Die Epidemie im nördlichen und nordwestlichen Teil der Neustadt.

Das am 18. Juli in der Kröpeliner Vorstadt eingerichtete Choleralazarett hatte sich schon nach zehntägigem Gebrauche in seinen Räumlichkeiten als unzureichend erwiesen und es war das Bedürfnis nach einem geräumigeren Krankenhause mehr und mehr fühlbar geworden. Diesem Bedürfnis wurde entsprochen durch die Räumung des Hauses der Augustenschule, welches in der Nähe des westlichen Endes der Stadt, in einer Fortsetzung der, hier den Namen Bußebart führenden Langenstraße, an der Ecke der Himmelfahrtstraße gelegen ist.

Das neue Hospital *) wurde am 29. Juli bezogen und am 28. September geschlossen. In beide Krankenhäuser wurden während der Zeit ihres Bestehens aufgenommen 173 Kranke, von welchen 98 genasen und 75 starben. Darunter waren ausgebildete Cholerafälle 128, von welchen 53 genasen und 75 starben. An Cholerinen und Diarrhöen litten 45, welche sämtlich genasen.


*) Minist.-Akten.

Die Zimmer des neuen Hospitals (Bußebart Nr. 10) sind geräumig und so zahlreich, dass in ihrem Gebrauche von Zeit zu Zeit gewechselt werden konnte. Man trennte die schweren Kranken von den leichteren, diese von den Rekonvaleszenten und legte niemals mehr, als sechs Kranke in ein Zimmer. Nur in den Rekonvaleszenten-Zimmern stieg die Zahl bisweilen auf 12.

Die Entleerungen der Kranken wurden in eine auf dem Hofe befindliche, bedeckte Grube geschüttet, nachdem sie vorher mit Eisenvitriol-Lösung übergossen waren. Beschmutzte Stellen des Fußbodens wurden mit Chlorkalk gereinigt, Bett- und Leibwäsche wurden unmittelbar nach ihrem Gebrauche in Lauge gelegt und dann von einer und derselben Wäscherin gewaschen. Diese Person blieb gesund, die im Hospital beschäftigten Wärter und Wärterinnen erkrankten dagegen häufig an Diarrhoe, und ein Wärter starb an der Cholera, nachdem er sich in das Bett eines Verstorbenen gelegt hatte; eine Wärterin ebenfalls, von welcher eine ähnliche Unvorsichtigkeit nicht zu konstatieren war.

Die in der nächsten Umgebung des Hospitals gelegenen Straßen sind: der Bußebart, am grünen Tor, die Bau- und Kuhstraße, die Fischer- und Himmelfahrtstraße, der Brink, die kleine Lastadie II. Vor dem Tage der Verlegung des Hospitals waren, bereits in zwei dieser Straßen, der Fischer- und der Himmelfahrtstraße, je ein tödlicher Cholerafall vorgekommen, eine eigentlich epidemische Ausbreitung, welche namentlich in den tiefer gelegenen Teilen dieser Gegend sich sehr weit entwickelte, kam erst später zur Beobachtung.

Die Himmelfahrtstraße hat in ihrem Verlaufe vom Bußebart bis zum Brink in einer Strecke von 25 Ruthen ein Gefall von 30 3/4 Fuß. Sie senkt sich also ziemlich steil. Ihr höchster Punkt bei Nr. 1 liegt 41 3/4, ihr tiefster Punkt bei Nr. 18 liegt 11' über dem Null-Punkt des Warnowspiegels. Sie wird fast durchweg von Arbeitsleuten, Matrosen und kleinen Handwerkern bewohnt, welche dem ärmeren Teil der städtischen Bevölkerung angehören. Nur hin und wieder findet man in den kleinen und dicht bewohnten Häusern eine wohlhabendere Familie.

