zu richten, deren Bedeutung für den Gang der Epidemie an diesem Ort erst im Verlaufe der Untersuchung deutlicher hervortrat. Aber auch hier konnten manche Fragen nur obenhin berührt werden, weil der Gedanke an das mehr und mehr wachsende Erkalten der allgemeinen Teilnahme für die Ereignisse der Epidemie die zu durchweg gründlichen Erörterungen notwendige Verlängerung meiner Arbeitszeit nicht gestattete. Dennoch war die Anzahl der über die Rostocker Epidemie konstatierten Tatsachen eine so umfängliche im Vergleich zu den aus anderen Orten vorliegenden Mitteilungen, dass ihre Einreihung in die Kategorien, welche für eine Zusammenstellung dieser letzteren ausreichend erschienen, unmöglich und damit eine von ihnen getrennte Darstellung erforderlich wurde. Aus demselben Grunde hat die vom Herrn Medizinalrat Wendt zu Parchim gelieferte Beschreibung des Verlaufes der Cholera in Goldberg eine von der Darstellung der Epidemie im übrigen Mecklenburg gleichfalls gesonderte Aufnahme gefunden.
Es bleibt mir noch übrig, Rechenschaft abzulegen von den Motiven, welche mich zu dem Entschluss veranlasst haben, einzelne Fragen unberücksichtigt zu lassen, zu deren Beantwortung die während der Epidemie gemachten Beobachtungen vielleicht ebenfalls eine günstige Gelegenheit bieten mochten. Was mich zunächst bewogen hat, die Zahl der Erkrankungen mit wenigen Ausnahmen nicht aufzunehmen, brauche ich nicht genauer zu entwickeln, weil meine Gründe dieselben waren, welche neuerdings von Pettenkofer wiederholt in überzeugendster Weise dargelegt worden sind. Den wichtigsten unter diesen Gründen, die Unmöglichkeit, eine bestimmte Norm für die Abgrenzung der Cholera von der Cholerine zur allgemeinen Geltung zu bringen, berühre ich hier nur, weil er gleichzeitig die Hauptveranlassung für mich gewesen ist, auch über den Erfolg der verschiedenen Kurmethoden nichts zu registrieren. Denn so lange ein allgemeines Übereinkommen die Feststellung dieser Grenze dem subjektiven Ermessen des Einzelnen nicht entzogen hat, so lange fehlt natürlich der kritische Maßstab für den Wert oder Unwert der verschiedenen therapeutischen Methoden. Was in der Behandlung von ganz hervorragendem Nutzen ist, das wird auch ohne eine genaue Abwägung der einzelnen Fälle schnell zur allgemeinen Geltung kommen, um so mehr, als glaubwürdige Ärzte sich bekanntlich bisher noch niemals der Kenntnis einer Behandlungsart rühmen konnten, welche zu der Hoffnung auf konstante Erfolge eine auch nur schwache Berechtigung verleiht.
Eben so wenig wie von einer detaillierten Beleuchtung der verschiedenen therapeutischen Maximen, nach welchen die Cholerakranken in der letzten Mecklenburgischen Epidemie behandelt wurden, durfte ich mir von einer Schilderung der Symptome, unter welchen die Krankheit auftritt, und von dem Versuch einer Entwicklung des inneren Zusammenhanges dieser Erscheinungen Nutzen oder Interesse versprechen. Das Höchste, was hier zu leisten war, konnte doch nur eine Zusammenstellung von Tatsachen sein, welche so oft und von so ausgezeichneten Beobachtern bis in ihre kleinsten Details verfolgt und beschrieben wurden, dass ich nicht erwarten durfte, es werde mir gelingen, selbst mittelst der umfänglichsten Nachforschungen jenen Beschreibungen noch etwas Neues hinzuzufügen oder die Treue und Lebendigkeit der Schilderungen zu übertreffen. Nicht dass ich glaubte, es wäre die Erforschung der Sympthomathologie und Pathogenese der Cholera völlig erschöpft. Im Gegenteil, es bietet sich hier noch eine ganze Reihe, den Forschungsmethoden unserer Zeit keineswegs unzugänglicher Objekte. Aber die Versuche zu ihrer Erkenntnis sind so überaus zeitraubend, dass sie wohl nur von den ausschließlich in Cholera-Hospitälern tätigen Ärzten unternommen werden können. Von den übrigen Ärzten ist die große Mehrzahl während der Dauer der Epidemien durch die Sorge für ihre Kranken zu sehr in Anspruch genommen, um ihr Augenmerk auf die jenseits der Grenzen der gewöhnlichen Beobachtung liegenden Tatsachen richten zu können.
