Schwerin, den l. August. Die Witterung ist bisher für die Ernte besonders günstig gewesen, die daher auch schon bedeutend fortgeschritten. In der Stadt wird es durch die Entfernung vieler Familien, die in die Bäder oder aufs Land gegangen sind, oder andere Reisen machen, nachgrade etwas stille; nur Sonntags bemerkt man in diesem Sommer ein besonders reges Leben, indem nach allen Seiten hin zu Wasser und zu Lande Lustpartien in unsere herrliche Umgegend gemacht werden.

Die Bequemlichkeit unserer jetzigen Mietwagen trägt wohl mit hierzu bei; in sogenannten Holsteinschen Wagen will fast niemand mehr fahren, und es ist daher gar nichts Ungewöhnliches, Sonntags einige Dienstmädchen mit ihren Liebhabern in einem Wiener Wagen die benachbarten Lustörter besuchen zu sehen. Auch Wasserpartien werden häufig gemacht, und mehrere Familien haben sich seit kurzem eigene Boote dazu angeschafft; doch fährt man seit einigen Jahren weniger nach dem früher häufig besuchten Görslow, sondern mehr nach dem Kaninchenwerder und Zippendorf. Die Bewohner jener Insel scheinen indessen ungern Besuch aus der Stadt bei sich zu sehen, denn es ist kaum ein Glas Wasser für Geld und gute Worte von ihnen zu erhalten; mit desto lobenswerterer Bereitwilligkeit öffnet der Magistrat allen Klassen von Einwohnern das herrschaftliche Haus und den Garten zu Zippendorf, und ist es daher um so mehr zu bedauern, dass die dortigen Anlagen, die gewiss mit wenigen Kosten zu erhalten wären, seit einiger Zeit etwas in Verfall zu geraten scheinen. Brunnentrinken und Baden gehört diesen Sommer ebenfalls zur Tagesordnung. Die Badehäuser in der Vorstadt sind fast den ganzen Tag besetzt, und mehrere neue Anstalten zum kalten Baden in unsern Seen werden häufig besucht.

 

 

Aus: Freimütiges Abendblatt. 1826

 

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