Von den 20 Häusern der Straße liegen 18 auf ihrer westlichen Seite, die Ostseite wird fast vollständig von dem großen, zur Augustenschule gehörigen Garten begrenzt. Aus den, hinter den Häusern der Westseite gelegenen Höfen ergießen sich häufig die flüssigen Teile der dort angesammelten Auswurfsstoffe durch Kanäle, welche unter den Häusern verlaufen, in einen großen unbedeckten Straßenrinnstein, in dessen, durch
das Alter des Straßenpflasters verursachten seitlichen Erweiterungen sie hie und da trotz des starken Gefälles der Straße stagnieren.

Der erste Todesfall kam in dem am tiefsten gelegenen Hause der Straße, Nr. 18, vor. Dies Haus liegt schon am Fuße des durch die Straße gebildeten Abhanges, auf dem höchsten Punkte der Ebene des Brinks. Es ist klein, feucht, schmutzig, hat sehr arme Bewohner und seine Zimmer liegen so tief unter dem Niveau des angrenzenden Terrains, dass man auf einer kleinen, hinter der Haustür befindlichen Treppe zu denselben hinabsteigen muss. Dieser Fall blieb lange Zeit in der Straße und in der ganzen Gegend isoliert. Erst am 7. August trat der nächste Todesfall ein, dann, nach einer abermaligen Pause von 22 Tagen, ein neuer Fall und endlich am 11. und 13. September je ein Fall in einem und demselben Hause. Die Zahl der aus der Straße angemeldeten Erkrankungen beträgt 9. Die 5 Todesfälle verteilen sich auf 4 von den 18 Häusern der Westseite.

Am Fuße der Himmelfahrtstraße liegt in einer gegen Norden ganz unbedeutend gesenkten Ebene ein kleiner Platz mit 12 Häusern, der Brink oder Platz beim blauen Turm, welcher in sehr heftiger Weise von der Cholera heimgesucht worden ist. In seinen 12 Häusern sind nämlich nicht weniger als 24 Erkrankungen mit 16 Todesfällen vorgekommen und diese letzteren verteilen sich auf ein Haus der östlichen und drei Häuser der westlichen Seite des Platzes. In den offiziell zur Südseite der kleinen Lastadie II gerechneten Häusern, welche das Häuserdreieck des Brinks gegen Süden schließen, ist kein Todesfall vorgekommen. Ein Teil der Bedingungen, welche diesen Platz zu einem so ergiebigen Choleraherd gemacht haben, liegt klar zu Tage. Zunächst befindet sich sein Terrain nur 3' bis 11' über dem Warnowspiegel, es erhebt sich gegen Süden nur ganz geringe und an seiner südlichen Grenze steigt die Himmelfahrtstraße ziemlich steil in die Höhe. Eine Folge dieses Verhältnisses ist, dass die in reichlichem Maße aus der Himmelfahrtstraße kommenden Abflüsse sich auf den Brink ergießen und hier, wegen des fast vollständigen Mangels an Gefälle, in großen Massen stagnieren. Die Bewohner des Platzes erklären, die Fenster ihrer Häuser im Winter vor der Kälte, im Sommer vor dem üblen Geruche verschlossen halten zu müssen, und so geschieht es denn, dass auch die Luft in den Zimmern in der Regel nicht viel besser ist, als auf dem Platze. Diese sind meist mit Menschen überfüllt, welche fast durchweg der ärmsten Klasse angehören. Namentlich war dies in dem am tiefsten gelegenen Hause Nr. 1 der Fall, in welchem nicht weniger, als 6 Menschen gestorben sind. In dem kleinen Häuschen wohnten beim Ausbruche der Krankheit drei Familien; seine Zimmer sind niedrig, feucht und eng, der Hof liegt etwas tiefer, als die Höfe der benachbarten Häuser dieser Reihe (Nr. 2—6) und gegen Norden steigt das Niveau der Strandstraße ebenfalls etwas in die Höhe. Daher häuft sich der Unrat aus den benachbarten Höfen in großen Massen hinter diesem Hause und ein Dunghaufen nebst Schwindgrube unter der Latrine tun das Ihrige, Atmosphäre und Erdreich noch mehr zu verunreinigen. Die drei Häuser Nr. 7, 8, 9, in denen die übrigen 10 Todesfälle vorkamen, stellen eigentlich ein einziges, kasernenartiges Gebäude dar, welches fast durchweg von Schiffszimmer gesellen und Matrosen mit ihren Familien bewohnt wird. Es ist im Ganzen auf ungefähr 10 Familien eingerichtet, hat einigermaßen geräumige Zimmer, stößt aber mit seiner Hinterwand unmittelbar an die Stadtmauer und besitzt aus diesem Grunde keinen Hofplatz. Die Latrinen befinden sich daher auf den Dielen und was außerdem im Hausstande abfällt, wird geradeswegs auf die Straße geschüttet. Der Beginn der Epidemie am Brink, welche die relativ heftigste Straßenepidemie in Rostock war, datiert auf den 5. August, etwa eine Woche nach Verlegung des Hospitals in die Stadt. Auf den 22. August fällt das Maximum der bezüglichen Todesfälle (3) und schon am 27. August hatte die Epidemie mit zwei an diesem Tage erfolgenden Todesfällen ihr Ende erreicht.