Während ich das Material zu der vorliegenden Arbeit sammelte, haben befreundete Kollegen mich wiederholt aufgefordert, die Hilfsbedingungen für die Entwicklung und Verbreitung der Epidemie in jedem infizierten Orte bis in ihre kleinsten Einzelheiten zu erforschen und gleichzeitig Vorschläge zu ihrer Beseitigung laut werden zu lassen. Vielleicht wäre ich vor einer solchen Herkulesarbeit nicht zurückgeschreckt, hätte sich nicht die Überzeugung mehr und mehr in mir befestigt, dass diese Hilfsbedingungen im Wesentlichen überall dieselben sind und dass bloße Vorschläge des Einzelnen zu ihrer Abhilfe nicht mehr vermögen, als die Stimme des Predigers in der Wüste. Nur permanente Sanitätskommissionen, deren Einrichtung so leicht und deren Erhaltung mit so geringen Opfern zu erreichen ist, geben die Möglichkeit einer Garantie für die gründliche Erforschung und Beseitigung einer großen Zahl der Einflüsse, welche neben der Cholera auch noch manchen anderen Krankheiten Nahrung und Gedeihen geben. Möchte man doch, mindestens in den Städten nicht zögern, solche Kommissionen ins Leben zu rufen und bedenken, dass die Worte: „si vis pacem, para bellum“ ihre Wahrheit auch bei der Bekämpfung eines Feindes bewähren werden, welcher dem Lande im verflossenen Jahr einen Menschenverlust bereitete, weit zahlreicher als der blutigste Krieg ihn jemals hätte herbeiführen können.
Ob es jetzt, da mehr denn ein Jahr seit dem Ende der Epidemie verflossen ist, da die Erinnerung an Sorge, Schrecken und Trauer, welche damals das ganze Land erfüllten, mehr und mehr in den Nebel der Vergangenheit zurücktritt, ob es jetzt überall noch an der Zeit sei, ein Bild zu entrollen, auf dem jene düstere Geschichte entworfen ist? Ich hoffe es. Denn vielleicht gewähren die vielen Belege, welche die Arbeit für bereits ausgesprochene, aber noch nicht allgemein anerkannte Prinzipien beibringt, auch denjenigen ihrer Leser ein Interesse, die durch ihr Herz oder ihren Beruf nicht zu unmittelbaren und selbsttätigen Teilnehmern an den Ereignissen jener Zeit geworden sind und der Gedanke an die Mühe des Sammelns und Ordnens mildert vielleicht die Härte eines Tadels, der in dem Mangel des Buches an neuen wissenschaftlichen Gesichtspunkten eine nicht unberechtigte Basis finden könnte.
Rostock, im November 1860.
Th. Ackermann.
Die auf meine Fragen von den Predigern und Ärzten eingegangenen Antworten bildeten aus nahe liegenden Gründen das Haupt-Material für die historischen und statistischen Teile meiner Darstellung, aber es haben auch die im Laufe der Epidemie von den verschiedenen Behörden gesammelten Aufzeichnungen und die alljährlich an die Großherzogliche Medizinal-Kommission eingehenden Physikatsberichte zur Kenntnis einzelner wertvoller Tatsachen geführt und viele Privatpersonen sind mir mit Aufschlüssen über verschiedene, namentlich topographische Fragen freundlich entgegengekommen.
