Verschollene Inseln

Sand und Seebilder
Autor: Rodenberg, Julius (1831-1914) deutscher Journalist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1861
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Nordsee, verschollene Inseln, Halligen, Strand, Badevergnügen, Seebad, Helgoland, Sylt, Seefahrt, Lotsen, Segelboote, Hamburg, St. Pauli
Und eine Feder fällt
Herab, dass diesen Tag
Ich Sand und Möwenflug
Damit beschrieben mag.

    Freiligrath.

Mich aber treibt's, ein andres Land zu suchen.
Und ein Columbus ist mein ahnend Herz.

      Robert Prutz
Inhaltsverzeichnis
  1. Die Matrosen von St. Pauli (1859)
  2. Die Düne von Helgoland. (1852. 1859.)
    1. Die Fahrt des Mercators
    2. Venus und Adonis
    3. Arthur, der sich eine Braut aus den Wellen holt
    4. Die Türme von Hamburg
  3. Stilleben auf Sylt (1859)
    1. Westerland, am 10. August
Mein Herz ist dunkel wie die Nacht,
Die schon heraufzieht, dumpf und schwer;
Ich hab' mein Leiden mitgebracht,
Und trag' es an das große Meer.

Da steh' ich nun und schau' hinaus —
Hinaus vom letzten Dünenhang;
Umtost von Wind- und Flutgebraus,
Umglänzt vom Sonnenuntergang,

Es glänzt vor mir ein Zauberland
Mit Palmental und Kuppeldom,
Und um der blauen Berge Rand
Schlingt sich ein breiter Purpurstrom,

Die Landschaft blitzt, und golden winkt
Der Ferne süßer Dämmerschein;
Die Welle spricht, indem sie sinkt
Und steigt: O komm! O komm hinein!

O komm hinein! Da drüben liegt,
Da drunten Dein ersehntes Tal!
O komm, so lange sich noch wiegt
Auf uns'rem Schaum der letzte Strahl,

Bring mit Dir Alles, was noch Dein;
Erinn'rung, bis zum Letzten treu —
Bring mit Dir jede Seelenpein,
Und jeden Schmerz und Hass und Reu'!

Was Du Dir nie vergeben hast —
O bring' es mit, dass es versöhnt
Die sel'ge Stätte Deiner Rast
Als reifste Lebensfrucht verschönt.

Und bring' die Lieb' auch — o vergiss,
Vergiss sie nicht! Sieh' dort im Hain
Des Goldgewölks, das halb schon riss,
Soll Eure neue Wohnung sein.

Doch eil' Dich, eil' Dich — sieh', schon bleich
Und bleicher wird der Sonnenglanz;
Und eilst Du nicht ins Zauberreich,
So sinkt's vor Deinen Blicken ganz,

O komm, einsam Verlorner, komm!
Sieh! leise schon verrinnt der Duft;
Wenn jener Funke noch verglomm,
Begräbt's die eisige Meeresgruft.

Unsel'ger! sieh — die Friedensstatt
Drin Du mit Deinem Lieb sollst ruhn,
Sie dämmert nur noch falb und matt,
Und dunkler, dunkler wird es nun.

Und jetzt ... es sinkt ... es schwindet, weh!
Umsonst hebt jammernd sich die Hand;
Das Zauberland geht in die See,
Und Dunkelheit bedeckt den Strand,

Und was so süß noch eben klang,
Wie aus der Heimat Liebesruf,
Wird nun ein finst'rer Nachtgesang
Von Leiden, die man selbst sich schuf.

Und was, wie goldne Schwärmerei,
Noch eben Aug' und Ohr umfing,
Wird ein gewalt'ger Schmerzensschrei
Um eine Welt, die unterging.