Die parallel mit der Himmelfahrtstraße verlaufende Fischerstraße zählt 50 Häuser, von denen 25 auf jede Seite kommen. Die Straße senkt sich von der langen Straße gegen den Strand zu ziemlich bedeutend, diese Senkung ist aber in dem oberen Teil der Straße bis zur Einmündung der Quergassen bedeutender, als in dem unteren, nur schwach geneigt verlaufenden Teil. Die Zahl der gemeldeten Erkrankungen beträgt 20, die Zahl der Todesfälle 8. Von diesen kommen 5 auf eben so viele Häuser der unteren, 15 Häuser umfassenden Abteilung, während die übrigen 3 in 3 Häusern der oberen Abteilung vorkamen, welche aus 35 Häusern besteht.

An der kleinen Lastadie II, der Verbindungsgasse zwischen Fischerstraße und Brink, kamen, gleichzeitig mit der Epidemie am Brink, zwei Todesfälle vor; beide in zwei Häusern der kleineren, nur aus 5 Häusern bestehenden Nordseite. Die Zahl der angemeldeten Erkrankungen beträgt 9.

Weit geringer, als in dieser Gegend, war die Verbreitung der Cholera in den ihr gegenüber, südlich vom Bußebart gelegenen Straßen. Im Bußebart selbst ist mit Ausnahme der im Hospital vorgekommenen Todesfälle nur eine einzige tödliche Erkrankung beobachtet und zwar in dem Hause Nr. 5. Dagegen kamen in der weiteren Verlängerung der langen Straße, beim grünen Tor, ebenfalls in einer dem Choleralazarett sehr nahe gelegenen Nachbarschaft, zwei Todesfälle vor; in Nr. 2 und in dem gegenüberliegenden Hause Nr. 11.

Die aus 37 Häusern bestehende Baustraße stellt die Fortsetzung der Himmelfahrtstraße gegen Süden dar, Sie hatte ebenfalls eine nur geringe Zahl von Todesfällen, nämlich 4, und diese kamen, mit Ausnahme eines einzigen, bei welchem die Wohnung nicht mehr zu erfahren war, sämtlich an ihrer Westseite vor.