Pettenkofers berühmte Untersuchungen haben die Forschung über die Epidemiologie der Cholera auf Bahnen geleitet, deren weitere Verfolgung zu begründeten Hoffnungen auf eine exakte Erkenntnis der Bedingungen berechtigt, welche die Verbreitung der Krankheit vorzüglich begünstigen. Die Erforschung dieser Hilfsursachen verlangt aber einen Aufwand an Zeit und an Kräften, welcher das dem Einzelnen zu Gebot stehende Maß weit überschreitet und so erklärt es sich, dass die Mitteilungen, welche unsere Ärzte über die auf diese Verhältnisse bezüglichen Fragen geliefert haben, im Ganzen nur spärlich ausgefallen sind. Mein dauernder Aufenthalt in Rostock gab mir die Möglichkeit, das Material für die Erforschung der hiesigen Hilfsbedingungen in etwas größerem Umfange zu sammeln und mein Augenmerk auf eine Reihe von Tatsachen zu richten, deren Bedeutung für den Gang der Epidemie an diesem Ort erst im Verlaufe der Untersuchung deutlicher hervortrat. Aber auch hier konnten manche Fragen nur obenhin berührt werden, weil der Gedanke an das mehr und mehr wachsende Erkalten der allgemeinen Teilnahme für die Ereignisse der Epidemie die zu durchweg gründlichen Erörterungen notwendige Verlängerung meiner Arbeitszeit nicht gestattete. Dennoch war die Anzahl der über die Rostocker Epidemie konstatierten Tatsachen eine so umfängliche im Vergleich zu den aus anderen Orten vorliegenden Mitteilungen, dass ihre Einreihung in die Kategorien, welche für eine Zusammenstellung dieser letzteren ausreichend erschienen, unmöglich und damit eine von ihnen getrennte Darstellung erforderlich wurde. Aus demselben Grunde hat die vom Herrn Medizinalrat Wendt zu Parchim gelieferte Beschreibung des Verlaufes der Cholera in Goldberg eine von der Darstellung der Epidemie im übrigen Mecklenburg gleichfalls gesonderte Aufnahme gefunden.
Es bleibt mir noch übrig, Rechenschaft abzulegen von den Motiven, welche mich zu dem Entschluss veranlasst haben, einzelne Fragen unberücksichtigt zu lassen, zu deren Beantwortung die während der Epidemie gemachten Beobachtungen vielleicht ebenfalls eine günstige Gelegenheit bieten mochten. Was mich zunächst bewogen hat, die Zahl der Erkrankungen mit wenigen Ausnahmen nicht aufzunehmen, brauche ich nicht genauer zu entwickeln, weil meine Gründe dieselben waren, welche neuerdings von Pettenkofer wiederholt in überzeugendster Weise dargelegt worden sind. Den wichtigsten unter diesen Gründen, die Unmöglichkeit, eine bestimmte Norm für die Abgrenzung der Cholera von der Cholerine zur allgemeinen Geltung zu bringen, berühre ich hier nur, weil er gleichzeitig die Hauptveranlassung für mich gewesen ist, auch über den Erfolg der verschiedenen Kurmethoden nichts zu registrieren. Denn so lange ein allgemeines Übereinkommen die Feststellung dieser Grenze dem subjektiven Ermessen des Einzelnen nicht entzogen hat, so lange fehlt natürlich der kritische Maßstab für den Wert oder Unwert der verschiedenen therapeutischen Methoden. Was in der Behandlung von ganz hervorragendem Nutzen ist, das wird auch ohne eine genaue Abwägung der einzelnen Fälle schnell zur allgemeinen Geltung kommen, um so mehr, als glaubwürdige Ärzte sich bekanntlich bisher noch niemals der Kenntnis einer Behandlungsart rühmen konnten, welche zu der Hoffnung auf konstante Erfolge eine auch nur schwache Berechtigung verleiht.