Ebenso beschränkten die Todesfälle sich in der, parallel mit ihr verlaufenden Kuhstraße auf deren westliche Häuserreihe. Dieselbe besteht aus 16 Häusern; in einem derselben, Nr. 14, verstarben 3 Personen, die vierte tödliche Erkrankung ereignete sich in Nr. 8.
Eine größere Ausdehnung dagegen erreichte die Epidemie in den kleinen, östlich vom unteren Teil der Fischerstraße befindlichen Gässchen. Das Terrain hat hier ebenso, wie am Brink eine fast ganz ebene Beschaffenheit und steigt hinter der südlichen Seite der 'großen Lastadie allmählich bis gegen die lange Straße, so dass also auch dieser kleine Straßenkomplex am Fuße eines Hügels in der Ebene liegt. Seine südliche Grenze wird von der großen Lastadie gebildet, einer aus 19 kleinen Häusern bestehenden Straße. Aus ihr sind 7 Erkrankungen angemeldet, von welchen 4 ein tödliches Ende nahmen. Drei dieser letzteren kamen in Häusern der südlichen, einer in einem Hause der nördlichen Reihe vor.

Die Schützenstraße und die kleine Lastadie I bilden zwei parallel und sehr nahe bei einander, von der großen Lastadie gegen die Strandstraße zu verlaufende enge Gässchen, von denen die erstere einen Todesfall hatte, welcher in ihrem, am tiefsten gelegenen Hause (Nr. 6) vorkam, während in der letzteren sich 3 Todesfälle in 2 Häusern der Ostseite ereigneten.

An das untere Ende dieser beiden kleinen Gassen grenzen einige Häuser, welche schon in der Richtung der Strandstraße (hier auch „beim Kaiserturm" genannt) liegen. Ihre Zahl beläuft sich im Ganzen auf 5 und die Zahl der in ihnen vorgekommenen Todesfälle auf 3.

Erst östlich von dieser kleinen Häuserreihe, jenseits des Grapengießertores, beginnt die eigentliche Strandstraße, welche von hier bis zur Grubenstraße in einer Länge von etwa 155 Ruthen am Fuße der nördlichen Abdachung des Neustädter Hügels und in gleicher Ebene mit dem Strande verläuft. Eine Folge dieses Terrainverhältnisses ist es, dass der Abfluss aus der Straße häufig behindert wird. Namentlich findet man in der Nähe der Tore die Luft gewöhnlich verunreinigt, weil hier die aus den höher gelegenen Teilen der Neustadt herabströmenden Abflusswässer, wegen der plötzlich eintretenden horizontalen Beschaffenheit des Terrains, reichliche Gelegenheit zur Stagnation finden. Die bedeutende Länge der Straße erfordert eine gesonderte Betrachtung ihrer einzelnen in sehr verschiedenem Grade von der Krankheit mitgenommenen Teile.

Die ersten Todesfälle kamen vor am 18. und 19. Juli, auf der Strecke zwischen Wokrenter- und Schnickmannstor, unmittelbar, nachdem in der Wokrenterstraße eine tödliche Erkrankung stattgefunden hatte. Beide Fälle traten auf in dem an der Nordseite der Straße gelegenen Hause Nr. 68. Der erwähnte Straßenteil zählt 14 Häuser, von welchen 9 auf die Nordseite kommen. In diesen 9 Häusern sind im Ganzen 8 Todesfälle vorgekommen, während die gegenüberliegende Häuserreihe, mit Einschluss der beiden zur Wokrenter- wie zur Schnickmannsstraße gehörigen Eckhäuser, gänzlich frei blieb. Die 8 Todesfälle verteilten sich hier auf 5 Häuser und folgten im Allgemeinen langsam aufeinander. Der letzte von ihnen ereignete sich erst am 2. September.

Auf der Strecke zwischen Grubenstraße und Großen Mönchenstraße kam der erste tödliche Cholerafall in dem, ebenfalls auf der Nordseite gelegenen Hause Nr. 100 vor und in demselben Hause trat auch der letzte Todesfall in diesem Straßenteil (4. September) ein. Sämtliche in der Zwischenzeit eingetretene 5 Todesfälle ereigneten sich in Häusern der südlichen Reihe. Dieser Teil der Strandstraße besteht aus 24 Häusern, von welchen 15 auf die südliche, 9 auf die nördliche Seite kommen. Die 7 Todesfälle verteilen sich auf 5 Häuser.

In einem relativ sehr geringen Grade hatte die ganze, zwischen der Großen Mönchen- und Lagerstraße sich ausdehnende Strecke der Strandstraße zu leiden, obwohl eine ziemlich große Anzahl von Todesfällen in den tiefer gelegenen Häusern einzelner in sie' einmündender Straßen vorkam. Auf dieser ganzen, aus 24 Häusern bestehenden Strecke kamen nämlich nur drei tödliche Erkrankungen vor. Von denselben fallen 2 auf das Haus Nr. 86 der Nordseite, eine auf das Haus Nr. 22 der Südseite.

Auch in dem Teil der Straße, welcher sich hier zunächst anschließt, und zwischen Lager- und Wokrenter-Straße erstreckt, sind nur 2 Todesfälle, beide ebenfalls in 2 Häusern der nördlichen Straßenseite, vorgekommen.

Dagegen nimmt die Zahl der Todesfälle gegen das westliche Ende der Straße wieder bedeutend zu. Sie erreicht nämlich auf der Strecke zwischen Schnickmanns- und Grapengießertor die Zahl 11 und davon kommen 5 auf die südliche und 6 auf die nördliche Reihe dieses, aus 19 Häusern bestehenden Straßenteils, Sie verteilen sich hier im Ganzen auf 7 Häuser.

Die Zahl der aus der ganzen Strandstraße angemeldeten Erkrankungen beträgt 49, die Zahl der Verstorbenen 34. Davon kommen auf die, aus 49 Häusern bestehende Südseite 13 Fälle, auf die, aus 57 Häusern bestehende Nordseite 20 Fälle, während bei einem Falle die Wohnung nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Die 13 Fälle der Südseite kamen vor in 10 Häusern, die 20 Fälle der Nordseite verteilen sich auf 13 Häuser.
Parallel mit der Fischerstraße verläuft, östlich von ihr zunächst die Grapengießerstraße, deren Bewohner im Ganzen schon in etwas größerer Zahl dem bemittelteren Bürgerstande angehören, als in den westlich und südwestlich von ihr gelegenen Gegenden. Ihr höchster Punkt liegt, wie bei allen diesen zum Strande führenden Straßen, an ihrer Einmündungsstelle in die lange Straße und beträgt 37 1/4'. Von hier senkt sie sich bis zur Aalstecherstraße und großen Lastadie auf 9 1/4' und bis zum Tor auf 1 3/4' Nur in ihrer östlichen, aus 23 Nummern bestehenden Häuserreihe sind tödliche Erkrankungen vorgekommen, während die Westseite vollständig verschont blieb. Die Zahl der auf der Ostseite Verstorbenen beträgt 5 und verteilt sich auf 4 Häuser. Drei Todesfälle kommen auf den unteren, ans 9 Häusern bestehenden Straßenabschnitt, zwei Todesfälle auf den oberen, welcher 14 Häuser umfasst.

In der Badstüberstraße, welche die nach Osten hin zunächst folgende Strandstraße ist, kamen die 3 Todesfälle, auf welche die Krankheit hier beschränkt blieb, in 3 Häusern des oberen Straßenabschnittes vor. Ganz ebenso verhielt sich die dann zunächst folgende Schnickmannsstraße, in welcher außerdem nur noch ein Todesfall in einem Hause des unteren Straßenabschnitts sich ereignete. In beiden, die Grapengießer- mit der Schnickmannsstraße verbindenden Quergässchen kam nur ein Todesfall vor und zwar im Hause Nr. 3 der Aalstecherstraße.