Eben so wenig wie von einer detaillierten Beleuchtung der verschiedenen therapeutischen Maximen, nach welchen die Cholerakranken in der letzten Mecklenburgischen Epidemie behandelt wurden, durfte ich mir von einer Schilderung der Symptome, unter welchen die Krankheit auftritt, und von dem Versuch einer Entwicklung des inneren Zusammenhanges dieser Erscheinungen Nutzen oder Interesse versprechen. Das Höchste, was hier zu leisten war, konnte doch nur eine Zusammenstellung von Tatsachen sein, welche so oft und von so ausgezeichneten Beobachtern bis in ihre kleinsten Details verfolgt und beschrieben wurden, dass ich nicht erwarten durfte, es werde mir gelingen, selbst mittelst der umfänglichsten Nachforschungen jenen Beschreibungen noch etwas Neues hinzuzufügen oder die Treue und Lebendigkeit der Schilderungen zu übertreffen. Nicht dass ich glaubte, es wäre die Erforschung der Sympthomathologie und Pathogenese der Cholera völlig erschöpft. Im Gegenteil, es bietet sich hier noch eine ganze Reihe, den Forschungsmethoden unserer Zeit keineswegs unzugänglicher Objekte. Aber die Versuche zu ihrer Erkenntnis sind so überaus zeitraubend, dass sie wohl nur von den ausschließlich in Cholera-Hospitälern tätigen Ärzten unternommen werden können. Von den übrigen Ärzten ist die große Mehrzahl während der Dauer der Epidemien durch die Sorge für ihre Kranken zu sehr in Anspruch genommen, um ihr Augenmerk auf die jenseits der Grenzen der gewöhnlichen Beobachtung liegenden Tatsachen richten zu können.
Während ich das Material zu der vorliegenden Arbeit sammelte, haben befreundete Kollegen mich wiederholt aufgefordert, die Hilfsbedingungen für die Entwicklung und Verbreitung der Epidemie in jedem infizierten Orte bis in ihre kleinsten Einzelheiten zu erforschen und gleichzeitig Vorschläge zu ihrer Beseitigung laut werden zu lassen. Vielleicht wäre ich vor einer solchen Herkulesarbeit nicht zurückgeschreckt, hätte sich nicht die Überzeugung mehr und mehr in mir befestigt, dass diese Hilfsbedingungen im Wesentlichen überall dieselben sind und dass bloße Vorschläge des Einzelnen zu ihrer Abhilfe nicht mehr vermögen, als die Stimme des Predigers in der Wüste. Nur permanente Sanitätskommissionen, deren Einrichtung so leicht und deren Erhaltung mit so geringen Opfern zu erreichen ist, geben die Möglichkeit einer Garantie für die gründliche Erforschung und Beseitigung einer großen Zahl der Einflüsse, welche neben der Cholera auch noch manchen anderen Krankheiten Nahrung und Gedeihen geben. Möchte man doch, mindestens in den Städten nicht zögern, solche Kommissionen ins Leben zu rufen und bedenken, dass die Worte: „si vis pacem, para bellum“ ihre Wahrheit auch bei der Bekämpfung eines Feindes bewähren werden, welcher dem Lande im verflossenen Jahr einen Menschenverlust bereitete, weit zahlreicher als der blutigste Krieg ihn jemals hätte herbeiführen können.
Ob es jetzt, da mehr denn ein Jahr seit dem Ende der Epidemie verflossen ist, da die Erinnerung an Sorge, Schrecken und Trauer, welche damals das ganze Land erfüllten, mehr und mehr in den Nebel der Vergangenheit zurücktritt, ob es jetzt überall noch an der Zeit sei, ein Bild zu entrollen, auf dem jene düstere Geschichte entworfen ist? Ich hoffe es. Denn vielleicht gewähren die vielen Belege, welche die Arbeit für bereits ausgesprochene, aber noch nicht allgemein anerkannte Prinzipien beibringt, auch denjenigen ihrer Leser ein Interesse, die durch ihr Herz oder ihren Beruf nicht zu unmittelbaren und selbsttätigen Teilnehmern an den Ereignissen jener Zeit geworden sind und der Gedanke an die Mühe des Sammelns und Ordnens mildert vielleicht die Härte eines Tadels, der in dem Mangel des Buches an neuen wissenschaftlichen Gesichtspunkten eine nicht unberechtigte Basis finden könnte.
Rostock, im November 1860.
Th. Ackermann.