Etwas größer war die Zahl der Todesfälle in den auf die Schnickmannsstraße zunächst nach Osten zu folgenden beiden Strandstraßen, der Wokrenter- und der Lagerstraße. Die erstere hatte im Ganzen 6 Todesfälle bei einer Zahl von 48 Häusern, Vier der Todesfälle kommen auf den oberen, zwei auf den unteren Straßenabschnitt. In der Lagerstraße betrug die Zahl der Todesfälle 7, von welchen drei in der westlichen, aus 22 Häusern bestehenden Straßenseite vorkamen, während 4 in der östlichen, aus 26 Häusern zusammengesetzten Reihe auftraten. Von den beiden Quergässchen, durch welche die Schnickmanns-, Wokrenter- und Lagerstraße mit einander in Verbindung stehen, hatte die eine, Sperlingsnest, einen, die andere, Pläterstraße, zwei Todesfälle.
Etwas tiefer, als die Reihe der übrigen Quergässchen, verlaufen die kleinen Verbindungsstraßen zwischen Lagerstraße, Borgwall und Koßfelderstraße. In diesen, zusammen 17 Häuser umfassenden Gässchen sind überhaupt nur 2 Todesfälle vorgekommen.

Der Borgwall ist die einzige Strandstraße, welche keinen Todesfall aufzuweisen hat, und in der Koßfelder- und Großen Mönchenstraße war die Anzahl der Verstorbenen auch nur eine relativ sehr geringe. Sie betrug nämlich dort 3, hier 2. Diese letzteren kommen beide, von den drei ersteren dagegen nur 2 auf die unteren Straßenabschnitte. Die Verbindungsstraße zwischen der Großen Mönchen- und Koßfelderstraße hatte ebenfalls, bei einer Zahl von 13 Häusern, nur einen Todesfall; dagegen kamen auf die kleine, von ihr zur Strandstraße führende Verbindungsgasse, die Weinstraße, 3 Todesfälle in zweien von den 6 Häusern der westlichen Straßenseite. Das Haus Nr. 1 in dieser Straße, welches 2 tödliche Cholerafälle hatte, ist klein, dicht bewohnt, hat auf seinem engen, gegen das Haus zu abfallenden Hofraum ein großes Dunglager, eine Schwindgrube unter der Latrine und gegen die Straße zu einen unter dem Hause verlaufenden, bedeckten Abzugskanal für die Flüssigkeiten des Hofes.

Der große Teil der Neustadt, welcher sich von der Ostseite der Kuhstraße, der Langenstraße, Schmiedestraße, dem Vogelsang, dem oberen Teil der Großen Mönchenstraße, der Kleinen Mönchenstraße, der Ostseite des größten Teiles der Grubenstraße, der Nordseite des Beguinenbergs und der Stadtmauer, so weit sie zwischen Stein- und Kröpelinertor verläuft, ausbreitet, hat fast nur sporadische Todesfälle gehabt. Indessen sind auch sie lange nicht in sämtlichen Straßen dieses Stadtteils vorgekommen, so dass während der Choleraepidemie beinahe ein Drittel der ganzen Stadt wenig oder gar nicht von der Krankheit gelitten hat.

Relativ am heftigsten wurde in diesen, fast ohne Ausnahme hochgelegenen Gegenden ein rings herum eingeschlossener, größtenteils von bejahrten Frauen, Arbeitsleuten, Schiffern und kleinen Handwerkern bewohnter Platz, der Heiligegeisthof, ergriffen. Derselbe liegt in seinem höchsten Punkte 43 3/4', in seinem tiefsten Punkte 38 3/4' über der Oberwarnow, und hat 47 Häuser. Im Ganzen sind auf diesem Platze 6 Todesfälle vorgekommen; doch verteilten dieselben sich auf die lange Zeit vom 25. Juli bis 7. September und waren daher häufig von größeren Intermissionen unterbrochen. Außerdem kam in dieser Gegend noch in der Pädagogien-Straße, welche die südliche Fortsetzung der Badstüberstraße darstellt, eine Anzahl von 3 Todesfällen vor. In den 22 Häusern, welche diese Straße umfasst, besteht die Bevölkerung ebenfalls größtenteils aus ärmeren Leuten.

Ganz vereinzelt dagegen blieben die Todesfälle am Jacobi-Kirchhof, der Buchbinderstraße, am Hopfenmarkt, dem Blücherplatz, der Kröpelinerstraße, dem Großen und Kleinen Katthagen, der Kibbenipperstraße, der Langen-, Breiten-, Schmiede- und Apostelstraße, der Krämer- und Kistenmacherstraße und vor dem Steintor in der Alexandrinenstraße. Einige von diesen vereinzelt vorgekommenen Fällen haben sich mit Bestimmtheit als solche nachweisen lassen, die aus infizierten Gegenden der Stadt eingeschleppt waren. So ist es z. B. konstatiert, dass der am 4. September in der Breitenstraße Nr. 14 vorgekommene Todesfall eine Person betraf, welche bereits krank aus der Gegend der nordwestlichen Ecke der Neustadt ins Haus gekommen war. Wenige Tage nach ihrem Tode zeigten sich in der Familie, bei welcher sie gestorben, 2 heftige Erkrankungen an Cholerine, doch blieben Haus und Straße von einer weiteren Verbreitung der Cholera verschont. Ebenso betraf die in der Langenstraße 74 vorgekommene tödliche Erkrankung eine bereits in hohem Grade cholerakrank aus Warnemünde eingetroffene Person. — Der schon am 13. Juli am Hopfenmarkt 32 vorgekommene Todesfall betraf einen 18jährigen Lehrburschen, welcher am 10. Abends oder 11. Morgens in dem damals infizierten Hause des Lichthaaken S. (Wollenweberstraße 28) gewesen war. Er soll sich hier freilich nur kurze Zeit aufgehalten, nach einigen Angaben aber während seiner Anwesenheit das Privet benutzt haben. Seine Leiche wurde bald nach seinem Tode nach Bentwisch gebracht und scheint hier die erste Reihe von Choleraerkrankungen veranlasst zu haben (siehe unten Bentwisch), — Ein besonderes Interesse gewährt noch eine am Neuen Markt Nr. 9 vorgekommene Erkrankung an der Cholera, insofern dieselbe anscheinend durch die Berührung mit der Wäsche eines Cholerinekranken veranlasst wurde. In diesem Hause befand sich nämlich gegen Ende des Monats August der Besitzer eines benachbarten, in sehr hohem Grade von der Cholera ergriffenen Gutes, welcher, selbst schon an ziemlich heftiger Cholerine leidend, nach Rostock abgereist war. Das übrige Hauspersonal war bis zu dieser Zeit gesund gewesen und die Desinfektion der Entleerungen wurde mit möglichster Sorgfalt vorgenommen. Am 31. August erkrankte darauf die Wäscherin des Hauses, nachdem sie eine am Tage vorher aufgetretene leichte Diarrhoe nicht weiter beachtet hatte, mit profusem Durchfall und Erbrechen und diese Erscheinungen entwickelten sich in den nächsten Tagen zur vollständigen Cholera, von welcher sie indessen genas. Diese Kranke war nicht in das Zimmer dem von auswärts hereingekommenen Cholerinekranken gewesen, hatte aber seine Bettwäsche gereinigt. Leichtere Grade von Cholerine oder Diarrhoe traten in diesen und in den nächsten Tagen bei fast allen Bewohnern des Hauses auf. *)
Ein kurzer Überblick über den Verlauf der Epidemie auf der gesamten Neustadt führt zu nachstehendem Ergebnis.

Bereits am 13. Juli, zu einer Zeit, wo die Altstädter Epidemie noch in der Entwicklung war, kam am Hopfenmarkt eine von der Altstadt eingeschleppte Erkrankung mit tödlichem Ausgange vor. Indessen blieb dieser Fall noch ebenso vereinzelt, wie die, einige Tage später in der Wokrenterstraße (18. Juli), in der Petersilienstraße (19. Juli), Koßfelderstraße (20. Juli) und Strandstraße (18. und 19. Juli) vorgekommenen Todesfälle. In den folgenden Tagen zeigten sich dann noch an den verschiedensten Punkten der Neustadt einzelne Fälle. So am Krönkenhagen (21. Juli), in der Buchbinderstraße (22. Juli), in der Pädagogienstraße (23. Juli), Kröpelinerstraße (23. Juli), Schnickmannsstraße (25. Juli), bis allmählich gegen Ende Juli die Verbreitung auf der Neustadt eine immer ausgedehntere wurde und die Erkrankungen in den einzelnen Straßen in schnellerer Reihenfolge sich häuften. Um diese Zeit begannen die Epidemien in der Fischerstrahe (28. Juli), der Lagerstraße (28. Juli), am Heiligengeisthof (28. Juli), der Weinstraße (30. Juli), der Grapengießerstraße (31. Juli). Eine größere Verbreitung zeigte die Epidemie zuerst nur östlichen Ende der Strandstraße und in der Nähe des Wokrentertors. Etwas später (Mitte August), als die Strandstraße schon in größerer Ausdehnung infiziert war, erreichte die Epidemie in der Fischer- und Lagerstraße ihren höchsten Grad; ebenso in den Nachbarstraßen des Brinks und am Brink selbst, wo erst spät (5. August) die erste tödliche Erkrankung vorgekommen war. In den ersten Tagen des September hatte die Verbreitung der Krankheit auf der Neustadt bereits einigermaßen nachgelassen. In größerer Ausdehnung bestand sie damals noch in der Strandstraße, Grapengießer-, Baustraße und kleine Lastadie I, bis nach dem 13. September nur noch vereinzelte Fälle auftraten, und endlich am 22. September der letzte tödliche Fall auf der Neustadt in der Fischerstraße 44 vorkam.

Folgendes sind die Namen der Straßen und Plätze, welche innerhalb der Stadt und in den Vorstädten vollkommen frei von tödlichen Cholerafällen geblieben sind:

Altbettelmönchstraße, Bagehl, Bei den alten Scharren, Blutstraße, Borgwall, Ellernbruch, Ellernhorst, Eselpföterstraße, Faule Grube, Kleine Faulestraße, Garbräterstraße, Glatter Aal, Hartestraße, An der Hege, Hinter dem Rathause, Auf der Huder, Johannisplatz, Johannisstraße, Auf dem Klosterhofe, Kronenstraße, Am Kuhberg, Bei der Marienkirche, Molkenstraße, Kleine Mönchenstraße, Mühlenstraße, Neue Markt, Pferdestraße, Pümperstraße, Rostocker Heide, Sackpfeife, Große Scharrenstraße, Am Schilde, Schwaansche Straße, Seidenstraße, Steinstraße, Vogelsang, An der Waage, Beim Waisenhof, Große Wasserstraße, Kleine Wasserstraße, Am Wendländer Schilde, Am Ziegenmarkt, Bleicherstraße, Brandesstraße, Bahnhof, Grüner Weg, Lindenstraße, Ludwigsstraße, Neue Wallstraße, Otternsteig, Paulsstraße, Prinzenstraße, Am Reifergraben, Reiferweg, Schießbahnstraße, St. Georg, St. Georgsplatz, St. Georgsstraße, Am patriotischen Weg.
Diese sämtlichen Straßen und Plätze umfassen eine Anzahl von 683 Häusern, während die Zahl der Häuser in den Straßen und Plätzen, an welchen tödliche Cholerafälle vorgekommen sind, 1.981 , beträgt.
Sehr verschieden war natürlich die relative Frequenz der Todesfälle auch an den epidemisch infizierten Straßen und Plätzen. In der nachstehenden Tabelle sind dieselben nach diesem Verhältnisse geordnet und bei der Berechnung der relativen Frequenz der Todesfälle ist für die Häuser der einzelnen Straßen und Plätze die Zahl 10 als Einheit zum Grunde gelegt.